30.03.2020

Shutdown: Wann kommt die Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen?

Analyse. Der Corona-Shutdown hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaft, die mentale Gesundheit der Bevölkerung und weitere Bereiche. Doch wann ist eine Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen tatsächlich realistisch? Eine vorsichtige Annäherung.
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Shutdown - wann gibt es eine Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen?
(c) Adobe Stock - Kzenon

Der Corona-Shutdown hat Österreich fest im Griff. Die Auswirkungen sind immer stärker spürbar. Einerseits werden die Wirtschaft und damit der Arbeitsmarkt sehr hart getroffen – das 38 Milliarden Euro-Hilfspaket kann etwas davon abfangen, doch bei weitem nicht alles. Die Schätzungen zur BIP-Schrumpfung in Österreich dieses Jahr liegen derzeit zwischen 2 und 2,5 Prozent Rückgang. Von 15.000 bis 20.000 Arbeitslosen mehr pro Shutdown-Tag sprach gestern der Ökonom Jürgen Huber bei “im Zentrum” im ORF. Andererseits sind auch die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Bevölkerung, Probleme wie ein Anstieg bei häuslicher Gewalt und Auswirkungen auf viele weitere Bereiche eklatant. Es besteht daher Einigkeit, das eine Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen möglichst bald passieren muss – doch was ist “möglichst bald”?

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Exkurs: Maßnahmen werden wieder stärker hinterfragt

Aus den oben genannten Gründen werden die Coronavirus-Maßnahmen öffentlich derzeit wieder stärker hinterfragt bzw. kursieren verstärkt relativierende Aussagen im Internet – immer wieder gibt es Vergleiche mit der Grippe. An dieser Stelle sei daher darauf hingewiesen, dass Covid-19-Tote in Lastwägen aus Norditalien nach Süditalien “geliefert” werden, weil die Krematorien im Norden überlastet sind. Berichten von medizinischem Personal vor Ort werden in manchen Krankenhäusern über 70-Jährige überhaupt nicht mehr künstlich beatmet und damit dem sicheren Tod ausgesetzt, weil man die viel zu wenigen vorhandenen Beatmungsgeräte für jüngere Personen mit höherer Überlebenschance braucht (dieser Vorgang der Priorisierung nach Überlebenschance wird “Triage” genannt). In Madrid wurde die Eislauf-Halle zur Leichenhalle umfunktioniert.

Diese Überlastung passiert regional auf einzelne Gebiete beschränkt. So verhält es sich auch mit den hohen Todeszahlen, die stark auf regionale Hotspots zurückzuführen sind, in denen die Krankenhäuser gänzlich überlastet sind. Auch wenn die auf Staats-Ebene ausgegebenen Statistiken einen anderes glauben lassen können: Von einer starken Ausbreitung des Virus im gesamten Land sind auch die stark betroffenen Länder weit entfernt. Die von den Regierungen der Welt gesetzten Maßnahmen dienen unter anderem dazu, dass keine weiteren dieser regionalen Hotspots entstehen und es vor allem zu keiner flächendeckende Ausbreitung des Coronavirus kommt, die noch deutlich verheerendere Folgen hätte, als bislang bereits aufgetreten sind.


Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen – Ostermontag für die Moral

Das (nach der ersten Verschiebung) von der Bundesregierung kommunizierte Datum, “nach dem 13. April” (Ostermontag), wurde bereits sehr stark relativiert und dürfte von Beginn an nicht auf einer Modellrechnung basiert haben. In der Krisenpolitik gibt es eine gewisse Tradition, “leicht vorstellbare” Fest-Termine wie Weihnachten oder Ostern etwa als angestrebtes Ende eine Krieges zu nennen, um die Moral in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten.

Sollte es in Österreich nach dem Ostermontag tatsächlich eine Form der Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen geben, dann wird diese eher symbolischer Natur sein. Die Wirksamkeit der bereits gesetzten Maßnahmen wird laufend evaluiert. Sollte bei einigen Einzel-Maßnahmen festgestellt werden, dass sie de facto keine Auswirkung haben, kommen diese für eine “symbolische Auflockerung” infrage. Der Shutdown wird aber definitiv noch länger dauern.

Dauer des Shutdown: 3 Ziele zur Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen

Für eine umfangreichere Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen sind vor allem drei Ziele relevant:

1. Die Wachstumsrate der Infektionen in den Griff bekommen

Bei diesem Ziel ist Österreich auf einem guten Weg. Die verhältnismäßig früh gesetzten Maßnahmen zeigen bereits Wirkung. Zwar schwankt die Anzahl an durchgeführten Testungen von Tag zu Tag mitunter stark, was die Aussagekraft vermindert. Auch die Anzahl an positiven Tests hat tageweise wieder Ausschläge nach oben. Ebenso ist die Dunkelziffer (siehe unten) unbekannt. Nachdem hierzulande jedoch basierend auf auftretenden Symptomen und nach Kontakt mit nachweislich Infizierten immer lückenloser getestet wird, haben die vom Gesundheitsministerium ausgegebenen Zahlen trotzdem eine starke statistische Aussagekraft.

Die Wachstumsrate sinkt demnach bereits seit mehr als einer Woche ab – mit Schwankungen, aber deutlicher Tendenz nach unten (“die Kurve flacht ab”). Das ausgegebene Zwischenziel einer Rate unter 10 Prozent in 24 Stunden wurde zuletz bereits knapp erreicht. Um tatsächlich eine deutliche Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen oder gar ein Ende des Shutdown zu rechtfertigen, muss die Rate aber noch deutlich weiter sinken. Eine tägliche Rate von drei Prozent etwa würde noch immer einen Verdopplungszeitraum der Infektionen von knapp mehr als einem Monat bedeuten (nicht eingerechnet sind hier natürlich die in dem Zeitraum wieder Genesenen).

Zeithorizont: Sofern das Absinken der Wachstumsrate der Coronavirus-Infektionen in einer ähnlichen Geschwindigkeit wie bisher weitergeht (und sich aufgrund der angeblich 5 Prozent “Unbelehrbaren” Bürger, die sich nicht an die Maßnahmen halten, nicht auf einem zu hohen Niveau einpendelt), könnte eine tägliche Wachstumsrate im niedrigen einstelligen Prozentbereich tatsächlich zu Ostern erreicht sein. Dass sie unter einem Prozent zu liegen kommt, dürfte freilich noch länger dauern. Genau das könnte aber als (logisches) Ziel ausgegeben werden.

2. Den Peak überstehen

Relativ stark zeitversetzt mit dem Wachstum bei den Diagnosen, also positiven Tests, passiert das Wachstum der Anzahl der hospitalisierten Personen (Krankenhaus-Patienten) bzw. der Anzahl jener, die intensivmedizinische Betreuung brauchen. Das liegt an der Inkubationszeit und vor allem am Verlauf der Covid-19-Erkrankung, die mehrere Wochen Dauer hat. Den Höhepunkt der Krankheitsfälle bzw. Anzahl der Erkrankten in Spitälern und auf Intensivstationen (“Peak”) erwartet die Regierung zwischen Mitte April und Mitte Mai.

Dabei geht sie bereits davon aus, dass die derzeit rund 2500 Intensivbetten in Österreich (ein im Verhältnis zur Bevölkerungszahl im internationalen Vergleich sehr guter Wert) nicht ausreichen werden. Die Überlastung scheint auch in Österreich nach derzeitigem Stand unausweichlich – wenn auch nicht in so einem drastischen Ausmaß wie in Italien und Spanien. Derzeit wird freilich an der Maximierung der Kapazitäten durch provisorische Zusatzanlagen gearbeitet.

Zeithorizont: Während des Peaks ist eine Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen ausgesprochen unwahrscheinlich. Auch wenn Mitte Mai der Peak überstanden ist, wir die Lage in den Spitälern in den heimischen Hotspot-Gebieten noch eine Zeit lang stark angespannt bleiben. Dann sollte sich aber relativ bald das zuvor beschriebene Abflachen der Kurve auch stark in den Hospitalisierungszahlen niederschlagen.

3. Die Dunkelziffer überblicken und minimieren

Auch wenn, wie oben beschrieben, die durch Tests bei entsprechenden Symptomen bekannten Fälle eine hohe Aussagekraft für das Gesamtbild haben, ist die Dunkelziffer – also die Zahl unbekannter (weil z.B. symptomloser) Erkrankungen, entscheidend für die weitere Entwicklung der Epidemie. Denn wurde die Ausbreitung des Virus einmal unter Kontrolle gebracht, kann sie bei einer entsprechenden Auflockerung sehr schnell durch die nicht diagnostizierten Personen, die andere anstecken, wieder außer Kontrolle geraten.

Ein erster notwendiger Schritt wäre es also, eine stichhaltige Einschätzung und damit einen Überblick über die Dunkelziffer zu haben. Optimal wären freilich flächendeckende Tests – das ist aus heutiger Sicht aber unrealistisch. Daher wird es stattdessen umfangreiche Stichprobentests brauchen, um eine repräsentative Zahl zur Dunkelziffer zu bekommen. Von dieser Zahl wird dann die weitere Vorgehensweise beim Versuch der Minimierung abhängig sein.

Zeithorizont: Dieser Aspekt ist besonders schwer prognostizierbar, da es derzeit noch nicht einmal eine annähernd wissenschaftlich untermauerte Einschätzung zur tatsächlichen Dunkelziffer gibt. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober haben bereits wiederholt eine deutliche Steigerung der Testkapazitäten angekündigt. Wenn es diese in den kommenden Wochen tatsächlich gibt, könnte zumindest mit Stichproben-Tests begonnen werden. Eine Schlussfolgerung auf den Zeitraum bis zu einer Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen oder dem Ende des Shutdown ist aber von deren Ergebnis abhängig.

Zwischen-Fazit zur möglichen Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen

Eine deutlich spürbare Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen scheint nicht vor Mitte Mai realistisch. Ob die Öffnung der Nicht-Lebensmittel-Geschäfte, die Kanzler Kurz als erste große Auflockerung (jedenfalls vor der Öffnung von Schulen und Universitäten) in den Raum stellte, dann oder doch schon etwas früher erfolgen kann, hängt von der Umsetzung dessen ab, was der Kanzler zuvor etwas kryptisch als “das neue Normal” bezeichnete.

Nach dem schrittweisen Shutdown-Ende: “Das neue Normal”

Was ist also zu erwarten, wenn der Shutdown (schrittweise) endet und die Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen nach und nach tatsächlich passiert? Was wird “das neue Normal”?

Umfassende Hygiene-Maßnahmen im Alltag

Mit der Einführung der Schutzmasken-Pflicht in Supermärkten, die schnell ausgeweitet werden soll, wurde der erste Schritt bereits getan. Das Tragen von Schutzmasken im öffentlichen Raum (um andere vor sich selbst zu schützen) dürfte auch nach dem Shutdown noch längere Zeit verpflichtend sein. Nach asiatischem Vorbild könnte es auch verstärkt zum Einsatz von Desinfektionsmittel-Spendern an öffentlichen Plätzen wie Ubahn-Stationen bzw. an Eingängen von Geschäften und vergleichbaren Orten kommen. Generell werden Hygiene-Maßnahmen im Alltag noch lange eine deutlich größere Rolle spielen.

Verbot großer Menschen-Ansammlungen

Ebenfalls noch länger erhalten bleiben wahrscheinlich Zahlen-Beschränkungen für Menschen-Ansammlungen. Hier ist von einer schrittweisen Erhöhung der erlaubten Zahl je nach Verlauf der weiteren Entwicklung der Coronavirus-Fälle auszugehen. Unter anderem wegen der Auswirkung auf die Demonstrationsfreiheit dürfte es hierzu politische Debatten geben.

Einsatz von Daten, Tracking und elektronische Passierscheine

Besonders stark und kontrovers wird dieser Punkt diskutiert werden. Kanzler Kurz brachte ihn inzwischen mit der Ansage, verstärkt Daten bzw. Apps nutzen zu wollen bereits mehrmals aufs Tapet. In asiatischen Ländern wurden große Erfolge etwa mit anonymisierten Virus-Tracking-Apps erzielt. User informieren diese selbstständig, wenn sie eine positive Diagnose bekommen. Die App nutzt daraufhin die Smartphone-Geodaten dieser User aus den letzten 24 Stunden, um anderen Usern geographische Hotspots zu zeigen. Ebenfalls in asiatischen Ländern werden elektronische Passierscheine auf dem Smartphone genutzt, die etwa Genesenen erteilt werden. Generell gibt es viele Möglichkeiten, Smartphone-Daten zu nutzen, um die Einhaltung von Maßnahmen zu kontrollieren. Inwiefern das in Österreich passieren wird, kann gegenwärtig noch recht schwer abgeschätzt werden, weil es stärker als andere Maßnahmen Gegenstand politischer Debatten sein wird.

Nur schrittweise Öffnung der Grenzen

Teil des “neuen Normals” nach der Auflockerung der Coronavirus-Maßnahmen werden auch weiterhin geschlossene Grenzen sein. In asiatischen Ländern, die das Coronavirus bereits halbwegs im Griff haben, erweisen sich neuerliche “importierte Fälle” zusehends als größtes Problem in Bezug auf Covid-19. Eine Grenzöffnung ist auf absehbare Zeit nur gegenüber Staaten zu erwarten, die das Coronavirus aus Sicht Österreichs gänzlich im Griff haben. Das wird also nur schrittweise passieren und könnte in einigen Fällen noch sehr lange dauern.

Tatsächliches Ende der Maßnahmen: Impfung oder Medikament

Ebenfalls von Kanzler Kurz angesprochen wurde bereits die Voraussetzung für eine tatsächliche Rückkehr zum Normalzustand vor der Coronavirus-Pandemie: Es braucht entweder ein ausgesprochen wirksames Medikament oder – noch besser – eine Impfung. Folgt man Medienberichten, gibt es bereits zahlreiche vielversprechende Medikamenten- und Impfstoff-Kandidaten. Hier ist aber Vorsicht vor zu viel Optimismus geboten. Üblicherweise dauert die Entwicklung eines Medikaments bzw. eines Impfstoffs inklusive entsprechender Studien mehrere Jahre. In diesem Fall gibt es gewiss mehr Budget, mehr Test-Kapazitäten und mehr politischen Willen als sonst. Wirklich schnell wird es aber wohl dennoch nicht gehen. Hier heißt es nun: Hoffen.

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Co-Founder und COO Michael Hofbauer auf der EICMA 2024 | (c) brutkasten / martin pacher

Die EICMA in Mailand ist eine Messe der Superlative. Schon am Eingang merkt man die gewaltige Anziehungskraft, die sie auf Motorradfans und Fachbesucher aus aller Welt ausübt: Geduldig stehen die Menschen bereits in der Früh in langen Schlangen und warten darauf, in die weitläufigen Hallen der sogenannten “Fiera Milano” zu gelangen. Drinnen erstrecken sich die Ausstellungsflächen über mehrere Hallen, jede gefüllt mit unzähligen Messeständen.

Ingesamt reisten heuer über 770 Aussteller aus 45 Ländern in die italienische Wirtschaftsmetropole, um ihre Neuheiten rund um motorisierten Zweiräder auf insgesamt 330.000 Quadratmetern Messeareal der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Ingesamt wurden mehr als 600.000 Besucher während der sechs Messetage gezählt – ein neuer Rekord.

Neben bekannten Marken wie Honda, Yamaha oder Ducati war in diesem Jahr mit der Acceleration Hub GmbH auch ein österreichisches Startup unter den Ausstellern vertreten. Das Unternehmen hat die Traditionsmarke der 1948 gegründeten Halleiner Motorenwerke (HMW) erworben und entwickelt unter anderem motorisierte Zweiräder im E-Mobility- und Verbrenner-Segment (brutkasten berichtete).

brutkasten war auf der EICMA in Mailand und hat Acceleration Hub Co-Founder und COO Michael Hofbauer am Messestand von HMW zum Interview getroffen. Im Gespräch geht Hofbauer unter anderem auf die strategischen Überlegungen ein, eine historische Marke mit modernen Mobilitätslösungen neu zu beleben.


brutkasten: Wie seid ihr mit der Acceleration Hub GmbH zu den Markenrechten von HMW (Halleiner Motorenwerke) gekommen?

Michael Hofbauer: Durch einen guten Freund und Experten im Oldtimer-Bereich sind wir zur Marke gekommen. Er ist inzwischen ein enger Freund und Berater für uns, nach wie vor gut vernetzt in der Oldtimer-Szene. Von Anfang an war klar, dass seine Ambition nicht in Neuentwicklungen liegt, sondern darin, die Marke zu bewahren. So haben wir die Markenrechte von ihm übernommen, die mittlerweile zu einer Weltmarke ausgeweitet sind, und freuen uns, ihn weiterhin an unserer Seite zu haben.

Welche strategischen Überlegungen stecken dahinter, als ein noch recht junges Mobility-Startup auf eine historische Marke zu setzen?

Unsere strategische Überlegung war, dass HMW vor allem in der Gründungszeit dafür bekannt war, die Menschheit mobil zu machen. Damals entwickelte Ingenieur Anton Fuchs den sogenannten Fuchs-Motor, der eines der ersten motorbetriebenen Zweirad-Fahrzeuge möglich machte. Ein Blick in die Historie zeigt, dass HMW kaum eine Fahrzeugart ausgelassen hat, teils mit skurrilen, aber mutigen Entwicklungen, die alle diesem Mobilitätsgedanken folgten. Als österreichisches Gründerteam fühlen wir uns diesem europäischen Erbe verbunden. Die Idee, eine historische Marke wie HMW, die früher stark nach Deutschland, Holland und darüber hinaus exportierte, in Europa wiederzubeleben, hat uns sehr angesprochen.

In der Branche kennt man einige Beispiele von alten Marken, die unter neuen Eigentümern reaktiviert werden. Inwieweit springt ihr hier auf einen Trend auf?

Für uns ist es entscheidend, uns nicht nur mit der historischen Marke  zu identifizieren, sondern mit HMW als Mobilitätsanbieter. Es geht uns nicht darum, ein einfaches Facelift zu machen und als klassische Heritage-Marke aufzutreten. Vielmehr sehen wir HMW als eine Marke mit einer Legacy, die wir schätzen, weil sie Mobilität in den Vordergrund stellt. 

Oft geht es bei solchen Projekten nur darum, das Image einer alten Marke zu nutzen, um Bekanntheit zu erlangen – das ist ganz und gar nicht unser Ansatz. Der ursprüngliche Gedanke, beispielsweise einen Motor auf ein Fahrrad zu montieren und das dann bis zur Serienreife zu bringen, oder Motorräder zu entwickeln, die sogar im Rennsport erfolgreich waren, das ist für uns echte Innovation. 

Im Gegensatz dazu wirkt der Ansatz, einfach Markenrechte einer historischen Marke zu kaufen und „ein bisschen Elektromobilität“ zu betreiben, eher banal und passt nicht zu unserem Anspruch. Unser Ziel ist es, mit verschiedenen Produktreihen den Spirit „Enable Mobility“ in die heutige Zeit zu tragen.

Die Classics-Serie | (c) HMW

Kommen wir nun auf eure neue Modellserie zu sprechen, die ihr hier auf der EICMA ausstellt. Auf der einen Seite habt ihr E-Mobility im Programm, mit der neuen Classics-Serie bietet ihr aber künftig auch Verbrenner an. Wie passt dies zusammen?

Man darf nicht unterschätzen, dass auch im Bereich der Verbrenner enorme Innovation stattfindet. Die Motoren sind heute auf dem neuesten Stand der Technik und haben nichts mehr mit dem lauten, stinkenden Image der Vergangenheit zu tun. Natürlich ist Elektromobilität auf dem Vormarsch, aber sie ist noch lange nicht so etabliert, wie sie sein könnte. Man sieht das am Beispiel von E-Autos: In Österreich wächst die Ladeinfrastruktur zwar schon langsam, aber in anderen Teilen Europas sieht es oft noch ganz anders aus, wodurch viele nach wie vor einen Verbrenner wählen. 

Um Mobilität für alle anzubieten, setzen wir daher auf eine Kombination: Für städtische und stadtnahen Verkehr – das „Interurban“-Segment – bieten wir Elektrofahrzeuge an. Für Pendler aus ländlichen Regionen, die in die Stadt fahren, bieten wir zudem verbrauchsarme, moderne Verbrennermotoren im Kleinsegment. Unser Fokus liegt dabei auf praktischen, komfortablen Fahrzeugen und nicht auf PS-starken Modellen für hohe Geschwindigkeiten.

Die Elektrofahrzeuge sind auf den Alltagspendler ausgelegt und profitieren von einer passenden Ladeinfrastruktur. Wir verwenden herausnehmbare „Bookstyle“-Batterien, die sich auch zu Hause laden lassen. 

Kommen wir zur Produktion zu sprechen. Wie arbeitet ihr aktuell mit euren Produktionspartnern in China zusammen? 

Wir arbeiten mit ausgewählten Produktionspartnern in China zusammen. Es gab zahlreiche Vorgespräche, und die Partnerschaften sind für beide Seiten fest etabliert. Wir haben nicht nur Visitenkarten gesammelt, sondern unsere Partner sorgfältig ausgewählt und bringen dabei viel Erfahrung aus früheren Projekten mit. Uns ist es wichtig, aktiv im Entwicklungsprozess dabei zu sein, und deshalb gibt es viel  Austausch in beide Richtungen. Aktuell ist das Team hier in Wien, wo Workshops stattfinden und offen über zukünftige Entwicklungen gesprochen wird. Die Kommunikation beschränkt sich nicht nur auf WeChat oder E-Mails – der persönliche Austausch ist für uns entscheidend.

FoxE ist Teil der Electrics-Serie | (c) HMW

Was macht ihr aktuell In-House in Europa? 

Bei uns erfolgt das gesamte Branding, Design, Engineering und die Forschung & Entwicklung (R&D) in-house, insbesondere im Bereich des Fahrzeug-Setups, des Testings und der Evaluierung. Das bedeutet beispielsweise, dass wir das komplette Rahmensetup inklusive Sitzposition und Fahrwerk intern entwickeln und dann in Abstimmung mit dem Produzenten umsetzen.

Die Mobilitätsbranche gleicht derzeit für Startups einem Minenfeld. Auch Mitbewerber in Österreich haben mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was wollt ihr anders machen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?

Unser Ansatz basiert auf Diversifizierung – sowohl im Team als auch im Produktportfolio. Wir sehen großes Potenzial, uns in verschiedene Richtungen zu entwickeln: Elektromobilität, das Verbrennersegment mit qualitativ hochwertigen Produkten und als drittes den Bereich Smart Connected Mobility. Besonders in der Forschung und Entwicklung von Smart Mobility und Innovationslösungen sehen wir viel Potenzial, da diese sowohl im Portfolio Plattform-übergreifend, als auch auf einer komplett neuen Fahrzeugarchitektur aufbauen können. Ein aktuelles R&D-Projekt von uns konzentriert sich auf Predictive-Maintenance, Sensorik und Smart Mobility, um Mobilität neu zu gestalten und ideal zu ergänzen.

Wir möchten flexibel bleiben und nicht zu einseitig agieren, da der Markt oft nicht nur eine Richtung zulässt. Der gesamte Prozess, von der Supply Chain über die Customer Journey bis zum Customer Service, ist entscheidend – zum Beispiel in der klar strukturierten Ersatzteil-Logistik. Uns ist es wichtig, Partnerschaften auf Augenhöhe zu etablieren, die eine starke Grundlage für R&D, Produktion und Ersatzteil-Logistik bis hin zum Kunden bieten.

Dabei haben wir einen klaren Vorteil durch unser Brand-Building: HMW ist als Marke neu aufgestellt und steht jetzt für Qualität und Markenidentifikation.

Tradition trifft auf E-Mobilität | (c) HMW

Welche Strategie wollt ihr im Vertrieb verfolgen?

Wir befinden uns in der Evaluierungsphase und haben sorgfältig ausgewählt. Es gab bereits sehr vielversprechende Gespräche. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nicht viele Details preisgeben, aber durch die Erfahrung im Gründerteam beobachten wir den Markt genau und ziehen daraus unsere Schlüsse. Wir wissen also gut, mit wem wir sprechen.

Wann ist der Marktstart für die neue Classics-Serie geplant?

Der Launch der Classics ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Wir sind dabei teilweise von Vertriebspartnerschaften abhängig, da die Nachfrage das genaue Datum beeinflussen kann. Die Electrics-Serie ist bereits jetzt verfügbar, und die Classics sind für Anfang 2025 vorgesehen – was ja nur noch zwei Monate entfernt ist. Lange dauert es also nicht mehr.

Wie habt ihr euch in der Vergangenheit finanziert und plant ihr derzeit eine Funding-Runde?

Die Entwicklung der Classics und Electrics-Serien sowie das gesamte Brand Development wurden über die Gesellschafter und Eigenmittel finanziert. Wir sind stolz, dass wir dank der FFG nun die Möglichkeit haben, auch im Bereich Innovation voll durchzustarten. Wir haben ein Forschungsprojekt initiiert, das uns ermöglicht, in den Bereichen Smarte Komponentenentwicklung, Predictive Maintenance, Machine Learning und modernste Technologie umfassend zu arbeiten und diese Kompetenzen inhouse aufzubauen.

Besonders erfreulich ist, dass wir für das Projekt ein starkes Team in den Bereichen Machine Learning und Elektrotechnik aufstellen konnten – ein Bereich, in dem einige Hersteller aktuell Schwierigkeiten haben. Unser Team hat bereits Test-Setups durchgeführt, um Sensorik und Komponenten am Fahrzeug selbst zu erproben. Damit wollen wir in diesem Segment zügig Fortschritte machen.

Parallel dazu haben wir eine Investorenrunde gestartet und suchen nach potenziellen Partnern. Dabei legen wir großen Wert auf Partnerschaften, die unseren Spirit teilen, um sicherzustellen, dass ein Investment unseren Weg nicht komplett verändert, sondern ergänzt und stärkt.

Welche Wachstumsziele verfolgt ihr für 2025? 

Für 2025 planen wir, in allen drei Segmenten voll voranzuschreiten: maximaler Marktstart im Bereich Electrics, den Launch der Classics und die Weiterentwicklung des Innovationsprojekts. Gerade bei Letzterem werden wir auch das Team weiter verstärken und haben bereits vielversprechende Leads und Kapazitäten ausgebaut. Unser Hauptmarkt liegt allerdings außerhalb Österreichs, was unser Wachstum beeinflusst und uns auch in der Standortplanung fordert.

Wir suchen aktiv nach Investoren und gleichzeitig nach größeren Räumlichkeiten sowie noch vielseitigeren Testmöglichkeiten. Unser Ziel ist nachhaltiges Wachstum, statt einen riskanten und und undurchdachten „Hockeystick“ anzustreben. Wir möchten solide aufgestellt in alle drei Richtungen wachsen und die Profitabilität in den jeweiligen Bereichen dynamisch, aber realistisch erreichen.


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