12.07.2024
RYAN GRANT LITTLE

Foodtech-Investor: “Fleisch wird uns so merkwürdig erscheinen wie Rauchen in Flugzeugen”

Interview. Der gebürtige Kanadier Ryan Grant Little ist ein in Wien ansässiger Foodtech-Investor. Im Gespräch mit brutkasten gibt er einen Einblick in die Zukunft der Lebensmittelindustrie und erläutert, worauf er bei seinen Investments besonders achtet.
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Ryan Grant Little | (c) brutkasten / Fabian Krausböck

*Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Ausgabe unseres Printmagazins. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.

Bereits als Teenager gründete der gebürtige Kanadier Ryan Grant Little die gemeinnützige Spendenplattform CanadaHelps.org, die bis heute mehr als zwei Milliarden US-Dollar an wohltätige Organisationen vermittelt hat. Später folgte die Gründung der kanadischen Firma StormFisher Biogas – eines der einflussreichsten Unternehmen am nordamerikanischen Markt für Biogas. Nach einem Exit verschlug es den umtriebigen Unternehmer nach Berlin, wo er als Investor seine ersten Kontakte zur europäischen Foodtech-Szene aufbaute.

Über die vergangenen Jahre tätigte Grant Little über 25 Investments in Unternehmen, die innovative Lösungen im Bereich der Lebensmitteltechnologie entwickeln. Dazu zählt auch das bekannte Wiener Food-Startup Arkeon, das Mikroben nutzt, die auf natürliche Weise CO2 in Grundstoffe für die Lebensmittelindustrie umwandeln. Mittlerweile hat Ryan Grant Little auch seinen Lebensmittelpunkt von Berlin nach Wien verlagert.


brutkasten: Im Bereich der alternativen Proteine gibt es derzeit unterschiedliche technologische Ansätze. Welche haben deiner Meinung nach am meisten Potenzial?

Ryan Grant Little: Es gibt pflanzliche, fermentierte und kultivierte Lebensmittel. Alle drei Ansätze bedeuten eine fundamentale Revolution unseres derzeitigen Lebensmittelsystems. In 30 Jahren werden wir denken, wie seltsam es früher war, dass wir Kühe für Hamburger gezüchtet haben. Fleisch wird uns in Zukunft so merkwürdig erscheinen wie heute das Rauchen in Flugzeugen. Potenzial haben alle drei Ansätze; in Zukunft werden wir im Bereich der alternativen Proteine eine Kombination von pflanzlichen, fermentierten und kultivierten Lebensmitteln erleben.

Wie schätzt du die Akzeptanz der Konsument:innen gegenüber alternativen Proteinen ein?

Das Good Food Institute Europe hat gerade eine Studie in Österreich und Deutschland durchgeführt – 50 Prozent der befragten Personen wollen ihren Fleischkonsum reduzieren und sind offen für Alternativen. 66 Prozent oder zwei Drittel der Befragten in Österreich und Deutschland befürworten kultiviertes Fleisch, solange Sicherheitsstandards eingehalten werden. Somit gibt es in der Bevölkerung ein großes Interesse gegenüber alternativen Proteinen.

Die Gewinner werden schlussendlich diejenigen sein, die in Innovationen investieren.

Ryan Grant Little

Dennoch erleben wir aktuell in Österreich vonseiten der Politik und der Landwirtschaftskammer eine ablehnende Haltung gegenüber kultiviertem Fleisch. Warum?

Das Thema ist, dass es derzeit weltweit in vielen Bereichen ein großes Problem mit Desinformation gibt. Die gleichen Lobbyisten, die früher Tabaklobbyisten waren und dann Öl-Lobbyisten, sind jetzt in der Agrar- und Ernährungsindustrie tätig. Sie benutzen das gleiche Playbook, um Desinformation zu säen. Wir erleben derzeit eine sehr merkwürdige Situation: Große Fleischunternehmen positionieren sich auf der einen Seite neu als „Proteinunternehmen“ und investieren in diesen Bereich; andererseits großartige Produkt herstellen kann und einen B2B Abnehmer hat, der in großen Mengen kauft, halte ich das für eine gute Strategie. Den Kampf auf Regal-Ebene zu gewinnen kann Startups auch schnell überfordern. Sofern man mit einer B2C-Marke punkten möchte, ist es natürlich auch für Investor:innenen wichtig, dass man als Startup zumindest im Ursprungsland mit seinen Produkten im Supermarkt gelistet ist.

Wie hoch schätzt du das Risiko ein, als kleines Food-Startup von großen Lebensmittelkonzernen kopiert zu werden?

Das ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Das Risiko gibt es im Prinzip in allen Branchen. Es gibt große Unternehmen, die sich immer überlegen, ob sie etwas entwickeln oder kaufen wollen. Große Unternehmen sind in der Regel aber nicht besonders gut darin, innovativ zu sein. Es ist viel einfacher, die Innovation einem Startup zu überlassen und es dann zu kaufen, um es zu skalieren. Sie sind dafür einfach besser aufgestellt. Ich denke, je generischer das Produkt ist, desto größer ist das Risiko.

Ryan Grant Little zu Gast bei brutkasten | (c) bruktasten

Siehst du Potenzial für neue FoodStartups aus Österreich am Markt?

Auf jeden Fall. Wir werden beispielsweise noch viel mehr Neuerungen im Bereich der Fermentation sehen, aber auch Materialien wie Myzel oder Algen haben noch viel Raum für Wachstum. Ich würde mich freuen, wenn solche Dinge hier in Österreich entwickelt werden. Ich glaube, es gibt viel Spielraum dafür.

Hast du Tipps für Gründer:innen, die derzeit gerade ein Food-Startup gründen bzw. aufbauen?

Gründer:innen sollten den Markt bereits in einer frühen Unternehmensphase testen. Dazu zählt auch der Austausch mit potenziellen Kunden. Zudem müssen sie sicherstellen, dass sie wirklich ein Problem lösen: Ich sehe oft, auch im Climate-Tech-Bereich, dass Leute Lösungen entwickeln, für die es kein Problem gibt. Und das Problem muss bei jemandem liegen, der bereit ist, für die Lösung zu bezahlen.

In 30 Jahren werden wir denken, wie seltsam es früher war, dass wir Kühe für Hamburger gezüchtet haben.

Ryan Grant Little

Derzeit erleben wir einen stark eingetrübten Markt für die Finanzierung von Startups. Wie sollten Gründer:innen damit umgehen?

Gründer:innen sollten genau wissen, wie ihr Finanzplan aussieht und wie sie finanziell nachhaltig werden können. Je mehr man bootstrappt und je konservativer man mit Geld umgehen kann, desto besser. Im Zentrum müssen zudem klar monetarisierbare Meilensteine stehen. Deshalb sage ich Gründer:innen immer: Wenn du jetzt 300.000 Euro aufnimmst, dann zeige mir, wie du mit diesem Geld entweder die Gewinnschwelle oder Meilensteine erreichst, dass das Unternehmen dreimal so viel wert ist, wenn du in eineinhalb Jahren zwei Millionen aufnehmen möchtest.

Was gibst du anderen Investor:innen mit?

Investor:innen sollten keine Angst haben, in Lebensmitteltechnologie oder Klimatechnologie zu investieren, nur weil sie das Gefühl haben, dass sie keine Ahnung davon haben. Ich meine, ich wusste bis vor ein paar Jahren wirklich nichts über Lebensmittel – und dann habe ich mich damit intensiv befasst und schrittweise mein Wissen erweitert. Menschen müssen sich zudem bewusst sein, dass ihr Geld etwas bewirkt. Das fängt schon mit der Wahl der eigenen Bank an. Generell möchte ich Menschen dazu ermutigen, dass ihnen bewusst wird, welche Auswirkungen ihr Geld hat, auch wenn sie es oftmals auf den ersten Blick nicht sehen können.


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Die Cable-Sherpa-Gründer (vlnr.) Helmut Kastler, Erwin Kunst und Andreas Affenzeller | (c) Flora Fellner
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Das oberösterreichische Startup Cable-Sherpa mit Sitz in Freistadt wurde 2024 von den Technikern und Freunden Helmut Kastler, Andreas Affenzeller und Erwin Kunst gegründet. Und hat einen relativ simplen, an der Wand zu befestigenden, Metallarm entwickelt. Dieser soll als Kabelmanagementsystem das “Kabelchaos” beim E-Auto-Laden in der eigenen Garage oder im eigenen Carport beseitigen und Stolperfallen entschärfen (brutkasten berichtete).

Cable Sherpa: Idee bereits 2023

Das Startup hat verschiedene Varianten des smarten Kabelmanagementsystems im Angebot: Cable-Sherpa und Cable-Sherpa Nani. “Bei der Produktentwicklung haben wir besonders darauf geachtet, dass der Tragarm für alle einfach zu bedienen ist. Der E-Ladevorgang kann mit Cable-Sherpa einfach mit nur einem Handgriff gestartet und auch wieder beendet werden. Nutzer:innen können so ohne viel Aufwand ihr E-Auto laden. Unser Ziel ist es, Komfort, Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit in den Vordergrund zu stellen“, erklärt Affenzeller, CTO und Co-Founder.

Kooperationen in der Schweiz und in Deutschland

Cable Sherpa konnte mit seiner Idee im DACH-Raum erste Achtungserfolge verbuchen und neue Kooperationspartner gewinnen. Die beiden Online-Portale energielösung aus Deutschland und schnelladen aus der Schweiz haben das Produkt der Freistädter in ihren Shops gelistet. “Aktuell planen wir die nächsten Expansionsschritte von Cable-Sherpa in andere europäische Länder”, fasst der CCO und Co-Founder Kunst die nächsten unternehmerischen Schritte zusammen.

“Im Mai 2023 hat alles mit einer Idee begonnen, und jetzt ist unsere Kabelhalterung schon richtig gefragt – das hätten wir am Anfang nicht erwartet”, ergänzt Kastler. “Möglich gemacht haben das unser Engagement, Durchhaltevermögen und ein klares Geschäftsmodell. Die derzeitige mediale Wahrnehmung ist sehr auf Österreich und Deutschland reduziert. Wir konzentrieren uns aber auf den gesamteuropäischen Markt, mit einer langfristigen Strategie. Neueste Zahlen zeigen, dass es bis 2030 32 Millionen Ladepunkte in der EU geben wird – das stimmt uns sehr positiv.”

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