12.06.2019

Skype-Investor Morten Lund: “Ein Startup zu haben ist wie Glas zu essen”

In rund 100 Tech-Startups hat der Däne Morten Lund investiert oder sie selbst gegründet. Im Jahr 2009 musste er Insolvenz anmelden, ein Jahr später stand er finanziell wieder auf den Beinen. Im Interview spricht er über Erfolge, Rückschläge und seine Pläne für die Zukunft.
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Morten Lund
(c) Morten Lund

Das frühe Involvement in das erfolgreiche VoIP-Startup Skype war es wohl, was den dänischen Unternehmer und Investor Morten Lund zu einem Star der europäischen Startup-Szene macht. Insgesamt hat der Mann, der in Interviews selten ein Blatt vor den Mund nimmt und gerne auch mal das F-Wort auspackt, in rund 100 Tech-Unternehmen investiert und diese selbst gegründet. Doch dann kam die Ernüchterung: Im Jänner 2009 musste Lund Insolvenz anmelden, weil er mit der Gratiszeitung Nyhedsavisen auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Gut ein Jahr später, im April 2010, hatte Lund laut Eigenangabe die Privatinsolvenz bereits wieder überwunden.

+++Die drei reichsten Österreicher und ihre Startup-Beteiligungen+++

Nun ist Lund zurück. Auf dem Fifteen Seconds Festival in Graz präsentierte er sein Projekt Poshtel Popup, bei dem er mit Popup-Immobilien an der “Zukunft des Wohnens” arbeitet. Mit dem brutkasten spricht er im Interview offen über seine bisherigen Erfolge und Misserfolge und erklärt, warum es mit Poshtel anders laufen soll als mit seinen bisherigen Startups.

POSHTEL POPUP PURPOSE from [email protected] on Vimeo.

Du bist dadurch berühmt geworden, dass du einer der ersten Menschen warst, die in das erfolgreiche VoIP-Unternehmen Skype investierten. Worauf achtest du, wenn du in Startups investierst?

Morten Lund: Ich achte auf Leidenschaft. Denn wenn man Leidenschaft hat, dann fühlt es sich nicht wie Arbeit an. Die Leidenschaft muss dann mit Hartnäckigkeit kombiniert werden. Denn ein Startup zu haben ist so, als würde man Glas essen. Es tut weh, es macht naturgemäß keinen Spaß. Man braucht Leidenschaft und Hartnäckigkeit, um zu überleben. Es ist nicht einfach.

Wie findet man bereits in einem frühen Stadium heraus, dass ein Startup wie Skype später erfolgreich sein wird?

Gar nicht. Man hat keine Ahnung, es gibt immer einen starken Mitbewerber und einen wütenden Onkel, der dir sagt, dass die Idee nicht funktionieren wird. Man beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Bei Skype wollte anfangs niemand investieren und alle glaubten, dass wir dumm sind. Aber als Skype startete, luden rund 50.000 Menschen es gleich am ersten Tag herunter. Das war in einer Zeit, in der es noch kein iPhone gab, als Menschen Exe-Dateien auf ihren Windows-Computer herunterluden. Wir haben also damals beobachtet, dass es ein gewaltiges Interesse potenzieller Kunden gab – dann muss man natürlich fähig sein, das Versprechen auch zu erfüllen. Auch da kann man sich aber nicht sicher sein. Das ist ähnlich wie bei Journalisten: Es kann sein, dass du eine Idee hast, zu schreiben anfängst und dann wird es verdammt nochmal nicht so, wie du es dir vorgestellt hast.

Trifft das auch auf dein aktuelles Projekt, Poshtel Popup, zu?

Ich habe nun ein Team, eine Investorenbasis und Berater rund um Poshtel Popup und Fifth Element. Wir könnten damit ein Decacorn bauen – also etwas, das die zehnfache Bewertung eines Unicorns hat. Es gibt ein Momentum und ein Versprechen. Nun werden wir sehen, ob wir dieses Versprechen auch liefern können.

Ist Poshtel Popup das einzige Projekt, das du derzeit betreibst?

Ja, ich bin extrem fokussiert. Unser ultimativer Vorstandsvorsitzender ist Mutter Erde. Auf diesem Gedanken basierend läuft Poshtel Popup. All unsere Aktivitäten müssen damit verbunden sein, mit anderen Dingen verbringen wir keine Zeit. Das Gute an Poshtel ist aber zugleich, dass es multidisziplinär ist: Wir brauchen zum Beispiel Möbel, ein Abwasser-System, einen Check-In und funktionierende Toiletten. Das ist sehr sexy.

Du musstest 2009 Insolvenz anmelden. Wie konnte das passieren?

Es passierte nur, weil ich ein Idiot war und 350 Millionen Dollar in ein Zeitungsprojekt überinvestiert habe.

Und wie bist du aus der Insolvenz wieder raus gekommen?

Ich hatte extrem viel Glück. Offensichtlich war ich kein allzu großes Arschloch, und deshalb glaubten viele Leute an mich. Ein paar Menschen kümmerten sich um das Problem, während ich mich wieder darauf konzentrieren konnte, neue Unternehmen aufzubauen.

Was ist an Poshtel diesmal anders als an deinen vorherigen Software-Startups?

Wir haben diesmal kein Venture Capital aufgenommen. Stattdessen haben wir rund hundert Leute, die für Unternehmensanteile arbeiten. Außerdem haben wir einige sehr smarte Menschen, die uns beraten und zugleich ein wenig investiert haben. Aber nicht zu viel.

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Ferry Fischer, Coach und Unternehmensberater (c) Ferry Fischer

Du siehst einen Golfprofi, wie er auf den letzten Löchern der finalen Runde ruhig und voller Konzentration den Fokus behält und das Turnier souverän gewinnt. Kann er das, weil er so talentiert ist oder weil er geheime Tricks kennt? Nein, er kann das, weil er sich selbst kennt und kontinuierlich seine mentale Fähigkeiten, die jede:r besitzt, entwickelt hat.

Selbstvertrauen kommt von Selbstbewusstsein. Je bewusster ich mir über meine Fähigkeiten und meine Schwachstellen bin (und natürlich auch, wie ich damit gut umgehen kann), desto mehr entwickle ich Vertrauen in mich selbst. Das ist ein Prozess stetiger Reflexion und Entwicklung.

Ich selbst halte mich für einen durchschnittlich talentierten Sportler und habe jeden Sport, den ich ausgeübt immer erst sehr spät begonnen. Dennoch war ich ehrgeizig und wollte was erreichen, also habe ich einen wichtigen Aspekt des Erfolges mehr entwickelt als die anderen. Die mentale Stärke. Und damit ist mir sowohl im Sport als auch im Beruf weit Überdurchschnittliches gelungen.

Hier stelle ich dir nun meine „Best Of Mental-Stärken“, bzw. Techniken vor, damit du auch davon profitieren kannst.

1. Resilienz: Der Umgang mit Rückschlägen

Im Sport ist Scheitern unvermeidbar – Golfer:innen, Tennisspieler:innen, etc. verlieren die allermeisten Turniere und gewinnen nur wenige. Mental starke Athlet:innen wissen: Eine Niederlage macht sie nicht zum Versager oder zur Versagerin, sondern gibt ihnen die Chance, zu lernen und zu wachsen.

Wichtig ist, dass ich weiß, dass ich es schaffen kann und von jeder Niederlage lerne. Unbeirrbar gehe ich meinen Weg, aber ich hinterfrage mich ständig und passe mich durch die Erfahrung des temporären Scheiterns an.

Wenn du im Golf den ersten Schlag gleich mal in den Wald schlägst und die Nerven bewahrst, mit dem Mindset „das braucht jetzt genau mich, um doch noch erfolgreich das Loch zu Ende zu spielen“, dann gibst du dem Erfolg eine gute Chance. Wenn du es dann schaffst, ist das Erfolgserlebnis umso größer. Schaffst du es nicht, dann nimmst du deine Learnings, gehst zum nächsten Loch und bist um ein Stück erfahrener, um mit einer ähnlichen Situation nun besser umzugehen (wie du das noch zwischen zwei Löchern schaffen kannst, zeige ich dir im Punkt 3).

Umsetzung für Founder:innen:

Lernperspektive einnehmen: Nach jedem Rückschlag bewusst analysieren: „Was lief gut? Was lief schlecht? Was lerne ich daraus?“ (am besten schriftlich, das verstärkt es noch) Fehlerkultur etablieren: Im Team kommunizieren, dass Fehler und Misserfolge ein natürlicher Teil des Wachstumsprozesses sind und Lessons Learned nach jedem Projekt etc. einfordern.

2. Klare Zielsetzung: Der Kompass zum Erfolg

Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann habe ich nie aufgegeben (und schon gar nicht aus Frust oder Enttäuschung), war jedoch stets bereit, mich aufgrund der Erfahrungen anzupassen. Das heißt, entweder habe ich mein Tun angepasst, um das Ziel zu erreichen oder ich habe das Ziel nach einer strukturierten Analyse der Fakten verändert oder verworfen (das ist für mich kein Aufgeben, sondern eine wohl durchdachte und selbstreflektierte neue Entscheidung).

Manchmal öffnen sich Möglichkeiten, die du nie für möglich gehalten hast und die sich erst ergeben, weil du dran geblieben bist. Solange ich an meine Vision glaube und bereit bin, mich, den Weg und die Rahmenbedingungen stets zu hinterfragen, kann mich nichts aufhalten. Das Ziel ist das Ziel, der Weg muss sich dem Ziel anpassen und ich mich auch.

Umsetzung für Founder:innen:

Sei dir klar, was du mit deinem Unternehmen erreicht haben willst: Setze dir nun (Zwischen-)Ziele, die dich dorthin bringen werden, und verfolge sie. Wenn du diese Ziele nicht erreichst, dann passe an (Schritte, Methoden, Zwischenziele). Aber verliere nicht das visionäre Ziel aus den Augen! OKR als Methode hilft da besonders gut!

Miss es oder vergiss es: Damit wir uns den Fortschritt nicht schönreden, was sehr leicht geschieht, müssen wir messen und laufend anpassen. Aber nie das große Ziel aus den Augen verlieren. Was leicht geht: genießen und dann mehr davon. Was schwer geht, noch einmal probieren und dann hinterfragen! Mein Motto dabei: „Face the brutal facts!“

3. Mentale Visualisierung: Erfolg beginnt im Kopf

Dabei gibt es zwei Ausrichtungen:

1. Mentales Vorerleben: Du siehst das Erreichen des Ziels vor Augen. Oder den erfolgreichen Abschluss mit Investor:innen.

Es zahlt sich aus, im Unterbewusstsein das Erfolgserlebnis im Vorhinein auszulösen, um dein Selbstbewusstsein zu stärken und den Fokus auf Erfolg zu lenken. Kein:e Slalomläufer:in der Welt würde den Slalom in Angriff nehmen, ohne vorher den erfolgreichen Lauf visualisiert zu haben. Würde er/sie das nicht machen, wäre ein Ausscheiden wohl das sichere Ergebnis.

Ich stelle mir vor schwierigen Gesprächen immer vor, wie das Gespräch zur Zufriedenheit beider gut endet. Nicht, wie es verläuft, denn das ist egal, Hauptsache es endet gut. Wenn dann das Gespräch oder die Verhandlung eine komische Richtung einnimmt, dann sage ich mir: „Interessant, wie sich das gerade entwickelt. Gut dass ich weiß, wie es ausgeht!“. Mit dieser Technik ist ein Erfolg nicht garantiert, aber die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt enorm.

2. Mentales Umerleben: Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen real und imaginär Erlebtem. Es speichert beides als Erfahrung ab. Das können wir uns zu Nutze machen.

Wenn also etwas schief gelaufen ist, dann setze dich hin und erlebe die Situation so, wie sie optimal hätte verlaufen sollen. Spiele die Situation ideal durch und speichere so einen Erfolg ein, an den sich dein Unterbewusstsein dann in der nächsten ähnlichen Situation erinnern wird.

Umsetzung für Founder:innen:
Vorbereitung durch Visualisierung: Stelle dir vor einem Pitch oder einem schwierigen Gespräch vor, wie du souverän auftrittst und dein Ziel erreichst. Mentales Umerleben durchspielen: Nimm jeden Misserfolg her, analysiere, was schief gelaufen ist und wie du es hättest besser oder ideal machen können und spiele dann die Situation mit der Idealversion durch. Nimm die Erfolgsgefühle dabei war, das steigert noch den Effekt.

4. Selbstdisziplin: Die Kunst der konstanten Umsetzung flexibler Planung

Erfolg ist immer das Ergebnis des Tuns. Du kannst daher den Erfolg nicht machen, sondern nur ermöglichen. Machen kannst du aber deinen täglichen Beitrag. Daher überlege dir, was du jeden Tag ganz konkret tun kannst, um deinen gewünschten Erfolg zu schaffen. Setze dir Zwischenziele, um zu überprüfen, ob du den erwünschten Fortschritt erreichst. Erreichst du den Fortschritt nicht, dann überlege, ob das Ziel richtig gewählt ist und/oder ob das tägliche Tun ausreicht und passe bei Bedarf an.

Jetzt ist es wichtig, den täglichen Zweifel auszuschalten. Einmal in der Woche oder alle zwei Wochen darf angepasst werden. Täglich wird getan und abgehakt. Das funktioniert! Alleine durch das tägliche Abarbeiten des Plans deines eigenen Beitrags entsteht ein Erfolgserlebnis, das dich vorantreibt.

Wie ich mit Hockey im Alter von 21 Jahren begonnen habe und mir zum Ziel gesetzt habe, es in die erste österreichische Liga zu schaffen, war mir klar, dass mir technisch nahezu jeder Hockeyspieler, der von Kindheit an trainiert hat, überlegen sein wird. Was ich aber tun kann, war meine mentale Stärke und meine körperliche Kondition mehr zu entwickeln, als die anderen. Ich hatte einen genauen Plan für beides und nach 10 Jahren hatte ich es geschafft. Um die Zeit war ich sogar den österreichischen Nationalspielern, mit denen ich einmal trainiert habe, konditionell und mental überlegen. Ich habe in dieser Zeit jede Woche nach einem Plan trainiert und diese Pläne laufend nach meinen Fortschritten und Rückschritten angepasst. Heute würde man sagen, ich habe nach OKR trainiert. Das gab es damals aber noch nicht als Begriff.

Umsetzung für Founder:innen:
Routinen etablieren: Plane deinen täglichen Beitrag zum Erfolg und halte dich an diese Struktur. Überlegt anpassen: Passe deinen Plan nur in ruhigen Momenten an, nicht wenn unter der Woche Frust oder Zweifel aufkommen. Alles braucht seine Zeit, sich zu entwickeln und daher ist es wichtig, Pläne in Ruhe und überlegt zu erstellen und anzupassen. Wenn es aber keine messbare Entwicklung gibt, dann ist es auf jeden Fall Zeit, anzupassen.

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