11.07.2023

Sexismus in der PR: Vom Sonnenkönig, “der sich nicht mehr spürt”

Mehrere ehemalige Mitarbeiter:innen einer Wiener PR-Agentur meldeten sich bei brutkasten, um im Rahmen von #growrespect über Erfahrungen bei ihrem früheren Arbeitgeber zu sprechen. Sie erzählen von Sexismus und Belästigung. Auch der CEO meldet sich zu Wort und schildert seine Sichtweise.
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“In Agenturen findet man oft diese Kultur der Sonnenkönige, die sich nicht mehr spüren. Der Geschäftsführer war einer dieser Sonnenkönige”, sagt eine Kontaktperson im Gespräch für #growrespect © Wikimedia Commons
“In Agenturen findet man oft diese Kultur der Sonnenkönige, die sich nicht mehr spüren. Der Geschäftsführer war einer dieser Sonnenkönige”, sagt eine Kontaktperson im Gespräch für #growrespect © Wikimedia Commons

+++ Triggerwarnung: Die folgende Reportage enthält bildhafte Beschreibungen sexistischer Grenzüberschreitungen +++


Ehemalige Mitarbeiter:innen erinnern sich an ein Teamfoto, das in den Räumlichkeiten der Wiener PR-Agentur hing. Der Geschäftsführer hat sich in der Mitte platziert, seine – überwiegend jungen, überwiegend weiblichen – Angestellten stehen um ihn herum. Für die PR-Branche ist das nicht unüblich. Viele junge Mitarbeiterinnen und wenige ältere Männer in der Führungsriege. Der Chef steht im Mittelpunkt. 

“In Agenturen findet man oft diese Kultur der Sonnenkönige, die sich nicht mehr spüren. Der Geschäftsführer war einer dieser Sonnenkönige”, sagt eine Person im Zuge der Recherche-Gespräche. Sexismus-Vorwürfe in dieser Agentur gab es immer wieder mal, nicht zuletzt auch in Online-Bewertungsportalen. 

Insgesamt neun Männer und Frauen, die in den vergangenen Jahren im Unternehmen gearbeitet haben, sprachen mit brutkasten über ihre Eindrücke. Die geschilderten Ereignisse liegen zwei Jahre oder länger zurück. Viele von ihnen haben ihren Berufseinstieg dort erlebt. Einige erzählen, dass ihnen erst im Nachhinein klar wurde, dass das Verhalten ihres Geschäftsführers, aber auch anderer männlicher Kollegen, oft unangebracht war. Dass es oft die eigenen Grenzen überschritten hat. Manche sprechen sogar von einer Übersexualisierung im Arbeitsalltag.

Anwaltliche Einschätzung

Einige der Frauen haben zudem im Rahmen eines anwaltlichen Aufarbeitungsberichts eine rechtliche Einschätzung ihrer Erlebnisse eingeholt. Der Anwalt Alexander Stücklberger bestätigte darin, dass in der Agentur arbeitsrechtlich relevante Grenzüberschreitungen gemäß des Gleichbehandlungsgesetzes stattgefunden hätten. Die Ansprüche können laut Stücklberger allerdings aufgrund der Verjährungsfristen nicht mehr geltend gemacht werden.

Doch nicht alle bestätigen die Vorwürfe. Eine der Frauen sagt, dass sie keinen Sexismus wahrgenommen hat. Es habe zwar eine Zweideutigkeit in der Sprache gegeben, die war aber scherzhaft gemeint und wurde für sie selbst nie als unangenehm wahrgenommen. Sie meint, letztlich komme es auf die individuelle Dynamik im Team an, die sich durch die ständige Fluktuation oft geändert habe. Und damit tut sich eine zentrale Frage auf: Geht es um die individuelle Wahrnehmung oder um einen problematischen Umgang, der System hat? 

“Flirty” und “touchy”

Auffallend “flirty” und auffallend “touchy” sind zwei Anglizismen, die bei der Beschreibung des Agenturchefs in beinahe jedem Gespräch aufkommen. Dies galt teils für eigene Erfahrungen, teils für Beobachtungen in Meetings oder Kundengesprächen. Im Büro beobachtete ein Kollege einmal, wie der Geschäftsführer einer Kollegin am Schreibtisch über die Schulter sah und dabei ihren unteren Rücken berührte, um sie zu loben. Auch vor Kunden sei es laut anderen Mitarbeiterinnen dazu gekommen, dass der Chef seiner Mitarbeiterin über den Rücken streichelte und auffallend “flirty” wurde. Beobachterinnen beschreiben diese Momente als “extrem peinlich”. 

Auch der Ton im Unternehmen war oft speziell. Männliche Kollegen erklären, dass verniedlichende Kosenamen wie “Schatzi” oder “Darling” und ein übermäßiger Körperkontakt vom Chef sowohl Männer als auch Frauen im Unternehmen betroffen haben. Letzteres könne man zwar als Herzlichkeit verstehen, aber eben nur solange es für alle in Ordnung ist, betonen ehemalige Angestellte. Ob es für die einzelnen Personen in Ordnung ist, berührt zu werden, hat der Geschäftsführer laut mehrerer Aussagen aber nie gefragt. 

“Verniedlichende Spitznamen haben wir früher sowohl bei Kolleginnen wie auch bei Kollegen manchmal verwendet – auch für mich haben die Mitarbeiter*innen manchmal Spitznamen gefunden. Wir handhaben das seit mehreren Jahren anders, da sich unser professionelles Bewusstsein in den letzten Jahren weiterentwickelt hat”, schreibt der Geschäftsführer in einem Statement gegenüber brutkasten.

Die Frauen erzählen

“Bei einer Kollegin hat der Chef mal versucht, von ihrer Gabel zu essen. In einem anderen Moment hat er derselben Kollegin in die Hüfte gekniffen. Letzteres hat der Chef auch bei mir gemacht”, meint eine Ex-Mitarbeiterin. Beobachtungen und Erfahrungen wie diese gehören zum Arbeitsalltag vieler ehemaliger Angestellter der Wiener PR-Agentur. Es spiegelt Realitäten wider und vielleicht auch ein Sittenbild. Die Frauen erzählen: 


+++ Alle Namen wurden für die folgende Berichterstattung von der Redaktion geändert. Auch der Geschäftsführer wurde vom brutkasten mit den Vorwürfen konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten. Seine Statements wurden in entsprechenden Stellen des Textes eingefügt. +++


Gespräche über Sex und ein Pograpscher

Eine dieser Frauen ist Anna. Grenzüberschreitungen hat sie nicht nur mit dem Chef, sondern vor allem auch mit anderen männlichen Kollegen erlebt. Sie habe sich bei Gesprächen über sexuelle Erfahrungen oder Empfehlungen zu Sexualpraktiken in der Agentur oft unwohl gefühlt, erzählt sie. Einmal habe ein Kollege zu ihr gesagt: “Du musst unbedingt Analsex haben. Und wenn du es hast, dann denk dabei an mich.”

Ganz am Anfang wertete sie Gespräche über Sex eigentlich sogar noch anders, gibt sie zu. Mit dem Geschäftsführer und einer Kollegin ist sie ab und zu im Rahmen eines Afterworks etwas trinken gegangen. Auch dann sei das Gesprächsthema schnell auf Sexualität umgeschwenkt. “Damals fand ich das sogar extrem cool, weil ich fand, dass mein Chef dadurch total offen und entspannt wirkte. Heute finde ich es daneben”, meint Anna rückblickend. 

Von brutkasten dazu befragt, ob er Kolleginnen im Arbeitsalltag Tipps zu Sexualpraktiken oder Datingverhalten gegeben oder dies zumindest mitbekommen habe, antwortete der Geschäftsführer der PR-Agentur folgendermaßen: 

“Ich selbst habe solche Themen in meiner Erinnerung niemals initiiert. Dass in unserem Unternehmen auch über sexuell konnotierte Themen in der Runde gesprochen wurde, kann ich nicht ausschließen – vor allem in der länger zurückliegenden Vergangenheit. Ich kann mir etwa vorstellen, dass sich Mitarbeitende über das Thema Dating ausgetauscht haben. Aufgrund meiner und unserer grundlegenden Haltung – gegen Sexismus, für Diversität und Chancengleichheit – haben wir das Bewusstsein für Sprache, Tonalität und den Umgang miteinander in unserer Organisation geschärft und auch die Gesprächskultur hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt.”

Anna berichtet auch von mehreren prägenden Grenzüberschreitungen, die ihren direkten Personalverantwortlichen aus dem Management-Team betrafen. Mit diesem hatte sie beispielsweise ein folgenschweres Erlebnis im Lift. “Als ich in den Lift einstieg, hat er mir auf den Hintern geklatscht und meinte dabei ‘Ciao, schöne Ferien’. Ich habe ihn völlig entgeistert angesehen, dann hat sich auch schon die Aufzugstür geschlossen und ich bin in den Urlaub gegangen.” 

Nach ihrem Urlaub wandte sich Anna an eine weibliche Kollegin aus dem Management-Team. Diese reagierte mit dem Hinweis, dass man zwar ein klärendes Gespräch aufsetzen könne. Anna müsse aber letztlich mit den Konsequenzen leben. Denn sie sei diejenige, die mit dem Kollegen weiterarbeiten müsse. 

Im darauffolgenden Gespräch zu dritt bestritt der Kollege den Vorwurf. “Das Meeting hat dann damit geendet, dass wir drei uns an den Händen hielten und gemeinsam versprechen mussten, dass das niemals diesen Raum verlassen wird”, erinnert sich Anna. Der Geschäftsführer habe zum damaligen Zeitpunkt nichts von dem Ereignis gewusst, erst durch ihren späteren Kommentar auf einem Firmen-Bewertungsportal habe er davon erfahren, schildert sie.

Workshop zur internen Aufarbeitung

Sarah gehört zu den Angestellten, die miterlebt haben, wie im Unternehmen über den Eintrag auf dem Firmen-Bewertungsportal gesprochen wurde. Sie war bei einem internen Workshop anwesend, der das Ziel hatte, den Vorwurf und die Online-Bewertung aufzuarbeiten. Geleitet wurde dieser Workshop vom Geschäftsführer, einer weiblichen Managerin und dem betroffenen Manager. Letzterer bekam die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge zu erklären. “Der Geschäftsführer und die Managerin haben dabei beide sein Narrativ verfolgt. Sie haben erklärt, dass der Kollege so etwas nie tun würde. Dass wir ihn schließlich alle kennen würden”, erklärt Sarah. Beide hätten betont, dass sie dem Kollegen glauben würden. Sarah empfand das als sehr problematisch, “denn schließlich waren sie nicht dabei und wissen nicht, was stimmt und was nicht.” Für Sarah war nach diesem Workshop klar: “Wenn mir so etwas passiert wäre, würde ich mich jetzt noch weniger trauen, etwas zu sagen.”

Auch der Geschäftsführer wurde im Zuge der Recherchen zu diesem Artikel befragt, ob er je mitbekommen hat, dass eine Mitarbeiterin von einem männlichen Kollegen am Po berührt wurde. Entgegen der Aussagen der Kontaktpersonen, kam es laut CEO zu lediglich einem Vorfall, der allerdings aufgearbeitet wurde:

“Es gab einen solchen Vorfall im Jahr 2019, zu dem wir eine klare Haltung haben und der unter der Leitung eines nicht betroffenen weiblichen Mitglieds des Management-Teams gemeinsam mit allen Beteiligten sofort nach Meldung des Vorfalls besprochen wurde. Solche Körperberührungen sind absolut inakzeptabel. Der Vorfall wurde aufgeklärt und auch mit Protokollen dokumentiert. Die Entschuldigung des Mitarbeiters wurde von der Mitarbeiterin angenommen. Die ins Vertrauen gezogene Kollegin aus dem Management hat die vom Vorfall betroffene Kollegin – nach intensivem Austausch – konkret angesprochen, ob der Vorfall aus ihrer Sicht geklärt ist, was die Kollegin bejahte.”

Sarah ist außerdem eine von vielen Kontakten, die im Zuge der #growrespect-Recherchen auf unangenehme Beobachtungen im Arbeitsalltag verweist. Sie selbst habe zwar keinen körperlichen Übergriff erlebt, allerdings habe sie sich als Mitarbeiterin oft sehr unwohl gefühlt. Ihre Wahrnehmungen erklärt Sarah wie folgt:

“Ich habe häufig eine Verniedlichung der weiblichen Mitarbeiterinnen wahrgenommen, dabei wollte ich immer gern für meine Leistung gesehen werden. Auf unserer Weihnachtsfeier wurden einmal verschiedene Preise vergeben. Meine Kolleg:innen haben einen Award für den besten Manager oder die beste Beraterin des Jahres bekommen. Ich habe einen Award für mein Lächeln erhalten, weil ich immer so gute Laune mitbringe. Aber was hat mein Lächeln mit meiner Arbeit oder meiner Leistung zu tun?”

Inzwischen ist Sarah klar, dass sie damit auf ihr Äußeres reduziert wurde. “Mein Manager hat das damals übrigens genauso gesehen”, sagt sie. 

“Das sind alles Buben, die du dir da aussuchst. Du brauchst mal einen älteren Mann”

Ein weitere ehemalige Mitarbeiterin, die Grenzüberschreitungen erlebt hat, ist Helena. In der Zeit, als sie in der PR-Agentur arbeitete, war es noch üblich, dass Mitarbeiterinnen mit unpassenden Spitznamen angesprochen wurden, erklärt sie. Ihr Chef begrüßte sie beispielsweise einmal als “Prinzessin” im Lift. Ein anderes Mal ging Helena ins Büro des Geschäftsführers, um etwas mit ihm zu besprechen. Noch bevor sie ihr Anliegen aussprechen konnte, rief dieser: “Na, du bist heute aber ein heißer Feger!” Das war ihr unangenehm, doch sie blieb zunächst sprachlos und wechselte dann das Thema zu ihrem beruflichen Anliegen. 

Den raschen Themenwechsel habe sie auch bei einem Gespräch auf der Weihnachtsfeier gesucht. Zuvor hatte Helena mit einer Kollegin über ihren Liebeskummer gesprochen. Das schien ihr Chef mitbekommen zu haben. “Er hat mich auf meinen Liebeskummer angesprochen und begonnen mir zu erklären, dass das alles Buben sind, die ich mir da aussuche und dass ich mal einen älteren Mann brauche. So etwas vom eigenen Chef zu hören, ist einfach sehr unangenehm”, meint sie.

Ein anderes Erlebnis, das ihr bis heute im Gedächtnis blieb, geschah an einem gewöhnlichen Arbeitstag in der Büroküche. Dort stand sie mit ihrem Geschäftsführer und einem anderen Kollegen aus dem Management. “Der Kollege hat mir im Vorbeigehen auf den Hintern geschnipst. Ich war so perplex, dass ich in dem Moment nur ‘Hey!’ gesagt habe. Der Kollege ist kichernd davongelaufen”, erzählt Helena. 

Ihr Chef, der daneben stand und alles beobachtet hatte, sei anschließend auf sie zugekommen und habe gefragt, ob er den besagten Kollegen auf den Vorfall ansprechen soll. “Ja, natürlich”, habe sie darauf geantwortet und hielt bereits die Frage an sich für unnötig. Der Chef habe den Vorfall dann aber vor ihr relativiert: Es sei nur ein Bubenscherz gewesen und der Kollege würde es nicht so meinen, wenn er das mache. “Ob mein Chef dann tatsächlich mit dem Kollegen gesprochen hat, weiß ich nicht. Dieser kam zumindest nie auf mich zu, um sich zu entschuldigen”, erinnert sich Helena im #growrespect-Gespräch.

Auf brutkasten-Anfrage, ob er mitbekommen habe, dass Mitarbeiterinnen von männlichen Kollegen am Po berührt wurden, bestätigt der Geschäftsführer allerdings nur “einen solchen Vorfall im Jahr 2019”. Dabei dürfte es sich um den vorher geschilderten Fall von Anna handeln. Davon unabhängig bestätigt der Geschäftsführer “eine unpassende körperliche Berührung eines Mitarbeiters bei einer Mitarbeiterin”, die im Management-Team sowie mit den Beteiligten besprochen und geklärt werden konnte. Auch arbeitsrechtliche Konsequenzen im Wiederholungsfall seien definiert und ausgesprochen worden. Ob sich der Geschäftsführer dabei auf den von Helena geschilderten Fall bezieht, ist unklar.

Die Mutter habe ihn zum Feministen erzogen

Auch eine weitere Mitarbeiterin, Linda, hielt den Geschäftsführer von Anfang an für einen außergewöhnlichen Chef. Das begründet sie unter anderem damit, dass er sehr viel Privates mit Beruflichem vermische. Die Kosenamen gegenüber Angestellten fielen auch Linda schnell auf. Anfangs sei es noch üblich gewesen, dass man “Schatz” oder “Prinzessin” genannt wurde. Das habe nach interner Kritik aber aufgehört. 

Außerdem habe der Chef stets darauf bestanden, dass man vor ihm gehe, vor ihm in den Aufzug steige oder dass er einem in den Mantel helfe. Das ist für Linda grundsätzlich nichts Schlechtes, betont sie im brutkasten-Gespräch. Der Geschäftsführer habe das aber immer so übertrieben gemacht, dass es unangenehm wurde. “Diese Punkte haben wir in einer anonymen Mitarbeiter-Umfrage angemerkt. Darauf hat er sehr cholerisch reagiert und meinte: Wenn man das an ihm kritisiere, beschimpfe man seine Mutter, denn sie habe ihn zum Feministen erzogen”. Linda habe es generell schwierig gefunden, negative Kritik zu äußern.

Wie Helena erzählt auch Linda von einem Moment in der Küche der Agentur. An einem Tag trug sie ein schwarzweiß gestreiftes Oberteil mit einem aufgedruckten Kussmund auf der linken Seite. “Bei so einem T-Shirt kann ich dir ja nur auf den Busen schauen”, habe ihr Chef zu ihr gesagt, als die beiden alleine in der Küche standen. “Ich habe das T-Shirt danach weggeworfen”, erinnert sich Linda.

Auf die Frage, ob er äußere Merkmale seiner Mitarbeiterinnen kommentiert habe, die sich auf deren Intimsphäre bezogen, antwortet der Geschäftsführer dem brutkasten:

“Im Rahmen unserer Feedbackkultur haben mein Team und ich stets nur auf jene Punkte aufmerksam gemacht, die im Zusammenhang mit unserem professionellen Auftreten als Berater*innen stehen. Dies wurde – in allen Fällen, die jedoch selten aufgetreten sind – im Rahmen eines konstruktiven Gesprächs gemeinsam mit den jeweiligen direkten Personalverantwortlichen besprochen und geklärt.”

“Wenn der Chef einen an der Hüfte berührt, ist man halt die, die mit dem Chef vögelt”

Im Zuge der Recherchen spricht auch Nora – eine ehemalige Mitarbeiterin, die sagt, dass sie selbst für einige Zeit lang in einer intimen Beziehung mit dem Geschäftsführer war. Im Unternehmen sei die Beziehung allerdings nicht offiziell gewesen. Zum Arbeitsalltag erklärt sie: “Es ist Teil der Agentur-Kultur, dass die Beziehungen dort sehr nah sind”, erklärt sie. Im Laufe der Zeit und durch übermäßig viele gemeinsame Projekte, die sich auch abseits der üblichen Arbeitszeiten bewegt haben, habe sich Schritt für Schritt eine private Beziehung entwickelt.

Doch im Arbeitsalltag brachte dies Probleme mit sich. Der Chef habe sie in Kundengesprächen an der Hüfte berührt und sie zu sich herangezogen. Das war ihr unangenehm: “Ich habe ihm oft gesagt, dass ich das in der Agentur und vor den Kunden nicht möchte. Denn dann ist man halt die, die mit dem Chef vögelt und deshalb dorthin kommt, wo man ist – und nicht aufgrund der eigenen Kompetenz.” Irgendwann sei es dann auch dazu gekommen, dass Kunden mit witzelnden Kommentaren reagierten. 

Die Beziehung zu ihrem Chef beendete Nora nach einiger Zeit und brach mit ihrem Jobwechsel auch den Kontakt zu ihm ab. Heute hinterfragt sie einiges an der Beziehung, aber auch am Umgang in der Agentur – besonders wenn es darum geht, Kritik zu äußern oder Probleme anzumerken. 

Feedback-Kultur für Sonnenkönige

“Die Feedback-Kultur im Unternehmen war sehr einseitig. Eher von den oberen Positionen abwärts”, erklärt Nora rückblickend. Diese Wahrnehmung überschneidet sich mit nahezu jeder anderen Quelle, die im Zuge der Recherchen mit dem brutkasten sprach. “Leider ist der Chef nicht gut mit Kritik umgegangen. Er hat immer zu Feedback eingeladen, wenn es dann aber negativ ausgefallen ist, ist er damit nicht gut zurechtgekommen”, sagt eine andere Kontaktperson. 

Der Geschäftsführer der PR-Agentur dürfte dazu eine andere Wahrnehmung haben: In seiner Stellungnahme gegenüber brutkasten betont er wiederholt das Thema Feedback-Kultur. Er verweist darauf, dass eine anonyme Meldeplattform, der Code of Conduct und Feedbackregeln im Unternehmen kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt würden. 

Es drängt sich allgemein die Frage auf, was es mit der Unternehmenskultur macht, wenn Angestellte eine problematische Feedback-Kultur wahrnehmen, in der negative Kritik anscheinend wenig bis gar nicht angenommen wird. Außerdem stellt sich generell die Frage, wie schnell ein lockerer, familiärer Umgang unter Kolleg:innen eine individuelle Grenze überschreiten kann.

Eine der Quellen verwies auf einen weiteren Aspekt: Männer wie der Geschäftsführer seien in einer Zeit sozialisiert worden, in der kaum Bewusstsein für Geschlechterungleichheit existierte. Die Frage sei, ob man sich dem stelle und sich hinterfrage: “Ob man signalisiert, dass man offen und dankbar ist für Feedback. Das ist etwas, das manche Menschen einfach nicht haben. Und Sonnenkönige haben meist keine Feedbackgespräche.”


Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: Bis heute fehlt in Österreich das Wissen und die Aufklärung darüber, dass Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zivilrechtlich geschützt sind. Hier könnt ihr euch informieren und kostenlos beraten lassen.


DisclaimerMit unserer Inititative #growrespect möchten wir für die Themen Sexismus und auch sexuelle Belästigung im Arbeitsalltag sensibilisieren. Dabei wollen wir investigativen Journalismus leisten und sowohl als Informationsplattform, als auch als Austauschplattform für betroffene Personen auftreten.

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Beim Landesgericht Korneuburg fand heute, am 14. November 2024, die Sanierungsplantagsatzung im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über die Marinomed Biotech AG statt. Ohne Gegenstimme haben die Gläubiger den Sanierungsplan angenommen.

Im August dieses Jahres meldete das Korneuburger (NÖ) Biotech-Unternehmen Marinomed Insolvenz an. Grund dafür waren Umsatzrückgänge und Verluste in Millionenhöhe – brutkasten berichtete.

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Weiter heißt es vom KSV1870, dass insgesamt 98 Gläubiger Forderungen in Höhe von rund 31 Mio. Euro angemeldet haben, welche in einer Summe von rund 30 Mio. Euro auch anerkannt wurden.

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Erst im Frühling 2023 verlautbarte Marinomed, das umsatzstärkste erste Quartal in der Unternehmensgeschichte erzielt zu haben: 3,3 Mio. Euro Umsatz. Es folgte ein deutlicher Einbruch und ein Verlust von 6,8 Mio. Euro. Anfang 2024 standen nur mehr 0,7 Mio. Euro zu Buche.

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