10.02.2016

Record Bird: “9 von 10 Investoren waren für uns nicht interessant”

Das Musik-Startup Record Bird sicherte sich vergangene Woche sein erstes größeres Investment im sechsstelligen Bereich. Das Startup bietet einen kostenlosen Online-Service, um Musikliebhaber weltweit über die neuesten Alben und Songs ihrer Lieblingskünstler zu informieren. Neben namenhaften Angel Investoren aus dem Musikbereich wie Vice CEE Geschäftsführer Niko Alm, ist auch das kürzlich gegründete Business Angel – Netzwerk startup300 an Record Bird beteiligt. Noch im Februar soll der Service als "Public Beta" launchen.
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Musikfans werden sich über den Dienst des österreichischen Musik-Startups Record Bird freuen. Denn ganz nach dem Motto Never Miss A Beat” bietet Record Bird einen Service, der Nutzer über die neuesten Musik-Veröffentlichungen von mehr als 4 Millionen Künstlern weltweit informiert – und zwar bereits vor Release. Für Musikfans ist es nun möglich, Bands und Künstlern zu folgen und über ihre Neuerscheinungen direkt benachrichtigt zu werden. Nie mehr ein neues Album verpassen, keine stundenlange Suche nach neuen Tracks der heißgeliebten Bands!

Record Bird – ein Startup in den Startlöchern

AndreasMahringer_2_smallMit der finanziellen Unterstützung und dem Know-How der Hauptinvestoren Niko Alm und startup300, sowie den Privatinvestoren Klaus Hofbauer (karriere.at), Lukas Scherzenlehner und Erwin Stricker (Cleen Energy) will Record Bird nun gemeinsam durchstarten und das Unternehmen sowie das Produkt auf die nächste Entwicklungs- und Erfolgsebene heben.

Die geschlossene Beta Version von Record Bird wurde bereits letztes Jahr gestartet. Das Produkt wurde in dieser Zeit ausgiebig getestet, auf Herz und Nieren geprüft und verbessert. Nun soll der Service als “Public Beta” im Februar starten.

Im exklusiven Interview mit derbrutkasten.com spricht Gründer Andreas Mahringer darüber, warum ihnen die Auswahl ihrer Investoren besonders wichtig war, warum ein Investment keinem Gipfelsturm gleicht und was für eine erfolgreiche Finanzierung ausschlaggebend war.

Gratulation zur Finanzierung! Für die Leser, die euch noch nicht kennen: was macht Record Bird? Und wie funktioniert euer Produkt?

Vielen Dank! Record Bird ist ein kostenloser Online-Service, der Musikfans über die neusten Musik-Releases ihrer Lieblingskünstler informiert. Der User loggt sich mit Facebook oder Spotify ein, und folgt so in Sekundenschnelle seinen Bands und Musikern. Sobald diese Künstler an einem neuen Release arbeiten, werden die User darüber informiert. Natürlich gibt es auch nochmal einen Reminder am Tag des Releases – sprich, wenn das Album oder die Single dann erscheint.

Ihr habt namhafte Investoren für euer Startup begeistern können. Unter anderem Niko Alm und startup300, warum habt ihr euch speziell für diese Investoren entschieden?

Uns war es besonders wichtig, Investoren aus dem Musikbereich für Record Bird zu gewinnen, die uns weit über die Finanzierung hinaus unterstützen können. Wir haben infolge dessen auch Angebote abgelehnt, wo wir uns sicher waren, dass das Investment selbst der größte Nutzen sein würde. Bei Niko Alm und Startup 300 waren wir uns jedoch sicher, dass sie uns langfristig unterstützen können, Record Bird auf den nächsten Level zu befördern und ein Unternehmen aufzubauen, das die Musikbranche nachhaltig verändern wird. Niko ist nicht nur selbst großer Musikfan, sondern kann durch sein Erfahrungen und seinem Netzwerk mit Vice und Super-Fi tagtäglich zum Erfolg von Record Bird beisteuern. Startup 300 hat das größte und beste Startup/Investoren-Netzwerk Österreichs aufgebaut, der Mehrwert erklärt sich hier von selbst.

Wie kam es zum ersten Kontakt mit euren Investoren?

Niko und ich haben uns im Sommer letzten Jahres kennen gelernt. Bereits nach dem zweiten Meeting war klar, dass Niko investieren möchte. Dies war natürlich ein besonders wichtiger Schritt im folgenden Finanzierungsprozess, da nur wenige Investoren gewillt sind als Erster diesen riskanten Sprung zu wagen. Die Zusammenarbeit mit startup300 intensivierte sich im Herbst, worauf dann relativ schnell das Investmentangebot folgte.

Record Bird ist ein Musik-Startup. Startups im Musikbereich hatten in der Vergangenheit nicht immer die besten Erfolgsaussichten, viele scheiterten. Warum ist das so?

Die Entscheidung in das Musikbusiness einzusteigen ist wahrscheinlich bei den meisten Unternehmern eine sehr emotionale. Diese Emotion kann natürlich gleichzeitig Fluch und Segen sein. Viele Musik-Startups scheitern vermutlich daran, trotz dieser emotionalen Bindung einen Schritt zurückzutreten und einen objektiven Blick auf den Markt und dessen Möglichkeiten zu werfen.

Warum habt ihr euch dennoch dem Musikbereich zugewandt?

Am Anfang war natürlich die Emotion. Wir sind alle große Musikfans, wir kannten das Problem regelmäßig Neuveröffentlichungen zu verpassen und es war wahnsinnig frustrierend. In Folge haben wir jedoch relativ schnell einen größeren Bedarf im Markt erkannt. Wir haben gesehen, dass es hier unausgeschöpftes Potential gibt, dass es für Fans sowie die Musikindustrie keine effizienten Lösungen gibt – und dennoch jeder danach lechzt. Kurz gesprochen, das Potential des Marktes erschien attraktiv und ungenützt, somit machte es Sinn, einzusteigen.

War es schwierig für euch als Musik-Startup, Investoren zu überzeugen? Gab es dabei positive oder negative Resonanz seitens der Investoren?

Wir haben in unserem Finanzierungsprozess ein extrem rigoroses Investorenscouting betrieben. 9 von 10 der Investoren waren aufgrund ihres Backgrounds für uns nicht interessant. Sobald wir jedoch mit Investoren gesprochen haben, die die Branche und ihre Dynamiken im Detail verstanden, oder gar das Problem aus eigener Erfahrung kannten, war die Resonanz uneingeschränkt positiv, da sie das Potential unserer Lösung sehr schnell sahen.

Was war der wichtigste Schritt für euch, um ein Funding aufzustellen?

Wir waren uns bereits vor dem ersten Investorengespräch bewusst, dass die erste Frage sein würde, wie die Musikindustrie zu unserem Produkt steht. Und so haben wir bereits vor dem Funding den Schritt zu den großen Plattenfirmen gewagt, haben dort unser Produkt und unsere Vison präsentiert und uns den Support und das Backing dieser Player eingeholt. Wir konnten in Folge nicht nur etwaigen Fragen von Investoren positiv entgegenwirken, sondern darüber hinaus die direkte Unterstützung der Branche für uns gewinnen.

Was habt ihr mit dem Investment vor? Was sind eure nächsten Ziele?

Das große Ziel ist es den Proof of Concept im breiteren öffentlichen Markt zu erbringen. Das heißt, dass wir zeigen können, dass das Produkt für eine Vielzahl von Musikfans unumgänglich ist, dass wir effizient User akquirieren können und, dass Labels und natürlich Künstler bereit sind für diesen Zugang zu ihrem Zielpublikum zu bezahlen. Sobald wir das erreicht haben, werden wir unsere nächste Finanzierungsrunde anstreben, um das notwendige Kapital für die Internationalisierung aufzustellen. Parallel dazu werden in den nächsten Monaten die mobilen Apps folgen, die eine noch bessere Experience für die User ermöglichen.

Record Bird darf im März am South by Southwest Festival (SXSW) präsentieren, was erhofft ihr euch davon?

Ich persönlich bin kein großer Fan von Startup-Konferenzen und eigentlich der Meinung, dass ein Startup auf einer Startup-Konferenz nichts verloren hat, es sei denn, andere Startups sind die gesuchten Kunden. Das SXSW ist natürlich anders. Es handelt sich hierbei um das größte Kreativ-Festival der Welt, wo jedes Jahr mehr als 2500 Künstler live auftreten und sich knapp 30.000 Musik-und Technologiebegeisterte aus über 80 Nationen einfinden werden. Für uns ist das natürlich ein unheimlich nahrhafter Boden, wo wir nicht nur Musikfans über unser Produkt informieren, sondern auch unser Netzwerk in der Musikbranche erweitern können.

Das erste größere Investment ist für viele Startups ein wichtiges Ziel. Was bedeutet diese Finanzierung für euch und Record Bird?

Das Funding ist natürlich ein großer Meilenstein, auch für Record Bird. Wir sind aber nicht am Gipfel des Berges angekommen, wie oftmals vermutet. Wir sind gerade mal im Basecamp und haben unsere Guides getroffen, die uns nun mit der nötigen Ausrüstung ausgestattet haben. Der große Aufstieg beginnt erst. Funding heißt nicht, dass jetzt das große Geld fließt, die Bewertung existiert nur am Papier. Was es wirklich bedeutet ist, dass wir Luft für die nächsten Monate haben, eine tolle Crew, die schon mal war wo wir jetzt stehen und somit die Möglichkeit, uns noch stärker auf unser Produkt und den entsprechenden Markt zu fokussieren – und genau das werden wir tun.

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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