20.08.2021

Das sind Österreichs erfolgreichste SpaceTech-Gründer im Weltall

Österreich hat in den letzten Jahren zahlreiche erfolgreiche SpaceTech-Gründer hervorgebracht, die international die Kommerzialisierung der Raumfahrt vorantreiben. Wir haben einen Blick auf ihre Erfolge und Geschäftsmodelle geworfen.
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SpaceTech
(c) Enpulsion/Spire/PeakTechnology

In der Geschichte der Raumfahrt nutzten lange Zeit große Staaten den Weltraum, um ihre technologische Macht zu demonstrieren. Mittlerweile treiben nicht nur Regierungen, sondern auch visionäre Unternehmer die Entwicklungen voran. Unter ihnen sind auch SpaceTech-Gründer aus Österreich, die mit ihren innovativen Technologien und Geschäftsmodellen auf internationaler Ebene erfolgreiche Impulse für die Kommerzialisierung der Raumfahrt setzen – angefangen von der Satellitentechnologie für die Erdbeobachtung bis hin zur Materialentwicklung für Trägerraketen.

Von Trägerrakete bis hin zur Software

Ein Blick auf die heimische SpaceTech-Landschaft zeigt: In den letzten Jahren gab es in Österreich zahlreiche Gründungen innovativer Unternehmen, deren Technologien in unterschiedlichsten Bereichen der Raumfahrt zur Anwendung kommen. Das Spektrum ist vielfältig und reicht von Komponenten für Trägerraketen bis hin zu Softwaresystemen für die Satellitenkommunikation. Neben Firmen, die als Zulieferer fungieren, gibt es hierzulande auch innovative Startups, die ihr Geschäftsmodell voll und ganz dem Weltraum verschrieben haben.

Hidden Champion aus Niederösterreich

Ein wahrer Hidden Champion auf diesem Gebiet ist das 2016 gegründete Unternehmen ENPULSION, das als Spin-off der FH Wiener Neustadt Forschungstochter FOTEC hervorgegangen ist. ENPULSION hat mittlerweile am internationalen Markt erfolgreich Fuß gefasst und gilt in seinem Segment als globaler Technologieführer. Die Firma hat sich auf die Entwicklung und Produktion von Antriebssystemen für Mini-Satelliten spezialisiert.

2018 konnte das Team rund um Gründer und CEO Alexander Reissner das erste  FEEP-Ionentriebwerk (Field Emission Electric Propulsion) erfolgreich im Weltall zünden. Ionentriebwerke kommen als Sekundär-Triebwerke zum Einsatz, um kleinere Kurskorrekturen von Satelliten und Sonden vorzunehmen. Aufgrund ihrer geringen Masse ist diese Antriebsart für einen energieeffizienten Dauerbetrieb ausgelegt.

ENPULSION Gründer und CEO Alexander Reissner | (c) ENPULSION

Erfolgreiche Internationalisierung

In der Technologie von Enpulsion stecken mehr als 15 Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit, wobei das Unternehmen eng mit der European Space Agency (ESA) zusammengearbeitet hat. Mittlerweile sind mehr als 60 Triebwerke des Hidden Champions aus Niederösterreich erfolgreich im Weltraum im Einsatz.

Neben dem Standort in Wiener Neustadt unterhält das Unternehmen zudem einen Standort in den USA. “Wir haben weltweit mehr als 30 Kunden. Ein typischer Tag von mir beginnt morgens mit einem Telefonat nach Singapur und endet mit einem Video-Call in der Nacht in die USA”, so Reissner über seinen Arbeitsalltag. 40 Prozent der Aufträge kommen aus den USA, 40 Prozent aus Europa, der Rest verteilt sich auf Japan, Südkorea und andere asiatische Staaten. 

Risikokapital-Investitionen für SpaceTechs

Um von der Forschung in die Serienproduktion übergehen zu können, hat Enpulsion im Jahr 2017 eine Finanzierungsrunde in Millionenhöhe abgeschlossen. Zudem konnte sich Reissner in der frühen Gründungsphase eine Förderung aus dem Horizon 2020 Programm sichern. Weitere Unterstützung erhielt das Unternehmen vom niederösterreichischen Hightech-Inkubator accent und durch das aws Seedfinancing der Austria Wirtschaftsservice.

“Aufgrund unseres technologischen Know-Hows sind wir mit einer relativ hohen Bewertung in die erste Finanzierungsrunde gegangen und haben schlussendlich Investoren gefunden, die gewillt waren, längerfristig in ein DeepTech zu investieren”, so Reissner. Im forschungsintensiven Upstream-Sektor – Entwicklung von Raumfahrt-Infrastruktur – handelt es sich dabei laut Reissner um keine Selbstverständlichkeit: “Für SpaceTechs besteht in diesem hochkompetitiven Segment immer die Gefahr, dass aufgrund langer Entwicklungszeiten die typischen Investitionszyklen von Risikokapital-Investoren nicht befriedigt werden können”, so Gründer.

In der Raumfahrt wird zwischen „Upstream“- und „Downstream“-Sektoren unterschieden. Upstream umfasst alle Aktivitäten, die zu einer Entwicklung von Infrastruktur für die Raumfahrt führen wie Forschung und Entwicklung, Satellitenproduktion, Trägersysteme und den gesamten Betrieb dieser Infrastruktur. Der Downstream-Bereich basiert im Wesentlichen auf der kommerziellen Nutzung von Daten und Services für Endkunden auf der Grundlage von Kommunikation, Navigation und Erdbeobachtung.

Upstream-Sektor im Umbruch

Ähnliche Herausforderungen in Bezug auf die Risikokapitalfinanzierung sieht auch Florian Günther, Gründer und CEO des niederösterreichischen SpaceTechs Space-Lock. Das in Brunn am Gebirge angesiedelte Unternehmen, hat sich auf die Entwicklung und Produktion von Mechatronik-Komponenten für Satelliten spezialisiert und ist somit auch im Upstream-Segment tätig ist. “Die Entwicklungszeiträume bei SpaceTechs sind einfach länger und somit für Investoren risikoreicher”, so Günther.

Doch auch der hochkomplexe Upstream-Markt befindet im Umbruch: Wurden früher einige wenige Satelliten gebaut, die groß und teuer waren, so geht der Trend nun zu tausenden kleinen Satelliten pro Jahr. Sogenannte Nanosatelliten, die oftmals nicht größer als eine Schuhschachtel sind, können mittlerweile kostengünstig in der Massenproduktion gefertigt werden. Dieser Umbruch am Markt, schafft auch für kleinere Startups, wie Space-Lock, enorme Marktpotenziale. Zudem können durch die zunehmende Standardisierung die Effekte der Economies-of-Scale genutzt werden.

Florian Günther | (c) Spacelock

ESA als Partner für Startups

Wie Günther erläutert, sei die Entwicklung der Mechatronik-Komponenten allerdings nur durch eine Co-Finanzierung ESA möglich gewesen. Im Zuge der Gründung im Jahr 2019 absolvierte das Startup den Inkubator des ESA Business Incubation Center (BIC) am Science Park Graz. Das ESA BIC Austria fördert seit 2016 Weltraum-Startups mit technologischer und betriebswirtschaftlicher Expertise und zählt damit in Österreich zu der Anlaufstelle für Unternehmensgründungen im Bereich Raumfahrt.

Durch die Teilnahme am Programm erhielt Space-Lock eine Startfinanzierung in der Höhe von 50.000 Euro, Zugang zu Büroräumlichkeiten sowie technisches als auch betriebswirtschaftliches Coaching. Zudem nahm das SpaceTech an ARTES-Projekten der ESA teil und konnte so sein Standing im Bereich der Satellitenkommunikation weiter ausbauen – ARTES steht für “Advanced Research in Telecommunications Systems”. “Als Startup ist es generell schwer Ansprechpartner im Weltraum-Bereich zu finden, die Teilnahme am ESA BIC Austria war für uns wie Gütesiegel, das uns bei Gesprächen mit potenziellen Kunden natürlich sehr geholfen hat”, so Günther über die Zusammenarbeit. 

Die ESA und ihr Space Entrepreneurship Network

Ein Blick auf die Zahlen bestätigt, dass die ESA über das weltweit größte Space Entrepreneurship Network verfügt und somit in unverzichtbarer Player für die Gründung von SpaceTechs in ganz Europa ist. Wie Frank Salzgeber, ESA Head of Innovation and Ventures Office, erläutert, werden jedes Jahr über 220 neue Startups in den insgesamt 22 ESA BICs unterstützt.

Insbesondere der Seed-Bereich in der Vorgründungsphase sei laut Salzgeber spielentscheidend, damit Europa am internationalen Parkett vorne mitspielen kann. Neben einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen den ESA-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission braucht es in Europa allerdings auch Corporates, die europäische SpaceTechs bei Großaufträgen künftig noch besser mitnehmen, so Salzgeber.

15 Milliarden für die Europäische Raumfahrt

Auf europäischer Ebene gab es erst unlängst ein starkes Zeichen: Ende April kündigte die Europäische Union an, bis 2027 ein Budget von rund 15 Milliarden Euro bereitzustellen, um europäische Weltraumprogramme, wie Galileo, Copernicus & Co, zu stärken und neue Initiativen im Bereich der Erdbeobachtung zu setzen.

Laut Margrethe Vestager, die als EU-Kommissarin für Digitales zuständig ist, bildet das Budget die Basis für den digitalen und ökologischen Wandel Europas und soll darüber hinaus ein Impuls für krisengeschüttelte Wirtschaft sein.

Im Rahmen des Budgets wird unter anderem ein Fokus auf Startups gelegt werden. Konkret soll dies über den mit einer Milliarde Euro ausgestatteten Weltraum-Investitionsfonds Cassini erfolgen – Cassini steht für “Competitive Space Startups for Innovation”. Über den Fonds werden Startups und Innovationsprojekte gefördert, damit Europa eine weltweite Drehscheibe des Unternehmertums im Weltraum-Sektor wird.

Das neue “Space-Race”

Mit dem bislang größten Budget für Raumfahrt möchte die Europäische Union in erster Linie ihre Autarkie gegenüber den USA, Russland und China stärken. Insbesondere der Upstream-Sektor bildet die Basis für eine Reihe kritischer Infrastrukturbereiche – angefangen von Satelliten für Navigation und Kommunikation bis hin zur militärische Aufklärung.

Obgleich in den USA private Unternehmen, wie SpaceX rund um Elon Musk, den Ton angegeben, bedarf es auch dort staatlicher Unterstützung. Dieter Grebner, Gründer und CEO des oberösterreichischen Unternehmens Peak Technology, das ebenfalls im Upstream-Sektor tätig ist, erläutert: “Die Finanzierung von SpaceX ist noch immer von der öffentlichen Hand und Aufträgen der NASA abhängig. Der Vorteil den SpaceX gegenüber der NASA bietet: die Organisation ist viel agiler aufgestellt und kann somit Problemstellungen schneller abarbeiten.” In der Tat ist es SpaceX gelungen den Preis für Satellitenstarts auf ein Zehntel der früher üblichen Summen zu drücken – auch für staatliche Projekte von entscheidender Relevanz. 

Ein Hidden Champion aus Oberösterreich

Grebner hat 2007 Peak Technology mit Sitz in Holzhausen bei Wels gegründet und sich in der Vergangenheit mit der Produktion von Leichtbauteilen für die Formel 1 und Raumfahrt einen Namen gemacht. Das Unternehmen konnte auch prestigeträchtigen Aufträge an Land ziehen. So hat Peak Technology die VEGA-Rakete der ESA mit Hitzeschutzschildern ausgestattet.

Zusammenarbeit mit Isar Aerospace

Zudem arbeitet Grebner mit seinem Team eng mit dem Münchner Raumfahrt-Startup Isar Aerospace zusammen, das sich 2020 ein 75 Millionen US-Dollar schweres Investment sichern konnte, das 2021 auf insgesamt 165 Millionen US-Dollar erweitert wurde. Mit dem Kapital in dreistelliger Millionenhöhe soll 2022 die erste deutsche Trägerrakete ins All gebracht werden – bisher sind die Trägerkapazitäten der Flaschenhals für Satellitenhersteller oder Telekommunikationsunternehmen beim Zugang zum Weltall.

“Für Isar Aerospace entwickeln und fertigen wir die komplette Raketenstruktur”, so Grebner über die Technologiepartnerschaft mit dem deutschen Raumfahrt-Startup. In der zweistufigen Rakete von Isar Aerospace steckt allerdings nicht nur eine Menge Technologie-Know-how aus Österreich, sondern hat mit Daniel Metzler auch einen gebürtigen Österreicher als Co-Founder.

Daniel Metzler (g.r.) mit Co-Foundern | (c) Isar Aerospace

Millionenauftrag für das Galileo-Projekt

Neben der Zusammenarbeit mit Isar Aerospace gab das Unternehmen erst Anfang August eine erfolgreiche Galileo-Vertragsunterzeichnung mit Airbus bekannt. Damit sichert Peak Technology die Beteiligung am Galileo-Projekt, dem Navigationssatellitensystem der EU. Das Auftragsvolumen des Weltraum-Deals beträgt zwei Millionen Euro, hergestellt werden die Treibstoff-Tanks für den Antrieb der nächsten Galileo-Satellitengeneration. Sie zählen zu den kritischsten Komponenten des Satelliten und sichern die Einsatzfähigkeit über 15 Jahre hinweg.

Spire: Österreicher an der New Yorker Börse

Dass Österreicher in der Raumfahrt in der Top-Liga mitmischen, beweist auch das Beispiel des Unternehmens Spire Global rund um CEO und Mitgründer Peter Platzer. Der gebürtige Mödlinger gründete 2012 das in San Francisco ansässige Unternehmen und konnte nach Angaben von Crunchbase für die Entwicklung und Produktion von sogenannten Nanosatelliten bisher knapp 223 Millionen US-Dollar von Investoren einsammeln. Derzeit befinden sich mehr als 100 Satelliten des Unternehmens im All, die Daten für die See- oder Luftfahrt bereitstellen.

Daniel Metzler | (c) Spire

Zu den Kunden zählen neben großen Konzernen auch zahlreiche Regierungen. Im Frühjahr diesen Jahres kündigte Spire Global eine Fusion mit dem Special Purpose Akquisition Company (SPAC) NavSight Holdings an, der im Sommer erfolgreich über die Bühne ging. Laut einer Aussendung hat der Merger-Deal mit dem SPAC NavSight Holdings rund 265 Millionen US-Dollar in die Unternehmenskassen gespült. Zudem notiert Spire Global nun unter dem Kürzel SPIR im NYSE.

Laut Spire habe man bereits jetzt eine der größten Konstellationen von Multifunktions-Satelliten (im Gegensatz zu Starlink von SpaceX nicht linear sondern verteilt angeordnet) im niederen Erd-Orbit und plane, sich weiter zu verstärken.

Erdbeobachtung als Weltretter

Wie Martin Mössler, Managing Director Science Park Graz und General Manager des ESA BIC Austria erläutert, war die Raumfahrt lange Zeit geprägt vom sogenannten “Space Race” der USA und UdSSR. Dieses Rennen um die medienwirksamsten Erfolge gehört allerdings der Vergangenheit an. Im 21. Jahrhundert stehen Kooperationen im Vordergrund, die in Anbetracht der Klimakrise innovative Lösungen im Bereich der Erdbeobachtung hervorbringen. Satelliten liefern essentielle Klimadaten, die man sonst nämlich nicht bekommt – angefangen vom Anstieg des Meeresspiegels bis hin zur Eisbedeckung der Arktis und Antarktis.

Zudem wurde mit der Neubestellung Josef Aschbachers als neuen ESA-Generaldirektor in diesem Bereich ein starkes Zeichen gesetzt. Der 58-jährige aus Tirol stammende Geophysiker ist nicht nur der erste Österreicher in dieser Position, sondern war zuvor auch Direktor für die Erdbeobachtungsprogramme der ESA. Bereits im Vorfeld seiner Bestellung zum neuen ESA-Generaldirektor kündigte Aschbacher an, in diesem Bereich künftig vermehrt Schwerpunkte setzen zu wollen.


Martin Mössler, Managing Director Science Park Graz sowie General Manager ESA BIC Austria und Frank Salzgeber, Head of Innovation and Ventures Office, European Space Agency | (c) Christian Jungwirth

Junge Gründer mit internationalem Erfolg

Neben Aschbacher mischen aber auch junge und innovative österreichische Gründerpersönlichkeiten im Bereich der Erdbeobachtung international mit und leisten somit einen wichtigen Beitrag für die Bekämpfung der Klimakrise. Ein Beispiel ist der gebürtige Villacher Thomas Grübler, der 2018 gemeinsam mit drei weiteren Mitstreitern das in München ansässige Startup OroraTech gegründet hat. Das Startup hat eine Technologie zur Früherkennung und Überwachung von Waldbränden entwickelt. Erst Anfang Juni diesen Jahres sicherte sich der Österreicher gemeinsam mit seinen Co-Foundern ein 5,8 Millionen Euro schweres Investment.

(c) Oroatech

Neben sogenannten Nanosatelliten kommt hierfür eine SaaS-Plattform zur Anwendung, die eine Verarbeitung von satellitengestützter Echtzeitinformationen ermöglicht. Die Technologie wurde Anfang 2020 auf den Markt gebracht und zählt mittlerweile namhafte Kunde – darunter befindet sich beispielsweise der australische Staat, eine kanadische Provinz oder einer der fünft größten Versicherer weltweit.

Zudem wurde das Unternehmen als eines von elf Startups, bei 1200 Bewerbungen, für den „Google for Startups Accelerator on the Sustainable Development Goals“ ausgewählt, um seine SaaS-Plattform weiterzuentwickeln. Aktuell arbeitet das Startup mit der ESA und Weltbank gemeinsam an einem Projekt, um den Methanausstoß in der Atmosphäre zu tracken, der durch die Abfackelung im Zuge Erdgas- und Erdölproduktion entsteht. “Der Klimaschutz ist ein Kernelement von OroraTech und treibt uns jeden Tag auf’s Neue an”, so der junge österreichische SpaceTech-Gründer über die Zielsetzung seines unternehmerischen Handelns. 


Podcast Tipp der Redaktion:

Im Juli haben wir uns bei Editor’s Choice Richard Bransons Flug ins Weltall gewidmet. Zu Gast waren Frank Salzgeber, Head of Innovation der ESA, und Martin Mössler, General Manager des ESA BIC Austria, die über die historische Bedeutung des Flugs diskutieren.

Video-Tipp der Redaktion:

“Menschen auf der Oberfläche des Mars werden wir so schnell nicht sehen”, so der ehemalige ESA – European Space Agency Generaldirektor Jan Wörner im Brutkasten-Talk beim Darwin’s Circle am Tag der”#Perseverance“-Mission im Feber 2021.

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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