29.08.2024
VC-Markt

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

Interview. Lucanus Polagnoli, Founding Partner & CEO von Calm/Storm, spricht darüber, wie der Kapitalmarkt für europäische Startups gestärkt werden könnte. Unter anderem nimmt er am European Forum Alpbach Bezug zum jüngsten Vorschlag von Wirtschaftsminister Martin Kocher zur Schaffung eines Dachfonds für institutionelle Investoren.
/artikel/lucanus-polagnoli-interview-european-forumalpbach
Lucanus Polagnoli | (c) brutkasten / Viktoria Waba

Europäische Startups stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es darum geht, Kapital zu beschaffen – insbesondere im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants. Obwohl die Innovationskraft und das Potenzial in Europa groß sind, sind die Bedingungen auf dem Markt oft weniger günstig. Zu den Faktoren zählt unter anderem die fragmentierte Finanzlandschaft. Schon länger werden unterschiedliche Maßnahmen diskutiert, um den Kapitalmarkt für Startups zu stärken.

Wir haben bei Lucanus Polagnoli am European Forum Alpbach nachgefragt, welche Maßnahmen es braucht, um die Finanzierungslandschaft zu stärken. Polagnoli ist Founding Partner und CEO von Calm/Storm, einer der aktivsten HealthTech-Fonds in Europa. Unter anderem gab Calm/Storm erst unlängst das erste Closing seines zweiten Fonds bekannt.


brutkasten: Calm/Storm hatte sein First Closing des zweiten Fonds. Auf welche Entwicklungen könnt ihr 2024 bislang zurückblicken?

Lucanus Polagnoli: In den letzten sechs Monaten hat sich bei Calm/Storm einiges getan. Erstens haben wir das First Closing für unseren zweiten Fonds erfolgreich abgeschlossen und bereits 20 Investments getätigt. Dazu zählen Investments in Unicorn-Gründer, wie die Gründer von Gorillas, die aktuell ein neues, noch in Stealth befindliches Startup im Health-Bereich aufbauen. Zudem haben wir auch in das neue Startup von einem der Gründer von Truepill investiert, einem Unicorn aus den USA.

Was den Dealflow betrifft, sind wir wirklich sehr gut positioniert. In Europa ist es immer schwierig, sich als Nummer eins zu bezeichnen, aber wir gehören definitiv zu den Top 3 digital HealthTech-Investoren. Wir wollen mit dem zweiten Fonds aber nicht nur eine Fortsetzung des ersten Fonds machen, sondern streben an, eine langfristig aufgestellte Venture Capital Firm aufzubauen.

Ein großer Schritt in diese Richtung war, dass Ekaterina Ginaelli an Bord gekommen ist, die zuvor zehn Jahre lang General Partner bei InVenture (ein Fund aus den Nordics) war. Sie wird nun schrittweise bei Calm/Storm als zweiter General Partner einsteigen. Ekaterina ist eine erfahrene Investorin und so wie ich eine “Kaufmann Fellows”-Alumna. Ihre Erfahrung wird uns als Unternehmen enorm weiterhelfen. Außerdem haben wir von mehreren Cornerstone-Investoren, die bereits in unseren ersten Fonds investiert hatten, Zusagen für den zweiten Fonds erhalten. Darunter ist auch ein US-Amerikaner, Dan Tierney, der quasi “double down on Calm/Storm” macht und auch im zweiten Fund als Cornerstone Investor einsteigen will. 

Du sprichst den Dealflow an. Wie zeichnet sich dieser konkret aus?

Unser Dealflow ist noch besser als je zuvor, und wir sind inzwischen für fast alle Digital Health-Gründer die bevorzugte Wahl in ganz Europa, sei es in Estland, Portugal oder anderswo. 

Lucanus Polagnoli | (c) brutkasten / Viktoria Waba

Woran liegt es, dass der Dealflow nun besser ist als zuvor?

Das liegt vor allem an unserer starken Marke, die wir in Europa aufgebaut haben, insbesondere im Digital Health-Bereich. In Österreich werden wir als Founders Fund wahrgenommen, was ebenfalls zu unserem Vorteil ist. International werden wir nicht als irgendein Fonds aus Wien gesehen, sondern als einer der aktivsten Player im digitalen Gesundheitssektor. 

Und welche Rolle spielt dabei das Marktumfeld? 

Die besten Deals waren schon immer hart umkämpft, unabhängig davon, wie das Marktumfeld gerade aussieht. Wenn ein ehemaliger Unicorn-Gründer ein neues Startup gründet, wollen alle Fonds investieren, egal, wie die Märkte stehen. Ich bin wahnsinnig froh, dass der Markt auf ein gesundes Niveau zurückgekehrt ist und viele der Freeriders verschwunden sind. Das hat den Markt eher verzerrt und hat abgelenkt von den eigentlich wirklich guten Gründern, die wirkliche Business bauen und nicht nur Luft. Im Gesundheitsbereich ist es besonders wichtig, denn hier geht es nicht nur um Luft, sondern um ganz wichtige Lösungen, die am Ende einen positiven Einfluss auf unser aller Gesundheit und damit uns als Gesellschaft haben.

In der VC-Szene wird in Europa immer wieder das Fehlen eines funktionierenden IPO-Marktes thematisiert. Wie nimmst du das wahr?

In Europa gibt es bis dato keinen funktionierenden IPO-Markt für Startups bzw. Scaleups. Gleichzeitig ist es für große Fonds besonders schwierig, ihre Volumen mehrmals zurück zu verdienen (also eine hohe Rendite zu erwirtschaften), wenn sie nicht zumindest einen IPO im Portfolio haben. Damit schaut alles in die USA – dort gibt und gab es immer viel mehr IPOs, und in Wahrheit essen uns die Amerikaner in dieser Hinsicht den Lunch weg.

Daher braucht es in Europa auch einen starken Kapitalmarkt, nur dann können wir mit den Amerikanern gleich ziehen. Viele sagen dann sofort, dass Europa mehr Growth Capital braucht. Ich sehe das aber differenzierter. Ich würde nicht sagen, dass wir ausschließlich mehr Growth Capital brauchen. In der Pre-Seed-, Seed- und Early-Stage-Phase, was wir klassisch Series A nennen, und auch in der Growth-Stage, brauchen wir mehr Kapital und zwar eine andere Form von Kapital. Insbesondere am Anfang müssen wir weg vom Fokus auf staatlichen Förderungen, die den Markt komplett verzerren.

Das ist eine harte Kritik am derzeitigen System. Was wäre deiner Meinung nach sinnvoller? 

Förderungen sind nicht immer schlecht, aber so wie wir das machen, ist das oft kontraproduktiv. Meiner Meinung nach sollten wir 70 Prozent der staatlichen Förderungen stoppen und dieses Geld in private Kapitalfonds stecken, um privates Kapital zu verdoppeln. Der Staat war noch nie ein guter Unternehmer, und in der Early-Stage hat er überhaupt keinen Plan. Die Leute, die für den Staat arbeiten, sind falsch incentiviert. Schauen wir uns nur den Gründungsfonds der aws an – 70 Millionen Euro vom Staat über Direct Investment zu tätigen, finde ich idiotisch. Vielmehr sollte das Geld via Dach-Funds in bereits bestehende europäische Fonds investiert werden. Herr Kocher hat ja auch hier in Alpbach gesagt, dass er einen Dachfonds unterstützen würde. Die Frage ist nur, warum sich immer jeder auf den anderen ausredet, warum etwas nicht geht, anstatt etwas gutes durchzusetzen.

Und dann braucht es noch etwas ganz entscheidendes: Ein Ende der “Gartenzaun-Mentalität”. Ich bin ein großer Fan eines Single European Market, um IPOs in Europa zu ermöglichen. Aber ein solcher Markt funktioniert nur, wenn wir etwas Ähnliches schaffen wie damals beim GSM-Standard oder bei Kreditkarten-Transaktionen. Wir brauchen einen europaweiten Standard, der es ermöglicht, dass auch Pensionsfonds aus verschiedenen Ländern problemlos in europäische Fonds investieren können und nicht immer nur lokal. Es geht darum, einen großen, starken Markt zu bauen, statt unseren kleinen, lokalen Markt zu schützen. Man muss in Gründer investieren und nicht in “nationale” Startups basierend auf dem Ort, wo die GmbH registriert ist. Die Startup-Founder arbeiten längst remote oder hybrid. Es ist völlig unerheblich, ob sie in Bratislava oder St.Pölten gründen. Es ist vollkommen gegen die europäische Vision, Geld an Landesgrenzen zu binden. 

Welche Regelungen braucht es in diesem Kontext?

Wir brauchen definitiv Regulierungen, aber sie müssen richtig ausgerichtet sein. Derzeit sind unsere Regulierungen zu kleinteilig und verteidigen lediglich kleine lokale Interessen. Stattdessen sollten wir Regulierungen haben, die einen großen europäischen Markt schaffen. Der deutsche KFW kann als Fund of Fund auch in “nicht-deutsche” also “europäische” VC-Funds investieren. Warum sollte das z.B. ein österreichischer Dachfonds nicht dürfen? Es braucht also einheitliche europäische Regeln wie Pensionsfonds, Banken, Versicherungen oder Corporates aber auch die Staaten ihr Geld anlegen können. Hier bräuchte es Anreize wie steuerliche Förderungen. Wenn unser gesamtes Pensionsgeld in Amerika angelegt wird, ist das natürlich ein Blödsinn.

Ihr habt bereits Investments in US-amerikanische Startups getätigt. Plant ihr künftig einen stärkeren Fokus auf den US-amerikanischen Markt zu legen?

Wir investieren in den USA, wenn es einen starken europäischen Bezug gibt, sei es durch einen europäischen Co-Founder oder einen anderen relevanten Zusammenhang. Unser Ziel ist es nicht, die Sandhill Road entlang zu schlendern und uns als bessere Alternative zu Andreessen Horowitz oder Sequoia zu präsentieren. Wir bleiben unserem Fokus treu und investieren nur dann in den USA, wenn es einen klaren Bezug zu Europa gibt und es in unser Industrie-Fokus-Schema passt.

Was motiviert dich am European Forum Alpbach teilzunehmen, und was erwartest du von deiner Teilnahme?

Alpbach ist für mich mehr als nur ein Ort für Diskussionen. Es zeigt, dass Österreich viel mehr zu bieten hat als nur Sound of Music, Berge und Skifahren. Österreich ist im Herzen einer europäischen Innovationslandschaft und ein Treffpunkt für brillante Köpfe, sowohl aus dem In- als auch dem Ausland. Für mich ist Alpbach eine Gelegenheit, Österreichs Innovationskraft zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen, die sonst vielleicht schwer zu erreichen wären.


Deine ungelesenen Artikel:
17.12.2024

pagent.ai: Bonner Startup mit Wiener Co-Founder holt 900.000 US-Dollar Investment

Das AI-Startup pagent.ai mit dem Wiener Co-Founder Christopher Helf holt sich umgerechnet 857.000 Euro Kapital.
/artikel/pagent-ai-investment
17.12.2024

pagent.ai: Bonner Startup mit Wiener Co-Founder holt 900.000 US-Dollar Investment

Das AI-Startup pagent.ai mit dem Wiener Co-Founder Christopher Helf holt sich umgerechnet 857.000 Euro Kapital.
/artikel/pagent-ai-investment
Christopher Helf und Constantin Dißelkamp | Bild: pagent.ai

Christopher Helf war CTO und CO-Founder beim Wiener Krypto-Trading-Startup Trality. Im August des Vorjahres musste dieses Konkurs anmelden. Bereits ein Monat zuvor musste die Trading-Plattform ihren Service einstellen. Damals sei es dem Startup “aufgrund des aktuellen Marktumfelds nicht möglich gewesen, die Plattform und Dienstleistungen weiterhin anzubieten” – brutkasten berichtete.

Mit Januar 2024 startete Helf eine neue Challenge als CTO und Co-Founder des in Bonn sitzenden AI-Startups pagent.ai – gemeinsam mit CEO und Co-Founder Constantin Dißelkamp. Am gestrigen Montag vermeldete das Startup positive Nachrichten: Nämlich den Abschluss einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde in Höhe von 900.000 US-Dollar – umgerechnet etwa 857.000 Euro.

AI-basierte Hyperpersonalisierung

Pagent.ai befasst sich mit der “AI-basierten Hyperpersonalisierung von Websites”. Das nun frische Kapital stammt vom teilstaatlichen High-Tech Gründerfonds (HTGF) – einem der größten deutschen Seed-Investoren, ebenfalls mit Sitz in Bonn.

Mit der generativen KI von pagent.ai können personalisierte Webinhalte erstellt und damit eine bessere Nutzeransprache ermöglicht werden. Wie das deutsche Medium startbase.de berichtet, soll pagent.ai “Webseiten automatisch auf die Bedürfnisse und Vorlieben bestimmter Zielgruppen abstimmen”, wodurch diese Marketingziele effizienter erreichen können.

Die Lösung von pagent.ai eigne sich insofern für Unternehmen, als dass diese keine A/B-Testungen mehr durchführen bräuchten, so das Startup. Das AI-System des Startups soll “automatisch die effektivste Variante der Website” identifizieren und “sie den Nutzern ausspielen, was zu einer verbesserten Nutzererfahrung führt”, heißt es auf starbase.de. Die Lösung soll überdies auf die “Verbesserung von Text- und Bildelementen” setzen.

Telekom und E-Commerce im Fokus

Für das kommende Geschäftsjahr plane das Startup, die Funktionalitäten seiner Technologie auf Struktur, Design und Video-Inhalte auszudehnen. Aktuell würden Testungen mit Pilotkunden durchgeführt, wobei sie die sogenannten “pagents” von pagent.ai testen. Diese “pagents” ermöglichen es, Website-Elemente automatisiert zu optimieren und die beste Version für Nutzer:innen auszuspielen, heißt es.

“Unser langfristiges Ziel ist es, das führende AI-Modell für personalisierte Kommunikation zu entwickeln und Online-Erfahrungen völlig neu zu gestalten”, wird Co-Founder Dißelkamp von startbase.de zitiert.

Die Lösung zeige sich bislang – nach Angaben des Startups – besonders für Unternehmen aus den Bereichen der Telekom und des Mode-Online-Handels interessant. Co-Founder Helf bestätigt: “Besonders Telekommunikations- und Fashion-E-Commerce-Unternehmen zeigen großes Interesse für die Automatisierungslösung. Für jede Organisation mit Onlinepräsenz liegt großes Potenzial in der Marketingautomatisierung mit AI, um ihre Ziele besser zu erreichen.”

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Lucanus Polagnoli: “Es braucht ein Ende der Gartenzaun-Mentalität”