04.12.2023

Rot-Weiß-Rot-Karte: Neuer Strategieausschuss soll Beschleunigung bringen

Die Regierung will bei der Rot-Weiß-Rot-Karte mehr Tempo machen. Bis 2027 sollen jährlich mindestens 15.000 Stück ausgestellt werden.
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RWR-Karte Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte
Die Rot-Weiß-Rot-Karte (Muster)

Nicht weniger als acht Ministerien sind am nun präsentierten “Strategieausschuss für internationale Fachkräfte” der Bundesregierung beteiligt. Federführend soll aber das Arbeits- und Wirtschaftsministerium agieren. Der Ausschuss soll sich laut einer Aussendung unter anderem mit einer bundesweiten Strategie zur Fachkräftezuwanderung, verbesserten Verfahren und der Identifikation von Ziel- und Fokusländern zur Fachkräfterekrutierung befassen. Erklärtes Ziel ist auch eine weitere Beschleunigung bei der Rot-Weiß-Rot-Karte (RWR-Karte).

Strategieausschuss soll Maßnahmen bündeln

Schon die letzte Reform zeigt in den Zahlen Wirkung. Bis Ende Oktober wurden laut Ministerium 6.661 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt – mehr als im gesamten Jahr 2022. Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher betont zudem weitere Maßnahmen im Bereich internationale Fachkräfte aus den vergangenen Monaten. So habe man etwa erst kürzlich die Mangelberufsliste unter anderem um Green Jobs im Mobilitätsbereich erweitert. “Gleichzeitig ist aber auch klar, dass es noch weitere Anstrengungen braucht, um den enormen Fachkräftebedarf vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Zukunft decken zu können. Der Strategieausschuss für internationale Fachkräfte der Bundesregierung dient dazu, zukünftige Maßnahmen an einer zentralen Stelle zu koordinieren und zu bündeln”, so der Minister.

Bis 2027 15.000 Rot-Weiß-Rot-Karten pro Jahr

In Sachen RWR-Karte gibt Kocher ein konkretes Ziel aus: “Um über mehrere Jahre einen kontinuierlichen und substantiellen Beitrag für den Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstandort leisten zu können, muss die Anzahl der für die qualifizierte Arbeitsmigration erteilten Aufenthaltstitel ansteigen. Damit verbunden ist auch eine Modernisierung und Digitalisierung des Prozesses der Beantragung der Rot-Weiß-Rot-Karte. Bis 2027 sollen jährlich mindestens 15.000 Menschen eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten”. Über EURES, dem Netzwerk Europäischer Arbeitsmarktservices, sollen darüber hinaus zusätzliche Personen aus der Europäischen Union aktiv vermittelt werden.

“Abgestimmte Kommunikation im Ausland zur Darstellung von Österreich als attraktiven Arbeitsstandort”

Der Strategieausschuss soll nun eine allgemeine, bundesweite und ressortübergreifende Strategie zur Fachkräftezuwanderung umsetzen. “Diese umfasst unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration und der Qualifizierung in Österreich lebender Personen mit Migrationsbiografie, die Identifikation von möglichen Ziel- und Fokusländern für die Vermittlung von interessierten Arbeitskräften, aber auch eine abgestimmte Kommunikation im Ausland zur Darstellung von Österreich als attraktiven Arbeitsstandort”, heißt es in der Aussendung.

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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