21.10.2019

Startup-Finanzierung: Starker Anstieg in Europa, Rückgang in Österreich

Laut dem nun erschienenen EY Startup-Barometer für das erste Halbjahr 2019 erreicht die Startup-Finanzierung in Europa ein neues Rekordniveau. In Österreich entwickelten sich die Volumina entgegen des Trends negativ.
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Startup-Finanzierung - Anstieg in Europa, Rückgang in Österreich
(c) Adobe Stock / peshkov

Um satte 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg das europaweite Volumen in der Startup-Finanzierung laut EY Startup-Barometer für das erste Halbjahr 2019. Ganze 16,9 Milliarden Euro wurden demnach in Unternehmen, die jünger als 10 Jahre alt sind, von Jänner bis Juni in Europa investiert. Allein 6,7 Milliarden davon flossen im Vereinigten Königreich (davon 5,7 in London), 2,8 in Frankreich (Paris: 2,2) und 2,7 in Deutschland (Berlin 2,0). Großbritannien verzeichnet demnach trotz Brexit einen regelrechten Boom. Frankreich manifestiert sich nach einigen gezielten politischen Maßnahmen auf Platz 2 vor Deutschland.

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Startup-Finanzierung: Schrumpfendes Volumen in Österreich

Österreich ist von derartigen Volumina derzeit weit entfernt. Es landet im Europa-Vergleich auf dem 17. Platz. Entgegen des allgemeinen Wachstumstrends bei den Investment-Summen (UK: plus 112 Prozent; F: plus 43 Prozent; D: plus 7 Prozent), sank das Gesamtvolumen hierzulande im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 103 auf 90 Millionen Euro. Das Durchschnittsvolumen der von EY berücksichtigten Finanzierungsrunden brach damit von 3,7 auf 2,5 Millionen Euro ein.

Einzig die Gesamtzahl der Kapitalrunden stieg in Österreich von 25 auf 36 an. “Es fehlen hierzulande nach wie vor die ganz großen Ideen für die ganz großen Finanzierungsrunden”, mutmaßt Thomas Gabriel, Partner und Leiter der Startup-Initiative bei EY Österreich.

“Lücke, die es zu schließen gilt”

“Im europäischen Vergleich hat die österreichische Startup-Szene immer noch Aufholbedarf. Der Anteil des Investitionsvolumens für heimische Jungunternehmen am gesamten europäischen Kuchen liegt bei einem halben Prozent, der Anteil Österreichs an der Wirtschaftsleistung hingegen erheblich über zwei Prozent. Hier zeigt sich eine Lücke, die es im Sinne des Wirtschaftsstandorts Österreich zu schließen gilt”, so Gabriel weiter.

Zum Vergleich: Während die Top 10 Investments in Österreich im ersten Halbjahr ein Durchschnittsvolumen von rund acht Millionen Euro aufweisen, liegt dieses in der Schweiz bei 41 Millionen Euro und in Deutschland bei 151 Millionen Euro.

Hookipa vor Adverity und USound

Auf das größte Investment-Volumen kam in Österreich im ersten Halbjahr das Biopharma-Startup Hookipa Biotech, mit Sitz in Wien und New York, mit umgerechnet rund 33 Millionen Euro. Auf Platz zwei liegt das Marketing Analytics Software-Startup Adverity mit elf Millionen Euro, gefolgt vom Grazer Mikrolautsprecher-Startup USound, das sich rund neun Millionen Euro holte.

Zwei UK-Startups unter Top 3

Europaweit gibt es derweil einen neuen Rekord bei Mega-Kapitalrunden: Die Zahl der Transaktionen, bei denen 100 Millionen Euro und mehr geflossen sind, hat sich von zwölf auf 26 mehr als verdoppelt. Die größte Startup-Finanzierung des ersten Halbjahres ging an das britische Internet-Satelliten-Startup OneWeb, das 1,1 Milliarden Euro erhielt.

Die zweitgrößte Transaktion war eine 885-Millionen-Euro-Runde für den schwedische Batteriehersteller Northvolt, an der sich unter anderen Volkswagen und BMW beteiligten. Auf Rang drei folgt das Finanzdienstleistungsunternehmen Greensill Capital UK Ltd mit einer Finanzierung von mehr 700 Millionen Euro.

⇒ Zum EY Startup-Barometer

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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