17.11.2021

Startup-Politik: Die ewige Enttäuschung

Die meisten politischen Forderungen der heimischen Startup-Community sind so alt wie die Szene selbst. Ein neues Gründer:innen-Paket soll bald kommen. Die Erwartungen sind mitunter nicht hoch.
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Nationalrat - Startup-Politik
© Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Wenn heimische Organisationen aus dem Startup-Umfeld gemeinsam Forderungen an die Politik stellen, erleben aufmerksame Beobachter:innen regelmäßig ein Déjà Vu. So auch im Mai dieses Jahrs, als Austrian Angel Investors Association (aaia), Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO), Junge Wirtschaft (JW) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zwar erstmals in dieser Konstellation, aber doch zum Großteil wieder die bekannten Punkte zur Startup-Politik vorbrachten. Was viele vorsichtshalber nicht öffentlich sagen, brachte Österreichs bekanntester Business Angel Hansi Hansmann vor Kurzem im brutkasten-Interview auf den Punkt: “Ich bin schwer enttäuscht, was die Regierungen in den letzten fünf Jahren auf die Wege gebracht haben. Das war mehr oder weniger nichts”.

Gute Noten in 3 von 34 Punkten

Den Versuch einer Quantifizierung der heimischen Startup-Politik wagte – ebenfalls im Mai – AustrianStartups mit seinem “Policy Dashboard”. In diesem wird der Fortschritt bei Forderungen aus einem der Vorgänger des oben erwähnten Papiers aus 2019 beurteilt. Das Ergebnis: Die Bewertung “gute Weiterentwicklung” erreichten nur drei von 34 Themen. Immerhin 14 Punkte kategorisierte AustrianStartups mit “zurzeit im Gespräch / etwas Fortschritt”. Acht Forderungen fielen in die Kategorie “im Regierungsprogramm / Wille zur Veränderung bekannt gegeben aber noch wenig umgesetzt”. Bei neun wurde “keine Veränderung” attestiert. Das Bild ist einmal mehr: Es wird zwar immer wieder etwas angekündigt, zur Umsetzung kommt es aber selten.


Und was sind die großen Forderungen in der Startup-Politik? Der aktuelle Forderungskatalog aus fokussiert auf fünf Punkte:

  1. Eine unbürokratische Regelung zur Mitarbeiterbeteiligung, um Schlüsselkräfte inzentivieren zu können.
  2. Eine neue Rechtsform für Startups, in der etwa die Übertragung von Anteilen und Kapitalerhöhungen vereinfacht werden.
  3. Ein Beteiligungsfreibetrag, konkret eine Einkommenssteuergutschrift von mindestens 100.000 Euro je Investor:in.
  4. Die Einführung eines staatlichen Eigenkapital-Fonds, der neues Eigenkapital verdoppelt – ähnlich wie der ausgelaufene Covid-Startup-Hilfsfonds aus 2020.
  5. Ein Dachfonds, der dank breiter Risiko-Streuung Kapital von institutionellen Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen für Startup-Investments aktivieren soll.

Henrike Brandstötter | (c) NEOS

Sehr ähnlich hören sich auch die Vorstellungen der NEOS-Startup-Sprecherin Henrike Brandstötter an. Die genannten Forderungen bezeichnet sie gegenüber dem brutkasten als “richtig und wichtig”. Lediglich beim Dachfonds bremst sie: “Zuvor müssen wir jedoch noch den massiven Reformstau abarbeiten, um den Finanzierungsmarkt in Österreich anzukurbeln”. Den Private Equity Markt in Österreich hält Brandstötter für “völlig unterentwickelt”. Neben neuen Rahmenbedingungen für Beteiligungsfonds – konkret ein Modell nach Luxemburger Vorbild, dem Investitionsfreibetrag und der Mitarbeiterbeteiligung bringt sie auch Steuersenkungen, insbesondere bei den Lohnnebenkosten und einen Bürokratie-Abbau, vor allem beim Verfahren für die Rot-Weiß-Rot Karte vor. “Die Regierung kennt die Vorschläge alle, tut aber viel zu wenig”, attestiert die Mandatarin.

Startup-Politik: Reizthema Rot-Weiß-Rot-Karte

Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte spricht Brandstötter eines der großen Reizthemen der Startup-Szene an. Hansi Hansmann nimmt sich auch hier kein Blatt vor den Mund: “Dieses Thema haben wir schon tausendmal durchgenudelt – es ist mir wirklich peinlich, dass ich über die Rot-Weiß-Rot-Karte reden muss. Das ist so grauslich geregelt, das ist unglaublich. Sehr gute Startups, die sehr gute Leute aus dem nicht-europäischen Ausland holen wollen, können das nicht, obwohl sie ihnen jedes Gehalt zahlen würden”. Zu den “sehr guten Startups”, die der Business Angel anspricht, gehört wohl auch Österreichs erstes Unicorn Bitpanda. Dessen Gründer Eric Demuth hat bei dem Thema inzwischen gänzlich resigniert: “Nachdem wir es Jahre lang versucht haben, haben wir aufgegeben”, sagte er kürzlich im brutkasten-Talk.

Petra Oberrauner | (c) SPÖ
Petra Oberrauner | (c) SPÖ

Etwas anders gelagert sind die Vorstellungen von SPÖ Digitalisierungs- und Innovationssprecherin Petra Oberrauner zum Thema. “Die Rot-Weiß-Rot Karte sollte aus unserer Sicht dahin gehend vereinfacht werden, dass sie wirklich nur bei Schlüsselkräften sowie Hoch- und Höchstqualifizierten zur Anwendung gelangt”, kommentiert sie auf Anfrage des brutkasten. Generell sieht sie die Forderungen der Szene skeptischer: “Mitarbeiter:innenbeteiligungen können einen angemessenen Lohn nicht ersetzen. Als zusätzlicher Anreiz sind sie jedoch eine gute Idee”, meint sie. Und zu Beteiligungsfreibetrag und Eigenkapital-Fonds sagt Oberrauner: “Bei diesen Instrumenten stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich Lenkungswirkungen entfalten können, oder bloße Steuergeschenke wären. Letzteres würden wir jedenfalls ablehnen”. Stattdessen führt die Abgeordenete die unter SPÖ-Kanzler Christian Kern geplante und dann nicht umgesetzte Risikokapitalprämie ins Treffen.

Der Idee des Dachfonds kann sie etwas abgewinnen. Generell haben aus Sicht der SPÖ-Mandatarin aber etwas andere Dinge höchste Priorität für die heimischen Startups: “Zu den relevanten Themen zähle ich unter anderem den flächendeckenden Breitbandausbau und Projekte zur Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung, mit denen Startup-Gründungen erleichtert werden können. Hier sind dringend mehr finanzielle Mittel und politischer Umsetzungswillen nötig. Relevant sind auch die Fragen, wie wir Österreich interessanter für Investitionen machen und wie wir mehr qualifizierte Fachkräfte ausbilden können”. Für letzteres habe die SPÖ mit der Aufwertung der Lehre und dem Qualifizierungsgeld Neu im September Lösungsvorschläge eingebracht.

Wenig Optimismus beim Gründer:innen-Paket

Und wie geht es seitens der Regierung im Bereich Startup-Politik weiter? Nachdem Startups zur Enttäuschung der Szene in der angekündigten Steuerreform keine gesonderte Berücksichtigung gefunden haben, soll ein neues “Gründer:innen-Paket” das Bild bald gerade rücken. Als Kooperation zwischen Wirtschaftsministerium, Finanzministerium und Justizministerium soll dieses jedenfalls die geforderte neue Gesellschaftsform (FlexKap) und eine auf Startups zugeschnittene Form der Mitarbeiterbeteiligung beinhalten. Zudem sollen einige bereits im Regierungsprogramm angekündigte Punkte umgesetzt werden – dort war übrigens etwa von einem Dachfonds-ähnlichen Modell die Rede. Ob das Thema Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte angegangen wird, ist noch nicht durchgesickert.

Die Erwartungshaltung darin ist nicht nur bei NEOS-Mandatarin Brandstötter niedrig: “Ich werde mir diese Pakete – wenn sie endliche geliefert werden – genau ansehen”, sagt sie. Hansi Hansmann kommentiert lapidar: “„Ich erwarte mir auch jetzt nicht viel”. Warum, sagt er an anderer Stelle im Interview: “Es ist der Politik leider nicht klar, dass es sich bei Startups nicht um eine kleine Nische handelt”.


Anmerkung des Redakteurs: Anfragen an die Büros von Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Innovationsministerin Leonore Gewessler (Grüne) sowie an FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer blieben trotz Nachhakens über Wochen hinweg unbeantwortet.


Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten-Magazin #13 “Generations”.

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(c) Turbulence Solutions

Wer ein Flugzeug besteigt, der kennt sie: Turbulenzen. Kaum etwas kann einem den Flug so unangenehm machen wie das ruckartige Auf und Ab in der Luft. Was für die meisten Passagiere nur ein Ärgernis ist, kann in der Fliegerei schnell zu einem großen Sicherheitsrisiko werden. Genau hier setzt Turbulence Solutions an. Das Wiener Startup rund um Gründer und CEO András Gálffy verfolgt die Vision, Fliegen künftig komfortabler und sicherer zu gestalten – und zwar durch die gezielte Beseitigung von Turbulenzen.

So funktioniert das Turbulence Cancelling System

Die Unternehmensgründung von Turbulence Solutions erfolgte bereits im Jahr 2018, wobei mehrere Jahre Entwicklungszeit im sogenannten Turbulence Cancelling System (TCS) stecken. An der Maschine angebrachte Sensoren gewährleisten ruckelfreie Flüge, indem sie den Luftdruck messen und Turbulenzen erkennen, noch bevor sie auf die Flügel treffen. Herzstück des Systems ist eine Steuerungssoftware, die entsprechende Steuerimpulse für die Gegenturbulenzen berechnet. Die Technologie sorgt dafür, dass die eingebauten Flügelklappen rechtzeitig in die richtige Position gebracht und der Auftrieb erhöht oder verringert wird. “Mit dem derzeitigen Produktniveau können wir ca. 80 Prozent der Turbulenzen unterdrücken“, so Gálffy gegenüber brutkasten.

András Gálffy verfügt selbst über eine Pilotenlizenz | (c) Turbulence Solutions

System von Turbulence Solutions wurde bereits verbaut 

Das Turbulence Cancelling System wurde bereits in erste Flugzeuge des Modells Shark 600 verbaut. Dabei handelt es sich um ein Leichtflugzeug, das Platz für zwei Personen bietet. Dafür werden sogenannte Turbulence-Flaplets auf bestehende Klappen des Flugzeugs montiert. “Der Einbauprozess ist relativ einfach und dauert etwa einen halben bis einen ganzen Tag”, so Gálffy. Hierbei wird die bestehende Klappe des Flugzeugs entfernt und durch eine neue Klappe mit dem Turbulence-Flaplet ersetzt. Der Einbau selbst kann durch den Flugzeughersteller oder spezialisierte Wartungsbetriebe durchgeführt werden, wobei Turbulence Solutions das System-Design und die Steuerungslogik bereitstellen.

Erste Pre-Orders erfolgt

Das erste Halbjahr 2024 war für Turbulence Solutions von entscheidender Bedeutung. Im April 2024 erfolgte der öffentliche Launch auf der Aero Friedrichshafen, einer der wichtigsten Luftfahrtmessen in Europa. “Wir haben jetzt schon zwölf Pre-Orders, die schon bezahlt sind. Sie werden Ende des Jahres eingebaut und zertifiziert”, so der Gründer.

Turbulence Solutions verfolgt eine gezielte B2B-Strategie. Der Vertrieb erfolgt direkt über Partnerschaften mit Flugzeugherstellern und Wartungsbetrieben. Das Unternehmen setzt hierbei auf eine enge Zusammenarbeit mit Herstellern, die das System in neue oder bestehende Flugzeuge integrieren. Ein besonderes Augenmerk liegt derzeit auf dem Markt für Ultralight-Flugzeuge, der bereits jetzt Cashflow-positiv ist. Künftig soll das System aber auch in größeren Flugzeugen, wie Passagierjets, verbaut werden. “Unsere Vision lautet: Make flights turbulence-free. Und das möchten wir für die gesamte Luftfahrtindustrie umsetzen”, so Gálffy. Auch Zukunftsmärkte wie Advanced Air Mobility (AAM, fliegende Taxis) sollen künftig bedient werden.

Zudem ist András Gálffy Projektleiter im TU Wien Space Team | (c) Turbulence Solutions

Finanzierung und Unterstützung durch Austria Wirtschaftsservice

Bislang konnte Turbulence Solutions seine Entwicklung durch öffentliche Förderungen und Business Angels finanzieren. Die Erlöse aus den ersten Verkäufen sollen nun genutzt werden, um in neue Marktsegmente zu expandieren. 

“Von der Idee bis zur Marktreife war es ein langer Weg. Wir mussten nicht nur die Technologie perfektionieren, sondern auch den richtigen Markteintrittspunkt finden. Jetzt sind wir bereit, die Luftfahrt zu verändern“, so Gálffy weiter.

Eine wesentliche Unterstützung erhielt Turbulence Solutions dabei durch die Austria Wirtschaftsservice (aws), insbesondere über das aws Seedfinancing-Programm. Dieses Programm war entscheidend, um die Technologie zur Marktreife zu bringen. Durch das Seedfinancing konnte Turbulence Solutions wichtige Entwicklungsschritte finanzieren, die für den erfolgreichen Markteintritt notwendig waren.

“Die aws hat uns dabei nicht nur finanziell unterstützt. Die Beratung durch das aws-Team war für uns bei etlichen strategischen Entscheidungen sehr wichtig. Speziell in den Bereichen der Geschäftsmodellentwicklung, des geistigen Eigentums und des internationalen Markteintritts konnten wir von der Erfahrung der aws extrem profitieren”, so der Gründer. 

Zukunftspläne von Turbulence Solutions

Die nächsten Schritte für Turbulence Solutions beinhalten die Expansion in den Markt für größere Flugzeuge und fliegende Taxis sowie die weitere Forschung an fortschrittlichen Technologien. Mit der kontinuierlichen Verbesserung ihrer Systeme und dem Fokus auf neue Anwendungen sieht sich das Unternehmen auf einem guten Weg, die Luftfahrtindustrie nachhaltig zu verändern.

“Die Möglichkeiten sind enorm. Wir sehen Turbulence Cancelling als einen sehr wichtigen Beitrag für die Zukunft der Luftfahrt und arbeiten kontinuierlich daran, es für immer größere Flugzeuge und anspruchsvollere Einsatzgebiete zu adaptieren”, so Gálffy abschließend.


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