11.07.2022

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

Der Begriff Hypergrowth geistert seit den Massenkündigungen bei Bitpanda urplötzlich durch die Startup-Welt. Es wird diskutiert, argumentiert und sich aufgeregt. Speed-Invest-Gründer Oliver Holle ordnet den Begriff ein, erklärt die Vorteile und Risiken eines schnellen Wachstums und erinnert sich daran, selbst einmal Hypergrowth-Fehler gemacht zu haben.
/artikel/oliver-holle-zu-hypergrowth-brutal-und-abnormal
Oliver Holle, Was ist Hypergrowt, Hypergrowth, Wachstum Bitpanda, rasantes Wachstum, Kündigungen, Kündigung,
(c) Speedinvest - Oliver Holle über Hypergrowth und gesellschaftliche Relevanz.

Es war der Aufreger der letzten Woche: die Massenkündigungen von Bitpanda. Im Nachgang gab es im Netz verschiedenste Reaktionen. Von wütenden Ex-Angestellten, die sich anonym auch beim brutkasten meldeten bis hin zu Verständnis und bemerkenswerten Argumentationsketten von Vertretern der Startup-Szene, war alles dabei. Es kam auch ein Diskurs über den Begriff Hypergrowth selbst auf.

Was ist Hypergrowth?

Wir sprachen mit Oliver Holle, Managing Partner bei Speedinvest, über die Vorteile und Risiken eines rasanten Wachstums. Und darüber, was es bedeutet, bei einem Startup zu arbeiten.

Der Terminus Hypergrowth tauchte zum ersten Mal 2008 im “Havard Business Review” auf. Das Weltwirtschaftsforum definiert den Begriff wie folgt: Hypergrowth-Unternehmen weisen eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von mehr als 40 Prozent aus und verdoppeln ihre Einnahmen in weniger als zwei Jahren.

“Aus VC-Sicht ist Hypergrowth die Zielsetzung unserer Geschäfte”, präzisiert Holle. “Wir suchen Firmen, die das Potential haben, in den Hypergrowth-Modus zu kommen. Es geht darum, Wachstumsexperimente zu finanzieren. Da kann sehr viel schiefgehen. Viele Unternehmen schaffen es nicht, wenige schon. Jene sind dann für die Performance des Fonds wichtig und erlangen gesellschaftliche Relevanz.”

“Natürlich zerbrechen da Dinge”

Die großen Startups, nationale wie internationale, erhalten riesige Finanzierungsrunden ausschließlich deswegen, weil ihnen globale Investoren zutrauen, eine derartige Hypergrowth-Phase zu überstehen, meint Holle. Man sehe die Chance, dass das Geschäftsmodell stabil und die Profitabilität des Kerngeschäfts groß genug sei, sodass das Team quasi von “1 auf 100” wachsen kann. Alles andere würde die Bewertung nicht rechtfertigen und wäre “naiv” und “unrealistisch”.

“Wir haben viele Unternehmen in solche Phasen eintreten sehen. Natürlich zerbrechen da Dinge. Es ist eine Brutalität und eine Abnormalität, denn es ist nicht normal in kurzer Zeit von ‘100 auf 2.000’ Mitarbeiter zu wachsen”, sagt der Speedinvest-Gründer. Und zählt die Faktoren auf, die für Unternehmen überlebenswichtig sind, um Hypergrowth halten und überstehen zu können.

Zum einen sei eine gute Firmenkultur wichtig sowie eine unternehmensweite Gesamtkommunikation, die Mitarbeiter, Investoren und Stake Holder involviert. Zum anderen sei es essentiell zu entscheiden, wo man in dieser Phase den Fokus setzen will. Der Tag habe auch für Gründer in dieser Phase nur 24 Stunden, somit müssen man “Mut zur Lücke” haben und sich auf die wichtigsten Aufgaben konzentrieren. Fokus auf die große Linie sei entscheidend.

Gefahr: Startup-Job?

Eine andere Sache, die die letzte Woche unterschwellig gezeigt hat, ist, dass die Startup-Welt keinen sicheren Hafen darstellt. Personen, die ihren Lebensmittelpunkt dem Job entsprechend ausgerichtet hatten, standen plötzlich ohne Broterwerb da. Die sozialen Medien schwankten folglich zwischen Empörung über die Kündigungen und Verteidigern, die diesen Schritt als notwendig erachteten.

Was besonders auffiel war die Argumentationskette, dass Kündigungen zum Hypergrowth “einfach dazu gehören” und quasi “part of the game” sind. Auch Holle weiß, dass in der Startup-Welt zu arbeiten bedeuten kann, plötzlich den Job zu verlieren. Es sei ein Teil des Risikos, das man eingehe. Hypergrowth und negative Folgen nennt er Ausnahmesituationen.

“In so einem Fall (Anm.: Hypergrowth) ist es ein konstantes ‘balancing’ und ‘rebalancing'”, sagt er. “Man muss sich als Mitarbeiter:in genau ansehen, ob man die Reise mitgehen möchte. Mit dem Wissen, dass es ein kurzer Teil der Reise sein kann. Für das Weiterkommen der Mitarbeiter:innen und für den CV ist es positiv, auch wenn man nur kurz dabei war. Aber man muss sich bewusst sein, ein Job bei einem Startup ist kein sicherer.”

Startup-Gründer würden ebenso nur “auf Sicht” fahren, auch wenn es tendenziell ihre Aufgabe sei, eine klare Vision von Hypergrowth zu haben und schnell zu reagieren, wenn Veränderungen nötig sind.

Fehler bei Wachstumsplänen

“Jedes Gründerteam ist verleitet”, so Holle weiter, “an Plänen festzuhalten, auch wenn im Marktumfeld Probleme sichtbar sind. Vielleicht hält man zwei bis drei Monate zu lange am eingeschlagenen Weg fest. Die größte Herausforderung ist es, Investoren ins Gesicht zu sagen, dass das, was man vor einem Monat erzählt hat, nicht hält. Dies zerstört Vertrauen und diesen schwierigen Schritt zu machen, braucht oft zu lange. Dieses Problem haben viele Gründer. Ich selbst hatte einst dieselbe Schwierigkeit.”

Holle erinnert sich an die den “dot.com-Boom” von seinerzeit und erzählt, dass sein Startup plötzlich von fünf auf 120 Leute gewachsen ist. Dann kam der Einbruch und er als Gründer habe damals zu lange an einer Geschichte festgehalten, die er sich selbst und den Investoren erzählt hatte.

“Das Geld war viel schneller weg, als es hätte sein müssen”, sagt er und erklärt, dass man als Founder sehr vielen Personen “im Wort sei” – Co-Foundern, Investoren und Mitarbeitern. Und da schwer herauskomme.

Kommunikation als Werkzeug

Für ihn erweist sich in solchen Fällen die Kommunikation als das Tool, das eingesetzt werden muss. Zu sagen, dass Anpassung ein “harter, aber richtiger Schritt” ist. Und die ganze Situation folglich sauber und menschlich durchzuführen, wenn man harte Veränderungen wie Mitarbeiterreduzierung angeht.

“Ich glaube, es ist grundsätzlich so, dass man da nur verlieren kann. Niemand hat eine Chance, das so zu lösen, sodass alle zufrieden sind”, betont Holle. “Aber man muss auch die Vorzüge von Hypergrowth herausstreichen. Man hat die Chance, in vergleichbar kurzer Zeit ein globaler Weltmarktführer zu entwickeln. Und gerade diese Ambition braucht Europa, braucht Österreich, wenn wir unsere Wirtschaft weiter entwickeln wollen.”

DisclaimerDie Bitpanda GmbH ist mit 3,9849 % an der Brutkasten Media GmbH beteiligt.

Die Firma Speedinvest F EuVECA GmbH & Co KG Ges.m.b.H. & Co. KG ist zu einem Anteil von 0,88 Prozent an Bitpanda beteiligt. Die Firma Speedinvest Co-Invest UVG GmbH & Co KG Ges.m.b.H. & Co. KG zu einem Anteil von 0,43 Prozent.

Deine ungelesenen Artikel:
19.11.2024

Benefits: Home-Office wie der Obstkorb kein USP mehr

Eine GrECo-Studie zeigt zentrale Trends bei Benefits in der Arbeitswelt auf. Dabei wird ersichtlich, dass die Erwartungshaltung bei Jobs gestiegen ist und manches nun als selbstverständlich gilt.
/artikel/benefits-home-office-wie-der-obstkorb-kein-usp-mehr
19.11.2024

Benefits: Home-Office wie der Obstkorb kein USP mehr

Eine GrECo-Studie zeigt zentrale Trends bei Benefits in der Arbeitswelt auf. Dabei wird ersichtlich, dass die Erwartungshaltung bei Jobs gestiegen ist und manches nun als selbstverständlich gilt.
/artikel/benefits-home-office-wie-der-obstkorb-kein-usp-mehr
Benefits, Home-Office
(c) GrECo - Joachim Schuller, Competence Center Manager Health and Benefits GrECo.

Es herrscht eine Zeit im Arbeitswesen, in der sich sehr viele Personen mit der Zukunft und davon ausgehend mit Benefits von Unternehmen beschäftigen. Dabei steht vor allem die betriebliche Vorsorge hoch im Kurs. Neun von zehn Befragte finden eine Pensionsvorsorge (91 Prozent), eine private Krankenversicherung (90 Prozent) oder steuerfreie Zukunftsleistungen wie lohnsteuerfreie betriebliche Vorsorge (89 Prozent) bei der Jobsuche besonders attraktiv. Das zeigt die aktuelle “Health & Benefits Studie” des Versicherungsunternehmens GrECo, die sowohl die Arbeitnehmer:innen- als auch die Arbeitgeberseite befragt hat.

Benefits: Anforderungen an Jobs steigen

Die unternehmenseigene Befragung unter österreichischen Unternehmen wurde im Juli und August 2024 durchgeführt, um die Sichtweisen und Strategien der Arbeitgeber zu beleuchten. Diese Umfrage richtete sich an heimische Entscheidungsträger:innen aus den Bereichen “Human Resources” und “Benefits-Management”. Insgesamt nahmen 274 Unternehmensrepräsentant:innen an der Befragung teil. Dabei lag der Fokus auf den geplanten Benefits-Maßnahmen der nächsten zwei Jahre.

“Die Anforderungen an den Job steigen weiter. Viele Arbeitnehmer:innen wünschen sich, dass ihr Arbeitgeber sie bei den alltäglichen Herausforderungen unterstützt. Auch eine zusätzliche Pensions- und Krankenvorsorge, die deutlich über die staatliche Grundversorgung hinausgeht, wird zunehmend geschätzt. Lösungen, die Mitarbeiter:innen auch in Zukunft gut absichern, stehen insgesamt an oberster Stelle der Wunschliste”, erklärt Joachim Schuller, Competence Center Manager Health and Benefits bei GrECo.

Für Unternehmen gilt es, sich bewusst zu machen, dass Benefits, die zeitgemäß und besonders relevant für die Lebensqualität der Mitarbeitenden sind, den besten Pull-Faktor darstellen und einen direkten Einfluss auf die Loyalität haben.

Langfristig vs. kurzfristig

Vor allem langfristige Benefits wie Vorsorgelösungen hätten laut der Umfrage für acht von zehn Befragten (83 Prozent) eine höhere Priorität als kurzfristige Vorteile wie Fitnessangebote. Ein Unterschied zeigt sich jedoch bei der Gen Z, deren Fokus auf anderen Herausforderungen wie beispielsweise mentaler Gesundheit und der Vereinbarkeit von Familie und Karriere gerichtet ist.

“Das liegt nicht daran, dass die Gen Z Pensionsvorsorge oder Krankenversicherung nicht schätzt. Untersuchungen zeigen, dass die Gen Z anfälliger für Burnout und Stress ist. Der Mental Health-Aspekt wird somit immer wichtiger, um Fluktuation und geringer Produktivität entgegenzuwirken“, erklärt Schuller. “Es geht hier um ein abgestimmtes Paket, das sowohl Prävention als auch die entsprechende Absicherung im Bedarfsfall sicherstellen kann.”

Bemerkenswert ist, dass trotz aller Bemühungen aktuell 67 Prozent der Unternehmen die Vorteile betrieblicher Vorsorgeleistungen noch nicht ausschöpfen. Dabei bieten steuerfreie Zukunftssicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherung und Pensionszusagen gerade die finanzielle Sicherheit, die sich die Mitarbeiter:innen wünschen würden, so die Studie.

Der Jahresbericht der Pensionsversicherung Österreich zeigt, dass ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmer:innen (25 Prozent) noch vor dem Ruhestand berufsunfähig sind und nur vier Prozent der Erwerbstätigen in Österreich eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben.

“Diese Lücke wird aber nach wie vor auch in der Praxis von nur rund 17 Prozent der Unternehmen abgedeckt. Auch eine “Pensionszusage” bieten nur 27 Prozent an und das, obwohl sie angesichts der steigenden Lebenserwartung ein wichtiges Angebot wäre, um die Erhaltung des Lebensstandards im Alter sicherzustellen”, liest man im Bericht.

Benefits kein Obstkorb

Im Kampf um die besten Talente steigt der Druck auf die Arbeitgeber, über das Gehalt hinaus ansprechende Sozialleistungen anzubieten. Über ein Drittel (35 Prozent) der heimischen Arbeitnehmer:innen ist sogar bereit, auf zehn Prozent des Gehalts zu verzichten, wenn sie dafür wichtige Benefits erhalten – in der Gen Z ist es sogar jede:r Zweite (46 Prozent).

Benefits wie Home-Office oder flexible Arbeitszeiten, zählen jedoch nicht dazu. Sie werden viel mehr als selbstverständliche Voraussetzung betrachtet und sind wie der Obstkorb, den nur mehr 24 Prozent als sehr ansprechend bewerten, seit langem kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

“Eine ‚One-size-fits-all-Lösung‘ bei Benefits ist nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen, die die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen erkennen und entsprechend handeln, sind für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt besser gerüstet und langfristig erfolgreicher”, so Schuller weiter.

Kommunikation mangelhaft

Aufholbedarf gibt es auch in der Kommunikation: Nur 56 Prozent der Mitarbeiter:innen kennen auch alle angebotenen Benefits. Auf Seite der Arbeitgeber gilt es dringend, eine zugängliche Übersicht der angebotenen Benefits zu schaffen und diese laufend zu kommunizieren. Etwa ein Drittel (32 Prozent) der befragten Unternehmen gibt zudem an, keine genaue Kenntnis darüber zu haben, wie viel Prozent der Lohnsumme für Benefits aufgewendet werden.

“Das zeigt deutlich, dass Unternehmen ihre Kommunikationsstrategie für bestehende Mitarbeiter:innen dringend verbessern müssen, denn 88 Prozent wünschen sich einen Arbeitgeber, der sich um sie kümmert”, fasst Schuller abschließend zusammen. “Nur wer langfristige Absicherung und moderne Arbeitsmodelle kombiniert, wird im Wettbewerb um die besten Talente bestehen können – erst recht in Zeiten des Fachkräftemangels.”

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Oliver Holle zu Hypergrowth: “Brutal und abnormal”