21.11.2023

Maderthaner: “Führung ist das Thema unserer Zeit”

Der Unternehmer, Berater und Investor Philipp Maderthaner hat ein neues Buch zum Thema Leadership herausgebracht. Im brutkasten-Talk spricht er über Leadership-Mythen, die wichtigsten Anforderungen an Führungskräfte und erläutert, warum es "keine fancy Führungskonzepte" braucht.
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Der Videotalk mit Philipp Maderthaner ist am Ende dieses Beitrags zu finden.


“Führung ist das Thema unserer Zeit”, sagt Philipp Maderthaner. Deshalb hat er darüber ein Buch geschrieben, das seit Anfang der Woche erhältlich ist. “Führen oder geführt werden. Wie wir Teams zum Erfolg navigieren” soll aber nur der erste Band einer Buchreihe namens “Business Gladiators Mindset” sein.

“Es ist tatsächlich der Auftakt hoffentlich zu etwas Großem”, sagt Maderthaner im brutkasten-Talk. Er sieht die Buchreihe als “nächsten logischen Schritt” nach seinem Podcast “Business Gladiators Unplugged”.

Maderthaner kommt ursprünglich aus der Politik, leitete mehrere Kampagnen für Sebastian Kurz (ÖVP) – manche Medien nannten ihn “Kanzlermacher“. Mit der Politik hat er jedoch schon seit mehreren Jahren abgeschlossen. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er bekannt als Investor in der TV-Sendung “2 Minuten 2 Millionen”. Maderthaner hat mehrere Unternehmen gegründet, darunter das “Campaigning Bureau”, dessen Geschäftsführung er schon länger an Stefanie Winkler-Schloffer abgegeben hat.

“Business-Lektüre neu definieren”

Nun startet er also mit einer Buchreihe. Sein Anspruch: “Ich wollte Business-Lektüre neu definieren”, wie er im brutkasten-Interview erläutert. Aus diesem Grund ist “Führen oder geführt werden” mit gut 90 Seiten bewusst kurz gehalten. Das Buch sei kein “dicker Management-Wälzer, den zwar alle kaufen, aber niemand liest”.

Maderthaner sieht das Buch vielmehr Ergänzung zu seinem Podcast: In beiden Formaten gehe es darum, “anhand von Geschichten und persönlichen Erfahrungen Themen aufzuarbeiten – kurz und knackig, aber trotzdem sehr methodisch und modellorientiert.”

Umgesetzt wird das Projekt mit story.one, einer Plattform des Wiener Startups Storylution, über die User:innen Bücher veröffentlichen und bei der im vergangenen Sommer Thalia als Investor eingestiegen ist (brutkasten berichtete). “Ich finde die Idee von story.one genial. Die sind angetreten, um das Thema Buch neu zu erfinden und auch, um das Thema Verlag neu zu definieren und ehrlicherweise zu disrupten. Die Agilität, die Schnelligkeit, in der die das Thema Buch denken, ist, was mich als Unternehmer extrem entspricht”, sagt Maderthaner.

Kein Zusammenhang zwischen Fach- und Führungskompetenz

Dass es beim Thema Leadership Aufklärungsbedarf gibt, liegt für Maderthaner auf der Hand: “Es gibt eine sehr aktuelle Studie, die sagt, dass acht von zehn Führungskräften völlig unvorbereitet in ihre Aufgabe kommen. Das heißt: Sie haben keine Ahnung von Führung, wenn sie das erste Mal in Führungsverantwortung kommen.” Der Grund: Die Person ist aufgrund anderer Qualitäten befördert worden – und zwar wegen ihrer Fachkompetenz.

Allerdings gebe es keinen Zusammenhang zwischen Fach- und Führungskompetenz: “Ich glaube, es ist ehrlicherweise sogar umgekehrt”, sagt Maderthaner. Er verweist dazu auf seine eigene Erfahrung mit seinen fünf Unternehmen: Fachlich sei er von seiner Softwarefirma am weitesten entfernt. “Ich glaube aber, dass ich dort wahrscheinlich der beste Chef bin, weil ich keiner meiner Firmen so viel Fragen stelle wie dort. Ich gehe mit wenig vorgefassten Meinungen rein. Das heißt, ich schätze die Expertise meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter”, erläutert Maderthaner.

Die Folge: Er überträgt Verantwortung. “Weil ich es nicht anders kann”, führt er weiter aus. “Und die nächste Übung ist, das auch in Bereichen, in denen man schon anders könnte, so umzusetzen”.

Abschied vom Mythos der Perfektion

Auch andere Leadership-Mythen will Maderthaner entkräften: “Ich hoffe, ich kann einen Beitrag dazu leisten, dass wir uns vom Mythos der Perfektion verabschieden. So viele Führungskräfte gehen jeden Tag durch ihren Job und glauben, sie müssten Perfektion heucheln”.

Mit dieser Haltung könne man gegenüber seinen Mitarbeiter:innen nur verlieren. Denn niemand sei perfekt, die Enttäuschung sei daher das zwangsläufige Ergebnis. Maderthaners Schlussfolgerung: “Mein Rat an Führungskräfte ist: Steh zu deiner Imperfektion”.

Für Maderthaner selbst waren es auch “die Dinge, bei denen ich ordentlich auf die Schnauze gefallen bin”, die ihm am meisten dabei geholfen haben, Leadership-Skills zu entwicklen. Es gehöre nicht zu Fraktion jener, die behaupten, sich im Sinne einer positiven Fehlerkultur über jeden Fehler zu freuen: “Ich hasse Fehler und es nervt mich unendlich, wenn ich auf die Schnauze falle. Ich muss nur leider anerkennen, dass ich bei diesen Dingen tatsächlich am meisten lerne”.

Leadership in stark wachsenden Unternehmen

Für Startup-Gründer:innen stellt sich eine weitere Frage: Wie verändert sich Leadership, wenn ein Unternehmen im starken Wachstum ist? Auch dazu hat Maderthaner eine klare Meinung: “Ich vergleiche das manchmal mit einem Bonsai-Bäumchen, das man mit der kleinen Schere pflegt und so perfekt ist. Aber wenn du kein Bonsai-Bäumchen, sondern einen ganzen Wald an Bäumen am Ende aufstellen willst, dann wirst du lernen müssen, wie du mit Führung umgehst”.

Konkret bedeute dies, dass andere Anforderungen an die Führungskraft gestellt werden. “Das Informelle, das wir alle so schätzen am Anfang, wird sich weiterentwickeln zu einer ganz klassischen Anforderung an Führung”, erläutert Maderthaner.

Es brauche jedoch keine “fancy Führungskonzepte”, sondern: “Führung ist etwas ganz Schlichtes, Evolutionäres, eine Grunderwartung von Menschen an eine funktionierende Gruppe”. Und erwartet werde vor allem eines: “Es gibt jemanden, der Rahmen und Richtung setzt. Sonst werden Leute unruhig, sonst kommen Ineffizienzen und Reibung rein und am Ende leiden die Ergebnisse darunter”.

Aktuell Investment-Pause

Als Startup-Investor hat Maderthaner zuletzt ausgesetzt. “Ich habe nach meinem Ausstieg bei ‘2 Minuten 2 Millionen’ für dieses Kalenderjahr eine Pause eingelegt und den Fokus auf eigene Projekte gelegt”. Künftig will Maderthaner für jedes Jahr neu bewerten, ob er wieder investiert oder nicht.

Im Urlaub über den Jahreswechsel werde er entscheiden, wie er es 2024 handhaben will. “Es wird ein Moment kommen, an dem ich wieder investiere. Es macht einfach wirklich Spaß, mit großartigen Unternehmerinnen und Unternehmern zu arbeiten. Ob das nächstes Jahr schon der Fall ist, kann ich ehrlicherweise noch nicht sagen”.


Der brutkasten-Videotalk mit Philipp Maderthaner:

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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