08.01.2024

“Herber Rückschlag”: Steirer Niceshops kündigt 20 Prozent von 450 Mitarbeiter:innen

Das steirische E-Commerce-Scaleup Niceshops fuhr in den vergangenen Jahren einen starken Wachstumskurs. Doch zuletzt schrieb es rote Zahlen. Wir sprachen mit Geschäftsführer Christoph Schreiner.
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Die Niceshops-Geschäftsführung vlnr. Barbara Unterkofler, Erik Neutzner, Christoph Schreiner und Roland Fink | (c) Niceshops
Die Niceshops-Geschäftsführung vlnr. Barbara Unterkofler, Erik Neutzner, Christoph Schreiner und Roland Fink | (c) Niceshops

Wenn das E-Commerce-Scaleup Niceshops mit Sitz im steirischen Saaz in den vergangenen Jahren im brutkasten aufschlug – und das tat es häufig – dann mit Übernahmen und starken Jahresbilanzen. Eine ganze Reihe heimischer Onlineshop-Startups wurden im Laufe der Zeit vom Scaleup aufgekauft, etwa 9Weine, Cosmeterie oder Shöpy (nach dem Exit auf 42things umbenannt).

90 Mitarbeiter:innen beim AMS zur Kündigung angemeldet

Doch nun sieht sich das Unternehmen zu einem starken Personaleinschnitt gezwungen, wie es heute in einer Pressemitteilung bekanntgab. Etwa 90 der rund 450 Mitarbeiter:innen, also 20 Prozent der Belegschaft, wurden beim AMS zur Kündigung angemeldet. Bis zu 50 Personen am Standort Saaz und bis zu 40 am Standort Graz sind betroffen.

“Haben das, was wir verdient haben, gleich in Personal und Internationalisierung investiert”

Im Hintergrund stehe die veränderte wirtschaftliche Lage ab 2022, heißt es von Niceshops. “Wir waren immer als Wachstumsunternehmen aufgestellt und haben Leute für Umsätze angestellt, die wir in der Zukunft erwarten”, erklärt Geschäftsführer Christoph Schreiner im Gespräch mit brutkasten. “Wir waren immer am unteren Ende der Profitabilität, weil wir das, was wir verdient haben, gleich in Personal und Internationalisierung investiert haben”.

Zuletzt zwei Jahre lang rote Zahlen bei Niceshops

2022 steigerte das Scaleup seine Umsätze zwar noch, schrieb dabei aber rote Zahlen. 2023 konnte man zwar die Verluste eindämmen, doch der Umsatz ging leicht um sieben Prozent zurück. “Wir haben vergangenes Jahr bereits laufend Personal reduziert. Wir haben alles getan, was wir tun konnten. Der große Schnitt war jetzt die letzte Möglichkeit”, so Schreiner.

Niceshops-Gründer Fink: “Das fällt unendlich schwer”

Niceshops-Gründer Roland Fink schreibt auf LinkedIn von einem “Jahr zum Vergessen”. “Für mich persönlich [ist es] ein herber Rückschlag und auch Teil meiner Verantwortung. So war das nicht geplant”, so der Unternehmer. Man habe im Unternehmen Beziehungen und auch Freundschaften aufgebaut und jetzt Beziehungen beendet. “Das fällt unendlich schwer”, schreibt Fink. “Natürlich ist das auch ein Befreiungsschlag, aber einer auf Kosten von Menschen – von Menschen, die uns teilweise über viele Jahre begleitet haben, Menschen, die für ein gemeinsames Ziel so viel gegeben haben.”

Auch einzelne Marken werden verschwinden

Die Einschnitte betreffen nicht nur das Personal, sondern auch verschiedene Geschäftsbereiche. “Wir trennen uns von Sortimenten, die wir nicht mehr profitabel abbilden können”, so Christoph Schreiner. Das seien etwa Lederhosen oder Brennholz. Auch aus bestimmten Märkten ziehe man sich mit einzelnen Sortimenten zurück. “Der Fokus liegt nun auf profitablen Sortiments-Markt-Kombinationen”, so der Geschäftsführer. Auch einzelne Shop-Marken werden verschwinden, dazu könne er aber noch keine Details nennen, sagt Schreiner. Und die Akquisitions-Strategie sei zumindest für dieses Jahr on hold.

Schon dieses Jahr wieder schwarze Zahlen geplant

Schon 2024 soll Niceshops so wieder schwarze Zahlen schreiben. Und mittelfristig werde es auch eine Rückkehr zur Wachstumsstrategie geben, sagt Schreiner. “Das ist kein dauerhafter Strategiewechsel. Wir haben nicht vor, das Unternehmen in der aktuellen Größe einzufrieren. Wir stellen uns jetzt so auf, dass wir eine solide Basis haben und von dort wieder wegspringen können, wenn das Umfeld wieder passt”, so der Geschäftsführer.

Niceshops plant auch Rückkehr zur Akquisitions-Strategie

Man wolle also in Zukunft weiterwachsen, aber profitabel. In den USA sei die Branche beim Wachstum bereits jetzt wieder auf Vor-Corona-Niveau. “In Europa erwarte ich das dieses Jahr noch nicht”, räumt Schreiner aber ein. Auch die Akquisitions-Strategie werde man zu gegebener Zeit wieder fortführen. “Wir haben immer noch die Infrastruktur und das Setup dafür”, so der Niceshops-Geschäftsführer.

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Das Linzer Startup Carbon Cleanup hat sich auf das Recycling von Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen spezialisiert. Wir haben mit Gründer und CEO Jörg Radanitsch über die weiteren Wachstumsschritte und eine neue Kooperation mit KTM Technologies gesprochen. 
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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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