07.06.2021

In den Ring gegen Amazon, Zalando und Co

In seiner aktuellen Kolumne zeigt Mic Hirschbrich am Beispiel von Shein, dass es sich auch auszahlt, Giganten herauszufordern.
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Hirschbrich über Shein
brutkasten-Kolumnist Mic Hirschbrich | Hintergrund: Screenshot de.shein.com

Erreicht ein Unternehmen eine Übergröße oder eine gigantisch anmutende Bewertung, setzt ein Phänomen ein, bei dem die Mehrzahl der Beobachter*innen dies irgendwann als unumkehrbare Selbstverständlichkeit begreifen. Medien bestärken diesen Effekt, denn Superlativen verkaufen sich so gut wie Dramen. Vom lebendig gewordenen Tony Stark aka Elon Musk bis hin zu immer neuen Gewinnrekorden bei Amazon und Co. Die Medien und nicht zuletzt deren Konsument*innen lieben diese Geschichten. Ja, wir empfinden Lust dabei, wenn wir von der Größe besonders erfolgreicher Menschen oder Unternehmen schwärmen. Vielleicht identifizieren wir uns als Konsument*innen unbewusst mit deren Erfolg und hoffen ein Teil davon zu sein und etwas von deren Strahlkraft abzubekommen?

Tragisch wird es aber, wenn Technologen und Softwareunternehmen umgekehrt die Lust verlieren, diese Platzhirsche mit ihren eigenen Innovationen anzugreifen. Wenn sie auch selbst der Meinung sind, man könne nichts verbessern und damit am Markt punkten, denn der Marktführer sei ohnedies zu groß, zu gut, zu mächtig. Nun, genau dagegen sprechen eine Menge guter Argumente.

Lust, in den Ring zu steigen?

Unsere Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass auch besonders große Marktführer irgendwann zu langsam in ihrer Adaptionsfähigkeit wurden und von neuen Marktteilnehmern gestürzt wurden. Vor Google gab es zahlreiche erfolgreiche Suchmaschinen, alleine Yahoo war Milliarden schwer. Skype hielt man sehr lange für die praktisch unerreichbare Standard-VOIP Lösung. Ausgerechnet als sie von Microsoft übernommen und quasi mit unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten ausgestattet war, zogen mit Snap und Messenger ganz neue Kommunikations-Trends herauf, die Skype bald alt aussehen ließen. Das beinah mittellose Clubhouse wuchs mit neuem Audio-Fokus rasch, trotz gewaltiger Markt-Dominanz gleich mehrerer sozialer Netzwerke. Es wuchs sogar schneller als Google+, das mehr Daten und Kapital zur Verfügung hatte als andere. Kodak hätte als global aktiver Foto-Konzern genug Reserven für eine Transformation gehabt, aber der Todesstoß kam letztlich von Angreifern wie Instagram, die mit nur wenigen Mitarbeiter*innen eine Milliardenbewertung erreichten. Sie taten dies, indem sie nicht nur digitalisierten, sondern eine völlig neue digitale Nutzenstiftung schufen. Dasselbe gelang mit WhatsApp, einer Weltmacht mit unter 20 Entwickler*innen. Und auch die Netflix-Kennzahlen lassen die mächtigen und saturierten Film- und TV-Branchengrößen ziemlich alt aussehen.

Man könnte diese Beispiele lange fortsetzen und sie verheißen eigentlich Gutes, bekräftigen die Funktionsweise der freien Marktwirtschaft: Es gibt keinen in Stein gemeißelten Marktführer. Egal wohin wir sehen. Es gibt nur einen zeitlich begrenzten Mangel an ausreichend smarten Angreifern.

Amazon, das schwarze Loch der Ökonomie

Wir haben uns den Erfolg von Amazon schon mal angesehen und waren überrascht, dass sich z.B. Zalando im Vergleich überraschend gut schlägt. Wenn man die Breite der Produkt-Palette von Amazon in Betracht zieht, ist es beachtlich, dass der Mode-Riese Zalando hierzulande immerhin auf ein Drittel des Amazon-Umsatzes kommt. Manche hielten Shopify für den am besten geeigneten Rivalen und er entwickelt sich auch gut. Aber wie so oft, tauchen irgendwann ganz neue Player auf, die mit ihren Innovationskonzepten überraschen. Und diesmal heisst die Überraschung “Shein”, ausgesprochen wie die englischen Worte “She” und “in”.

Screenshot: https://de.shein.com

Shein bringt neuen Schwung ins E-Commerce-Geschäft

Die Mode-App ist mittlerweile die in westlichen Ländern am häufigsten installierte, vor Amazon, Zalando und Co. Auch in den USA, Großbritannien und Frankreich zählt Shein zu der am meisten heruntergeladenen Apps in der Kategorie “Shopping”. Die Mode-App punktet bei den “Adopters” der jungen “Z”-Zielgruppe. Sie positioniert sich dabei ein wenig wie “Primark plus Amazon mit Tiktok-Flair”: Billigste Preise, schnelle Reaktion am Markt und datenbasierte Vorwärtsstrategien – das Ganze gespickt mit modernster Online-Kommunikation. In sogenannten Shein-Hauls präsentieren Influencer*innen die Mode auf Youtube und Tiktok und rittern um die Aufmerksamkeit der Marke, die sie dafür belohnt:

Und mit noch einer Mär räumt der E-Commerce-Angreifer auf. Nämlich, dass man immer in allem besser sein müsse als die bekannten Platzhirsche. So hat das Mode-Startup immer wieder Liefer- und auch Qualitätsprobleme, so einschlägige Medienberichte. Die enorme Reaktionsgeschwindigkeit bei ermittelten Trends und das vermittelte Marken-Gefühl reichen aber anscheinend aus, zumindest bis jetzt.

Shein macht “Fast Fashion” schneller als alle anderen. 500 neue Kleidungsstücke sollen teilweise pro Tag neu ins Sortiment hinzukommen. Man setzt Trends rasend schnell um und bringt sie für wenig Geld ins Zuhause der derweil noch jungen Zielgruppe. Dazu kommt ein smartes Gamification-Konzept. Vom simplen Öffnen der App bis zum Einkauf erhält man Punkte und Incentives. Das Einkaufen mit Shein erinnert mehr an ein soziales Netzwerk oder ein Spiel denn an schnöden E-Commerce. Ob Shein ethisch produziert, ist nicht bekannt. Es scheint sich überhaupt um das verschwiegenste E-Commerce-Unternehmen der Welt zu handeln, denn man findet praktisch keine Hintergrundinformationen vom Unternehmen selbst.

Eigentlich sollte Zara der “Fast Fashion”-König werden, nicht Shein

So wie an kalifornischen Wirtschaftsunis jeder den Amazon-Case kennt und an österreichischen den von Red Bull, so lernt man in Andalusien (Südspanien) jenen von Zara. Und so wurde auch ich im Zuge eines Auslandsstudium in Sevilla damit vertraut. Zara könnte locker als “Urmutter Kunden-zentrierter Vorhersagemodelle” durchgehen. Sie setzten schon darauf, da war noch keine Rede von KI-getriebenen “predicition models”.

Zara-Gründer, Amancio Ortega, machte die Gabe, datenbasiert vorherzusagen, was denn die Kund*innen als nächstes kaufen wollen, zu einem Multi-Milliardär und das lange vor E-Commerce und Big Data. Zara wurde 1975 gegründet. Ortega ließ nie in China sondern nur in Europa produzieren, denn für ihn war die “time to market”-Geschwindigkeit entscheidend. International zu erkennen, was im Trend liegt und das schnellstmöglich in die eigenen Läden zu bringen, war sein Ansporn. Dazu baute Zara ein hochkomplexes Trend-Scout-System auf, in dem alleine 200 bestens ausgebildete Mode-Designer und Statistiker arbeiteten. Marktbeobachter zählten in Städten, wo es Zara-Läden gab, die gesichteten Kleidungsstücke und klassifizierten sie z.B. nach Stil, Farbe oder Schnitt. Wurde an einem Standort gemessen, dass bei einem Sortiment eine bestimmte Farbe nicht funktionierte, eine andere aber gerade “trendete”, ließ Zara das Sortiment binnen weniger Tage umfärben.

Ortega lehnte Werbung ab. Seine Kund*innen verbreiteten die Botschaft, dass man ansonsten unbezahlbare Designer-Ware bei Zara schnell und deutlich günstiger erwerben könne, mittels “word of mouth”.  Vieles, was Zara richtig machte, wurde gnadenlos kopiert und später digitalisiert. H&M sprang auf den Zug “Luxus-Designer für wenig Geld” anzubieten auf und Primark unterbot den Mitbewerb nochmals bei Preis und Tempo, während Angreifer wie Zalando das alles digital umsetzten. 

Shein zählt zur jüngsten Angreifer-Generation und stammt, anders als die bisher bekannten Mode-Anbieter, aus China. Die junge Mode-App scheint ausgezeichnet mit Daten umgehen zu können, schwärmen Analysten in Fach-Foren. Das analoge “word of mouth”-Marketing einer Zara übernehmen bei Shein Influencer. Und 39 Pozent der deutschen Generation-Z Kund*innen sprechen über die App – ein Rekordwert, den derzeit niemand sonst erreichen kann.

Fazit

In welcher Industrie wir uns auch befinden – sich dem Marktführer einer Industrie einfach geschlagen zu geben, widerspricht den wichtigsten Marktgesetzen. Größe und selbst unendlich scheinende Kapitalkraft können einen nicht davor schützen, von einem innovativeren und schnelleren Unternehmen ein- oder sogar überholt zu werden.  Ob das Shein gelingen kann, werden wir sehen, aber der Markt wird jedenfalls neu durchmischt.

Übrigens, auch bei Social-Media tut sich einiges: Ein Jahr nach Clubhouse hat ein neues, vielversprechendes soziales Netzwerk unsere Smartphones erobert und rittert um unsere Aufmerksamkeit. Es heißt “Faves” und wirkt ein wenig wie eine Mischung aus Twitter und TikTok. Wir wünschen viel Erfolg!

Zum Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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Interview. Marian Stoschitzky ist Cofounder des Wiener Startups Zeitgeber - und einer der Autoren des Buchs „Love Mor­nings: Der wissenschaftliche Weg, gesünder und glücklicher aufzuwachen“.
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Marian Stoschitzky
Foto: Hannes Pacheiner, Adobe Stock

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem aktuellen brutkasten-Printmagazin (Download-Möglichkeit am Ende des Artikels).


Marian Stoschitzky ist einer der Gründer von Zeitgeber – das Wiener Startup hat ein Licht-­ und Soundsystem für das Schlafzimmer entwickelt, das mittels Raumausleuchtung und Lichtintensität zu bes­serem Schlaf beitragen will. Dafür konnte das Unternehmen jedoch keine Finanzierung aufstellen, daher schlug es vor­ erst eine neue Richtung ein. Das Hardwareprodukt befindet sich „im Winterschlaf“, wie Stoschitzky sagt. Stattdessen fo­kussiert sich das Unternehmen jetzt drauf, die gesammelte Expertise zum Thema Schlaf auf andere Art weiterzugeben.

Den Anfang machte Ende 2023 ein Buch: „Love Mor­nings: Der wissenschaftliche Weg, gesünder und glücklicher aufzuwachen“. In Zukunft könnten digitale Produkte dazu­ kommen. Im brutkasten-­Interview spricht Stoschitzky über die für Startup­-Gründer:innen relevantesten Erkenntnisse aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit dem Thema Schlaf.


brutkasten: Was sind die wichtigs­ten Faktoren für guten Schlaf, die man selbst beeinflussen kann?

Marian Stoschitzky: Das Schöne ist, dass die Möglichkeiten sehr um­ fassend sind. Das Wichtigste ist, einen stabilen Schlaf­wach­-Rhythmus zu pflegen. Man sollte sich überlegen, zu welcher Zeit man schlafen gehen und zu welcher man aufstehen möchte.

In der Früh ist es wichtig, dass man viel Licht bekommt. Ein hilfreicher Richtwert in diesem Kontext sind 1.000 Lux oder mehr; um das zu messen, gibt es Apps. Das kann man beispielsweise mit einer Tageslichtlampe am Arbeits­ platz erreichen. Das verbessert einer­ seits deine Performance, es begünstigt aber auch deine Stimmung und lässt dich am Abend besser schlafen. Das­ selbe gilt für Vitamin D, das ebenfalls empfehlenswert ist.

Umgekehrt sollte man am Abend Licht und digitale Stimulation best­ möglich vermeiden. Wenn man dann auch noch ab Nachmittag auf Koffein verzichtet, ist man schon richtig gut dabei.

Das klingt ja grundsätzlich nicht extrem kompliziert. Woran scheitert es in der Praxis?

In unserer Kultur sind Abend­events stark verankert. Außerdem ge­hören für viele digitale Medien zum abendlichen Entspannen dazu. Am Abend hat man endlich Zeit für sich, da fällt das Loslassen dann schwer, weil es schon wieder ein Pflichtgefühl auslöst. Idealerweise hält man seinen Schlaf­plan auch am Wochenende durch und steht früh auf. Das weicht aber von den Gepflogenheiten ab. Das sind die psy­chologischen Komponenten.

Dann gibt es noch die praktischen Aspekte. Wenn du keine Tageslicht­lampe oder Lichttherapiebrille besitzt und um acht Uhr morgens in der Arbeit sein musst, ist es einfach eine prak­ tische Herausforderung, viel Licht zu bekommen.

Wie lange vor dem Schlafengehen sollte man das Smartphone weg­ legen?

Die Produktion des Müdigkeits­hormons Melatonin setzt im Durch­schnitt ungefähr zwei Stunden vor dem Schlafengehen ein. Das macht dich müde und lässt dich gut schlafen. Mit Licht, etwa von digitalen Medien, wird die Melatoninproduktion unterdrückt.

Wenn man es perfekt machen möchte, würde man zwei Stunden vor dem Schlafengehen aufs Smartphone verzichten. Ich persönlich habe aber auch mit einer Stunde schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Daneben ist aber auch das Raumlicht ein wichtiger Faktor, das idealerweise zwei Stunden vor dem Schlafengehen auf ein noch praktikables Minimum gedimmt wird.

Smartphones bieten ja mittlerweile häufig einen Nachtmodus oder Blaulichtfilter. Helfen diese?

Aus biologischer Sicht ist es besser, als nichts zu machen. Bis zu einem gewissen Grad unterdrücken sie die Blauanteile, die die Produktion von Melatonin stören. Aber das The­ma besteht nicht nur aus dem Aspekt Blaulicht: Es gibt Studien, die zeigen, dass auch Stimulation generell den Schlaf beeinträchtigt.

Ein ganz großer Faktor dabei ist, dass Social Media immer versuchen, dich mög­ lichst lange interessiert zu halten. Das betrifft nicht nur die Beeinträchtigung der Schlaf­ qualität, sondern auch, dass das Smartphone Menschen abends ganz direkt vom Schlafen abhält und so die Schlafdauer reduziert.

Geht es also nicht nur um das Licht, sondern auch um die Inhalte? Wäre es ähnlich, wenn ich in einem Printmagazin einen aufwühlenden Artikel lese?

Ich glaube, Printmedien tun sich wie sehr schwer, so stimulierend zu sein wie Social Media. Es gibt eine Studie, die eindrucksvoll zeigt, dass Face­book mit Blau­lichtfilter, also mit Nightshift­ Mode, die Leute nicht viel besser schlafen ließ als Facebook ohne Blaulichtfilter. Auf Facebook kom­plett zu verzichten hat die Leute aber deutlich besser schlafen lassen. Bücher sind da deutlich empfeh­lenswerter.

Was kann ich tun, wenn ich das Handy am Abend ein­ fach nicht weglegen kann?

Ein Tipp wäre, es für sich selbst mühsam zu ge­ stalten, das Handy zu verwenden. Von Distraction­ Blockern halte ich zwar nicht viel, aber wenn man das Handy in den Schwarz­Weiß­Modus schaltet, ist es visuell schon weniger stimulierend. Das lässt sich auch nach Uhrzeit automatisieren.

Es gibt auch eine tolle App namens One Sec, die dich zwingt, dass du ein paar Sekunden wartest – einmal ein-­ und aus­atmen –, bevor du eine App öffnen kannst. Diese kleinen Dinge können den Unterschied ausmachen.

Melatonin kann man ja auch künstlich erzeugt zu sich nehmen, in Form von Tabletten oder Sprays. Ist das deiner Meinung nach empfehlenswert?

Mit diesem Punkt würde ich auf keinen Fall starten. Es gibt Spezialfälle, da ergibt es vermutlich schon Sinn – wenn der Schlaf­wach­-Rhythmus krass verschoben ist, bei manchen im Alter oder bei speziellen Fällen von Blindheit. Aber generell würde ich sagen: Wenn man Vitamin D supplementiert, was im Winter grundsätzlich eine gute Idee ist, und in der Früh genug Licht bekommt, dann erzeugt der Körper abends natürlich Melato­nin.

Wenn du darauf achtest, am Abend nicht zu viel Licht zu bekommen, dann brauchst du keine Tabletten. Und mit „nicht zu viel Licht“ am Abend meine ich zehn Lux, das ist die Lichtintensität von zehn Kerzen in einem Meter Entfernung; rich­tig wenig! Dort liegt für die meisten Menschen der eigentliche Hebel. Melatonin zu supplementie­ren, während man mit Kunstlicht am Abend sein Melatonin unter­ drückt, ist wie beiangezogener Bremse extra Gas zu geben.

Birgt Melatonin auch Risiken?

In der wissenschaftlichen Community sind die Sichtweisen unterschiedlich. Es gibt ein Review, das besagt, dass Melatonin­Supplementierung für erwachsene Menschen, die nicht gerade stillen, grundsätzlich unbedenklich ist.

Aber es ist ein Hormon, und wenn man zu viel davon einnimmt, kann es beispielsweise sein, dass man am Folgetag einen Überschuss hat und müde ist. Hormonell ergibt es einfach mehr Sinn, den Kör­ per seine Arbeit machen zu lassen, weil dieser im physiologischen Sinn weiß, was er tut.

Wie lange vor dem Schlafengehen sollte man keinen Kaffee mehr trinken?

Eine offizielle Empfehlung wäre, 8,8 Stunden vor der Bettzeit keinen Kaffee mehr zu konsumieren. Aber das ist einfach ein Durchschnittswert und es gibt eine riesige Variation, was den Abbau von Koffein im Körper angeht. Bei manchen beträgt die Halbwerts­ zeit zwei Stunden, bei anderen neun Stunden. Es gibt Menschen, die in der Nacht schlechter schlafen, wenn sie in der Früh einen Kaffee trinken.

Bei Schlafproblemen sind es vor allem zwei Dinge, die man zuerst ange­ hen sollte: abendliches Kunstlicht und Koffein. Wenn du die nicht reduzierst, zahlt es sich nicht aus, weitere Dinge zu unternehmen. Lass die beiden weg und schau mal, wie es dir dann geht.

Wenn man auf Koffein in der Früh verzichten möchte, kann man das rein mit dem richtigen Licht­-Set­ting kompensieren?

Zu einem sehr großen Teil ja. Du kannst zusätzlich noch deinen Kreis­lauf mit einem Vier­-Minuten­Workout in die Höhe treiben – und wenn du den Mumm dazu hast, die letzten 30 Sekun­den deiner Dusche auf kalt stellen. Das würde ich Leuten als Experiment emp­fehlen, die schwer auf Kaffee verzichten können. Diese Morgenroutine fühlt sich amazing an, wenn du sie implementierst und dann an deinem Arbeitsplatz sitzt.

Ein Startup zu gründen ist kein Nine-­to­-five­-Job – viele Grün­der:innen machen sich rund um die Uhr Gedanken über ihr Unter­nehmen. Wie kann ich trotzdem sicherstellen, dass ich gut schlafe?

Das ist natürlich eine denkbar he­rausfordernde Situation, die ich selbst auch erlebt habe. Es war spannend, in der Selbstanalyse Erkenntnisse daraus zu ziehen. Meine Schlussfolgerung ist, dass deine Leistung nur dann gut sein kann, wenn auch die Erholung gut ist. Gesunde High Performance ist pro­zessorientiert. Die besten Leistungen habe ich erbracht, als ich extrem penibel darauf geachtet habe, um 23 Uhr im Bett und um neun Uhr im Office start­ klar zu sein.

Was im Startup-­Leben jedem Founder und jeder Founderin ein Be­griff ist, sind akute Deadlines. Meiner Meinung ist hier das Wichtigste, dass man nach der Deadline wieder in sein Rad zurückfindet. Wenn du zu weit und zu lange draußen bist, wird es eine Ab­wärtsspirale. Du arbeitest dann zwar zehn bis zwölf Stunden am Tag, bist aber auch nicht so produktiv, wie du in acht Stunden wärst, wenn du deinen Prozess beherzigen würdest.

Wie schaffe ich das, wenn ich in meinem Startup für Sales zustän­dig und viermal in der Woche auf Abend­events zum Networking bin?

Leider sind diese Abend­events wie gesagt in unserer Gesellschaft sehr stark verankert. Es kann sich aber durchaus auszahlen, dass man darauf achtet, weniger Morgentermine zu haben. Dann könnte man einen Rhyth­ mus leben, der die besagten Abend­ Events zulässt, aber gleichzeitig sicher­ stellt, dass man nach dem Aufstehen genug Licht bekommt und Bewegung macht.

Ansonsten kann es auch schon helfen, dass du zum Beispiel sagst: Am Heimweg schaue ich nicht mehr aufs Handy. Du kannst auch eine Sonnen­brille in der U­-Bahn tragen, um weniger Licht zu bekommen. Ich weiß, das ist kulturell unorthodox, aber gesundheit­ lich ergibt es wirklich viel Sinn.

Wie realistisch ist es, dass man wirklich sieben Tage die Woche zum selben Zeitpunkt aufsteht?

Es wird immer Cheat Days und Ausnahmen geben, aber das Aufblei­ ben ist auch immer nur eine Dimension von mehreren. Wenn ich mal Party ma­che und länger aufbleibe, halte ich mei­ne Lichthygiene trotzdem ein.

Meine Routine ist, dass ich dennoch zur glei­chen Zeit aufstehe, mich hellem Licht aussetze und einen Morgenspaziergang mache. Wenn nötig, lege ich mich da­ nach wieder hin. Aber es hilft trotzdem, weil Licht der dominante Faktor ist, was den Schlafrhythmus betrifft. Meiner Er­fahrung nach bin ich dann dennoch in guter Stimmung und kann am nächs­ten Abend auch wieder gut einschlafen.

Apropos Party: Wie schlecht ist Alkohol für den Schlaf?

Schlecht, darüber brauchen wir nicht zu reden. Interessanterweise lässt Alkohol dich schneller einschla­ fen, aber du ziehst deiner Schlaf­ qualität überproportional viel ab – für die eventuellen „Vorteile“, die du dadurch genießt.


Aus dem Archiv: Videotalk mit Zeitgeber-Gründer Marian Stoschitzky (April 2023)

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