17.01.2019

Flugauto auf Knopfdruck? Die Mobility-Highlights auf der CES 2019

Die Consumer Electronic Show CES in Las Vegas ist eine Messe der Superlative - und inzwischen eine der fünf größten Automotive-Messen weltweit. Georg Fürlinger, Technologiebeaufragter der Außenwirtschaft Austria, berichtet in diesem Gastbeitrag von den spannendsten Entwicklungen der Mobilitätsbranche.
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Bell Nexus
(c) Georg Fürlinger.

In Las Vegas wird das Jahr wieder durch die Consumer Electronic Show (CES) 2019 eingeläutet. Gemessen an der der Besucherzahl, über 180.000 und davon ca. ein Drittel von außerhalb der USA, ist sie die größte Veranstaltung in der Unterhaltungsmetropole und eine der größten Business- und Technologiemessen der Welt. Doch nicht nur das: Die mehr als 1000 Startups aus 50 Ländern, die nach Region bzw. Technologiebereichen aufgeteilt im Eureka Park ausstellen, machen die CES außerdem zum größten Startup Event der Welt.

CES: eine der fünf größten Automotive-Messen weltweit

Über die Jahre hat sich die CES auch immer mehr im Bereich Automotive und Mobilität einen Namen gemacht. Mit 170 Ausstellern in diesen Bereichen und einer Ausstellungsfläche von umgerechnet vier Football Feldern ist die CES eine der fünf größten Automotive-Messen der Welt. Immer mehr Automobilhersteller suchen strategische Partnerschaften mit Technologie-Firmen, um gemeinsam neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Doch auch die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Technologie-Anbietern, sowie mit anderen Vertretern im Innovations-Ökosystem, wie Versicherungen und Finanzinstitutionen, intensiviert sich. Kooperation ist das Stichwort, wenn es um die Entwicklung neuer Plattformen und Standards geht, zum Beispiel bei der Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation. Differenzieren und Konkurrieren werden die Firmen jedoch weiterhin vor allem auf der Produkt,- und Feature-Ebene.

Das Abo als neuer Zugang zum Auto

Ein großer Trend bewegt sich hin zu neuen Arten von Mobilitätsservices, weg vom eigenen privaten Auto. Die jüngere Generation hat oft mehr Interesse an Mobilitätsdienstleistern und sieht Eigenbesitz oft als zu teuer an. Das Auto-Abonnement ist eine Dienstleistung, bei der ein Kunde eine wiederkehrende Gebühr für das Recht zur Nutzung eines oder mehrerer Fahrzeuge entrichtet. Einige Fahrzeug-Abonnements bieten Versicherung und Wartung als Teil der Abonnementgebühr, während bei anderen Services der Abonnent während des Abo-Zeitraums zwischen verschiedenen Fahrzeugen wechseln kann. Das Auto-Abo, so einige Experten am Panel, sehen sie als neue Alternative zum Eigentum oder Leasing eines Fahrzeugs. Neben Ride-Hailing Services wie Uber oder Lyft, sind Car-Sharing Services bereits jetzt eine vielversprechende Alternative zum eigenen privaten Auto.

Autonomes Fahren: Sicherheit und Akzeptanz gefragt

Die Entwicklung im Bereich des autonomen Fahrens geht weiter konstant voran. Während jedoch in den letzten Jahren die involvierten Firmen sich noch mit neuen Schlagzeilen über technologische Durchbrüchen übertrumpfen wollten, sieht man nun mehr eine “wir kommen damit auf den Markt, wenn die Technologie reif ist”-Einstellung. Experten am Panel meinten, dass die autonomen Systeme 100 bis 1000 Mal besser sein müssen als Menschen, da die Gesellschaft es nicht akzeptieren würde, dass Maschinen Menschen in Gefahr bringen. Um die Akzeptanz autonomer System zu erhöhen, haben führende Technologiefirmen und Organisationen die PAVE Organisation (The Partners for Automated Vehicle Education) gegründet, die sich auf Information und Bildung im Bereich autonomer Fahrzeuge fokussieren wird.

Mit dem selbstfahrenden Auto durch Las Vegas

Aptiv ist ein globales, börsennotiertes Technologieunternehmen, das sichere, umweltfreundlichere und vernetzte Lösungen für die Zukunft der Mobilität entwickelt. Durch die Kooperation der Car-Sharing Firma Lyft mit BMW und Aptiv kann man nun in Las Vegas über die Lyft-App mit einem der 30 autonom-fahrenden Autos in der Stadt unterwegs sein. Bei der Fahrt selbst sitzt die ganze Zeit ein Sicherheitsfahrer hinter dem Steuer, mit seinen Händen unterhalb des Lenkrades, um in gefährlichen Situationen eingreifen zu können. Während der halben Stunde Fahrt, die ich mit dem autonomen Fahrzeug durch die Straßen von Las Vegas unternommen habe, musste der Sicherheitsfahrer jedoch kein einziges Mal eingreifen, weder beim Spurwechsel auf einer stark befahrenen Straße, noch beim Abbiegen mit Fußgängern auf dem Fußgängerübergang.

Aptiv
(c) Georg Fürlinger.

Auch der Fahrstil im autonomen Fahrmodus war überraschend angenehm, ohne stop-and-go-Bewegungen, die man von einem Autopiloten eventuell erwarten könnte. Mit zehn Radars, neun Lidars und zwei visuellen Kameras, die allesamt gekonnt in das Auto integriert wurden und nicht extern angebracht sind, ist das Auto in allen Richtungen mit Sensoren ausgestattet. So werden die Daten von der Umgebung an das Fahrsystem geliefert, um sicher durch die Stadt zu navigieren. Weiter erleichtert wird die Navigation durch die DSRC (dedicated short-range communication) Sensoren in den Ampelanlagen, die bei der Las Vegas Smart City Initiative installiert wurden. Die DSRC System kommunizieren die Abfolge der Ampelschaltungen direkt an das Fahrzeug und ermöglichen, vorauszuplanen und die Geschwindigkeit in Echtzeit an den Verkehr und die Ampelschaltungen anzupassen.

Bosch IoT Shuttle

Bosch ist ein weltweiter Anbieter für Technologien und Services in den Bereichen wie Smart Homes, Smart Cities, vernetzte Mobilität und der Industrie. Bei der CES präsentierten sie zum ersten Mal ihre neueste Innovation im Bereich Internet der Dinge (Internet of Things , IoT), das Bosch IoT Shuttle. Ab 2020 sollen solche Fahrzeuge in Metropolen unterwegs sein.  Dabei werden nicht nur die Sensoren und elektronischen Komponenten von Bosch hergestellt, sondern das komplette, autonome Fahrzeug. Dadurch versucht der Konzern eine führende Rolle im Bereich des autonomen Fahrens einzunehmen. Das Fahrzeug soll als elektrischer, fahrerloser Shuttle benutzt werden, der mit der Außenwelt und anderen Fahrzeugen über WiFi verbunden ist. Zugang wird man über das Smartphone haben.

Bosch IoT Shuttle
(c) Georg Fürlinger.

Mercedes vielfältiges Urbanetic Konzept

Mercedes hat einen innovativen Ansatz gewählt, um einen bedarfsgerechten, nachhaltigen und effizienten Transport von Personen und Gütern zu gewährleisten. Das visionäre Urbanetic-Konzept basiert auf einem selbstfahrenden, elektrisch angetriebenen Fahrzeug, das je nach Verwendungszweck austauschbare Elemente hat. Damit soll auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Städten, Unternehmen aus verschiedenen Bereichen, sowie von Stadtbewohnern und Reisenden eingegangen werden können. Wenn der Fokus auf einem Car-Sharing Konzept liegt, können bis zu 12 Personen bei dem 5 Meter langen Auto mitfahren. Möchte man Waren transportieren, hat man mit einem anderen Aufbau eine große Ladefläche zur Verfügung. Durch eine spezielle IT Infrastruktur empfängt der Urbanetic in Echtzeit Verkehrsmeldungen und kann sofort andere Routen wählen, wenn sich das Modell autonom fortbewegt.

Mercedes Urbanetic
(c) Georg Fürlinger.

Bell Nexus: Flugauto auf Knopfdruck?

Bell ist ein bekannter US-Hersteller von Hubschraubern für den kommerziellen und militärischen Bereich. Durch den Bell Nexus stellt die Firma ihre neue Vision des Fliegens vor. Der Nexus kann vertikal starten und erreicht mit sechs schwenkbaren, Rotoren eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h und eine Reichweite von 240 Kilometern. Derzeit wird der Nexus noch durch einen Hybrid Motor angetrieben, langfristig soll er aber rein elektrisch fliegen können. Das Fluggerät wiegt ca. 2700 Kilogramm und bietet Platz für bis zu 5 Personen. Zusammen mit dem Ride-Sharing Anbieter Uber sollen die ersten Flüge bereits 2020 in drei ausgewählten Städten stattfinden. Ab 2023 wird dann der kommerzielle Betrieb aufgenommen, angeblich in Dallas und Los Angeles.

Weitere Eindrücke von der CES 2019 und ausgewählte Interviews

Consumer Electronic Show CES 2019 in Las Vegas

Fliegende Taxis, Tischtennis-Roboter, und smarte T-Shirts aus Österreich! Unser Team in Los Angeles & San Francisco war für euch unterwegs, um einen Blick in die Zukunft der Unterhaltungsindustrie zu werfen und neue Trends im Bereich der Mobilität zu scouten!

Gepostet von AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA am Donnerstag, 17. Januar 2019

Über Georg Fürlinger

Georg Fürlinger.

Georg Fürlinger ist Technologiebeaufragter bei der Außenwirtschaft Austria, die Internationalisierungs- und Innovationsagentur der österreichischen Wirtschaft, sowie Co-Director des Open Austria Büros in San Francisco. Er unterstützt österreichische Startups und etablierte Unternehmen bei ihrer US-Markteintrittsstrategie sowie beim Technologie-, Partner- und Investoren-Scouting. Zuvor forschte er am Austrian Institute of Technology im Bereich Innovations Ökosysteme und arbeitet mit dem Startup Accelerator StartX der Stanford Universität. Georg ist Ko-Autor des Buches „Abseits von Silicon Valley“.

 

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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