28.11.2018

Benutzen statt Besitzen: Sharing Economy und die Postwachstums-Gesellschaft

Das Prinzip der „Sharing Economy“ stellt die Nutzung über den Besitz. Was für viele noch unvorstellbar scheint - etwa, das eigene Auto mit jemandem zu teilen -, stellt für andere die einzig mögliche Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft dar. Digitalisierung und Blockchain-Technologien bereiten den Weg, mit denen neue Sharing-Plattformen die Startup-Welt erobern. Die Ausschaltung von Mittelspersonen, günstigere Services für die User und nachhaltiges Agieren stehen dabei im Zentrum des Bemühens.
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Sharing Economy
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Vor nicht allzu langer Zeit gaben sich Medien und Politik verlässlich bereits im Jahrestakt einer Debatte über den viel zu heißen „Jahrhundert-Sommer“ hin, und infolge dessen über den Klimawandel. Die verursachende Rolle des Menschen ist dabei zunehmend weniger umstritten. Ebenso verlässlich widmete sich die Berichterstattung aber spätestens mit Herbstbeginn schon wieder ganz anderen Themen – so auch heuer. Zwar wurde im „Jahrhundert-Sommer 2018“ einmal mehr die Eindämmung des CO2-Ausstoßes als eines der wichtigsten Ziele für die Industrie definiert. Doch scheint für manche mit dem kürzlich vom Sportwagenhersteller Porsche verlautbarten Ausstieg aus der Produktion von Diesel-Autos bereits genug für unser aller Zukunft getan zu sein.

Sharing Economy: eine “Ökonomie des Teilens”

Wo die Alteingesessenen der Wirtschaft sich also mit Reformen zur Überlebenssicherung unserer Spezies schwer tun, ist die nächste Generation schon einige Schritte weiter. Diverse Startups bilden in ihren Business-Plänen das Phänomen der „Sharing Economy“ ab. Grundlegender Gedanke dieser „Ökonomie des Teilens“ ist die Überlegung, dass „Benutzen“ in vielerlei Hinsicht nicht zwingend ein „Besitzen“ voraussetzt. Wer zu dieser Einsicht kommt, bewegt sich ideell in Richtung einer Postwachstums-Gesellschaft, wie sie der deutsche Volkswirt Niko Paech von der Universität Oldenburg beschreibt. Dieser legt in seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“ unter anderem dar, warum wir auf das „vermeintliche Menschenrecht“ verzichten müssen, über unsere Verhältnisse zu leben. Im Zentrum der Überlegungen steht die Kritik an einer Art Verschuldungs-Gesellschaft, die primär nach dem Prinzip „haben jetzt – zahlen später“ handelt.

Leben und wirtschaften im Überfluss

Das beschreibt zum einen das Bedürfnis vieler Menschen, ihren persönlichen Konsum – vom Handy über die Stereoanlage bis zum (Zweit-) Auto und regelmäßigen City-Trips am Wochenende – auf Pump zu finanzieren. Aber auch die Tatsache, dass Industrie und Wirtschaft unseren Planeten Jahr für Jahr mehr ausbeuten. Der immer früher statt findende „Earth Overshoot Day“ bringt es auf den Punkt: Er markiert den Tag, an dem die Menschheit für ihre Lebensführung so viele Rohstoffe verbraucht hat, wie der Planet innerhalb eines Jahres neu produzieren kann. Wurde der „Earth Overshoot Day“ 1971 noch am 21. Dezember „gefeiert“, so fand er heuer bereits am 1. August statt: Ab diesem Tag lebten wir alle „auf Pump“. Die Grenzen des Wachstums werden uns damit auf dramatische Weise vor Augen geführt. Innovative Startups, deren ökologisch nachhaltige Geschäftsideen sich in der „Sharing Economy“ bewegen, können durch das in der Gesellschaft steigende Bewusstsein für diese Grenzen aber sehr stark auf eine wachsende Menge potentieller KundInnen vertrauen.

„Die klassische, auf Maximierung von Wachstum fixierte Ökonomie ist in schweres Fahrwasser geraten und kommt in Teilen zum Erliegen“, bringt es das deutsche Zukunftsinstitut mit der aktuellen Trendstudie „Next Growth – Wachstum neu denken“ auf den Punkt. „In der Wirtschaft von morgen erlangt Wachstum eine neue Qualität: Befreit von rein ökonomischen Perspektiven entsteht eine neue Dimension des Wirtschaftens und gesellschaftlicher Wertschöpfung“, heißt es in der unter der Leitung von André Reichel – einem weiteren bekannten Postwachstums-Vertreter neben Paech – entstandenen Studie.

Sharing is caring

Die Sharing Economy verbreite demnach „eine alternative Logik des Handels und Handelns“. Es geht „um Nutzen statt Besitzen, um gemeinschaftlichen Austausch, lokale Vernetzung und ein sinnvolleres Zusammenleben“. Die so entstehende „Wir-Gesellschaft“ drücke den modernen Lebens- und Arbeitswelten zunehmend ihren Stempel auf und beeinflusse Marktteilnehmer „von Sozialunternehmern und NGOs bis zur Maker-Bewegung“. Als Alternative zum klassischen Konsumverhalten etabliert sich der Wille zum eigenständigen „Produzieren, Reparieren und Innovieren“. Die Unternehmer der Sharing Economy machen dabei „klassische Mittler wie Banken oder Zwischenhändler“ überflüssig und etablieren „peer-to-peer-basierte Geschäftsmodelle“, wie das Forschungsteam um Reichel aufzeigt. Dahinter steht der Geist des Crowdfundings, mit dem über die vergangenen Jahre viele Geschäftsideen realisiert werden konnten, „die die Gesellschaft nachhaltig verbessern wollen“.

Carsharing als Wunderwaffe?

Als Beispiel dient etwa die Entwicklung neuer Carsharing-Modelle: Die KonsumentInnen teilen sich das Produkt „Auto“ bzw. die Dienstleistung „Mobilität“, wobei sie gleichzeitig klimaschädliche Emissionen reduzieren und so ein Mehrwert für die Gesellschaft entsteht. Dass das Teilen gerade im Bereich der Mobilität künftig an Bedeutung gewinnt, scheint auf der Hand zu liegen: Bereits heute stehen BerufspendlerInnen zum einen und UrlauberInnen zum anderen regelmäßig in Staus, verlieren wertvolle Zeit und tragen durch einen erhöhten Abgasausstoß zur weiteren Schädigung der Umwelt bei. Von den nervlichen Strapazen für die Autoinsassen ganz zu schweigen. Wenn man jetzt noch die Entwicklung hin zum selbstfahrenden Auto berücksichtigt, das künftig im „Internet of Things“ über 5G-Netzwerke gesteuert wird, macht es in vielen Fällen auch immer weniger Sinn, einen Wagen nur für sich allein zu nutzen. Denn der könnte ja künftig in der Zeit, in der man ihn nicht benötigt, autonom andere Menschen herum kutschieren.

DriveDeal: Peer-2-Peer mittels Blockchain

Das Startup DriveDeal setzt sich genau mit der Herausforderung auseinander, dass die meisten Fahrzeuge einen bedeutenden Teil der Zeit ungenutzt herumstehen, „was eine Verschwendung von Ressourcen darstellt“. Kernidee der Gründer ist es, die Vorteile des Carsharings mit jenen des Taxibusiness zu vereinen. Man wolle eine Sharing-Community schaffen, die nach dem Peer-2-Peer-Prinzip funktioniert und die Nutzer ohne Vermittler auskommen lässt. Weshalb DriveDeal auch auf die Blockchain setzt, um Bedenken bezüglich der Sicherheit von Zahlungen sowie Nutzerdaten auszuräumen.

Basis für die verbindlichen Buchungsabläufe zwischen privaten Anbietern und Mietern von Transportmitteln bilden Smart Contracts, die mittels Token verifiziert und bezahlt werden. Sowohl die reine Autovermietung als auch die Buchung eines Chauffeur- bzw. Taxidienstes sollen ermöglicht werden: Plattformteilnehmer können ihre Autos zur Verfügung zu stellen, selbst Fahrzeuge von anderen Teilnehmern mieten, eigene Applikationen entwickeln oder der Community gänzlich neue Services anbieten. Damit würden nicht nur ungenutzte Ressourcen in den Wirtschaftskreislauf eingebracht, „sondern das Transportwesen insgesamt effizienter und für die User billiger gemacht“. Vor diesem Hintergrund muss sich wohl auch Uber auf neue Konkurrenz einstellen.

“Wegfinder” bündelt alle Verkehrsmittel

Mit der App „Wegfinder“ agiert auch das Wiener Startup iMobility ganz im Geiste der Nachhaltigkeit. Bundesweit wird der öffentliche Nah- und Fernverkehr „mit individuellen Verkehrsmitteln wie z.B. Carsharing, Bikesharing und Taxi“ verbunden. Innerhalb weniger Sekunden schlägt die App etwa für die knapp sechseinhalb Stunden dauernde Reise von Wien-Meidling bis Feldkirch die Kombination Bus/Zug/Bus (80,80 Euro), Carsharing samt Öffi-Anreise zum Anbieter (ab 50 Euro) oder das eigene Auto (ab 273 Euro zum Satz des amtlichen Kilometergelds) vor. Auch Citybike- und E-Scooter-Standorte, Taxi-Unternehmen, Elektrotankstellen etc. in der näheren Umgebung können rasch angezeigt werden. Öffi-Tickets können für ganz Österreich ebenfalls direkt in der Wegfinder-App gekauft werden, wobei auch Ermäßigungen wie etwa die ÖBB-Vorteilscard zu hinterlegen sind. Unter den von Wegfinder gelisteten Mobilitätsanbietern in der Bundeshauptstadt findet sich u.a. „GoUrban“. Das Startup setzt auf den unkomplizierten Verleih von Elektro-Mopeds (samt Helm) via Smartphone-App, um „schnell, nachhaltig und günstig durch Wien“ zu kommen.

Auf gute Nachbarschaft

Als ein Flaggschiff unter den Sharing Economy-Startups darf man aber immer noch die Plattform fragnebenan.at bezeichnen. Aus dem ursprünglichen Anliegen der Gründer, die Menschen aus ihrer Nachbarschaft kennen zu lernen, sich auszutauschen und einander zu helfen, wurde eine Sharing-Plattform mit aktuell mehr als 55.000 Usern. Gesucht und gefunden werden NachbarInnen, die SchülerInnen Nachhilfe geben, HeimwerkerInnen – bzw. auch nur deren Werkzeug – oder auch eine gute Seele, die während einer urlaubsbedingten Abwesenheit Haustiere und Garten pflegt und im Krankheitsfall Einkäufe tätigt. Möglich ist im Prinzip alles: vom Verleih des eigenen Autos bis zur Anforderung von Unterstützung beim Lektorieren der Diplomarbeit. Dass dieses Sharing-Prinzip Zukunft hat, merken längst auch die großen Player am Markt: Unter den Investoren der Plattform findet sich u.a. auch die Uniqa, die seit Frühjahr 2017 15 Prozent an fragnebenan.at hält.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”.

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Die Kurstafel:

📈 Bitcoin erstmals über 90.000 US-Dollar

In der Folgewoche hatten wir an dieser Stelle schon das Bitcoin-Rekordhoch thematisiert, das unmittelbar nach den Wahlen in den USA erreicht worden ist. Seither ging es weiter deutlich nach oben - zwischenzeitlich sogar über die 90.000-Dollar-Marke. Auf 7-Tage-Sicht liegt der Bitcoin-Kurs 18 Prozent im Plus. Und das nach einer bereits starken Vorwoche, die schon einen klaren Kursanstieg gebracht hatte.

Der Hintergrund ist klar: Die US-Kryptobranche hofft auf einen Kurswechsel in der Politik, nach dem Donald Trump die Präsidentschaftswahl für sich entschieden hatte. Trump hatte sich im Wahlkampf als Bitcoin- und Krypto-Befürworter positioniert. Dabei hatte er auch immer wieder den Kurs der Biden-Regierung kritisiert. Die Börsenaufsicht unter dem von Biden eingesetzten Behördenchef Gary Gensler war insbesondere in den vergangenen beiden Jahren scharf gegen viele Akteure aus der Branche vorgegangen. 

Gensler wird nun abgelöst werden, so viel ist klar. Wer ihm nachfolgt, ist noch offen. Die Stimmung in der US-Kryptobranche könnte so beschrieben werden: Jede andere Person ist besser als Gensler. Die Hoffnung ist aber natürlich, dass möglicherweise sogar eine explizit krypto-affine Person den Posten erhält. Noch ist dies aber offen. Wie auch vieles andere, was die neue Trump-Regierung angeht. 

Aber es geht nicht nur um die Regierung. Denn gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen wurden auch zahlreiche Sitze im Senat und im Repräsentantenhaus neu gewählt. Und Auswertungen der US-Kryptobörse Coinbase zufolge reüssierten dabei viele Kandidat:innen, die der Branche aufgeschlossen gegenüber stehen (siehe Crypto Weekly #151). Dies erhöht die Chancen, dass die Regulatorik in den USA in den kommenden Jahren günstiger für die Branche werden wird.

🤔 Wann knackt Bitcoin die 100.000-Dollar-Marke? 

Zusammenfassend kann man sagen: Die US-Kryptobranche hofft auf einen Kurswechsel in der Politik - und damit auf bessere Zeiten. Wirklich Konkretes weiß man aber noch nicht. Der Markt ist aktuell also primär von Hoffnung getrieben. Diese ist durchaus berechtigt, aber eben auch mit viel Unsicherheit verbunden. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich nach und nach zeigen, was alles Realität werden wird. Die Position des Chefs der Börsenaufsicht wird dabei sicherlich eines der zentralen Themen sein. Aktuell preist der Markt aber einfach eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo ein.

Mit zwischenzeitlich über 90.000 US-Dollar hat sich der Bitcoin-Kurs auch schon der immer wieder beschworenen Marke von 100.000 Dollar angenähert. Im Bullenmarkt von 2021 entstand etwa der Social-Media-Trend, dass Bitcoiner:innen ihre Augen in ihren Profilbildern durch Laseraugen ersetzen - und zwar, so die Ankündigung, bis der Bitcoin-Preis 100.000 Dollar erreiche. 

Im damaligen Cycle war allerdings dann bei knapp über 70.000 Dollar Endstation - und ein “Kryptowinter” brach an, der auch den Bitcoin-Kurs massiv nach unten drückte. Im Zuge des Debakels rund um die Pleitebörse FTX sank er bis auf deutlich unter 20.000 Dollar. Zu diesem Zeitpunkt schien die 100.000-Dollar-Marke völlig unerreichbar.

Zwei Jahre später sieht die Situation ganz anders aus. Nach dem bereits starken Jahr 2023 mit einem Plus von rund 150 Prozent ging es 2024 noch einmal weiter nach oben. Schon im März wurde der Höchststand aus 2021 überschritten. Im November dann neuerlich. Dazwischen lag kein spektakulärer Bullenmarkt, der die Schlagzeilen dominierte - aber nach und nach rückte die 100.000er-Marke plötzlich näher. 

🤭 Warum die Antwort darauf egal ist

Mit einem Bitcoin-Kurs von aktuell knapp unter 90.000 Dollar bräuchte es nur noch einen Kursanstieg von etwas mehr zehn Prozent. Und einen solchen kann es am Kryptomarkt durchaus schon einmal an nur einem (starken) Tag geben. Dass die Marke in den nächsten Wochen überschritten wird, ist also durchaus wahrscheinlich. 

Zeigen wird sich dann aber auch wieder einmal etwas anderes: Dass es sich bei allen vielbeschworenen und genau beobachteten Kursschwellen um völlig willkürlich gewählte Marken handelt, deren Überschreiten in Wirklichkeit keine große Bedeutung hat. Klar, ein Bitcoin-Kurs über 100.000 Dollar ist schon ein Statement und zeigt natürlich auch, wie etabliert Bitcoin mittlerweile ist. Aber das tut ein Bitcoin-Kurs von 99.741 Dollar oder von 102.743 Dollar genauso. Zusammenfassend könnte man also sagen: Die 100.000er-Marke wird früher oder später erreicht werden - es bedeutet nur nichts. 


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