13.09.2019

3 Wünsche an die Politik: Das sind die Prioritäten für das Startup-Ökosystem

Der brutkasten fragte Vertreter des heimischen Startup-Ökosystems nach ihren Top 3 politischen Prioritäten im Vorfeld der Nationalratswahl.
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Ben Ruschin, Lisa Fassl, Travis Pittman, Selma Prodanovic, Oliver Holle, sowie weitere Personen aus dem Startup Ökosystem haben uns ihre Top 3 Wünsche vor der Nationalratswahl genannt.
vlnr.: Ben Ruschin, Lisa Fassl, Travis Pittman, Selma Prodanovic, Oliver Holle, sowie weitere Personen aus dem Startup Ökosystem haben uns ihre Top 3 Wünsche vor der Nationalratswahl genannt.

Die Nationalratswahl rückt näher. In etwas mehr als zwei Wochen ist es soweit. Der Sieger scheint zwar nach aktuellen Umfragen festzustehen. Anders als bei vielen vorangegangenen Wahlen stehen aber gleich mehrere Koalitionsvarianten im Raum. Welche es am Ende wird, hängt freilich nicht nur von den Präferenzen der Parteien, sondern auch vom tatsächlichen Wahlergebnis ab. Noch haben die Parteien im Intensivwahlkampf die Chance, einige Prozente zu gewinnen – oder auch zu verlieren. Jetzt ist also ein guter Zeitpunkt, noch ein paar Wünsche an die Politik anzubringen

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Event-Tipp: Der brutkasten lädt kommenden Montag, 16. September, Kandidaten der im Nationalrat vertretenen Parteien sowie der Grünen zum “Reverse Pitch”. Dort werden sie ihre Pläne und Nationalratswahl-Programme im Startup- und Innovationsbereich vorstellen und Fragen der Community beantworten. ⇒ Alle Infos zum Reverse Pitch


3 Wünsche vor der Nationalratswahl

Seitens der heimischen Startup-Szene liegen einige Forderungen bereits seit Jahren am Tisch. Die Umsetzung verlief bislang bestenfalls zaghaft. Erst vor wenigen Tagen brachten aaia, AustrianStartups und AVCO ein weiteres Positionspapier mit großteils bekannten Inhalten heraus. Doch wo drückt der Schuh am meisten? Der brutkasten hat dazu Vertreter des heimischen Startup-Ökosystems – einige davon waren an der Erstellung des Positionspapiers beteiligt – nach ihren Top 3 Wünschen an die Politik vor der Nationalratswahl gefragt. Wenig überraschend gibt es einige besonders häufig genannte Punkte. Ein paar Anregungen für die Wahlkämpfenden:

Oliver Holle, Founder & CEO Speedinvest

  1. Ehrlichkeit: Entweder wir machen Digital zu einem Leitthema oder eben nicht. Für mich würde das auch ein Digitalministerium mit tatsächlich relevantem Budget und inhaltlicher Kompetenz bedeuten.
  2. AG Light – um in Österreich international adäquate rechtliche Rahmenbedingungen für Startup-Gründungen zu schaffen.
  3. Wettbewerbsfähige Rot-Weiß-Rot Card: schnellerer Entscheidungsprozess, keine Notwendigkeit für einen Uni-Abschluss, niedrigeres Mindestgehalt oder Anrechnung von Mitarbeiterbeteiligungen

Lisa Fassl, Geschäftsführerin aaia

  1. klare, sinnvolle, an die vorhandenen Stärken angepasste Strategie für den Standort
  2. neue Rechtsform für innovative Unternehmensgründungen
  3. steuerliche Incentives für Angel Investoren und steuerliche Sicherheit für VCs

Travis Pittman, Founder & CEO TourRadar

  1. Express-Visa für hochqualifizierte Bewerber aus Drittstaaten (analog Niederlande)
  2. Steuerbefreiung für hochqualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten (analog Niederlande)
  3. Generell kann Österreich viel von den Niederlanden lernen, damit Wien als Anziehungspunkt für Tech-Talente irgendwann tatsächlich in einer Liga mit Amsterdam, Berlin, Barcelona oder Lissabon spielt.

Markus Raunig, Geschäftsführer AustrianStartups

  1. Entrepreneurship Woche in allen Schulen (analog zum Schulskikurs)
  2. Offizieller Startup-Status für innovative und wachstumsorientierte Jungunternehmen, der FastLane RWR-Card (max 5 Tage), Gewerbeordnung-Ausnahme für ein Jahr und Lohnnebenkosten-Bonus inkludiert.
  3. Neue, einheitliche Rechtsform in der ganzen EU: EU Limited, mit super niedrigen Gründungskosten und einfacher Mitarbeiterbeteiligung

Benjamin Ruschin, Founder & Managing Director WeAreDevelopers

  1. Rot-Weiß-Rot-Karte: Prozesse noch mehr beschleunigen und vereinfachen
  2. Steuer-Incentive für IT-Fachkräfte aus Drittstaaten: deutliche Reduktion oder sogar Abschaffung der Einkommenssteuer für die ersten 4 Jahre in denen sie in Österreich verweilen
  3. Lohnnebenkosten für die ersten zehn Mitarbeiter in jedem neugegründeten Startup für einen Zeitraum von 24 Monaten pro Mitarbeiter eliminieren.

Selma Prodanovic, Business Angelina, Founder & CEO 1MillionStartups

  1. Rot-Weiß-Rot-Karte deutlich verbessern
  2. Alles andere “Chancenkapital für Österreich” der aaia entnehmen

Markus Fallenböck, Geschäftsführender Gesellschafter OwnAustria

  1. Senkung der Steuerquote unter 40 Prozent: Das ist entscheidend für das gesamte wirtschaftliche Umfeld und würde Österreich auch attraktiver für ausländische Arbeitskräfte wie Investoren machen.
  2. Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte mit weniger Bürokratie und schnelleren Verfahren.
  3. Ausbau der Sandbox-Regulation: Hier wären aufgrund der Kleinheit des österreichischen Marktes auch länderübergreifende “Sandboxes” wichtig, insbesondere in Abstimmung mit Deutschland.

Berthold Baurek-Karlic, Founder und CEO Venionaire Capital (uva.)

  1. Steuerliche Entlastung der Unternehmer
  2. Kleine AG – eine neue Rechtsform für Startups
  3. Vereinfachung der Gewerbeordnung

Armand Colard, Founder & CEO Cleanvest

  1. Streichung der Lohnnebenkosten für Startups (z.B. für die ersten 3 Jahre und/oder für die ersten 3 Mitarbeiter)
  2. Mehr Förderungen für Startups, einfacherer Zugang zu Förderungen und höhere Förderquoten (mind. 70 Prozent, im Schnitt 80 bis 85 Prozent, nicht wie jetzt, wo sie bei 30 bis 50 Prozent und nur selten über 50 Prozent liegen
  3. Sozialunternehmen mit gesellschaftlichem Mehrwert sollten weniger Abgaben und/oder weniger Steuern zahlen müssen, weil sie Marktversagen bzw. staatliches Versagen in gewissen Bereichen (Soziales, Ökologie) ausgleichen.

Johannes Lindner, Entrepreneurship-Education-Experte

  1. Entrepreneurship Education im Regierungsprogramm
  2. Gewerberecht dahingehend ändern, dass Jugendliche in der Schule ein PoC machen können, ohne dafür einen Gewerbeschein lösen zu müssen.
  3. Mini-Funds für Schüler: Das gab es früher im Rahmen von aws Jugend Innovativ, es wurde aber wieder abgeschafft. Es geht hier um Beträge zwischen 100 und 500 Euro pro Projekt.
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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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