04.09.2020

Morpher: So funktioniert der “Börsenhandel ohne Börse” via Ethereum

Mitte August machte das österreichische FinTech Morpher durch ein Investment von u.a. Tim Draper auf sich aufmerksam. Die Experten von Stadler Völkel Rechtsanwälte betreuen das Startup und erläutern nun, wie Morpher genau funktioniert, was daran neu ist und wo noch rechtliche Herausforderungen liegen.
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Decentralized Finance - Wiener Startup Morpher setzt auf DeFi und holt Tim Draper als Investor
(c) Adobe Stock - Plastic man

In den vergangenen Wochen war einer unserer Mandanten, Morpher Labs, auf den Titelseiten der österreichischen Startup-Presse prominent vertreten. Und das zu Recht: Das in Wien ansässige Unternehmen hat mehr als 2,5 Millionen US-Dollar von dem US-amerikanischen Investor Tim Draper und dem österreichischen Unternehmen Apex Ventures eingesammelt. Das Unternehmen steht nun kurz vor dem Launch seiner Plattform, auf der Benutzer rund um die Uhr quasi Derivate handeln können, ohne Mittelsmänner und ohne Handelsgebühren. Für das Projekt haben sich bereits mehr als 50.000 Personen auf der Warteliste angemeldet.

Morpher ist eines der wenigen Fintech-Startups, das die Blockchain-Technologie einsetzt um wahrlich die bekannten Grenzen von Technologie, Wirtschaft und Recht zu erweitern. Wir betreuen das Projekt seit 2018, freuen uns über den nunmehrigen Start der Plattform und sind stolz darauf, das Unternehmen und seine Gründer bei ihrem Weg in eine neue Ära des Finanzmarkts zu begleiten.

Die Technologie hinter Morpher

Mit der Morpher-Plattform können Benutzer auf die Preisentwicklung verschiedener Basiswerte setzen, von traditionellen börsengehandelten Werten wie Aktien und Rohstoffen bis hin zu alternativen Anlageklassen oder Unternehmenskennzahlen (z.B. Kurs-Gewinn-Verhältnissen) oder Bitcoin-Transaktionskosten.

Benutzer setzen mit “MPH-Token” (ERC20-Token), um “virtuelle Futures” zu erstellen, die die Preisentwicklung eines Basiswerts verfolgen. Wenn ein Benutzer eine Position schließt, dann erstellt oder zerstört ein Smart Contract MPH-Token entsprechend der Preisentwicklung des jeweiligen Basiswerts. Setzt ein Benutzer beispielsweise 100 MPH-Token auf Apple Stock (AAPL), erhält er 110 MPH, wenn der Wert von AAPL um 10% steigt, oder 90 MPH, wenn der Wert um 10% sinkt.

Fortgeschrittene Benutzer mit technischen Kenntnissen können direkt in der Ethereum-Mainchain mit den Smart Contracts der Plattform interagieren. Das Potential der Plattform wird in der von Morpher betriebenen permissioned Sidechain sichtlich, die mithilfe von Plasma Scaling ein verblüffend schnelles und gebührenfreies Trading-Erlebnis ermöglicht. Um auf die Sidechain zugreifen zu können, müssen Benutzer erst eine KYC/AML-Prüfung durchlaufen.

Am 31. August 2020 begann die öffentliche Beta-Phase der Morpher-Plattform, in der registrierte Benutzer kostenlos MPH-Token erhalten und auf der Sidechain testen können. Die Schnittstelle zwischen Sidechain und Mainchain bleibt jedoch vorerst geschlossen; Benutzer können also keine MPH-Token auf die Ethereum-Mainchain übertragen. In naher Zukunft plant Morpher jedoch, die Schnittstelle zu öffnen. Auch sollen MPH-Token auf Uniswap gelistet werden, um die Entwicklung eines Marktpreises für MPH-Token zu erleichtern.

Morpher als wirtschaftliches Experiment

Ein wesentlicher Aspekt der Plattform ist die völlige Loslösung von der Notwendigkeit einer Gegenpartei. Ein traditionelles Finanzinstrument ist in seiner grundlegendsten Form lediglich ein Vertrag zwischen zwei Parteien, bei dem jede Partei sich dazu bereit erklärt, eine bestimmte Zahlung zu leisten oder eine bestimmte Ware zu liefern, entsprechend den jeweils vereinbarten Bedingungen. Der Gewinn einer Partei ist dabei der Verlust der anderen.

Bei Morpher existiert hingegen keine Gegenpartei. Benutzer interagieren ausschließlich mit Smart Contracts, die MPH-Token auf der Grundlage festgelegter Regeln erzeugen (minten) oder vernichten (burnen). Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, Risiken zu hedgen, die andernfalls keine Gegenpartei akzeptieren würde. An die Wertstabilität von MPH-Token könnten sich dadurch jedoch auch Herausforderungen stellen, da sich die Gesamtmenge an MPH-Tokens aufgrund des Erfolgs oder Misserfolgs ihrer Benutzer ständig verändert. Dies wirft wahrlich faszinierende spieltheoretische Fragen auf. Ob ein Gleichgewicht in der Erzeugung und Vernichtung von MPH-Token erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.

Der Community-Aspekt der Morpher-Plattform könnte ebenfalls zu interessanten Phänomenen führen, die auf den traditionellen Finanzmärkten nicht zu beobachten sind. Während Gewinne und Verluste einzelner Handelsteilnehmer an den traditionellen Märkten hauptsächlich zu Vermögensübertragungen zwischen Marktteilnehmern führen, wirkt sich der Erfolg oder Misserfolg einzelner Benutzer bei Morpher auf das Gesamtangebot an MPH-Token und damit potentiell auf den Wert der MPH-Token selbst aus. Wir sind gespannt, ob sich aus einer Vielzahl an Eigeninteressen der Benutzer letztlich ein kollektiver Wertzuwachs ergeben kann.

Die rechtlichen Herausforderungen bei Morpher

Aus rechtlicher Sicht testet die Plattform die Grenzen der europäischen und österreichischen Finanzmarktregulierung. Betrachtet man nur ihre Funktion, ähneln virtuelle Futures Derivatkontrakten, insbesondere Differenzgeschäften. Diese sind in Europa stark reguliert und in den USA sogar verboten. In Österreich unterliegen CFDs der FMA-Produktinterventionsverordnung, die Margin-Anforderungen für an Privatanleger verkaufte CFDs sowie Margin-Glattstellung und Schutz vor negativen Salden vorschreibt. Darüber hinaus ist die MiFID II anwendbar.

Ob die europäischen Aufsichtsbehörden diese Anforderungen auf die Morpher-Plattform anwenden, ist eine offene Frage. Wie so oft auf dem Gebiet der Blockchain-Technologie gibt es keine auf diese Fälle zugeschnittenen Gesetze oder Rechtsprechung, die direkt anwendbar wäre. Darüber hinaus gibt es noch keine einschlägigen Leitlinien auf EU-Ebene. Man kann mit Recht sagen, dass die Plattform auf unbekanntes Rechtsgebiet vordringt.

In solchen Situationen empfiehlt es sich, zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen zurückkehren, um sich eine Meinung zu bilden. Virtuelle Futures unterscheiden sich grundlegend von CFDs. Im Grunde handelt es sich bei CFDs um rechtliche Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Parteien, die als Nullsummenspiele ausgestaltet sind. Der auf der einen Seite des Vertrags gewonnene Betrag entspricht dem verlorenen Betrag auf der anderen Seite. Bei virtuellen Futures besteht jedoch keine vertragliche Vereinbarung. Benutzer interagieren mit selbst ausführenden Smart Contracts auf der Ethereum-Blockchain, also letztlich Computerprogrammen. Morpher kann in die von Benutzern erstellten virtuellen Futures nicht eingreifen. Selbst wenn Morpher nicht mehr existieren würde, würden die Smart Contracts weiterhin in der Ethereum Mainchain zur Verfügung stehen und auf Zugriffe von Benutzern warten. Und im Gegensatz zu CFDs wird auch kein Wert von einer Partei auf eine andere übertragen. Stattdessen werden Werte in Form von MPH-Token durch die Smart Contracts selbst geschaffen oder zerstört.

Natürlich könnten Aufsichtsbehörden die rechtliche Einordnung anders sehen und möglicherweise sogar versuchen, die Plattform zu verbieten (was dem Versuch gleichkäme, die Ethereum-Blockchain selbst zu verbieten), Bußgelder verhängen oder Invstorwarnungen veröffentlichen. Ohne die Anleitung des Gesetzgebers oder der Gerichte können Regulierungsbehörden das Gesetz quasi selbst gestalten. Diese Risiken sind wohl den meisten Blockchain-Unternehmen bekannt. Selbstverständlich können alle Maßnahmen letztendlich vor den Gerichten geklärt werden.

Mit Morpher die Zukunft erbauen

Das Morpher-Projekt ist ein großartiges Experiment an der Schnittstelle von Technologie, Wirtschaft und Recht. Aus unserer Sicht zeigt Morpher bereits heute die Zukunft des ‘decentralized finance’, nicht nur aus technologischer sondern auch aus rechtlicher Sicht. Wir konnten die Personen hinter dem Projekt in den letzten Jahren kennenlernen und sind zuversichtlich, dass Morpher langfristig erfolgreich sein wird. Wir freuen uns auf den vollständigen Start der Plattform und werden das Unternehmen auch in Zukunft unterstützen. Wir hoffen, dass Morpher ein neues Vorzeigeprojekt für den Wirtschaftsstandort Österreich werden kann.

Über die Autoren: Stadler Völkel Rechtsanwälte

Die in Wien ansässige Kanzlei Stadler Völkel ist unter anderem auf das Kapitalmarktrecht sowie auf virtuelle Währungen und digitale Assets spezialisiert. Die Kanzlei berät renommierte österreichische und internationale Startups, Unternehmen und Banken regelmäßig in rechtlichen Fragen der Blockchain-Technologie.

Stadler Völkel engagiert sich aktiv für die Akzeptanz der Technologie. Die Anwaltskanzlei veröffentlicht regelmäßig Mitschnitte von Veranstaltungen, die Einblicke in die Blockchain-Technologie aus verschiedenen rechtlichen Perspektiven bieten. Stadler Völkel organisiert Lehrveranstaltungen an der Universität Wien und war Mitwirkender an der Blockchain Roadmap Austria. Die Anwaltskanzlei ist ein Pionier auf dem österreichischen Markt im Bereich Kapitalmärkte und Krypto-Recht.

Das Beraterteam besteht aus Dr. Oliver Völkel, LL.M. (CLS), Gründungspartner von Stadler Völkel, spezialisiert auf das Bank-, Finanz-, und Kapitalmarktrecht sowie das Recht der digitalen Assets, und Bryan Hollmann, Esq., LL.M., Counsel bei Stadler Völkel mit Expertise im Kapitalmarktrecht und US-amerikanischem Wertpapierrecht (zugelassen in New York).

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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

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Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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AI Summaries

Morpher: So funktioniert der “Börsenhandel ohne Börse” via Ethereum

  • Das in Wien ansässige Unternehmen hat mehr als 2,5 Millionen US-Dollar von dem US-amerikanischen Investor Tim Draper und dem österreichischen Unternehmen Apex Ventures eingesammelt.
  • Das Unternehmen steht nun kurz vor dem Launch seiner Plattform, auf der Benutzer rund um die Uhr quasi Derivate handeln können, ohne Mittelsmänner und ohne Handelsgebühren.
  • Benutzer setzen mit “MPH-Token”, um “virtuelle Futures” zu erstellen, die die Preisentwicklung eines Basiswerts verfolgen.
  • Am 31. August 2020 begann die öffentliche Beta-Phase der Morpher-Plattform, in der registrierte Benutzer kostenlos MPH-Token erhalten und auf der Sidechain testen können.
  • Aus rechtlicher Sicht testet die Plattform die Grenzen der europäischen und österreichischen Finanzmarktregulierung.

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