20.06.2017

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

Bei vorerst 16 Kanzleien kann der Notariatsakt zur GmbH-Gründung nun digital erfolgen. Dazu wird Videoidentifikation genutzt. Zugleich kritisiert die Notariatskammer, dass die lange Wartezeit für Gründer den Behörden geschuldet ist.
/artikel/pilot-projekt-notariatskammer-digitalisiert-gmbh-gruendung
(c) fotolia.com - stevecuk

Startups, die an die technologischen Möglichkeiten der digitalisierten Gegenwart gewohnt sind, stoßen gerade bei der Unternehmensgründung an analoge Grenzen. „Wenn ich die genaue Frage nicht kenne, woher soll ich dann wissen, ob das, was ich finde, für mich das Richtige ist“, fasst ein potenzieller Gründer seine Situation bei einer Bedarfserhebung der Notariatskammer im Grazer Science Park zusammen.

+++ Die richtige Rechtsform – “Von der Idee zum Business: Ein Überblick” +++

In welcher Rechtsform bin ich am besten aufgehoben?

Die Beratung zur Unternehmensgründung betrifft das Finanzrecht, das Gewerberecht, Gesellschaftsrechtliches und häufig auch die erbrechtliche Situation. Am Beginn des Gründungsprozesses steht stets die Frage: In welcher Rechtsform bin ich eigentlich am besten aufgehoben? Die GmbH ist meist erst der zweite Schritt. Zuerst ein Ein-Personen-Unternehmen gründen und erst mit entsprechender Reife in eine GmbH einbringen, raten die Notare nicht selten. GmbH-Gründungen gibt es hierzulande ungefähr 11.000 im Jahr. Das reicht vom Startup bis zur Holding. Die Notariatskammer möchte sie nun auf digitale Füße stellen. Dazu sollen die Gründer die Möglichkeit zur Identitätsprüfung im Video-Identifikations-Verfahren haben. Diese Methode ist etwa für Banken seit Jänner 2017 zugelassen, zum Beispiel für die Kontoeröffnung.

Der Notariatsakt in der elektronischen Welt

Will man also eine GmbH gründen, bekommt man vom Notar einen Link zum Identifizierungsdienst. Dort wird die Identität geprüft und eine elektronische Signatur zugewiesen. Im sicheren Datenraum erfolgt der Austausch mit dem Notar. Die Gründer müssen sich dafür jedes Mal elektronisch identifizieren. Jeder einzelne Arbeitsschritt bzw. der Zugang zum Datenraum werden protokolliert. Die Beratung bildet das Kernelement und erfolgt über Videokonferenz-Systeme. Die Verträge werden dort hochgeladen und mit der elektronischen Signatur beurkundet. So läuft es in den 16 Kanzleien, die die erste Testphase mitmachen. Sie überprüfen, ob die gewählten technischen Systeme und Prozesse für den Ablauf in den Notariaten geeignet sind und wie „analoge“ Dienstleistungen wie z.B. die Face-to-face-Identifizierung, persönliche Beratungstermine, etc. in den digitalen Ablauf integriert werden können. Denn: „Es geht uns beim Thema Digitalisierung nicht um ein entweder – oder, sondern um eine sinnvolle Kombination”, betont der Präsident der Notariatskammer, Ludwig Bittner. Er findet: „Das Notariat ist schon lange digital. Denken Sie nur an das computerunterstützte Grundbuch!“

(c) ÖNK: Michael Umfahrer (li.) und Ludwig Bittner (re.)

Digitaler Workflow mit der Justiz

Die Notariatskammer sieht diesen Schritt als „logische Weiterentwicklung unserer bereits gelebten Arbeitspraxis eines digitalen Workflows mit der Justiz“. Immerhin ist das Urkundenarchiv – einst als Joint Venture mit Siemens aufgebaut – mittlerweile komplett digital und die Kammer wickelt seit 1996 alle Treuhandgeschäfte über die elektronische Notartreuhandbank ab. „Wir übermitteln digital an die Behörden“, erklärt Bittner. Nur: Das digitale Übernehmen dessen, was die Kammer liefert, stecke noch in den Kinderschuhen. Er wünscht sich, dass der digitale Workflow mit Justiz und Behörden weiter ausgebaut wird und unterstreicht die wichtige Rolle bei der Vertragserstellung und Beurkundung. Zudem ginge es um die Vorerledigung für die Eintragung ins Firmenbuch.

„Der elektronische Rechtsverkehr gehört vereinheitlicht, nicht nur im gesamtösterreichischen System sondern im gesamteuropäischen System“

Der Gesetzgeber muss erst nachziehen

„Das formelle Rüstzeug steht schon im Gesetz“, meint Bittner. Dennoch braucht die Notariatskammer vom Gesetzgeber noch Ergänzung in der Notariatsordnung. So müsste den Notaren die Online-Identifikation mittels Videoidentifikations-Verfahren ermöglicht werden. Zulassen müsste das Justizministerium also den amtlichen, elektronischen Ausweis zur Identifikation, ebenso wie Videokonferenzen als zusätzliche Möglichkeit der Beratung. Bittner fordert überdies ganz generell die Vereinheitlichung des elektronischen Rechtsverkehrs. „Jede Behörde, jedes Verwaltungsgericht, der Verfassungsgerichtshof hat seine eigene Ordnung über den Rechtsverkehr“, erklärt er. „Der elektronische Rechtsverkehr gehört vereinheitlicht, nicht nur im gesamtösterreichischen System sondern im gesamteuropäischen System“.

+++ Gastbeitrag: Wandeldarlehen für österreichische Startups +++

Besonders lange Gründungsdauer in Österreich

In Österreich dauert die Unternehmensgründung besonders lange. Ganze 21 Tage, also drei Wochen, ergab eine Erhebung der Weltbank 2016. Wenn man bei der Notariatskammer von durchschnittlich zwei bis fünf Tagen spricht, meint man den notariellen Part, der hauptsächlich von der Hinterlegung des Stammkapitals abhängt. Bittner kritisiert den „blöden Nachtsprung“, das heißt, dass jede Eintragung erst am nächsten Tag am Bildschirm erscheint. Das müsse nicht so sein, sagt er, „wenn es der Rechtspfleger bewilligt, könnte das sofort aufscheinen“. Aber die Justizverwaltung sei zu diesem Schritt nicht bereit. Relativ lange würde es etwa dauern, bis man die UID- Nummer bekommt. „Da fallen wir in den internationalen Vergleichen zurück.” Den Vergleich mit anderen Staaten sieht man bei der Notariatskammer trotzdem differenziert: Das sei eine Frage der Kultur des Firmenbuches. Der angloamerikanische Raum und Frankreich geingen andere Wege, doch das Firmenbuch gewähre hohe Sicherheit.

“Wenn es unbedingt sein muss, schafft man die Gründung in zwei Tagen. Die wirkliche Arbeit passiert jedoch im Vorfeld.”

Und doch: “Die wirkliche Arbeit passiert im Vorfeld”

Michael Umfahrer, der den Fachausschuss für Unternehmensrecht der Notariatskammer leitet, fasst ergänzend zusammen: “Wenn es unbedingt sein muss, schafft man die Gründung in zwei Tagen. Die wirkliche Arbeit passiert jedoch im Vorfeld.” Und da sei man wieder bei der Beratung: Zwar begrüße die Notariatskammer Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung, doch der Beratungsbedarf bei Gründern sei höher als angenommen. „Mit einem Standard-Gesellschaftsvertrag ist man da sehr schnell an den Grenzen“, meint Umfahrer.

+++ In der Digitalisierung gilt: Mut zum Ausprobieren +++

Deine ungelesenen Artikel:
11.11.2024

Salzburger App Twine kombiniert Psychologie und KI für das perfekte Match

Mithilfe von Psychologie und Künstlicher Intelligenz will das Startup Ascalon die Zukunft von PsyTech transformieren. Nun launched es sein erstes Produkt: die Matching-App Twine.
/artikel/twine
11.11.2024

Salzburger App Twine kombiniert Psychologie und KI für das perfekte Match

Mithilfe von Psychologie und Künstlicher Intelligenz will das Startup Ascalon die Zukunft von PsyTech transformieren. Nun launched es sein erstes Produkt: die Matching-App Twine.
/artikel/twine
CTO Sebastian Baron, CEO Simon Valverde, Co-Founderin Helene Herrmann (c) Twine

Künstliche Intelligenz vereinfacht uns das Leben in vielen Bereichen und könnte uns in mancher Hinsicht sogar ersetzen. Bald wird KI möglicherweise in der Lage sein, menschliche Emotionen zu erkennen und nachzuahmen. Doch kann KI auch zwischenmenschliche Beziehungen einschätzen und für uns sogar das „Perfect Match“ finden?

Dieser Herausforderung nimmt sich Gründer und CEO Simon Valverde mit seinem PsyTech-Startup Ascalon an. Zusammen mit Kommiliton:innen entwickelte er während des Studiums die App Twine, die auf einer Matching-AI basiert. Durch die Verbindung von Psychologie und KI soll Twine Menschen zusammenbringen, die wirklich gut zueinander passen. Im Interview mit brutkasten gibt Simon Valverde einen Einblick in die Möglichkeiten, die sich hinter PsyTech verbergen.

Twine fokussiert sich auf Hobbys und Interessen

Die Entstehungsgeschichte von Twine begann in einem Studentenwohnheim in Salzburg, entstanden aus der Frustration, keine:n passende:n Partner:in für bestimmte Aktivitäten gefunden zu haben. Jede:r kennt das Problem: Man will ein Hobby oder Interesse teilen, aber im eigenen Umfeld findet sich niemand. Außerdem fiel dem Freundeskreis auf, dass Menschen generell immer weniger soziale Beziehungen eingehen würden.

Seit Oktober dieses Jahres kann das zehnköpfige Team aus Psychologie- und Data-Science-Studierenden oder -Absolvent:innen nun endlich sein Produkt präsentieren: Twine ist eine App, über die man durch gemeinsame Interessen und Freizeitaktivitäten neue Leute kennenlernen kann – „ohne Aufwand und mit der Gewissheit, dass man sich versteht“.

Hinter Twine steckt ein eineinhalb Jahre lang optimiertes Matching-AI-Modell. Sein Ziel war es, einen “Algorithmus zu entwickeln, der Leute zueinander bringt, die zueinander passen“, erklärt CEO Simon Valverde.

KI soll zwischenmenschliche Beziehungen verstehen

Das Besondere an Twine: Die Matches basieren auf psychologischen Erkenntnissen und werden mithilfe von KI ausgewählt. Das zugrunde liegende KI-Modell funktioniert wie folgt: Bei der Anmeldung beantwortet man einen Fragebogen, auf dessen Basis ein persönliches Charakterprofil erstellt wird. Dazu werden Informationen über die Persönlichkeit und Interessen der jeweiligen Person erhoben. Vor allem die Erwartungen und Bedürfnisse sind nach den Erkenntnissen der Sympathieforschung entscheidend für die zwischenmenschlichen Beziehungen. „Persönlichkeitsmerkmale müssen in Beziehungen gar nicht perfekt übereinstimmen,“ erklärt Valverde, der selbst Psychologie, Data Science und Wirtschaft in Salzburg studiert hat.

Die KI lernt kontinuierlich dazu: sie verarbeitet die Fragebögen sowie das Verhalten, die Interaktionen und das Feedback der Nutzer:innen, um immer besser zu erkennen, welche Eigenschaften und Erwartungen zusammenpassen. Bei einem Match erhält man einen individualisierten Text, der erklärt, warum die andere Person gut zu einem passt.

Das Twine-Team arbeitet aktuell an neuen Funktionen für die App. Zukünftig wird es möglich sein, eine ganze Gruppe für gemeinsame Aktivitäten zu finden oder die bestehende Freundesgruppe zu erweitern. Durch den Vergleich mit bestehenden Freundschaften soll die KI künftig noch besser verstehen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren.

Startup möchte mit psychologischem KI-Modell in B2B-Bereich

Twine verzeichnet bereits erste Erfolge: Seit dem Start am 1. Oktober zählt die Matching-App 300 aktive Nutzer:innen, vorwiegend aus der Boulder-Community in Salzburg.

Aktuell wird das Projekt noch aus eigenen Mitteln finanziert, doch das Team hofft auf Investoren, um die Matching-KI weiter zu verbessern. „Diese App ist jedoch nur ein erster Schritt, um Social-AI-Modelle in einem realen Umfeld zu testen und weiterzuentwickeln,“ erklärt Valverde. Twine konzentriert sich derzeit vor allem auf den Customer-Proof und die Datensammlung, um das KI-Modell für den B2B-Bereich zu optimieren. Das langfristige Ziel sei es, einer KI das “soziale Judgement eines Psychologen” anzutrainieren. Diese Fähigkeit könne in vielen Bereichen Anwendung finden, etwa bei der Suche nach passenden Mitarbeiter:innen. Langfristig plant das Startup Ascalon, diese psychologischen KI-Modelle im B2B-Sektor zu monetarisieren.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Pilot-Projekt: Notariatskammer digitalisiert GmbH-Gründung