25.09.2023

RBI zu KI: “Haben mehr als 100 Use Cases aus allen Bereichen”

Interview. Wie wird künstliche Intelligenz die Finanzbranche verändern? Was hat die Raiffeisen Bank International (RBI) in diesem Bereich geplant und wie unterscheidet die Bank bei neuen Technologien zwischen Hype und Substanz? Diese und noch weitere Fragen beantwortet Christian Wolf, Head of Strategic Partnerships & Ecosystems, im brutkasten-Gespräch.
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Christian Wolf: Warum Open API, Blockchain und Elevator Lab für die RBI zusammen gehören
(c) RBI: Christian Wolf, Head of Strategic Partnerships & Ecosystems
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Die Veröffentlichung von ChatGPT im vergangenen November hat die starken technologischen Fortschritte bei künstlicher Intelligenz (KI) schlagartig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geholt. Und auch für viele Unternehmen stellten sich rasch Fragen: Welche Folgen wird KI für die eigene Branche und möglicherweise auch das eigene Geschäftsmodell haben? Auch in der Finanzbranche gibt es Fragestellungen wie diese.

Die Raiffeisen Bank International (RBI) beschäftigt sich seit vielen Jahren systematisch mit technologischen Innovationen – beispielsweise mit Blockchain, aber eben auch mit künstlicher Intelligenz. Christian Wolf ist Head of Strategic Partnerships & Ecosystems bei der RBI. Wir haben mit ihm über die Auswirkungen von KI auf die Finanzbranche gesprochen.


brutkasten: Seit dem Erscheinen von ChatGPT erleben wir eine neuerliche KI-Euphorie. Wie lange beschäftigt sich die RBI schon mit dem Thema?

Christian Wolf: Das Thema KI ist an und für sich nichts Neues. Es begleitet uns in unterschiedlichen Ausprägungen sicherlich schon eine Dekade. Die Technologie hat sich inkrementell entwickelt, ihr wurde vor allem durch den Launch von ChatGTP nun zu großer Sichtbarkeit und einer exponentiellen Adoption verholfen. 

Wir hatten KI-Ansätze zu unterschiedlichen Zwecken bereits länger im Einsatz, zum Beispiel im sichtbarsten Element von Chatbots, die die Interaktion mit Kunden teilweise automatisieren. Anhand von Chatbots kann man auch schön die Entwicklung von KI beschreiben, von Rule-based Chatbots, die zwar eine hinterlegte Logik hatten, die ich aber noch nicht zur KI zählen würde, bis hin zu Chatbots, die sich der Large Language Models (LLMs) bedienen und dadurch  mehr Autonomie zeigen.

Es gibt aber gerade für Banken generell sehr viele Anwendungsfälle von KI, die für den Standard-User vielleicht gar nicht so ersichtlich sind und die hinter den Kulissen laufen. KI bedient wichtige Anwendungsfälle quer durch die Bank: vom Daten- und Wissensmanagement, der Risikomodellierung bis hin zur Softwareentwicklung und auch Cybersecurity sind gute Anwendungsfälle bekannt und beschrieben.

KI hat auch grossen Einfluss auf Automatisierungen und somit Effizienzsteigerungen, wo ich persönlich auch nach wie vor das größte Potenzial sehe – beispielsweise wenn es darum geht, Prozesse zu automatisieren oder große Datenmengen zu verarbeiten und strukturieren und daraus Empfehlungen abzuleiten.

Was hat ChatGPT deiner Meinung nach verändert?

Ich glaube, der große Verdienst von ChatGPT ist, dass man einen demokratischen Zugang zur Technologie geschaffen hat. Bis ChatGPT ist das Thema sehr technisch diskutiert und implementiert worden. ChatGPT hat gezeigt, dass es jetzt nicht mehr zwangsläufig notwendig ist, Techniker:in, Programmierer:in oder Informatiker:in zu sein um ein KI-Modell zu bedienen.

Man kann KI nun auch als gewöhnliche:r User:in bedienen – ohne die Technologie dahinter unbedingt verstehen zu müssen. Man kann mit ihr in sehr natürlicher Sprache kommunizieren und bekommt auch ebensolche Antworten – die Einstiegshürden sind damit so niedrig geworden, dass auch die breite Masse von Anwendern davon profitieren kann.

Wenn eine neue Technologie auftaucht oder eine bestehende Technologie starke Sprünge macht – wie evaluiert ihr in der RBI, ob das strategisch für euch eine Bedeutung hat oder nicht?

Wir gehen da agnostisch vor und machen es mit jeder Technologie so: Wir beginnen sehr frühphasig – beispielsweise beim Thema Blockchain, das ein Disruptionsversprechen in sich trägt. Bei KI wiederum hat es den Trigger-Point ChatGPT gegeben, an dem wir gesagt haben, dass wir uns das noch einmal ansehen müssen.

Aber wir durchlaufen immer denselben Prozess. Auf der einen Seite unterscheiden wir sehr bewusst zwischen Hype und Trend. Ein Hype hat großes Aufmerksamkeitspotenzial, das eventuell auch berechtigt ist, wird aber vermutlich im nächsten halben Jahr oder Jahr wieder verschwinden oder abebben. Der Trend erweist sich dagegen als nachhaltiger.

Wie ist dann euer Prozess, wenn ihr einen Trend identifiziert habt?

Bei Trends schauen wir grundsätzlich, wie die Entwicklungen technologischer Natur sind – aber auch, wie sich die zugehörigen Anwendungsfälle entwickeln. Damit haben wir einen Realitätscheck, ob die Versprechungen auch eingehalten werden.

Dann sehen wir uns an, ob diese Use Cases auf unser Kerngeschäft Einfluss haben werden – entweder, weil sie disruptiv sind oder weil sie das Geschäftsmodell einer Bank erweitern können. Ist das der Fall, fragen wir uns, ob es auch uns auch als RBI konkret beeinflussen wird. Als Universalbank haben wir ein anderes Geschäftmodell als eine Investmentbank wie zum Beispiel JP Morgan. Nicht alles, was für JP Morgan relevant ist, ist es auch für uns und umgekehrt.

Wenn wir die Fragen in dieser Abfolge aber mit Ja beantworten, gehen wir in die interne Diskussion mit unseren Fachbereichen. Da diskutieren wir die Potenziale und versuchen, gemeinsam Anwendungsfälle für uns zu definieren. Wenn man eine Liste an Use Cases hat, kann man allerdings auch zum Schluss kommen, dass manche Dinge zwar tatsächlich Problemfelder sind, aber dass man dafür nicht zwangsläufig KI braucht.

Daher prüfen wir auch, ob wir bereits Technologie im Haus haben, die das genauso gut lösen kann. Und wenn dies der Fall ist, ob wir signifikante Effizienzgewinne durch einen Technologiewechsel hätten. Denn nur dann zahlt es sich aus. 

Wenn wir aber feststellen, dass wir tatsächlich ein Problem lösen können, das wir bislang nicht lösen konnten, dann wird es interessant. In diesem Fall sehen uns die Gemeinsamkeiten dieser definierten Use Cases an und leiten Grundanwendungsfälle ab. Im KI-Bereich läuft es aktuell auf Data Extraction, Data Aggregation und Content Generation hinaus. Hinter 99 Prozent der Use Cases stecken diese Grundanwendungsfälle.

Was sind eure künftigen Pläne im Bereich KI?

Mich freut, dass wir schon seit Jahren mehrere etablierte Stellen im Haus haben, die sich mit den Aspekten der KI-Thematik auseinandersetzen. Allerdings gibt es jetzt einen gestiegenen Bedarf an einer weiterführenden Diskussion – auch durch einen gewissen Druck vom Markt her.

Daher stellen wir uns nun die Frage, wie wir das Thema noch strukturierter und systematischer angehen können. Wir sehen uns an, wie wir unsere Ressourcen noch stärker fokussieren können, um Dinge auf Schiene zu bringen. Es freut mich, dass unsere Fachbereiche schon mehr als über 100 Use Cases aus allen Bereichen erarbeitet und priorisiert haben.

Derzeit befinden wir uns in der ersten Phase der Umsetzung und Abarbeitung dieser Use Cases. Da sind einige dabei, die nach innen gerichtet sind, zumeist Effizienztreiber, es sind aber auch einige dabei, die gegenüber den Kund:innen Wirkung entfalten werden.

Wenn es um den Einsatz von KI im Finanzbereich geht – siehst du persönlich hier Unterschiede zu anderen Branchen?

Es gibt im Finanzbereich durchaus Besonderheiten, die hauptsächlich auf regulatorische Bedürfnisse zurückzuführen sind. Und wir sehen uns nach wie vor einer grundsätzlich heterogenen Rechtsprechung beispielsweise im Vergleich der EU mit den USA konfrontiert. Im hypothetischen Anwendungsfall einer KI-getriebenen Bonitätseinstufung des Kunden, stellen uns viele derzeitige Standard-KI-Modelle vor eine Herausforderung.

Wir müssen sicherstellen, dass die Bonität jede:r Kund:in, der/die zum Beispiel einen Kredit bei uns möchte, nach den gleichen Bedingungen und Regeln beurteilt wird. Da darf niemand benachteiligt oder bevorzugt werden. Wir müssen dies auch transparent gegenüber dem Regulator nachweisen können, wie wir zu einer Einschätzung kommen. Das muss also von vorne bis hinten dokumentiert werden. Und wir wollen es auch gegenüber der/dem Kund:in beschreiben können.

Es gibt zwar mittlerweile am Markt einzelne LLM-Modelle, die durchaus einen solchen notwendigen Audit-Trail abbilden können, aber bei den meisten großen Standardmodellen funktioniert es simplifiziert so: Man gibt Daten ein, die durchlaufen eine große Blackbox und am Schluss kommt dann ein Ergebnis heraus. Der Prozess der Ergebnisfindung ist jedoch nicht oder nur teilweise nachvollziehbar und daher weder dokumentier- noch erklärbar. Das genügt aber dem geschilderten Anspruch nicht. Das sehe ich schon eine Herausforderung.

In dem von dir geschilderten Fall stehen regulatorische Vorgaben dem Einsatz von KI entgegen. Siehst du – ganz generell – mögliche Anwendungsfälle, die durchaus sinnvoll wären, aber regulatorisch nicht möglich sind?

Das ist nur meine persönliche Meinung, aber mir fällt da schon ein Anwendungsfall ein: das Thema Robo Advisory, also im Veranlagungsgeschäft. Da könnte man KI durchaus heranziehen und auf Basis eines bestehenden Kunden-Portfolios Anlageempfehlungen generieren. Das ist aktuell zwar rechtlich nicht gänzlich unmöglich, hat aber seine Limitationen, weil wir uns hier im Beratungsgeschäft bewegen und damit Vorschriften wie beispielweise der MiFID (Markets in Financial Instruments Directive, EU-Richtlinie, Anm. d. Red.) unterliegen.

Damit sind wir wieder beim selben Thema: Als Bank müssen wir nachweisen, wie wir zu einer Empfehlung kommen, weil wir letztlich auch dafür haften. Das ist für mich ein Beispiel für etwas, das großes Potenzial hätte, wo aber vor der Anwendung noch einiges zu überlegen ist.

Werden Banken deiner Einschätzung nach auch eigene KI-Modelle trainieren? Oder ist es eher so, dass die LLMs von OpenAI oder Google eben so gut und umfangreich sind, dass dies keinen Sinn ergibt?

Ich glaube, dass gerade im Bankbereich durchaus Eigenentwicklungen entstehen werden. Das liegt hauptsächlich in der Datenverarbeitung begründet. Einerseits kann es rechtliche Vorschriften geben, die es etwa nicht erlauben, dass Daten ein Land verlassen. Andererseits haben beispielsweise auch wir als Bank sehr wohl viele Daten, die nicht in ein öffentliches Modell einspeisen wollen – etwa im Bereich von Risikomodellen oder im Vertragswesen. Da gibt es ein grundeigenes Interesse, dass die Kontrolle über das Modell und die Daten innerhalb der Bank bleiben.

Das heißt aber nicht zwangsweise, dass man alles selbst von Grund auf entwickeln muss. Bei Microsoft Office kann ich ja auch wählen, ob ich etwas in der „public“ Microsoft Cloud verwenden möchte oder es beispielsweise on Premise in einer eigenen von mir kontrollierten Cloudumgebung laufen lasse. Ähnliches werden wir wohl auch bei KI-Modellen sehen.

Kommen wir von der allgemeinen Ebene noch einmal zurück zur RBI. Wir haben schon über eure geplanten Projekte im KI-Bereich gesprochen. Seid ihr hier grundsätzlich auch für Kooperationen mit Startups offen?

Ja, wir laden alle ein, sich mit uns in Verbindung zu setzen – sowohl größere Unternehmen als auch Startups, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Wir sind laufend auf der Suche nach Kooperationspartnern. Unser Ansatz ist dabei, dass wir, wenn es bereits eine funktionierende Lösung am Markt gibt, sie uns ansehen und eher integrieren, als selbst zu bauen.


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Die Kurstafel:

📈 Bitcoin erstmals über 90.000 US-Dollar

In der Folgewoche hatten wir an dieser Stelle schon das Bitcoin-Rekordhoch thematisiert, das unmittelbar nach den Wahlen in den USA erreicht worden ist. Seither ging es weiter deutlich nach oben - zwischenzeitlich sogar über die 90.000-Dollar-Marke. Auf 7-Tage-Sicht liegt der Bitcoin-Kurs 18 Prozent im Plus. Und das nach einer bereits starken Vorwoche, die schon einen klaren Kursanstieg gebracht hatte.

Der Hintergrund ist klar: Die US-Kryptobranche hofft auf einen Kurswechsel in der Politik, nach dem Donald Trump die Präsidentschaftswahl für sich entschieden hatte. Trump hatte sich im Wahlkampf als Bitcoin- und Krypto-Befürworter positioniert. Dabei hatte er auch immer wieder den Kurs der Biden-Regierung kritisiert. Die Börsenaufsicht unter dem von Biden eingesetzten Behördenchef Gary Gensler war insbesondere in den vergangenen beiden Jahren scharf gegen viele Akteure aus der Branche vorgegangen. 

Gensler wird nun abgelöst werden, so viel ist klar. Wer ihm nachfolgt, ist noch offen. Die Stimmung in der US-Kryptobranche könnte so beschrieben werden: Jede andere Person ist besser als Gensler. Die Hoffnung ist aber natürlich, dass möglicherweise sogar eine explizit krypto-affine Person den Posten erhält. Noch ist dies aber offen. Wie auch vieles andere, was die neue Trump-Regierung angeht. 

Aber es geht nicht nur um die Regierung. Denn gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen wurden auch zahlreiche Sitze im Senat und im Repräsentantenhaus neu gewählt. Und Auswertungen der US-Kryptobörse Coinbase zufolge reüssierten dabei viele Kandidat:innen, die der Branche aufgeschlossen gegenüber stehen (siehe Crypto Weekly #151). Dies erhöht die Chancen, dass die Regulatorik in den USA in den kommenden Jahren günstiger für die Branche werden wird.

🤔 Wann knackt Bitcoin die 100.000-Dollar-Marke? 

Zusammenfassend kann man sagen: Die US-Kryptobranche hofft auf einen Kurswechsel in der Politik - und damit auf bessere Zeiten. Wirklich Konkretes weiß man aber noch nicht. Der Markt ist aktuell also primär von Hoffnung getrieben. Diese ist durchaus berechtigt, aber eben auch mit viel Unsicherheit verbunden. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich nach und nach zeigen, was alles Realität werden wird. Die Position des Chefs der Börsenaufsicht wird dabei sicherlich eines der zentralen Themen sein. Aktuell preist der Markt aber einfach eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo ein.

Mit zwischenzeitlich über 90.000 US-Dollar hat sich der Bitcoin-Kurs auch schon der immer wieder beschworenen Marke von 100.000 Dollar angenähert. Im Bullenmarkt von 2021 entstand etwa der Social-Media-Trend, dass Bitcoiner:innen ihre Augen in ihren Profilbildern durch Laseraugen ersetzen - und zwar, so die Ankündigung, bis der Bitcoin-Preis 100.000 Dollar erreiche. 

Im damaligen Cycle war allerdings dann bei knapp über 70.000 Dollar Endstation - und ein “Kryptowinter” brach an, der auch den Bitcoin-Kurs massiv nach unten drückte. Im Zuge des Debakels rund um die Pleitebörse FTX sank er bis auf deutlich unter 20.000 Dollar. Zu diesem Zeitpunkt schien die 100.000-Dollar-Marke völlig unerreichbar.

Zwei Jahre später sieht die Situation ganz anders aus. Nach dem bereits starken Jahr 2023 mit einem Plus von rund 150 Prozent ging es 2024 noch einmal weiter nach oben. Schon im März wurde der Höchststand aus 2021 überschritten. Im November dann neuerlich. Dazwischen lag kein spektakulärer Bullenmarkt, der die Schlagzeilen dominierte - aber nach und nach rückte die 100.000er-Marke plötzlich näher. 

🤭 Warum die Antwort darauf egal ist

Mit einem Bitcoin-Kurs von aktuell knapp unter 90.000 Dollar bräuchte es nur noch einen Kursanstieg von etwas mehr zehn Prozent. Und einen solchen kann es am Kryptomarkt durchaus schon einmal an nur einem (starken) Tag geben. Dass die Marke in den nächsten Wochen überschritten wird, ist also durchaus wahrscheinlich. 

Zeigen wird sich dann aber auch wieder einmal etwas anderes: Dass es sich bei allen vielbeschworenen und genau beobachteten Kursschwellen um völlig willkürlich gewählte Marken handelt, deren Überschreiten in Wirklichkeit keine große Bedeutung hat. Klar, ein Bitcoin-Kurs über 100.000 Dollar ist schon ein Statement und zeigt natürlich auch, wie etabliert Bitcoin mittlerweile ist. Aber das tut ein Bitcoin-Kurs von 99.741 Dollar oder von 102.743 Dollar genauso. Zusammenfassend könnte man also sagen: Die 100.000er-Marke wird früher oder später erreicht werden - es bedeutet nur nichts. 


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