31.08.2023

RHI Magnesita-Chef: “Wenn wir immer nur an das Risiko denken, schaffen wir gar nichts”

Interview. Wir sprechen mit Stefan Borgas, CEO von RHI Magnesita, über die Dekarbonisierungstrategie des Unternehmen. Unter anderem arbeitet RHI Magnesita dafür eng mit Startups zusammen und investierte erst unlängst in das australische Cleantech-Unternehmen MCi Carbon.
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Stefan Borgas | RHI Magnesita

RHI Magnesita gilt mit seinen ingesamt 15.000 Mitarbeiter:innen und fast 50 Produktionsstandorten als ein weltweit führender Hersteller für feuerfeste Materialien. Dementsprechend groß ist auch der CO2-Ausstoß des Unternehmens. Alleine in Österreich beläuft sich dieser aktuell auf jährlich rund 500.000 Tonnen.

Bis 2025 möchte RHI-Magnesita seinen Ausstoß um 15 Prozent im Vergleich zu 2018 reduzieren. Wie dies gelingen soll, hat uns RHI-Magnesita-Chef Stefan Borgas im Interview erläutert. Unter anderem investierte das Unternehmen Anfang des Jahres in das australische Cleantech-Startup MCi Carbon, das sich auf die sogenannte Carbon Capture & Utilisation-Technologie (CCU) spezialisiert hat. Zudem erläutert Borgas, warum er sich für das Aufheben des Verbots der Carbon-Capture-Storage-Methode in Österreich einsetzt.


RHI Magnesita hat sich zum Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß bis 2025 um 15 Prozent im Vergleich zu 2018 zu senken. Wie weit sind Sie am Weg bereits?

Wir sind auf dem Weg zu unserem 15-Prozent-Ziel schon fast angekommen und ich glaube, dass wir das Ziel bis 2025 übererfüllen werden. Der größte Hebel ist die Vermeidung von CO2-Ausstößen, wobei wir erstens selbst weniger Rohstoffe im Berg abbauen und zweitens weniger Rohstoffe von Lieferanten zukaufen. Unser Ziel ist es, Rohstoffe aus den Abfällen unserer Kunden zu gewinnen. Dafür haben wir ziemlich viel Geld in die Kreislaufwirtschaft investiert.  

Sie sprechen das Thema Sekundärrohstoffe an. Wie viel machen diese aktuell im Rohstoffmix aus?

Im ersten Halbjahr 2023 haben wir ungefähr 87 Prozent Primärrohstoffe und 13 Prozent Sekundärrohstoffe genutzt. Vor fünf Jahren lag dieser Wert bei lediglich zwei Prozent. Ursprünglich hatten wir für 2025 das Ziel von zehn Prozent definiert. Hier sind wir schon drüber. Deswegen werden wir 2025 sicherlich über 15 Prozent sein. Für uns ist jetzt in einem nächsten Schritt relevant, auf 20 Prozent zu kommen. 

Wie kommen sie dorthin? 

Um auf die 20 Prozent zu kommen, müssen wir Technologien einsetzen, die es heute noch nicht gibt. Dafür haben wir ein großes Forschungsprojekt gestartet, das auch von der EU gefördert wird. Zusammen mit mehreren anderen Unternehmen aus dem Bereich der Lasertechnologie und Robotics bauen wir eine Sorting-Plattform, mit der man diese Sekundärabfälle sortiert und Sortenreinheit schafft, sodass wir sie dann wieder einarbeiten können. 

Welche weiteren Schritte möchten Sie in der Dekarbonisierung setzen?

Sofern wir bei den Sekundärrohstoffen einen Anteil von 25 Prozent erreichen, sparen wir auch 25 Prozent der CO2-Emissionen ein. Der zweite große Block sind die Prozess-Emissionen, für die es im Prinzip keine technologische Lösung gibt. Deswegen braucht es auch hier Technologie-Investitionen, wie beispielsweise unsere Kooperation mit MCi Carbon. Und die dritte Säule ist das Ersetzen von fossilen Brennstoffen mit nicht fossilen Brennstoffen.

In einem ersten Schritt müssen wir aber zunächst Kohle und Öl mit Gas ersetzen, was großteils bereits passiert ist. Sobald wir Zugang zu Wasserstoff haben, können wir dieses Gas wiederum durch Wasserstoff ersetzen. 

In der Vergangenheit haben Sie auch die Carbon-Capture-Storage-Methode ins Spiel gebracht. Welche Rolle wird diese bei der Dekarbonisierung spielen? 

Nicht wirklich. Unsere CO2-Mengen fallen in vielen Werken sehr dezentral an und da lohnt es sich nicht, große Carbon-Storage-Strukturen zu schaffen. Unser CO2 zu transportieren, wie dies beispielsweise Ölfirmen mit Erdöl machen, bringt auch nichts. Das ist viel zu teuer. Deswegen ist Carbon Storage für uns eher ein Backup. 

Dennoch setzen Sie sich in Österreich für die Aufhebung des Verbots von Carbon Capture Storage ein. Warum?

Ja, klar muss das Verbot aufgehoben werden. Wir können nicht nur mit Solarpanelen die Welt dekarbonisieren. Wir brauchen ganz viele andere Technologien. Dafür müssen wir alles, was denkbar ist, ausprobieren und versuchen. Vielleicht wird das am Schluss nichts, aber das wissen wir eben jetzt nicht. Und wenn wir nicht technologieoffen sind, dann verbauen wir uns zukünftige Wege. Und deswegen setzen wir uns dafür ein, dass auch solche Verbote fallen. 

Kritiker von Carbon Capture Storage argumentieren, dass die Risiken der Methode noch nicht bekannt sind. Wie sehen Sie das? 

Alles was wir tun, hat Risiken. Wenn wir nichts tun, ist es auch riskant. Selbst wenn Sie einschlafen, haben Sie das Risiko, dass Sie nicht mehr wach werden. Wenn wir immer nur ans Risiko denken, schaffen wir gar nichts. Wichtig ist, dass wir alle an einen Tisch kommen und über die Risiken sprechen. 

Kommen wir nun zur Investition in MCi Carbon. Was ist die bisherige Bilanz der Zusammenarbeit?

Die Zusammenarbeit ist großartig. MCi Carbon hat eine Technologie gefunden, bei der CO2 mineralisch absorbiert wird und daraus sehr stabile mineralische Moleküle gemacht werden. Diese können wir dann für andere Anwendungen verwenden. Zum Beispiel für Zementproduktion oder für den Trockenwandbau. Und dort bleibt eben das CO2 langfristig gebunden. Diese Technologie ist großartig, weil sie Carbon Capture Storage und Carbon Utilization vereint. Das ist für unsere Zwecke wahrscheinlich der im Moment vielversprechendste Weg, um die Prozessemission zu senken. 

Zudem sind wir gerade dabei mit MCi Carbon in Australien eine größere Pilotanlage zu bauen. Sie verfügt über einen Maßstab von 1000 Tonnen und wir wollen dort künftig unsere Mineralien und Abgase testen, die wir in unseren Werken in Breitenau und Hochfilzen produzieren. 2028 wollen wir dann gemeinsam mit MCi Carbon die erste Großanlage bauen, die wahrscheinlich in Hochfilzen errichtet wird. Sie soll künftig 50.000 Tonnen CO2 absorbieren und daraus mineralische Wertprodukte schaffen, die sogar Carbon-negative sind.

Wie hoch schätzen Sie da die Investitionskosten für diese Anlage?

Also irgendwo zwischen 50 und 80 Millionen.

Sehen Sie sich derzeit in anderen Bereichen nach Startups um?

Normalerweise macht es für uns wenig Sinn, in die Startups direkt zu investieren. In der Regel ist es für uns sinnvoller, dass wir mit ihnen gemeinsame Projekte mit deren Technologie und unserem Kapital umsetzen. Im Fall von MCi Carbon gab es aber ein paar besondere Konstellationen, warum wir Eigenkapital-Investment getätigt haben. Mit dieser Technologie können wir nämlich auch den CO2-Ausstoß unserer Wettbewerber eliminieren. Durch das Equity haben wir nun auch Rechte an der Technologie, die uns eine Lizenzierung erlauben. Sofern die Technologie funktioniert, können wir nicht nur RHI Magista, sondern die gesamte Feuerfest-Rohstofindustrie dekarbonisieren.


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Das „Kernteam“: Leo Sulzmann, Mona Heiß und Markus Korn. (c) Freundeskreis

Käsealternativen aus Cashewnüssen, Mandeln, Soja oder Erbsenprotein: Der Markt für Käseersatzprodukte erlebt derzeit eine Hochphase. Auch das Startup Freundeskreis hat es sich zur Mission gemacht, mit seinem pflanzlichen „Cam-mhh-berta“ die Käsewelt zu transformieren. Anstelle von Milchkulturen, die in herkömmlichem Camembert verwendet werden, setzt das Unternehmen auf eine untypische Zutat: Marillenkerne – ein Nebenprodukt der heimischen Obstindustrie.

Ende letzten Jahres konnte Freundeskreis eine Förderung von 400.000 Euro von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws) sichern – brutkasten berichtete. Mit dieser Förderung bauten sie nicht nur ihre Produktion aus, sondern brachten auch ihren veganen „Cam-mhh-berta“ erfolgreich auf den Markt. Im Interview mit brutkasten berichtet Co-Gründerin Mona Heiß über die Fortschritte des Startups und die Pläne für die Zukunft.

Freundeskreis wird mit weiteren 97.000 Euro gefördert

Seit Juni dieses Jahres ist der pflanzliche “Cam-mhh-berta” in ausgewählten Bio-Supermärkten in Wien erhältlich: Pepper & Ginny (1010), Maran Vegan (1060) und Markta (1090). Das Feedback ist vielversprechend: Nach Unternehmensangaben wurden in den ersten vier Monaten bereits rund 1.000 Stück verkauft.

Nur wenige Monate nach der aws-Förderung konnte sich Freundeskreis eine weitere finanzielle Unterstützung sichern: Die Wirtschaftsagentur Wien stellte über die Förderschiene “Produktion” dem Startup rund 97.000 Euro zur Verfügung. Wie Co-Gründerin Mona Heiß im Interview mit brutkasten verrät, soll das Geld in eine neue Pilot-Käsefabrik in Wien-Penzing fließen, die zugleich als zukünftiger Firmenstandort dienen wird.

Bisher finanziert sich Freundeskreis ausschließlich über Fördermittel. Für die kommenden Monate plant das Team jedoch eine Finanzierungsrunde im Frühjahr, um Investor:innen zu gewinnen und das Wachstum des Startups weiter voranzutreiben.

Marillenkerne liefert Cremigkeit und gesunde Nährstoffe

Freundeskreis entwickelte eine pflanzliche Käsealternative, die primär aus Marillenkernen besteht: den „Cam-mhh-berta“. Laut dem Unternehmen ist dieser geschmacklich und in der Konsistenz kaum von herkömmlichem Camembert zu unterscheiden. Der Grund liege in den Eigenschaften der Marillenkerne, die reich an Proteinen und ungesättigten Fettsäuren sind. Diese Nährstoffe sorgen demnach nicht nur für gesundheitliche Vorteile, sondern tragen auch maßgeblich zur cremigen Textur bei, erklärt Heiß.

Die Produktion des „Cam-mhh-berta“ erfolgt in „traditioneller Handarbeit“ auf einem Bauernhof im Wienerwald, in einer ehemaligen Käserei. Dabei setzt Freundeskreis auf dasselbe Verfahren, das auch bei der Herstellung von Kuhmilchkäse Anwendung findet. Das Ergebnis sei ein Käse, der sich durch “Cremigkeit, Nachhaltigkeit und Tradition” auszeichnet.

“Cam-mhh-berta” besteht nur aus vier Zutaten

Das Besondere an der Käsealternative sind die Marillenkerne, die als Hauptzutat dienen. Diese fallen normalerweise als Abfall- oder Nebenprodukt der Saft- und Marmeladenproduktion an. Freundeskreis bezieht die Kerne von regionalen Lieferanten, darunter das niederösterreichische Scaleup Kern Tec – brutkasten berichtete. Aus den Marillenkernen wird durch ein speziell entwickeltes Verfahren eine milchige Flüssigkeit gewonnen, die mithilfe von Reifekulturen, veganen Enzymen und Mikroorganismen zum „Cam-mhh-berta“ verarbeitet wird. Die Käsealternative kommt mit nur vier Zutaten aus: Marillenkerne, Salz, Wasser und vegane Reifekulturen.

Ein kritischer Punkt bei der Verarbeitung von Marillenkernen ist die darin enthaltene Blausäure, die gesundheitsschädlich sein kann. Hier hat Gründer und Forscher Leo Sulzmann ein spezielles Verfahren entwickelt, um die Blausäure auf natürliche Weise abzubauen.

Freundeskreis-Team wächst

Hinter dem Food-Startup Freundeskreis stehen Forscher und Geschäftsführer Leonhard Sulzmann sowie Co-Gründerin Mona Heiß. Während Sulzmann sich auf die wissenschaftlichen und technologischen Aspekte konzentriert, verantwortet Heiß die Kreativdirektion und den Markenaufbau. Zum Kernteam gehört außerdem Sales- und Operations-Verantwortliche Markus Korn. Mittlerweile zählt das Team sechs Mitglieder, die gemeinsam am weiteren Ausbau der Marke Freundeskreis arbeiten.

Zukünftig sollen mehr vegane Käsealternativen auf den Markt kommen

Freundeskreis arbeitet aktuell an der Entwicklung weiterer veganer Käsealternativen. Bereits Anfang nächsten Jahres soll eine vegane „Frischkäsevariante“ auf Basis der Marillenkerne auf den Markt kommen. Doch das ist nicht alles: Eine weitere Produktreihe ist bereits in Planung. Co-Gründerin Mona Heiß verrät, dass es sich dabei voraussichtlich um ein Produkt handeln werde, das speziell zum Backen geeignet sei. Langfristig will das Startup außerdem auch einen veganen „Hartkäse“ anbieten. Die Herstellung dieses Produkts ist jedoch komplexer, da es aufgrund des verwendeten Verfahrens eine bestimmte Zeit für die Reifung benötigt.

In den kommenden Wochen soll außerdem ein Online-Shop live gehen, über den die Produkte von Freundeskreis direkt bestellt werden können. Diese Plattform wird zunächst als Testversion betrieben, um herauszufinden, wie gut sich die Produkte für den Direktvertrieb eignen. Geplant ist dabei ein Modell, bei dem die Käsealternativen erst auf Bestellung und nicht auf Vorrat produziert werden. Weiter in die Zukunft gedacht, kann sich das Startup auch den Vertrieb in Supermärkten vorstellen.

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