27.02.2024

„Die einzige Phase meines Lebens, in der ich an meine körperlichen Grenzen kam“

Reinhold Baudisch schaffte mit durchblicker einen der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Doch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen stand er vor der nächsten Herausforderung: dem Leben nach dem Exit.
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durchblicker-Gründer Reinhold Baudisch
durchblicker-Gründer Reinhold Baudisch | Foto: Lukas Swatek

Dieser Artikel ist die Coverstory aus dem aktuellen brutkasten-Printmagazin (Download-Möglichkeit am Ende des Artikels). Er basiert auf der ersten Folge der neuen Interview-Serie “Das Leben nach dem Exit“, in der Reinhold Baudisch zu Gast war.


Am 24. Februar 2022 fielen Bomben auf Kiew – in den frühen Morgenstunden startete Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Einige Hundert Kilo­meter westlich, in Wien, verfolgte Reinhold Baudisch die Nachrichten auf dem Weg zum Anwalt. Baudisch war einer der Gründer der Ver­gleichsplattform durchblicker. Diese war erst wenige Wo­chen zuvor verkauft worden. Zumindest war das Signing erfolgt – im Dezember 2021.

Nun stand aber noch das Clo­sing an. „Da fragt man sich schon: Wird die Gegenseite auf­tauchen? Wird das Closing überhaupt stattfinden oder wird man sagen, vielleicht sollte man eine Pause machen und sich alles noch einmal gut überlegen?“, erinnert sich Bau­disch im brutkasten-Gespräch im Rahmen der neuen Inter­viewserie „Das Leben nach dem Exit“.

Er fand sich mit seinem Mitgründer Michael Doberer in der Innenstadtkanzlei eines renommierten Rechtsanwalts ein. Baudischs Sorgen waren aber unberechtigt: Die drei Anwälte der Käuferin, der ungarischen Netrisk Group, er­schienen wie geplant in der Kanzlei. Dort wurde „über nichts anderes gesprochen“ als über den Kriegsausbruch, erzählt Baudisch. Den Deal stellte aber niemand mehr infrage. „Ich bin mir nicht sicher, was passiert wäre, hätten wir das Clo­sing zwei oder drei Monate später gehabt“, sagt Baudisch. „Ich gehe davon aus, dass die Transaktion nicht mehr statt­ gefunden hätte.“

So aber lief der Prozess wie geplant ab; „recht unspek­takulär“, wie Baudisch sagt. Zunächst ging man ein soge­nanntes Closing­ Memorandum durch – eine Art Check­liste mit Punkten, die im Vorfeld des Termins erfüllt sein mussten, damit der Deal tatsächlich abgeschlossen werden konnte. Das lief reibungslos.

„Du hast dann halt ein paar Nuller mehr“

Reinhold Baudisch | Foto: Lukas Swatek

Der nächste Schritt: Die Netrisk Group bekam einen Anruf – mit der Bitte, das Geld umgehend zu überweisen. Der Verkaufspreis wurde nie öffentlich gemacht. Nach brut­kasten-­Informationen dürfte er sich aber im hohen zwei­stelligen Millionenbereich bewegt haben.

“Und dann beginnt die Phase des Wartens“, schildert Baudisch. „Du gehst nämlich von diesem Closing nicht weg, bis alle Shareholder die Kohle am Konto haben“. Er und Mitgründer Doberer war­teten „sicher zwei Stunden dort, wenn nicht drei“. Sie checkten ständig ihre Online­Banking­App. Und dann war das Geld da. „Du hast dann halt ein paar Nuller mehr und freust dich recht“, sagt Bau­disch.

Damit war die Angelegenheit aber noch nicht erledigt. Alle anderen Anteilseigner mussten eben­ falls noch bestätigen, das Geld bekommen zu ha­ben. Baudisch hatte den Shareholdern bereits im Vorfeld eingeschärft, dass sie zu dem Termin zu Hause und erreichbar sein sollten. Und tatsäch­ lich meldeten alle Bestandsaktionäre den beiden Gründern den Eingang des Gelds. Alle – bis auf einen. „Einer war nicht erreichbar. Nach dem fünf­ten Anruf haben wir ihn dann aufgetrieben. Er hat uns gesagt: ‚Ich stehe gerade an der Kreuzung und kann gerade leider nicht reinschauen, ich bin unterwegs‘.“ Schließlich bestätigte aber auch dieser Aktionär den Kontoeingang.

„Ich komme an meine körperlichen Grenzen“

Damit war die Sache erledigt – und vor al­lem der Exit­-Prozess abgeschlossen. Diesen be­schreibt Baudisch als „wahnsinnig anstrengend“. Und mehr noch: „Ich bin ein Mensch, der sich durch eine ziemlich optimistisch­-positive Le­bensart und eine sehr hohe Resilienz auszeich­net. Sonst hätte ich den Startup­-Rollercoaster nicht durchgestanden.“

Über den Unternehmens­ verkauf sagt Baudisch heute: „Es war die einzige Phase meines Lebens, in der ich wusste und ge­sehen habe: Ich komme an meine körperlichen Grenzen.“ Insbesondere, wenn man einen profes­sionellen Käufer auf der Gegenseite habe, sei der Prozess sehr anspruchsvoll. „Da wird bis zum letz­ten Drücker verhandelt.“

Eine Finanzierungsrunde von durchblicker im Jahr 2013 sei vergleichsweise unkompliziert ab­ gelaufen. Beim Verkauf wurde nun aber „bis kurz vor dem Signing noch wild herumdebattiert“. Zwei Wochen vor dem geplanten Termin wurden die Verhandlungen sogar zwischenzeitlich abgebrochen – „mit dem Glauben: Jetzt ist es vorbei“, erinnert sich Baudisch. US-­Miteigentümer vermit­telten, und die Verhandlungen gingen doch weiter. Keine leichte Zeit, denn Baudisch hatte als CEO weiterhin das Tagesgeschäft von durchblicker zu leiten.

„Du musst bis zum Schluss bereit sein, das Ding abzusagen“

Schließlich einigten sich die beiden Seiten. „Zum ersten Mal echt“ wurde es für den Gründer aber erst, als das Geld auf dem Konto landete. „Ich habe mich immer wahnsinnig gezwungen, zu glauben, dass es diesen Deal nicht gibt, bis das Geld am Konto ist“, blickt der frühere durchblicker-­CEO zurück.

Er kenne Gründer, die mitten im Verkaufs­prozess schon anfangen würden, auf der Website von Porsche die Farbe ihres Wunschmodells aus­ zuwählen; ein grober Fehler, so Baudisch: „In dem Moment hast du dich in der Verhandlung schon aufgegeben. Du musst aber bis zum Schluss hart bleiben und bereit sein, das Ding abzusagen.“ Wenn man dies nicht sei, würde man einen schlechten Deal machen.

Hier nüchtern zu bleiben sei emo­tional sehr fordernd: „Du bist ständig mit dir selbst im Zwiespalt in dieser Phase“. Mit dem Closing sei dann „die erste Geröllhalde abgefallen“.

„Konnte erstmals nachvollziehen, wie sich Angestellte fühlen“

Nach dem Verkauf blieb Baudisch noch sieben Monate als CEO bei durchblicker. Zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest: Irgendetwas war plötzlich anders. “Ich habe jahrelang für die Firma gelebt, gebrannt – und konnte mir nicht vorstellen, dass sich irgendwas mit dem Hergeben der Gesellschaftsanteile verändert”, blickt er heute zurück. Aber ein paar Wochen nach dem Closing bemerkte er: “Ich hab mir die Website-Visits und die Abschlüsse seit ein, zwei Wochen nicht mehr angeschaut und das ist mir vorher nicht passiert”. 

Davor hatte er diese Zahlen mehrfach täglich im Blick. “Auf einmal bin ich draufgekommen: Na hoppla, irgendwas ist passiert mit der Motivation, mit dem Involvement, mit der Emotionalität”. Bereits mit dem Closing habe er emotional losgelassen. Und so kam Baudisch zu einer für ihn ungewohnten Erkenntnis: “Ein bisschen böse gesagt konnte ich erstmals nachvollziehen, wie sich Angestellte fühlen”. 

Im Sommer 2022 schied Baudisch endgültig aus – und übergab die CEO-Rolle an Andrew Fuchs, einen vom Käufer Netrisk eingesetzten Nachfolger. Für den heute 47-jährigen Oberösterreicher und früheren McKinsey-Berater endete ein Kapitel, das insgesamt fast 13 Jahre gedauert hatte: Im Oktober 2009 ist die “YOUSURE Tarifvergleich GmbH” ins Firmenbuch eingetragen worden. Daraus sollte einige Monate später durchblicker entstehen. Ebenfalls 2010 beteiligte sich Business Angel Hansi Hansmann als Investor am Unternehmen. 2013 folgte eine weitere Finanzierungsrunde. Vier Jahre später war das Portal profitabel.

„Ich möchte noch mehr zu Hause sein“

Foto: Lukas Swatek

Nun kam der durchblicker-Gründer endgültig im Leben nach dem Exit an. Tag eins nach dem Ausscheiden “war fast ein bisschen fad”, erinnert er sich heute. “Weil ich im ersten Moment gar nicht wusste, was ich tun sollte”. Dann folgten Urlaube, neue Hobbys – und “ganz wichtig, ich hab einfach auch entschieden, ich möchte noch mehr zu Hause sein”. Er sei “ein Jahr Hausmann” gewesen, sagt Baudisch.

Ganz so einfach war der Umstieg ins neue Leben aber nicht: Als Hilfe strukturierte sich Baudisch in der Früh den Tag schriftlich: “Welche Dinge möchte ich erledigen, welche Dinge möchte ich abarbeiten, was möchte ich für meinen Körper machen?” Baudisch stellte sich also eine To-Do-Liste zusammen: “Mit der bin ich super über die Runden gekommen”. 

„Bitte das Geld doch woanders hinschicken“

Bleibt noch eine weitere Frage: Wohin mit dem Geld? Das erste Pro­blem trat schon vor dem Geldeingang auf Baudischs Konto auf: Weil es sich um eine größere Summe handelte, gab der durchblicker­-Gründer seiner Re­gionalbank in Oberösterreich schon im Vorfeld Bescheid. Die Antwort war überraschend: „Der Bankdirektor hat mir im Wesentlichen gesagt, er freue sich für mich, aber ich möge das Geld doch bitte woanders hinschicken, er möchte es nämlich nicht annehmen.“

Hin­tergrund dürften büro­kratische Anforderun­gen beispielsweise bei der Prüfung von Geld­wäsche einerseits und die damals noch nega­tiven Einlagezinsen bei der Europäischen Zen­tralbank (EZB) ande­rerseits gewesen sein, vermutet Baudisch. Mittlerweile ist er nicht mehr Kunde der Bank.

Das Geld hätte er aber ohnehin nicht am Girokonto liegen gelassen. Am wichtigsten war für Baudisch: Er wollte sich möglichst nicht selbst darum kümmern, ob er Ak­tie A oder ETF B kauft. „Da ich gewusst habe, ich werde wieder andere Dinge tun; ich habe eigentlich gar keine Zeit, mich ordentlich darum zu kümmern“, erläutert Baudisch. Dazu kommt: Trotz eines Wirtschaftsstudiums und Erfah­ rung mit Corporate Finance – vergli­chen mit jemandem, der 20 Jahre Er­ fahrung in dem Bereich habe, „bin ich einfach ein totaler Noob“, wie Baudisch sagt. „Ich wollte mich gleichzeitig aber auch nicht an einen Partner ausliefern.“

Die Lösung: Der Gründer teilte das Geld nach dem Maßstab 40/40/20 auf – und erstellte einen Liquiditäts­plan für die nächsten 15 Jahre. Darin stellte er visuell Zahlungseingänge und Steuerfälligkeiten dar. Für die beiden 40­-Prozent­-Anteile seiner geplanten Portfolio­-Allokation wandte sich Bau­disch an Privatbanken: „Ich habe mit vier oder fünf Banken Gespräche ge­führt und dann zwei herausgepickt. Diesen habe ich dann jeweils rund 40 Prozent der Assets übertragen, in ent­ sprechende Vehikel.“ Den Rest legte er sich auf die Seite, einerseits für Urlaub und Lifestyle, andererseits auch für Startup-­Investments und Venture­-Ca­pital­-Fonds. Baudisch investierte dabei direkt in sechs Startups und steckte zusätzlich Geld in drei VC-­Fonds.

„Ich bin als Konzernmensch gar nicht sozialisierbar“

Nach seinem Ausscheiden bei durchblicker plante Baudisch für sich zwölf Monate Pause ein. Würde er das auch anderen Gründer:innen nach dem Exit empfehlen? „Unbedingt. Man kann darüber reden, ob es nicht viel­ leicht 18 oder 24 Monate sein soll­ten.“ Die unternehmerische Reise des Gründers hat inklusive Projekten vor durchblicker 15 Jahre gedauert: „Es waren unfassbar harte 15 Jahre und die drei Jahre davor war mir bei McKinsey auch nicht wirklich langweilig.“ Nach dieser Zeit „einmal auch zu erfahren, wie es ist, nicht zu arbeiten, ist schon fast life changing“, so Baudisch heute.

Ganz so lange hielt er es dann aber doch nicht aus. Schon etwas mehr als ein halbes Jahr nach dem operativen Ausstieg bei durchblicker bekam Baudisch wieder das Gefühl, etwas angehen zu wollen. Ein Wechsel in einen Konzern kam nicht infrage: Er sei „gar nicht sozialisierbar als Konzern­mensch“, sagt Baudisch: „Wenn du mich richtig ver­ärgern möchtest, sagst du mir nicht, was ich tun soll, sondern wie ich es tun soll.“ Er sei „von der Genetik ein Unternehmer“. Daher war ihm bald klar: Wofür er brennen würde, sei wieder ein Business: „Man muss wissen, was man kann, was man will – und was nicht.“

Aber er kam auch noch zu einer zweiten Er­kenntnis: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit Mitte 40 noch einmal den vollen Startup­-Rollercoaster ha­ben möchte – werde ich in 15 Jahren wirklich noch diese Energie haben?“ Wahrscheinlich nicht, lautete seine Antwort. Daher: „Ich wollte etwas, das zeitlich ein bisschen kondensierter ist.“ Seine Schlussfolgerung: Anstatt ein Unternehmen von null auf neu zu gründen, könnte es für ihn interessan­ter sein, einem bestehenden Unter­nehmen zu helfen, sein Potenzial voll auszuschöpfen.

„Schneid die alten Zöpfe ab, gib noch einmal Gas“

Bei einem Netzwerktreffen von Hansi Hansmanns Hans(wo)men Deutschland Group kam Baudisch dann mit Reinhard Nowak ins Gespräch. Nowak ist Gründer und CEO von LineMetrics, einem 2012 gegründeten Sensorik­-Unternehmen mit Sitz im niederöster­reichischen Haag, zu dessen Investo­ren Hansmann zählt. Baudisch war von dem Unternehmen angetan. Gleich­zeitig hatte er aber den Eindruck, dass dieses sein Potenzial noch nicht völlig ausschöpfte. „Die Entwicklung von Li­neMetrics war okay, aber nicht stellar“, so Baudisch.

Also appellierte er an den Grün­der: „Du musst echt noch einmal durchstarten. Schneid die alten Zöpfe ab. Gib noch einmal Gas. Du hast jetzt eine Wahnsinns­-Opportunity vor dir.“ Bei LineMetrics­-Gründer Nowak dürf­te dies Eindruck hinterlassen haben: Zwei Wochen später läutete Baudischs Handy, Nowak war dran. „Es geht mir nicht aus dem Kopf, was du gesagt hast“, sagte der LineMetrics­Gründer. „Gleichzeitig kann ich mir nur einen Partner vorstellen, mit dem ich das wirklich gerne machen würde – und das bist du.“

Baudisch war sich zunächst nicht sicher, ob er schon wieder eine solch aktive Rolle einnehmen wollen wür­de. Nach ein paar Besuchen am Firmenstandort in Haag und weiteren Gesprächen beschloss er aber: „Die Chemie passt, es kann funktionieren.“ Er einigte sich mit Nowak auf eine Auf­ gabenverteilung: Baudisch bringt Ex­pertise in Vertrieb und Marketing ein, Nowak konzentriert sich stärker auf die Produktentwicklung. Die Bestands­investoren, darunter Hansi Hansmann, gaben ebenfalls ihre Zustimmung. Im Spätsommer 2023 wurden die Ver­träge aufgesetzt, Anfang Oktober war es offiziell: Baudisch stieg bei LineMe­trics ein. Neben 25 Prozent der Anteile am Unternehmen übernahm Baudisch auch gleich die CEO-­Rolle.

„Eine Riesen-Opportunity“

durchblicker-Gründer Reinhold Baudisch | Foto: Lukas Swatek

LineMetrics betreibt eine Platt­ form für Sensoren, die Daten sammeln und in der Cloud speichern, um Echt­zeit­-Monitoring zu ermöglichen. „Das kann die Überwachung eines Kühl­ raums sein, das kann der CO2­-Gehalt der Büroluft sein – oder auch Strom­zähler, Gaszähler, Wasserzähler, Wär­ mezähler“, führt Baudisch aus. „Man kann also Energie damit monitoren und sich beispielsweise ansehen, wo in welchem Gebäude Verbrauchsenergie anfällt.“ Die Technologie sei außerdem „perfekt für den Einbau in Bestands­ gebäuden“.

Baudisch erwartet für LineMe­trics regulatorischen Rückenwind in den kommenden Jahren, sowohl auf EU-­Ebene als auch beispielsweise in Deutschland, wo ab 2025 für bestimmte Gebäude Energiemonitoring vorgeschrieben wird. Er sieht hier „eine Riesen-­Opportunity“. „Vielleicht ist der Markt noch nicht ganz hier, aber übermorgen ist er da. Davon bin ich überzeugt, und ich will Teil dieser Energiewende sein.“

„Ein viel entspannterer Chef – und gleichzeitig einer, der sich viel schneller bewegt“

In seiner neuen Rolle baut Baudisch nun auf seinen langjährigen Erfahrungsschatz mit durchblicker. „Ich bin von mir selbst wahnsinnig über­rascht, wie schnell ich Entscheidungen treffe und mit welcher Sicherheit und Gewissheit ich das tue“, erzählt der LineMetrics­CEO. „In 15 Jahren Management­ und Aufbauerfahrung nimmt man so viel mit, dass man für gewisse Dinge einfach nicht mehr lang braucht.“ Dinge wie das Erstellen von Finanzplänen seien beim ersten Mal schwierig – und würden beim zweiten Mal „in einem Zehntel der Geschwindigkeit“ funktionieren.

Und auch er selbst habe sich verändert: „Ich gehe es jetzt entspannter an“, sagt Baudisch. Er müsse nicht mehr alles selbst wissen und nicht mehr zu allem eine Meinung haben. Insgesamt habe er weniger Kontrollbedürfnis und lasse die Leute vor Ort Entscheidungen treffen. „Ich bin ein viel entspannterer Chef – und gleichzeitig einer, der sich viel schneller bewegt.“ Fest steht dennoch: Zur Ruhe kommt Reinhold Baudisch auch im Leben nach dem Exit nicht.


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Das Team von StartUp Burgenland am Abend der StartUp Lounge im Wiener Filmquartier (c) Maze&Friends

Vor vier Jahren startete StartUp Burgenland mit dem Ziel, das wirtschaftliche Potenzial der Region zu fördern und zu erweitern. Mittlerweile hat StartUp Burgenland mit seinem Inkubator- und Accelerator-Programm auch über die Grenzen des Bundeslandes hinaus einen wesentlichen Impact erzielt und zahlreiche junge Menschen im Aufbau ihres Unternehmens gefördert.

In vier Durchgängen haben bislang 30 Startups am StartUp Burgenland Accelerator und Inkubator teilgenommen. “Es ist wunderbar auf die letzten vier Jahre zurückzublicken und zu sehen, mit welcher Bandbreite an Gründerinnen und Gründern wir zusammengearbeitet haben”, eröffnete Martin Trink, Leiter von StartUp Burgenland, die StartUp Lounge am vergangenen Donnerstag, den 13. November 2024.

Im Rahmen der StartUp Lounge lud die Wirtschaftsagentur Burgenland in das Wiener Filmquartier im fünften Wiener Gemeindebezirk, um den Abschluss des vierten Batches des Inkubator- und Accelerator-Programms mit sieben der teilnehmenden Startups und zahlreichen Stakeholdern der heimischen Innovationsszene zu feiern.

Moderatorin Elisabeth Gamauf (li.), Michael Gerbavsits (Mitte), Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Burgenland, und Martin Trink (rechts), Leiter StartUp Burgenland (c) Maze&Friends

“StartUp Burgenland ist ein Ort, an dem Gemeinschaft wächst”

Den Impact, den der StartUp Burgenland Accelerator bei den jungen Menschen vor Ort erzielt, ist unverkennbar: Know How, Kunden und Kapital sind nur drei der vielen Benefits, die Teilnehmende rund um das Coaching, Mentoring und Networking in den letzten acht Monaten mitnehmen konnten. Die Unterstützung geht weit über den Rahmen des Programms hinaus.

Michael Gerbavsits, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Burgenland, hob die essenzielle Rolle von StartUp Burgenland hervor: “StartUp Burgenland ist mehr als nur ein Programm für Geschäftsideen – es ist ein Ort, an dem eine Gemeinschaft wächst, die innovatives Unternehmertum als essenzieller Bestandteil der regionalen Wirtschaftsförderung begreift. Mit umfassender Unterstützung von der Ideenentwicklung bis zur Markteinführung hat sich das Projekt als unverzichtbar etabliert.”

Die StartUp Lounge diente nicht nur als offizielles Abschlussevent, um jungen Talenten eine Bühne zu geben, auf der sie den Fortschritt der letzten Monate präsentieren durften. Neben Networking in einer familiären Atmosphäre durfte das Publikum im Rahmen des Abendprogramms der Erfolgsgeschichte des Brüder- und Gründerpaares Patrick und Markus Reinfeld zuhören, die schon in Batch 1 des StartUp Burgenland Accelerators ihr Business “Pflegenavi” gestartet haben.

“Wir unterstützen nicht nur Geschäftsmodelle, sondern vor allem auch junge Menschen. Wir begleiten sie über ein paar Monate und manchmal auch noch länger”, begrüßte Geschäftsführer Gerbavsits die beiden Founder.

Im Rahmen der StartUp Lounge fanden Founder:innen, Mentor:innen und Stakeholder:innen aus dem Ökosystem zusammen. (c) Maze&Friends

“Es gibt keinen Hard Cut, das Team ist immer proaktiv dabei”

“Wir sind heute als Vorzeigeprojekt da. Um zu zeigen, wie wir uns seit Batch 1 weiterentwickeln konnten und uns nun auf dem Markt etabliert haben”, so Patrick Reinfeld. Das Brüderpaar sprach von laufender Unterstützung vonseiten des StartUp Burgenland Teams. Und vor allem von Authentizität und Menschlichkeit:

“Es gibt hier keinen Hard Cut, das gesamte Team von StartUp Burgenland bietet uns seither laufende Unterstützung – lange über das Programm hinaus. Das Team war und ist immer proaktiv dabei, heben immer ab, wenn wir etwas brauchen. Und gerade jetzt, wo wir dabei sind, unser Produkt so richtig im Markt auszurollen, haben sie uns hier zur StartUp Lounge eingeladen und uns die Chance gegeben, uns hier vor Stakeholdern nochmals zu positionieren und zu zeigen, wo unsere Reise hingeht. Das ist etwas ganz Besonderes.”

Pflegenavi entwickelt e-Wallets für Heimbewohner:innen

Im Rahmen des Accelerator-Programms 2021 gründeten die Brüder ihr Startup Pflegenavi. Drei Jahre später verzeichnete das Startup schon mehrere tausend User:innen. Darunter namhafte Organisationen wie die Caritas und der Samariterbund.

Pflegenavi fokussiert sich auf die Verwaltung von Bewohnergeldern – also Drittgeldern – in Pflegeheimen. “Wir haben uns die Frage gestellt: Was sind die Herausforderungen bei Leiter:innen von Pflegeeinrichtungen? Hier geht es klassisch um die Verwaltung von Bewohnergeldern, um die Verwaltung von Rechten und Risiken. Und auch um Haftungsthemen. Hier setzt Pflegenavi an: Wir haben eine digitale Allround-Lösung entwickelt, mit der wir Pflegeeinrichtungen eine transparente Verwaltung dieser Bewohnergelder ermöglichen.”

Das FinTech entwickelte eine cloudbasierte Softwarelösung, um eine digitale, auf e-Wallets basierende Depotverwaltung zu ermöglichen, die Bewohnergelder sicher und klar abgrenzt. E-Wallets, also elektronische Geldbörsen, können Bewohner:innen und Besucher:innen der Pflegeeinrichtungen eine einfache, digitale Abwicklung ihrer Zahlungen garantieren. Damit lassen sich alltägliche Zahlungen für Bewohner:innen oder Angehörige einfach und sicher abwickeln.

“Wir haben unseren Co-Founder gefunden”

Das Gründerteam pries indes den Mehrwert des StartUp Burgenland Accelerators im Laufe seiner Geschäftsentwicklung an. Essenzielle Vorteile seien neben zielgerichteten Coaching- und Workshop-Sessions vor allem die zahlreichen Möglichkeiten zum Networking:

Dank des Accelerators habe das Team gemerkt, dass ihm die IT-Komponenten gefehlt hat: “Der größte Mehrwert war hier die Vernetzung mit unserem jetzigen Co-Founder Rainer Schuster, der uns genau diese Lücke optimal füllen konnte. Mittlerweile haben wir einen Product-Market-Fit gefunden, der gut performt und bereits weitere Geschäftsfelder erreicht. Aktuell wollen wir den Rollout in Österreich vorantreiben, 2025 geht es in Richtung Deutschland.”

Vertrauenswürdige KI im Fokus

Nach den Eindrücken des Startups Pflegenavi bereicherte Verena Krawarik, Head of Innovation der APA, den Abend mit einem Panel zu den Herausforderungen des EU AI Acts. Krawarik sprach über den Stellenwert von “Trustworthy AI” rund um den bevorstehenden EU AI Act und berief sich auf heimische Informationsstellen zum Thema AI – darunter die KI-Servicestelle, TÜV-Ratgeber sowie die RTR. Außerdem zur Sprache kamen Rahmenbedingungen zu Künstlicher Intelligenz im Innovationsmanagement.

Verena Krawarik, Head of Innovation der APA (c) Maze&Friends

“Februar ist Schlüsseltermin, ab dann sind verbotene KI-Praktiken auch wirklich verboten. Dann dürfen sie keine Praktiken anwenden, die in China vielleicht Gang und Gebe sind”, so die Innovationsexpertin. Sie gewährte außerdem Einblicke in die im AI Act vorgesehenen Risikoklassifizierungen sowie zur bevorstehenden Transparenzpflicht.

Abschließend appellierte Krawarik, frühzeitig mit AI-spezifischer Grundausbildung und einschlägigen Schulungsprogrammen zu beginnen, um Wissenslücken in Unternehmen zu vermeiden und die Affinität gegenüber neuester technologischer Entwicklungen zu intensivieren.

Über die StartUp Lounge äußerte sich die Innovationsexpertin: “Ich finde es ganz toll, dass hier zu Themen Lösungen entstehen, die gar nicht leicht zu lösen sind. Das zeigt die Kompetenz der jungen Leute hier, und das begeistert mich sehr.”

StartUp Walk durch sieben aufstrebende Accelerator-Projekte

Als krönenden Abschluss begab sich das Publikum auf den “StartUp Walk” im Filmquartier: Sieben der acht teilnehmenden Startups aus Batch 4 des Accelerators durften ihr Unternehmen in 90 Sekunden vor den anwesenden Stakeholdern pitchen. Jedes Team erzählte auf äußerst authentische Art und Weise von seiner persönlichen Reise im StartUp Burgenland Accelerator.

Unter den sieben anwesenden Startups fanden sich: Friends in Flats, KOMO, teamchallenge.at, Bimexperts, FireFighter Rescue App, Reefmaster und Trumpet Star. Kurze Einblicke in die Pitches der Teams finden sich am Ende des Artikels.

Nach Alumnus-Talk, AI-Panel und StartUp Walk tauschten sich die pitchenden Startups mit den anwesenden Key Playern des Ökosystems aus – und feierten ihre Fortschritte der letzten Monate im Rampenlicht des Abends.

“Die jungen Menschen brennen für ihr Unternehmen”

Auch teilnehmende Stakeholder aus der Innovationsszene zeigten sich begeistert von der Menschlichkeit, Kompetenz und der Hingabe, die von den Jungunternehmen vermittelt wurde. Einer davon ist Alexander Raffeiner. Der Coach und PR-Stratege durfte “die Teams im Bereich PR und Kommunikation coachen und sie auf die Pressekonferenzen vorbereiten. Für mich war es heute eine echte Belohnung, zu sehen, wie gut alle Startups ihre Ideen gepitched haben.”

Über die Begeisterung der Teams ließ sich nicht hinweg sehen: “Die jungen Menschen brennen für ihr Unternehmen. Da gibt es schon die ein oder anderen Hürden zu überwinden. Aber wenn du siehst, wie weit diese jungen Menschen es in kurzer Zeit bringen, bin ich als Coach richtig stolz”, so Raffeiner.

Niki Futter: “Das Burgenland versucht, im eigenen Umfeld Startups aufzubauen und zum Erfolg zu führen”

Auch Niki Futter, Business Angel und Vorstandsvorsitzender der invest.austria, war bei der StartUp Lounge vor Ort: “StartUp Burgenland ist ein Incubator für ein Bundesland, das versucht, im eigenen Umfeld Startups aufzubauen und zum Erfolg zu führen. Wir haben heute sieben Startups gesehen, die durch das Programm gelaufen sind. Das ist heute ihr Abschlussabend. Und man kann ihnen nur alles Gute wünschen.”

Auch die Atmosphäre des Abends ließ den Business Angel nicht unberührt: “Es war eine wunderbare Veranstaltung. Insbesondere hat es mich gefreut, Verena Krawarik von der APA wieder zu sehen, die zu den Top-Expert:innen im AI-Bereich in Österreich zählt und die hier einen doch substantiell breiten und vernünftigen Einblick in die Problematik der AI-Regulierung gegeben hat”, meint Niki Futter zu Programm und Atmosphäre des Abends.

“Ein ganz großes Danke”

Schließlich schloss StartUp-Burgenland-Leiter Martin Trink den offiziellen Teil der Veranstaltung mit den Worten: “Das ist keine One-Man-Show. Das funktioniert nur deshalb, weil wir ein großartiges Team sind. Ein ganz großes Danke an alle!”

Allen, denen es mit einer neuen Geschäftsidee nun in den Fingern juckt, bietet sich bis Ende November noch die Möglichkeit, sich zur Aufnahme in den kommenden Batch 5 des StartUp Burgenland Incubators und Accelerators zu bewerben. Im Jänner geht der neue Durchlauf an den Start – mit einer Besonderheit, wie Leiter Martin Trink verkündete:

“StartUp Burgenland – als jüngstes AplusB Mitglied – veranstaltet gemeinsam mit der aws den Business Angel Day 2025 am 23.Oktober 2025 im Schloss Esterhazy – eine ideale Gelegenheit, um Investoren und Gründer zusammenzubringen, den Austausch zu intensivieren und neue Partnerschaften zu fördern.“


Diese Startups pitchten im StartUp Walk

Friends in Flats

Mathias Molnar von Friends in Flats (c) Maze&Friends

Den ersten Pitch startete das Startup Friends in Flats, das die Vermietung von Wohnungen als Wohngemeinschaften digitalisiert und den Prozess für Wohnungseigentümer und Mieter:innen damit effizienter gestaltet. Vom StartUp Burgenland Accelerator profitierte das Team vor allem dank der “vielen Connections und hochklassigen Workshops”.

KOMO

Sebastian Kolbe von KOMO (c) Maze&Friends

Weiter ging es mit dem Startup KOMO rund um Gründer Sebastian Kolbe – er selbst ist Inhaber eines Küchenstudios. Kolbe entwickelte eine ERP-Softwarelösung für Küchenstudios – aus eigener Frustration rund um papierreiche Auftragsabwicklung und -verwaltung heraus. Das Ziel der Software ist es, Arbeitsabläufe in Küchenstudios zu digitalisieren und effizienter zu gestalten.

teamchallenge.at

Matthias und Karin Leonhardt von teamchallenge.at (c) Maze&Friends

Die dritte Station des StartUp Walks war das Jungunternehmen teamchallenge.at. Mit seiner “Outdoor-Challenge” für Firmen, Vereine, Freunde oder Familien versucht das Startup, Team-Building unkompliziert und per Smartphone im Freien zu ermöglichen. Das Gründerteam besteht aus ehemaligen Leistungssportlern im Orientierungslauf. Dementsprechend ähneln die vom Startup konzipierten Challenges einer Kombination aus Schnitzeljagd, Escape-Room und Orientierungsparcours. Mittels QR-Code lassen sich Aufgaben am Handy abrufen und interaktiv in Teams lösen.

Bimexperts

Eva Galas von Bimexperts (c) Maze&Friends

Weiter ging es mit dem Startup Bimexperts, das sich der Emissionsreduktion in der Gebäude- und Baubranche verschrieben hat. Mit ihrem Softwaretool TGA Concept will die Bimexperts GmbH in Kombination mit KI Planungsfehler, Energiekosten sowie Materialverschwendung reduzieren und damit Kosten sparen sowie die Bauqualität fördern. Somit sollen mehr Zeit und Ressourcen zur Konzeption von nachhaltigen Lösungen für Bauprojekte geschaffen werden.

FireFighter Rescue App

Lukas Thurner von FireFighter Rescue App (c) Maze&Friends

An fünfter Stelle pitchte das Startup FireFighter Rescue App. Um bei Feuerwehreinsätzen den Zugriff auf benötigte Informationen zu beschleunigen und den Informationsfluss effizient zu gestalten, hat der freiwillige Feuerwehrmann und Softwareentwickler Lukas Thurner eine App entwickelt, die digitale Vernetzung von Feuerwehren ermöglicht: Dazu wird jedes teilnehmende Einsatzfahrzeug mit einem Tablet ausgestattet, das über die FireFighter-Rescue-App Zugang zu spezifischen Informationen zum Einsatz liefert. Und damit eine sichere und effiziente Bewältigung ermöglichen soll.

Reefmaster

Stefan Kofler von Reefmaster (c) Maze&Friends

Das sechste pitchende Startup hat sich der Mission der Heim-Aquarien-Reinigung verschrieben. “Ein Aquarium ist zu viel Arbeit” soll ab sofort keine Ausrede für dessen Anschaffung mehr sein. Denn die Idee des Gründers und CEOs Stefan Kofler ist es, Meeres-Aquarien mittels nutzerfreundlicher Technologien vom “Reefmaster Piper” selbst reinigen zu lassen. Dabei handelt es sich um ein vollautomatisches Wasseranalyse-System, das bis zu 26 Arbeitstage im Jahr sparen soll. Der Reefmaster Piper übernimmt Reinigung, Wartung und Messung der Wasserqualität.

Trumpet Star

Mario Schulterer von Trumpet Start (c) Maze&Friends

Zu guter Letzt überraschte ein Pitch mit musikalischer Untermalung das Publikum auf seinem StartUp Walk: Trumpet Star verbindet digitale und analoge Lernmethoden für das Instrument Trompete. Die multimediale Technologie soll es Schüler:innen jeglichen Alters ermöglichen, per App auf Smartphone, Tablet oder im Lernheft Trompete zu lernen. Mit der Lernplattform sollen Schüler:innen auch außerhalb des Klassenzimmers beim Üben motiviert und unterstützt werden.

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