21.07.2017

AgTech: “Mein Traktor Lenkt Sich Seit Heuer Selbst”

Die Sorge um die eigenen Daten und eine gewisse Scheu vor hochtechnologischen Maschinen – in der österreichischen Landwirtschaft steht man der Digitalisierung eher kritisch gegenüber.
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(c) Foto: Fotolia

Die frühen Abendstunden sind im nördlichen Weinviertel der perfekte Zeitpunkt, um die Saat zu säen. „Der Wind setzt aus und die Bedingungen sind ideal“, sagt Johannes Hiller-Jordan, der in Kattau einen Betrieb mit 39 Feldern leitet. Wäre nur nicht die schlechte Sicht. Ein normaler Traktor ließe sich nicht mehr präzise genug über das Feld steuern. Zumindest, wenn ein Mensch am Lenkrad sitzt. „Mein Traktor lenkt seit heuer selbst“, erklärt Hiller-Jordan. Ein Präzisions-GPS und ein Computersystem zum Nachrüsten sorgen dafür, dass Traktoren auf zwei Zentimeter genau ihre Bahnen fahren. Einsteigen muss Hiller-Jordan trotzdem. Aus rechtlichen Gründen, zum Wenden am Ende des Ackers und ganz einfach, weil es noch immer genug zu tun gibt. Der junge Landwirt kann sich nun voll auf die Kontrolle der Pflanzen und die Steuerung des Geräts konzentrieren.

Keine Experimente

Die Digitalisierung ist in der Landwirtschaft angekommen, noch sind die meisten Bauern aber vorsichtig. Knapp 40 Prozent der vom deutschen IT-Dachverband Bitkom 2016 in Deutschland befragten Landwirte haben Hightech-Landmaschinen wie Hiller-Jordan im Einsatz. Bei neueren Technologien wird die Luft bereits dünner: Auf Robotik setzen acht Prozent der Befragten, Drohnen haben nur vier Prozent im Einsatz. Bei Software ist die Situation ähnlich. „Intelligente Software“, gemeint ist etwa ein lernfähiges Steuersystem für Landmaschinen, verwendet nur ein knappes Fünftelund Farmmanagement-Plattformen sind nur bei zwölf Prozent der Befragten im Einsatz. „Landwirte kämpfen mit kleinen Margen und können es sich oft nicht leisten, viel herumzuexperimentieren“, meint David Saad, der für das Programm des Ag Tech-Accelerators des Raiffeisen Agro Innovation Labs verantwortlich ist. Will ein Startup eine neue Sprühtechnik für Düngemittel testen, müsse das auf einer großen Fläche passieren. Für Landwirte bedeutet das ein großes Risiko.

Angst um Daten

Landwirte plagt aber noch eine andere Sorge: die um ihre Daten. Viele fürchten, die Daten ihrer Betriebe an große Unternehmen zu verlieren und vielleicht sogar teuer zurückkaufen zu müssen. Nach Großbritannien ist diese Sorge in Deutschland am größten, wie eine Erhebung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft 2016 ergab. Ein Drittel der deutschen Bauern hat Angst um seine Daten. Startups müssen mit diesem Thema also besonders sensibel umgehen. Das weiß auch Andreas Prankl, der mit seinen Brüdern Johann und Peter und Franz Heinzlmaier das Startup Farmdoc gegründet hat. „Uns war von Anfang an klar, dass die Daten, die unser System sammelt, einen riesigen Wert haben.“ Er sieht vor allem diePolitik in der Pflicht. „Ich will ja auch nicht, dass sich meine Daten selbstständig machen“, sagt Prankl. Er sieht aber auch eine große Bereitschaft, Daten zur Verfügung zu stellen, wenn daraus auch ein Nutzen erwächst. „Landwirte vergleichen sich gerne“, glaubt Prankl, „früher am Stammtisch im Wirtshaus und heute eben im Internet.“ Auch Hiller-Jordan sieht das Thema eher entspannt: „Meine Ackerschlagdaten liegen auf einem Server in Österreich. Aber ich glaube, dass man auch vor den US-Konzernen nicht zu viel Angst haben sollte. Man bekommt ja auch gute Services dafür.“ Die Prankl-Brüder kommen selbst aus der Landwirtschaft, ihre Geschäftsidee ist aus dem eigenen Bedarf entstanden: eine App, die die Dokumentation übernimmt.

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Problemfeld Regionalisierung

Für Behörden, Partner und auch für die eigene Planung muss jeder Handgriff am Ackernachvollziehbar sein: Wann wurde wo wie viel Düngemittel ausgebracht, welche Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen und welches Saatgut verwendet? „Früher hat man sich am Abend noch hinsetzen müssen und die gesamte Dokumentation erledigt“, sagt Andreas Prankl. Farmdoc nutzt den GPS-Sensor des Smartphones, um die Daten direkt am Feld aufzuzeichnen. Die Digitalisierung dieser Ackerschlagkartei ist ein großes und heiß umkämpftes Gebiet. „Aufgrund der Aufzeichnungspflichten sind diese Apps leider immer sehr länderspezifisch“, erklärt Hiller-Jordan. „Mir würde 365FarmNet aus Deutschland gut gefallen, leider kann man es in Österreich nicht verwenden.“ Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Pflanzenschutz und Düngemittel sind je nach Region sehr unterschiedlich, aber auch natürliche Gegebenheiten und die Agrarstruktur. Farmdoc hat daher ein Konzept mit einem überregionalen Basismodul entwickelt, das leicht lokalen Gegebenheiten angepasst werden kann. „Zum Beispiel wird in Deutschland die Anbau- und Düngeplanung anders berechnet als in Österreich. Das können wir relativ schnell anpassen“, erklärt Prankl.

Bei dem Startup steht heuer die Internationalisierung an, nach Europa sollen  in zwei Jahren auch die USA und Kanada erobert werden, so der Plan. Damit stehen die vier Gründer vor einer großen Herausforderung. Prankl: „In Kanada hat der durchschnittliche Betrieb 300 Hektar – zum Vergleich: In Österreich sind es 18 bis 19 Hektar.“ In den USA stehe man zudem einer vergleichsweise wenig technikaffinen Zielgruppe gegenüber. Über GPS denken dort noch kaum Landwirte nach – das Wichtigste am Traktor seien ein Radio und eine gute Sitzfederung.

Investoren zurückhaltend

Diese starken regionalen Unterschiede machen eine Internationalisierung kompliziert und teuer. Leider ist es für Agrar-Startups oft zusätzlich schwierig, Investoren zu finden. „Das Problem beim Proof of Concept im Agrarbereich ist, speziell in der Bewässerung und Pflanzenzucht, dass man immer auf die Vegetationsperioden angewiesen ist“, erklärt David Saad vom Raiffeisen Agro Innovation Lab. Sprich, es dauert einfach wesentlich länger, um zu zeigen, dass eine Idee aufgeht. Da ist es ein Vorteil, wenn man auf Daten vergangener Entwicklungsjahre aufbauen kann. Bei Farmdoc ist genau das der Fall. „Man muss eben etwas vorausschauender planen, damit man die Entwicklungsumfänge zur rechten Zeit fertig hat“, erklärt Prankl. Im schlimmsten Fall verliere man aber eine ganze Saison. Vor allem, wenn es um die Ernte geht: „Die gibt es in unseren Breiten üblicherweise nur einmal im  .“ Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist es dem Farmdoc-Team heuer gelungen, einen Investor an Land zu ziehen. Im Frühjahr ist der VC-Fonds TecNet Equity gemeinsam mit dem Manager Walter Riess als Business Angel bei dem Startup eingestiegen. Der Betrag im niedrigen sechsstelligen Bereich ist für den 50-Millionen- Euro-Fonds ein ungewöhnlich kleines Investment. Es solle aber nicht dabei bleiben, hieß es nach der Bekanntgabe.

Der Bedarf an Investoren, aber auch anderer Unterstützung ist im wachsenden Ag Tech-Bereich jedenfalls groß. Das Agro Innovation Lab hatte im vergangenen Jahr für den ersten Durchlauf des Accelerator- Programms 160 Bewerbungen. Saad erklärt sich den Trend auch damit, dass die Generation Startup auch sehr affin für Themen wie Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Wirtschaften sei. Das Innovation Lab sucht Startups aus allen landwirtschaftlichen Bereichen – von Landtechnik und Bewässerung bis hin zu Urban Farming und Forstwirtschaft. „Wir sind bewusst offen, weil Startups oft noch gar nicht wissen, für welchen Bereich ihre Technologie hilfreich ist“, meint Saad. International lassen sich aber klare Trends ausmachen. Einen klaren Schwerpunkt sieht Saad derzeit bei Smart Farming, zu dem neben klassischen Farm-Management- Systemen auch neue Konzepte für Precision Farming zählen. Aber auch Urban Farming und Bewässerung seien gerade ein großes Thema. David Saad: „Wasser ist eine knappe Ressource und auch landwirtschaftlich nutzbare Flächen werden durch das Städtewachstum knapper.“

Ag Tech-Zentrum Wieselburg

Nur 19 Bewerbungen für das Accelerator-Programm kamen 2016 aus Österreich. Die Szene ist nicht groß und – wie im Startup-Bereich generell – man kennt sich relativ rasch in Österreich, bestätigt auch Prankl. Als Firmenstandort hat sich Farmdoc nicht für Wien, sondern für Wieselburg in Niederösterreich entschieden – teilweise bedingt durch die Nähe zum elterlichen Betrieb. Die Stadt im Mostviertel hat aber auch Potenzial, zum Ag Tech-Zentrum Österreichs zu werden. Dort ist die Bundesanstalt für Landtechnik beheimatet, die mit dem Josephinum Research auch einen Fokus auf technische Innovationen hat. „Vielleicht entwickelt sich Wieselburg ja zum Silicon Valley der österreichischen Agrar-Startups“, so Prankl. Mit einem Nachteil, der die gesamte heimische Startup-Szene plagt: Gute Entwickler sind Mangelware und das gilt für Wieselburg leider noch mehr als für Wien. Auch deshalb hat Farmdoc in der Hauptstadt ein kleines Entwicklerbüro eröffnet.

Der Ag Tech-Bereich startet in Europa gerade erst. Wie groß das Potenzial für Startups ist, merkt man aber im Alltag am Feld. Das Aufrüsten eines Traktors zum Selbstlenker ist nach wie vor eine komplizierte Sache, erzählt Hiller-Jordan: „Es braucht schon eine gewisse Leidenschaft für Technik, damit man sich das antut.“

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vlnr.: Verena Handler-Kunze. Peter Buchroithner, David Pflügl und Thomas Schranz | (c) Waffle
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Viele haben es versucht und nur die Allerwenigsten haben es geschafft: Ein neues soziales Medium zu etablieren ist wohl so etwas wie die Königsklasse im Startup-Bereich. Und das, obwohl das Lamento über die Riesen am Markt allgegenwärtig ist. Auch Peter Buchroithner, Thomas Schranz, David Pflügl und Verena Handler-Kunze sind mit dem bestehenden Angebot nicht zufrieden. Mit Rakun, das eine App für neurodivergente Menschen betreibt, haben die vier erst dieses Jahr ein neues Startup gegründet, wie brutkasten berichtete. Nun kommt mit Waffle ein weiteres dazu.

Waffle: “Back to the roots der sozialen Medien”

“Bei Waffle geht es sozusagen back to the roots der sozialen Medien. In den letzten Jahren habe ich das Gefühl, dass die Verbindung zu den Menschen, mit denen ich eigentlich Kontakt haben will, bei den gängigen Social-Media-Plattformen verloren gegangen ist. Facebook ist voller Werbung und Memes, auf Instagram sieht man Gelegentlich eine Hochzeit, aber es ist dominiert von Influencern, die dir etwas verkaufen wollen, und auf TikTok sind Leute, die tanzen und dich unterhalten”, sagt Peter Buchroithner im Gespräch mit brutkasten.

Auch auf Messaging-Apps wie WhatsApp und Telegram sei man zusehends mit Werbung konfrontiert und private und berufliche Kontakte würden sich mischen. “Jeder, der irgendwann einmal deine Nummer gehabt hat, kann dir einfach schreiben”, sagt Buchroithner. Das Team habe aber einen Ort schaffen wollen, wo man wirklich nur mit seinen besten Freund:innen kommuniziert.

Kein “Geschwafel” bei Waffle

Beziehungsweise “von ihnen hört”. Denn Waffle setzt auf Voice-Messages. “Man hat nicht immer Zeit, mit seinen Freunden zu telefonieren, aber es ist schön und man fühlt sich mehr verbunden, wenn man ihre Stimme hört. So sind wir auf das Thema Voicenotes gekommen”, sagt Buchroithner. Nicht nur im Namen setzt das Startup beim Social-Media-Trend “Wednesday Waffle” an, bei dem User:innen einer ausgewählten Gruppe an Leuten einmal in der Woche ein Update über sich geben.

(c) Waffle

Wer bei der Kombination aus “Social” und “Audio” also an die ebenso schnell aufgestiegene wie untergegangene “Social-Audio-App” Clubhouse gedacht hat, kann beruhigt sein – das Konzept ist ein völlig anderes. Bei Waffle sind die Voice-Messages auf eine Minute beschränkt und User:innen sind dazu aufgefordert, dazu jeweils ein Bild hochzuladen. Maximal drei dieser Nachrichten können pro Tag gesendet werden, um “Geschwafel” zu verhindern, wie man es aus überlangen WhatsApp-Voice-Messages kennt. Und nach 24 Stunden verschwinden diese wieder von selbst.

Ungefilterte Kommunikation mit Filtern

Doch das ist nicht die einzige bewusste Einschränkung. Wer sich bei der App, die aktuell nur für iOS verfügbar ist, registriert, kann genau acht Kontakte auswählen, um seine Messages mit diesen zu teilen. Weil man auch von anderen Menschen ausgewählt werden kann, kann man dennoch in mehreren solchen Neun-Personen-Kreisen sein. “Es geht darum, nur den Leuten Updates zu geben, denen man wirklich alles erzählen kann. Es geht um ungefilterte Kommunikation”, so Peter Buchroithner.

(c) Waffle

Wobei: Filter sind bei Waffle durchaus geplant, erzählt der Gründer. “So, wie man bei Snapchat Filter über Fotos und Videos legen kann, wird man das bei uns mit dem Ton machen können – also etwa mit Darth-Vader-Stimme sprechen.” Generell wolle man im Thema Voice noch “sehr, sehr vieles dazubauen”.

“Ich denke, das Produkt hat das Potenzial, dass es von 100 Millionen Menschen verwendet wird”

Neben der Produktentwicklung geht es in den kommenden Monaten aber natürlich vor allem auch darum, viele User:innen in die App zu bekommen. Eine Android-Version soll daher bald folgen und die Plattform Product Hunt soll für Aufmerksamkeit sorgen. Firmenseitig befindet sich Waffle gerade als GmbH in Wien in Gründung. “Und wir planen auch eine Investment-Runde”, verrät Buchroithner.

In Sachen Monetarisierung werde man, wie andere soziale Medien, auf Werbung setzen. “Das ist in diesem Fall natürlich ein sehr sensibles Thema. Die Leute werden bei Waffle wohl nicht so tolerant sein wie etwa auf Facebook. Wir werden also mit ausgewählten Marken über eine Zusammenarbeit sprechen”, räumt der Gründer ein. Das sei aber “aktuell nicht wirklich hoch in der Priorität”. Denn zuerst gelte es, viele User:innen zu bekommen. “Ich denke, das Produkt hat das Potenzial, dass es von 100 Millionen Menschen verwendet wird. Und wenn man sowas schafft, dann ist die Monetarisierung nie ein Problem.”

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