Philipp Tropper: “Kenne keinen guten Geschäftsführer, der nicht gescheitert ist”
Philip Tropper war auf Auslandsreise in Japan, als seine Firma Direct Sales Insolvenz anmelden musste. Im Gespräch mit dem brutkasten spricht der Gründer offen über die schwierige Zeit. Er erklärt, wie er sich aus dem "Sumpf wieder selbst hochziehen konnte" und was er aus dem Scheitern gelernt hat.
Japan, 3 Uhr früh. Direct-Sales-Gründer Philip Tropper erhält einen Anruf von einem seiner Gesellschafter. Eine interne Prüfung des Unternehmens habe ergeben, dass sich finanzielle Verbindlichkeiten nicht mehr ausgehen. Die Firma muss Insolvenz anmelden und sich (inklusive Freelancern) von 15 Mitarbeitern trennen.
Eigentlich hatte alles gut begonnen. Tropper hat die Sales-Agentur Direct Sales 2014 gegründet und ein Jahr später begonnen, sie so richtig aufzubauen. “Mit jedem neuen Kunden, waren neue Mitarbeiter nötig”, erzählt Tropper. Innerhalb eines Jahres hatte das Startup rund zwölf Angestellte und weitere freie Beschäftigte.
“Dann ging ein großer Kunde in Konkurs und hinterließ Altlasten”, erklärt der Founder. In der Zeit danach merkte er, dass Monat für Monat finanziell ein Loch entstand – und in knapp drei Monaten doppelte Gehälter fällig wären.
Insolvent in Japan
Zu dieser Zeit war Tropper sehr viel auf Reisen, wie er sich erinnert. Als dann der Anruf kam, musste eine Entscheidung getroffen werden. “Es war nicht optimal, da ich mit meiner jungen Familie in Japan war. Meine damalige COO stellte folglich den Insolvenz-Antrag”, sagt er: “Es musste schnell gehen, damit wir nicht in die Insolvenzverschleppung geraten”.
Das war Ende 2017. Nach dem Telefonat musste sich der Gründer zuerst fassen und die Realität der Insolvenz anerkennen. “Ich dachte mir dann einfach, ‘es ist so’ und bin nach der Entscheidung ins Bett gegangen. Ich konnte nicht mehr tun. Erst am nächsten Tag kam das Gefühl des Scheiterns so richtig auf”.
Kein böses Blut
Wo andere womöglich alleine in einem fremden Land der Verzweiflung und Scham nachgeben, so konnte sich Tropper glücklich wähnen, wie er sagt, stets gute Mentoren gehabt zu haben. Deren Lektionen und Sätze halfen ihm in dieser schwierigen Zeit dabei, das Erlebte zu verarbeiten: “Sie brachten mir bei, dass jeder einmal scheitert. Ich selbst muss ehrlich sagen, ich kenne keinen guten Geschäftsführer, der nicht einmal gescheitert ist”, sagt er.
Zurück im Lande folgten Gespräche mit Gläubigern, die relativ reibungslos verliefen: “Wir haben ihnen die pure Wahrheit gesagt. Es gab kein böses Blut. Auch die Geschäftspartner haben sehr gut reagiert”, sagt Tropper. Mitarbeiter mussten gekündigt werden, wobei der Gründer darauf achtete, so viele wie möglich weiter zu vermitteln. An eine Fortführung des Geschäftsbetriebes (und an einem Sanierungsplan) war Tropper nicht mehr interessiert.
“Es gab zwei Kaufangebote. Aber ich wollte die Firma nicht für einen ‘Notgroschen’ verscherbeln. Zudem hätte ich Geschäftsführer bleiben müssen, und das wollte ich nicht mehr,” sagt er: “Vielleicht war ich das einfach nicht damals”. Heute würde er einige Dinge anders machen.
Learnings aus der Insolvenz
“Es ist sehr wichtig, dass es einen regelmäßigen Cash-Flow gibt, den man täglich im Auge behalten muss. Zudem würde ich einen Mitarbeiter einstellen, der sich mit Leidenschaft diesen Dingen widmet, die man nicht kann. Etwa wenn man selbst nicht der ‘Zahlentyp’ ist. Außerdem würde ich nicht mehr alleine gründen. Und auf eine verbesserte interne wie externe Kommunikation achten”, sagt Tropper zu seinen Learnings. Das Stichwort hierbei sei schlicht und einfach “people management”, sowie der Fokus auf die eignen Stärken und Schwächen.
Aus dem Archiv: Heute ist der Gründer Head of Digital Sales und Marketing bei Mediclass Gesundheitsclub Wien und plant eine Wachstumsoffensive und die Revolution am Gesundheitsmarkt, wie er dem brutkasten erzählt
HMW: Wie ein Wiener Startup mit historischen Markenrechten eine neue Mobility-Marke aufbaut
Interview. brutkasten hat auf der internationalen Zweiradausstellung EICMA in Mailand Co-Founder und COO des Wiener Mobility-Startups Acceleration Hub GmbH Michael Hofbauer zum Interview getroffen. Im Hintergrundgespräch erläutert Hofbauer, wie sein Unternehmen mit der historischen Marke der Halleiner Motorenwerke (HMW) durchstarten möchte.
HMW: Wie ein Wiener Startup mit historischen Markenrechten eine neue Mobility-Marke aufbaut
Interview. brutkasten hat auf der internationalen Zweiradausstellung EICMA in Mailand Co-Founder und COO des Wiener Mobility-Startups Acceleration Hub GmbH Michael Hofbauer zum Interview getroffen. Im Hintergrundgespräch erläutert Hofbauer, wie sein Unternehmen mit der historischen Marke der Halleiner Motorenwerke (HMW) durchstarten möchte.
Die EICMA in Mailand ist eine Messe der Superlative. Schon am Eingang merkt man die gewaltige Anziehungskraft, die sie auf Motorradfans und Fachbesucher aus aller Welt ausübt: Geduldig stehen die Menschen bereits in der Früh in langen Schlangen und warten darauf, in die weitläufigen Hallen der sogenannten “Fiera Milano” zu gelangen. Drinnen erstrecken sich die Ausstellungsflächen über mehrere Hallen, jede gefüllt mit unzähligen Messeständen.
Ingesamt reisten heuer über 770 Aussteller aus 45 Ländern in die italienische Wirtschaftsmetropole, um ihre Neuheiten rund um motorisierten Zweiräder auf insgesamt 330.000 Quadratmetern Messeareal der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Ingesamt wurden mehr als 600.000 Besucher während der sechs Messetage gezählt – ein neuer Rekord.
Neben bekannten Marken wie Honda, Yamaha oder Ducati war in diesem Jahr mit der Acceleration Hub GmbH auch ein österreichisches Startup unter den Ausstellern vertreten. Das Unternehmen hat die Traditionsmarke der 1948 gegründeten Halleiner Motorenwerke (HMW) erworben und entwickelt unter anderem motorisierte Zweiräder im E-Mobility- und Verbrenner-Segment (brutkasten berichtete).
brutkasten war auf der EICMA in Mailand und hat Acceleration Hub Co-Founder und COO Michael Hofbauer am Messestand von HMW zum Interview getroffen. Im Gespräch geht Hofbauer unter anderem auf die strategischen Überlegungen ein, eine historische Marke mit modernen Mobilitätslösungen neu zu beleben.
brutkasten: Wie seid ihr mit der Acceleration Hub GmbH zu den Markenrechten von HMW (Halleiner Motorenwerke) gekommen?
Michael Hofbauer: Durch einen guten Freund und Experten im Oldtimer-Bereich sind wir zur Marke gekommen. Er ist inzwischen ein enger Freund und Berater für uns, nach wie vor gut vernetzt in der Oldtimer-Szene. Von Anfang an war klar, dass seine Ambition nicht in Neuentwicklungen liegt, sondern darin, die Marke zu bewahren. So haben wir die Markenrechte von ihm übernommen, die mittlerweile zu einer Weltmarke ausgeweitet sind, und freuen uns, ihn weiterhin an unserer Seite zu haben.
Welche strategischen Überlegungen stecken dahinter, als ein noch recht junges Mobility-Startup auf eine historische Marke zu setzen?
Unsere strategische Überlegung war, dass HMW vor allem in der Gründungszeit dafür bekannt war, die Menschheit mobil zu machen. Damals entwickelte Ingenieur Anton Fuchs den sogenannten Fuchs-Motor, der eines der ersten motorbetriebenen Zweirad-Fahrzeuge möglich machte. Ein Blick in die Historie zeigt, dass HMW kaum eine Fahrzeugart ausgelassen hat, teils mit skurrilen, aber mutigen Entwicklungen, die alle diesem Mobilitätsgedanken folgten. Als österreichisches Gründerteam fühlen wir uns diesem europäischen Erbe verbunden. Die Idee, eine historische Marke wie HMW, die früher stark nach Deutschland, Holland und darüber hinaus exportierte, in Europa wiederzubeleben, hat uns sehr angesprochen.
In der Branche kennt man einige Beispiele von alten Marken, die unter neuen Eigentümern reaktiviert werden. Inwieweit springt ihr hier auf einen Trend auf?
Für uns ist es entscheidend, uns nicht nur mit der historischen Marke zu identifizieren, sondern mit HMW als Mobilitätsanbieter. Es geht uns nicht darum, ein einfaches Facelift zu machen und als klassische Heritage-Marke aufzutreten. Vielmehr sehen wir HMW als eine Marke mit einer Legacy, die wir schätzen, weil sie Mobilität in den Vordergrund stellt.
Oft geht es bei solchen Projekten nur darum, das Image einer alten Marke zu nutzen, um Bekanntheit zu erlangen – das ist ganz und gar nicht unser Ansatz. Der ursprüngliche Gedanke, beispielsweise einen Motor auf ein Fahrrad zu montieren und das dann bis zur Serienreife zu bringen, oder Motorräder zu entwickeln, die sogar im Rennsport erfolgreich waren, das ist für uns echte Innovation.
Im Gegensatz dazu wirkt der Ansatz, einfach Markenrechte einer historischen Marke zu kaufen und „ein bisschen Elektromobilität“ zu betreiben, eher banal und passt nicht zu unserem Anspruch. Unser Ziel ist es, mit verschiedenen Produktreihen den Spirit „Enable Mobility“ in die heutige Zeit zu tragen.
Kommen wir nun auf eure neue Modellserie zu sprechen, die ihr hier auf der EICMA ausstellt. Auf der einen Seite habt ihr E-Mobility im Programm, mit der neuen Classics-Serie bietet ihr aber künftig auch Verbrenner an. Wie passt dies zusammen?
Man darf nicht unterschätzen, dass auch im Bereich der Verbrenner enorme Innovation stattfindet. Die Motoren sind heute auf dem neuesten Stand der Technik und haben nichts mehr mit dem lauten, stinkenden Image der Vergangenheit zu tun. Natürlich ist Elektromobilität auf dem Vormarsch, aber sie ist noch lange nicht so etabliert, wie sie sein könnte. Man sieht das am Beispiel von E-Autos: In Österreich wächst die Ladeinfrastruktur zwar schon langsam, aber in anderen Teilen Europas sieht es oft noch ganz anders aus, wodurch viele nach wie vor einen Verbrenner wählen.
Um Mobilität für alle anzubieten, setzen wir daher auf eine Kombination: Für städtische und stadtnahen Verkehr – das „Interurban“-Segment – bieten wir Elektrofahrzeuge an. Für Pendler aus ländlichen Regionen, die in die Stadt fahren, bieten wir zudem verbrauchsarme, moderne Verbrennermotoren im Kleinsegment. Unser Fokus liegt dabei auf praktischen, komfortablen Fahrzeugen und nicht auf PS-starken Modellen für hohe Geschwindigkeiten.
Die Elektrofahrzeuge sind auf den Alltagspendler ausgelegt und profitieren von einer passenden Ladeinfrastruktur. Wir verwenden herausnehmbare „Bookstyle“-Batterien, die sich auch zu Hause laden lassen.
Kommen wir zur Produktion zu sprechen. Wie arbeitet ihr aktuell mit euren Produktionspartnern in China zusammen?
Wir arbeiten mit ausgewählten Produktionspartnern in China zusammen. Es gab zahlreiche Vorgespräche, und die Partnerschaften sind für beide Seiten fest etabliert. Wir haben nicht nur Visitenkarten gesammelt, sondern unsere Partner sorgfältig ausgewählt und bringen dabei viel Erfahrung aus früheren Projekten mit. Uns ist es wichtig, aktiv im Entwicklungsprozess dabei zu sein, und deshalb gibt es viel Austausch in beide Richtungen. Aktuell ist das Team hier in Wien, wo Workshops stattfinden und offen über zukünftige Entwicklungen gesprochen wird. Die Kommunikation beschränkt sich nicht nur auf WeChat oder E-Mails – der persönliche Austausch ist für uns entscheidend.
Was macht ihr aktuell In-House in Europa?
Bei uns erfolgt das gesamte Branding, Design, Engineering und die Forschung & Entwicklung (R&D) in-house, insbesondere im Bereich des Fahrzeug-Setups, des Testings und der Evaluierung. Das bedeutet beispielsweise, dass wir das komplette Rahmensetup inklusive Sitzposition und Fahrwerk intern entwickeln und dann in Abstimmung mit dem Produzenten umsetzen.
Die Mobilitätsbranche gleicht derzeit für Startups einem Minenfeld. Auch Mitbewerber in Österreich haben mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was wollt ihr anders machen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?
Unser Ansatz basiert auf Diversifizierung – sowohl im Team als auch im Produktportfolio. Wir sehen großes Potenzial, uns in verschiedene Richtungen zu entwickeln: Elektromobilität, das Verbrennersegment mit qualitativ hochwertigen Produkten und als drittes den Bereich Smart Connected Mobility. Besonders in der Forschung und Entwicklung von Smart Mobility und Innovationslösungen sehen wir viel Potenzial, da diese sowohl im Portfolio Plattform-übergreifend, als auch auf einer komplett neuen Fahrzeugarchitektur aufbauen können. Ein aktuelles R&D-Projekt von uns konzentriert sich auf Predictive-Maintenance, Sensorik und Smart Mobility, um Mobilität neu zu gestalten und ideal zu ergänzen.
Wir möchten flexibel bleiben und nicht zu einseitig agieren, da der Markt oft nicht nur eine Richtung zulässt. Der gesamte Prozess, von der Supply Chain über die Customer Journey bis zum Customer Service, ist entscheidend – zum Beispiel in der klar strukturierten Ersatzteil-Logistik. Uns ist es wichtig, Partnerschaften auf Augenhöhe zu etablieren, die eine starke Grundlage für R&D, Produktion und Ersatzteil-Logistik bis hin zum Kunden bieten.
Dabei haben wir einen klaren Vorteil durch unser Brand-Building: HMW ist als Marke neu aufgestellt und steht jetzt für Qualität und Markenidentifikation.
Welche Strategie wollt ihr im Vertrieb verfolgen?
Wir befinden uns in der Evaluierungsphase und haben sorgfältig ausgewählt. Es gab bereits sehr vielversprechende Gespräche. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nicht viele Details preisgeben, aber durch die Erfahrung im Gründerteam beobachten wir den Markt genau und ziehen daraus unsere Schlüsse. Wir wissen also gut, mit wem wir sprechen.
Wann ist der Marktstart für die neue Classics-Serie geplant?
Der Launch der Classics ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Wir sind dabei teilweise von Vertriebspartnerschaften abhängig, da die Nachfrage das genaue Datum beeinflussen kann. Die Electrics-Serie ist bereits jetzt verfügbar, und die Classics sind für Anfang 2025 vorgesehen – was ja nur noch zwei Monate entfernt ist. Lange dauert es also nicht mehr.
Wie habt ihr euch in der Vergangenheit finanziert und plant ihr derzeit eine Funding-Runde?
Die Entwicklung der Classics und Electrics-Serien sowie das gesamte Brand Development wurden über die Gesellschafter und Eigenmittel finanziert. Wir sind stolz, dass wir dank der FFG nun die Möglichkeit haben, auch im Bereich Innovation voll durchzustarten. Wir haben ein Forschungsprojekt initiiert, das uns ermöglicht, in den Bereichen Smarte Komponentenentwicklung, Predictive Maintenance, Machine Learning und modernste Technologie umfassend zu arbeiten und diese Kompetenzen inhouse aufzubauen.
Besonders erfreulich ist, dass wir für das Projekt ein starkes Team in den Bereichen Machine Learning und Elektrotechnik aufstellen konnten – ein Bereich, in dem einige Hersteller aktuell Schwierigkeiten haben. Unser Team hat bereits Test-Setups durchgeführt, um Sensorik und Komponenten am Fahrzeug selbst zu erproben. Damit wollen wir in diesem Segment zügig Fortschritte machen.
Parallel dazu haben wir eine Investorenrunde gestartet und suchen nach potenziellen Partnern. Dabei legen wir großen Wert auf Partnerschaften, die unseren Spirit teilen, um sicherzustellen, dass ein Investment unseren Weg nicht komplett verändert, sondern ergänzt und stärkt.
Welche Wachstumsziele verfolgt ihr für 2025?
Für 2025 planen wir, in allen drei Segmenten voll voranzuschreiten: maximaler Marktstart im Bereich Electrics, den Launch der Classics und die Weiterentwicklung des Innovationsprojekts. Gerade bei Letzterem werden wir auch das Team weiter verstärken und haben bereits vielversprechende Leads und Kapazitäten ausgebaut. Unser Hauptmarkt liegt allerdings außerhalb Österreichs, was unser Wachstum beeinflusst und uns auch in der Standortplanung fordert.
Wir suchen aktiv nach Investoren und gleichzeitig nach größeren Räumlichkeiten sowie noch vielseitigeren Testmöglichkeiten. Unser Ziel ist nachhaltiges Wachstum, statt einen riskanten und und undurchdachten „Hockeystick“ anzustreben. Wir möchten solide aufgestellt in alle drei Richtungen wachsen und die Profitabilität in den jeweiligen Bereichen dynamisch, aber realistisch erreichen.
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