23.02.2024

“Leute merken, dass wir es ernst meinen” – warum refurbed Umwelt-Lobbying betreibt

Refurbed-Co-Founder Kilian Kaminski erklärt, wie das Wiener Scaleup mit Lobbying politischen Impact generieren will.
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Kilian Kaminski | (c) refurbed
Kilian Kaminski | (c) refurbed

Der Begriff Lobbyismus genießt in der Bevölkerung nicht den besten Ruf. Schließlich werden mit dieser Form der politischen Einflussnahme oft Einzelinteressen verfolgt, die keineswegs allen zugute kommen. Dabei ist klar: Auch jene Interessen, die sehr wohl allen zugute kommen, brauchen Lobbying, um nicht unterzugehen – etwa Umwelt- und Klimaschutz. Dieser Mission hat sich auch das Wiener Scaleup refurbed verschrieben, wie von den Gründern immer wieder betont wird. Doch warum betreibt ein Wachstumsunternehmen diesen Aufwand und wie läuft das genau ab?

“Wenn wir eine positive Veränderung sehen wollen, müssen wir sie selbst mitgestalten”

“Wenn wir eine positive Veränderung sehen wollen, müssen wir sie selbst mitgestalten. Vor allem für uns als Impact Business ist es in unserer Unternehmens-DNA, einen gesamtgesellschaftlichen Wandel anzustoßen, um so einen möglichst großen Impact zu generieren. Dafür braucht es Zeit und dafür braucht es Lobbyingarbeit”, meint refurbed Co-Founder Kilian Kaminski. Im Bereich Kreislaufwirtschaft sehe er noch viel Potenzial für Verbesserung, sagt der Gründer. “Als Expert:innen aus diesem Bereich wollen wir einen positiven Beitrag leisten und auf europäischer Ebene gemeinsam mit Mitbewerbern die Veränderung vorantreiben, die unsere Umwelt braucht.”

Stellungnamen, Arbeitsgruppen und Gespräche mit Minister:innen

Dazu nennt Kaminski eine ganze Reihe ganz konkreter Lobbying-Maßnahmen. “Paul Ploberger, unser Public Affairs Manager, ist verantwortlich für unsere politische Interessensvertretung. Er stellt sicher, dass das Management-Team und alle jeweils betroffenen Abteilungen über kommende Gesetzesänderungen Bescheid wissen und entwickelt gemeinsam mit ihnen die Positionen von refurbed, die er dann auf österreichischer, deutscher und EU-Ebene in den Gesetzgebungsprozess einbringt”, erklärt Kaminski. Das mache man in Form von schriftlichen Stellungnahmen bei Begutachtungsprozessen von neuen Gesetzen, über die Mitarbeit in Arbeitsgruppen wie der “Circular Economy Task Force” oder auch in persönlichem Austausch mit Entscheidungsträger:innen wie beispielsweise Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

refurbed Mitglied in mehreren Interessensverbänden

Zweitens sei refurbed sowohl in Österreich und Deutschland als auch in Brüssel Mitglied in mehreren Interessensverbänden, darunter die European Refurbishment Association (EUREFAS), die Right to Repair Campaign, das Circular Economy Forum Austria oder der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft in Deutschland. “Hier bringen wir unsere Expertise und unsere Positionen ein und nutzen das größere politische Gewicht der Verbände, da diese mit der Stimme vieler gleichgesinnter Unternehmen sprechen können”, so Kaminski. Man übernehme dabei auch Führungsrollen in den Verbänden: “So bin ich beispielsweise Mitglied des fünfköpfigen Vorstands von EUREFAS und leite zusätzlich noch eine der Arbeitsgruppen”, erzählt der Gründer.

Politische Mobilisierung mit dem refurbed-Newsletter

Drittens nutze man die eigene Reichweite für politische Aktivitäten. “Wir sind über unsere Social Media-Kanäle, unseren Blog oder auch unseren öffentlichen Environmental Impact Report zu politischen Themen aktiv und laden unsere Follower:innen zur Mitarbeit ein”, sagt Kaminski. Ein gutes Beispiel sei eine Newsletter-Kampagne zu den Klimazielen der EU für 2040. “Hier haben wir eine Antwortmöglichkeit vorformuliert, in der wir uns für wissenschaftsbasierte und ambitionierte Klimaziele eingesetzt haben. Per Newsletter haben wir eine einfache Möglichkeit geboten, diese Antwort in den öffentlichen Begutachtungsprozess der EU einzumelden – und wir waren selbst überwältigt, wie viele Leute unserem Beispiel gefolgt sind und ihre Stimme erhoben haben”, erzählt der refurbed-Gründer.

“Das letzte Jahr war ein herausragendes Jahr, was unsere Lobbyingarbeit betrifft”

Und zahlen sich all diese Bemühungen aus? “Das letzte Jahr war ein herausragendes Jahr, was unsere Lobbyingarbeit betrifft”, sagt Kaminski. “Wir haben es geschafft, viele unserer Kernforderungen in Gesetzestexten zu verankern, die nicht nur das Refurbishment, sondern generell die Art betreffen, wie wir nachhaltiger konsumieren können.” Die besten Beispiele dafür seien die neue EU-Ökodesign-Richtlinie oder das Recht auf Reparatur. Auf nationaler Ebene habe man die Umsetzung der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie durch das Engagement in der Circular Economy Task Force unterstützt. In Deutschland, wo eine nationale Strategie gerade ausgearbeitet werde, habe man ebenso die eigenen Standpunkte einbringen können.

“Leute merken, dass wir es ernst meinen und gute Ideen haben”

Gleichzeitig räumt der refurbed-Gründer ein: “Wir sind uns bewusst, dass es meist Jahre dauert, um die Auswirkungen von Lobbyingarbeit zu sehen – es liegt leider in der Natur der Sache, dass sich hier oft kein unmittelbarer Impact feststellen lässt. Gerade deshalb freut es uns aber umso mehr, schon jetzt auf zahlreiche Erfolge zurückblicken zu können.” Das drücke sich auch in vielen positiven Rückmeldungen, etwa zur genannten 2040-Klimaziel-Kampagne, aus. “Wir bekommen also sehr viel positives Feedback auf unsere Bemühungen – einerseits, weil die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft einfach zentral in unserer jetzigen Zeit sind, und andererseits, weil die Leute merken, dass wir es ernst meinen und gute Ideen haben”, so Kaminski.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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