10.10.2016

Startup Guide: “Man kann überall durchstarten und wir wollen das zeigen.”

Wien bekommt einen Startup-Reiseführer. Der Brutkasten sprach mit den Dänen Sissel Hansen und Thoman Nymark Horsted, den Machern des Startup Guide. Im Interview erzählten sie, wie sie die Städte für ihr Buch auswählen und welche Startups besonders große Chancen haben hineinzukommen.
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(c) Daniela Carducci - weareunlikeyou.com: Startupeverywhere-Founderin Sissel Hansen und Co-Founder Thomas Nymark Horsted.

Sissel Hansen zog nach Berlin, weil sie mit ihrer Firma in Kopenhagen in Konkurs gegangen war. Die Lebenserhaltungskosten in der deutschen Hauptstadt lockten. Dort hatte sie die Idee zum Startup Guide und arbeitete eineinhalb Jahre daran. Sie begann mit 300 Exemplaren des Startup Guide Berlin. Nachdem die innerhalb weniger Tage verkauft waren, ließ sie weitere 3000 drucken. Nach einigen Monaten war das Buch wieder ausverkauft. Danach zog sie nach Aarhus, um dort zu studieren. Dort lernte sie ihren Co-Founder Thomas Nymark Horsted kennen und produzierte mit ihm das nächste Guidebook für die dänische Universitätsstadt. Nun kommt auch ein Startup Guide für Wien heraus. ende dieses Jahres wird es das Buch dann bereits für 10 europäische Städte geben.

+++ Wien bekommt einen Startup-Reiseführer – so kommt man hinein +++

Sissel, wie bist du auf die Idee gekommen?

Sissel: Es sind zwei Sachen. Erstens war ich gerade mit meinem ersten Startup gescheitert. Ich war ins kalte Wasser gesprungen und hatte versucht, aus dem Nichts heraus eine Firma aufzubauen. Nachher stellte ich mir die Frage: Was hätte ich anders machen müssen? Natürlich – ich hätte Wirtschaft oder etwas Ähnliches studieren können. Aber dafür war ich einfach nicht der Typ. Ich kam zu der Überlegung, wie man das enorme Potenzial, das am Markt für gute Ideen da ist, auch so nutzen kann.

Was war dein erstes Startup?

(c) Startup Everywhere: Sissel Hansen und Thomas Nymark Horsted bei der Präsentation des Startup Guide Lisbon.
(c) Startup Everywhere: Sissel Hansen und Thomas Nymark Horsted bei der Präsentation des Startup Guide Lisbon.

Sissel: Es war eine App, die Lokalbesucher mit dem Wirten bzw. Kellner verbindet. Man konnte damit direkt vom Tisch über das Smartphone bestellen. Ich hatte die Idee gehabt, als ich in einem Kaffeehaus arbeitete. Als ich mit einem Freund daran ging, die Idee zu realisieren, knüpften wir auch Kontakt mit jemandem von Microsoft. Er fand die Idee gut und wir konnten ein paar Developer an Bord holen. Wir brachten die App heraus, sie funktionierte einwandfrei, sie gefiel den Gästen, aber kein Lokal wollte sie kaufen. Nachdem ich es noch einige Zeit versucht hatte, wollte ich dann nicht mehr und gab auf.

Dann ging ich nach Berlin. Der Misserfolg, den ich mitbrachte, war für mich zugleich destruktiv und konstruktiv. Ich war nun in der Situation in dieser neuen Stadt zu leben, die ganz andere Werte, ein ganz anderes Mindset hat, wo sich ein hoher Grad an Internationalisierung mit althergebrachter deutscher Bürokratie trifft. Dort gab es schon so viele Ideen und so viele Erfahrungen und ich wollte das nutzen. Ein weiterer Punkt war meine eigene Neugierde, alles in Berlin kennenzulernen. Und ich habe schon immer Reiseführer geliebt. Ich reise gerne, und überall wo ich hinkomme kaufe ich einen Reiseführer, weil die einem immer gewisse Geheimnisse des Orts eröffnen. Da habe ich eine perfekte Analogie gesehen.

“Die Kombination aus Startups und Papier schien allen absurd.”

Also habe ich 2012 entschieden, das Projekt auf die Beine zu stellen. Aber niemand glaubte daran, niemand wollte es drucken. Die Kombination aus Startups und Papier schien allen absurd. Aber diesmal blieb ich stur. Ich bootstrappte das Projekt und brachte nach eineinhalb Jahren die ersten 300 Exemplare heraus, die fast alle noch am ersten Tag verkauft wurden. Da habe ich gesehen, dass ich tatsächlich einen „versteckten Markt“ gefunden habe.

Nach Berlin hast du den zweiten Startup Guide in Aarhus herausgebracht. Warum?

Sissel: Um ehrlich zu sein, weil ich damals begonnen habe, dort zu studieren, und zwar an der Kaospilot (Anm.: Eine private, alternative Wirtschaftsuni). Ich war sofort fasziniert davon, wie viel auf dem Startup-Sektor in der Stadt passiert, ohne dass die Leute darüber Bescheid wissen. Und die Stadt ist ja nicht sehr groß, sie hat gerade 260.000 Einwohner und ein riesiger Teil davon sind Studenten. Es gibt jede Menge Initiativen, aber keine strukturierte Kommunikation zwischen ihnen. Außerdem hatte ich natürlich den Ehrgeiz auszuprobieren, ob das, was an einem Ort so gut funktioniert hat, an einem anderen genauso gut geht. Dann habe ich dort auch noch Thomas getroffen. Er war mein Mentor auf der Kaospilot. Ich merkte, er ist die perfekte Ergänzung um das Projekt weiterzubringen. Er wurde zum Projektmanager und zu meinem Co-Founder und wir haben das Buch für Aarhus herausgebracht.

Dann habt ihr Startup Guides für mehrere skandinavische Städte gemacht. Und dann für Lissabon. Wie seid ihr dazu gekommen?

Sissel: (lacht) Willst du den wirklichen Grund?

Ja, ich will immer den wirklichen Grund.

Sissel: Nun, es gibt tatsächlich zwei Gründe. Der eine ist, dass Lissabon nach der Finanzkrise ab 2008 einen massiven Entwicklungsschub hatte. Portugal war extrem von der Krise betroffen und hat fast eine ganze Generation verloren. Aber sie haben es irgendwie geschafft, ganz im „Entrepreneural Spirit“ aufzugehen, obwohl das in Portugal traditionellerweise nicht verankert ist. Diese Entwicklung habe ich schon einige Zeit lang sehr gut von innen beobachten können.

Denn da kommt der zweite Grund ins Spiel: Meine Freundin ist Portugiesin und ich war dort schon mitten in der Startup-Szene. Ich dachte mir, wenn wir über diese junge Community ein Buch machen und mit ihr mitwachsen, wäre das genial. Und dann wurde auch noch beschlossen, dass der Web Summit nach Lissabon kommt. Ich war also nicht die einzige, die diese Entwicklung erkannt hat. Das war dann der perfekte Anlass. Wenn der Web Summit im November über die Bühne geht, werden wir den tausenden Investoren dort jeweils ein Exemplar unseres Buches geben. Das wird für uns eine riesige Marketing-Aktion.

+++ 700 Founder in Europa zu Startup-Hubs befragt: Wien auf Platz 10 +++

Und wie hat es Wien geschafft?

Sissel: Wir haben unseren nunmehrigen Wiener Projektpartner Thomas Maidorfer auf der South by Southwest in Austin getroffen. Er hat uns über die Wiener Szene erzählt, was uns ziemlich beeindruckt hat. Dazu kommt, dass Wien eine alte, reiche Stadt ist, die für so viel anderes, als Entrepreneurship berühmt ist. Es ist hier spannend anzusehen, wie Startups und Corporates zusammenarbeiten können, wie die Old und die New Economy zusammenkommen. Wien wird auch dadurch interessant, dass es so nahe an anderen Hubs der CEE-Region, wie Budapest, liegt. Dabei hat Wien von außen auf uns nie als der große Startup-Hotspot gewirkt. Ich glaube aber, dass sich das bald ändern wird. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten.

Thomas: Da möchte ich etwas hinzufügen. Es gibt verschiedene Strategien, wie wir Städte auswählen. Es hat mit welchen begonnen, in denen wir gewohnt haben – Berlin, Aarhus und Kopenhagen. Danach gab es plötzlich eine Nachfrage nach unserem Konzept. Wir haben das Business-Modell entwickelt, als wir nach Kopenhagen gezogen sind. Stellen, die wir in den Guides für Berlin und Aarhus noch einfach so drinnen hatten, wurde nun zu zahlenden Kunden. Damit haben wir das Geschäftsmodell auf stabile Beine gestellt.

Dann haben wir eine Website gelauncht, wo Menschen uns schreiben konnten, wenn sie für ihre Stadt einen Startup Guide haben wollen. Wir haben dann jede Menge Mails aus der ganzen Welt bekommen. Da haben wir auch gesehen, dass unser Konzept tatsächlich gut skalierbar ist. Logischerweise würde es dann nicht mehr funktionieren, wenn Sissel und ich überall hinziehen würden – wir wollen ja auch ein Privatleben haben. So haben wir das Modell mit Projektpartnern vor Ort kreiert. Jetzt wählen wir besonders Städte aus, die, wie Wien oder auch Trondheim und Aarhus, als Startup-Hub weniger bekannt sind. Oder sie bieten sich eben, wie Lissabon mit dem Web Summit, strategisch an.

“Man kann überall durchstarten und wir wollen das zeigen.”

Was ist euer Langzeit-Ziel? Soll es irgendwann für jeden europäischen Hub einen Startup Guide geben? Oder bleibt ihr bei unbekannteren Orten?

Thomas: Es bleibt im Moment eine Mischung aus beidem. So lange das Projekt finanziert werden kann und es für eine Stadt genug Inhalt, Nutzen und Willen gibt, wollen wir auch den Startup Guide für dort machen. Natürlich sind auch die großen, bekannten Hubs spannend. Auch die Nachfrage ist dort besonders groß. Für uns sind die kleinen aber ebenso spannend und für sie ist es wichtig, dass sie mit unserem Buch, unserer Marke ihr Image als attraktiver Startup-Hub noch verbessern können. Der Plan ist, dass wir nächstes Jahr bei insgesamt 20 europäischen Städten sind und zugleich noch andere Märkte testen. Wir wollen jeweils einen Guide für eine afrikanische, eine asiatische und eine nordamerikanische Stadt machen. Dann werden wir sehen, ob unser Konzept auch dort aufgeht. Aber genau deswegen heißt unsere Firma jetzt auch Startup Everywhere. Man kann überall durchstarten und wir wollen das zeigen.

Worauf achtet ihr bei der Auswahl der Startups, die in das Buch kommen?

Sissel: Es kann ja jeder jeden nominieren und wir haben ganz unterschiedliche Kategorien im Buch – von Social Startups über Hardware zu Mode. Dann gibt es ein Voting von uns und dem lokalen Team. Wichtig ist: Wir brauchen unterschiedliche Startups. Es gibt kein Startup, das für den Guide nicht relevant ist. Wir wollen so viele unterschiedliche Typen, wie möglich. Und wir brauchen nicht nur die großen Erfolgsstorys. Es geht auch um Persönlichkeiten. Wir machen kein Ranking nach den höchsten Investments, oder so.

“70 Prozent sind aus dem Tech-Bereich. Wir wollen aber unbedingt auch die anderen drinnen haben.”

Thomas: Man kann uns auf jeden Fall nicht überreden oder bestechen. Aber es gibt schon etwas: Wenn jemand ein wirklich interessantes Startup hat, das nicht im Tech-Bereich ist, hat er eine größere Chance. Denn etwa 70 Prozent der Startups in unserem Buch werden aus dem Tech-Sektor sein, sei es nun Software, FinTech oder MedTech – da gibt es einfach die meisten. Wir wollen aber unbedingt auch die anderen drinnen haben: Social Startups, Leute die mit Mode oder Essen arbeiten. Oder welche, die einfach ein ganz neues, innovatives Business-Modell für etwas wie ein Restaurant haben.

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Wie steht es um die Haltung und Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit in der heimischen Wirtschaft? Ein umfassendes Bild liefert eine neue Befragung der Unternehmenberatung Deloitte, die gemeinsam mit Foresight im Herbst 2024 über 400 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen befragt hat.

Strategische Verankerung fehlt

Das Ergebnis: Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Nachhaltigkeit. So schätzen 86 Prozent der Befragten das Thema als entscheidend für ihren künftigen Geschäftserfolg ein. Zudem haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung eingeleitet, etwa durch Photovoltaikanlagen oder den Umstieg auf grünen Strom. Diese Maßnahmen bleiben laut Deloitte jedoch häufig oberflächlich. Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft – inklusive klarer Zielsetzungen – ist oft nicht ausreichend ausgeprägt.

“Zwar setzen viele Betriebe bereits Einzelmaßnahmen um, aber es fehlen die strategische Verankerung sowie klar definierte und laufend überprüfte Nachhaltigkeitsziele. Die nachhaltige Transformation kann allerdings nur mit einem klaren strategischen Fokus gelingen“, so Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory & Financial Advisory bei Deloitte Österreich.

Geschäftskunden üben Druck aus

Besonders der Druck aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen treibt Unternehmen an. 60 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Geschäftskunden (30 Prozent) sowie öffentliche und private Kunden die Haupttreiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind. Dieser Druck wird durch strikte Berichtspflichten und die zunehmende Nachfrage nach Transparenz verstärkt.

Im Fokus vieler Nachhaltigkeitsagenden steht vor allem die Reduktion der CO2-Emissionen. 61 Prozent der Befragten haben dazu zwar mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen, hinsichtlich der erwartbaren Kosten für eine umfassende Dekarbonisierung herrscht aber große Unsicherheit. So kann oder will über ein Drittel (39 Prozent) derzeit keine Angaben über die diesbezügliche Kostenveranschlagung des Unternehmens machen.

Investitionsbereitschaft geht zurück

Gleichzeitig geht auch die Investitionsbereitschaft zurück: Der Anteil jener Betriebe, die von 500.000,- bis über fünf Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Dekarbonisierung aufwenden wollen, ist von 26 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent gesunken.

Ein wesentlicher Stolperstein ist die fehlende Klarheit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht. Rund ein Viertel der Unternehmen in Österreich weiß noch nicht, ob sie von der neuen Berichtspflicht betroffen sind, was Unsicherheiten bei der Planung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie für viele kleinere Unternehmen eine fast unüberwindbare Hürde.



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