14.08.2024
ANALYSE

Logistik: Extremer VC-Investment-Rückgang in Branche heimischer Vorzeige-Scaleups

Die VC-Investments in Logistik-Startups sind laut einer McKinsey-Analyse auf dem niedrigsten Stand seit 2015. Die Branche, die auch in der heimischen Scaleup-Landschaft stark vertreten ist, ist damit erheblich stärker von der VC-Krise betroffen, als der gesamte Markt.
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Logistik, der Markt, ohne den es keinen Markt gäbe
(c) Adobe Stock - eyetronic: Logistik, der Markt, ohne den es keinen Markt gäbe

Storebox, byrd, Logsta (das 2022 mit einem deutschen Mitbewerber fusionierte) und in weiterem Sinne auch Prewave – tatsächlich hat wohl keine einzelne Branche in Österreich so viele Vorzeige-Scaleups bzw. “Soonicorns” hervorgebracht, wie die Logistik. Storebox holte sich 2021 52 Millionen Euro Investment, byrd 2022 50 Millionen. Prewave schließlich zeigte erst diesen Juni mit einer 63 Millionen Euro-Runde auf.

Das Wiener Lieferketten-Scaleup, das auch dem KI-Sektor zugeordnet werden kann, bildet damit eine große Ausnahme. Denn wie eine aktuelle Analyse von McKinsey zeigt, ist die Logistik-Branche in extremer Weise von der seit Start des Ukraine-Kriegs grassierenden VC-Krise betroffen.

Von 25,6 Milliarden auf 2,9 Milliarden

Um fast 90 Prozent sind die Investments demnach global im Vergleich zu 2021 zurückgegangen – deutlich stärker als im gesamten VC-Markt. In Zahlen: 25,6 Milliarden US-Dollar betrug das weltweite Investment-Volumen in der Logistik-Branche im Boom-Jahr 2021, nur mehr 2,9 Milliarden waren es 2023.

Logistik-VC-Investments auf niedrigstem Stand seit 2015

Das ist nicht nur ein starker Rückgang im Vergleich zum Ausnahmejahr 2021. Tatsächlich ist das Volumen auf dem niedrigsten Stand seit 2015, während der Gesamtmarkt ungefähr wieder auf das deutlich höhere Vor-Corona-Niveau zurückgegangen ist. Der Anteil an Logistik-Investments am Gesamtvolumen liegt mit 0,8 Prozent erheblich niedriger als in den Jahren 2018 (Höchststand mit 3,6 Prozent) bis 2021, wo er um die drei Prozent herum schwankte.

McKinsey sieht für diesen extremen Rückgang mehrere Gründe, namentlich “hohe Zinssätze, eine verlangsamte Entwicklung des Welthandels und des E-Commerce, und ein Markt mit Überkapazitäten bei Frachtdienstleistern, was die Frachtraten 2023 gedrückt hat.” Nicht nur hat das Ende des Corona-bedingten E-Commerce-Booms mit der erneuten “Umkehr vieler Trends” hier einen Einfluss. Auch ist die Nachfrage nach physischen Gütern in der jüngsten Krise generell zurückgegangen. International stagnierten demnach die Seefrachtvolumina zwischen 2022 und 2023, während die Luftfrachtvolumina um vier Prozent zurückgingen.

“Last-Mile” stärkster Sektor, Software auf dem Vormarsch

Der Großteil des verbleibenden Risikokapitals für Logistik-Startups, konkret 40 Prozent, fließt laut McKinsey in den “Last Mile”-Sektor, in dem etwa auch das Wiener Scaleup Storebox zu verorten ist. Einen deutlichen Zuwachs der Investitionen im Vergleich zu den Vorjahren gebe es bei Software- und System-Startups, zu denen byrd und Prewave gezählt werden können. Flossen von 2010 bis 2020 durchschnittlich nur zehn Prozent des Investitionsvolumens in diesen Sektor, waren es 2023 25 Prozent. Angetrieben sei diese Entwicklung durch die wachsende Nachfrage nach Digitalisierung und KI-Lösungen in der Logistikbranche worden.

Der Anteil europäischer Startups und Scaleups am internationalen Volumen lag 2023 mit 19 Prozent zwar höher als 2021 (16 Prozent), aber deutlich niedriger als 2022 (35 Prozent). Zuletzt bekamen mit 43 Prozent nordamerikanische Unternehmen mit Abstand das größte Stück vom Kuchen ab, gefolgt von indischen und europäischen mit je 19 Prozent.

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Die Geschäftsführer der cycoders GmbH: CTO – DI (FH) Martin Guess, CEO – Thomas Mörth Bildrechte: cycoders GmbH
(c) cycoders GmbH - Die Geschäftsführer von cycoders Martin Guess und CEO Thomas Mörth.

Getuschel. Hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, Gespräche erst fortgesetzt, wenn die Führungskraft außer Hörweite ist. Man mutmaßt, man nimmt an. Man glaubt, dass die Firma Probleme hat und sich womöglich von Leuten trennen muss. Die Sorge wächst und man fürchtet, dass es einen treffen könnte. Und an die Arbeit zu denken, ist mit einem solchen Gefühl nur schwer möglich. So ähnlich geht es zu Krisenzeiten in Unternehmen zu, weiß Lolyo Co-Founder und CEO Thomas Mörth, der auch gemeinsam mit Martin Guess Geschäftsführer von cycoders ist. Er möchte mit seiner App Ängste von Mitarbeiter:innen lindern.

Lolyo mit direktem Draht

Die Idee dazu kam ihm vor ein paar Jahren, als er in seiner Werbeagentur kundenseitig den Wunsch verspürte, eine verbesserte digitale und interne Kommunikation zu entwickeln. “Es gab am Markt bereits einige Lösungen, aber die waren zu teuer oder zu kompliziert”, erzählt er. “Also haben wir entschieden, das wir uns der Sache annehmen.”

Heraus kam Lolyo, eine Mitarbeiter:innen-Mitmach-App als Kommunikationstool, das man aufs eigene Smartphone laden kann und so direkten Zugang zum Führungsteam erhält.

“Wenn man Mitarbeiter binden möchte, mitteilen, was man alles tut, dann war das bisher mit klassischen Kanälen schwierig”, so Mörth weiter. “So ein Tool ist heutzutage jedoch unverzichtbar und funktioniert nicht bloß einseitig, sondern auch umgekehrt. Es ist ein direkter Draht zur Unternehmensführung.”

Das Zeitalter der Verunsicherung

Gerade jetzt, wo Unternehmen Personal abbauen müssen oder zumindest die Gefahr dazu groß sei, herrsche in der Regel große Verunsicherung, weiß der Founder. “Das schlägt sich negativ in der Produktivität nieder, denn ängstliche Personen können nicht motiviert arbeiten.”

Die Folgen dieser negativen Gefühle können für alle Seiten verheerend sein: Die Arbeitsmoral verschlechtert sich und eine sinkende Produktivität, erhöhter Stress und Burnout-Gefahr schleichen sich ein und lähmen den täglichen Betrieb.

Mit den psychischen Folgen für die verbleibenden Mitarbeiter:innen hat sich Alexander Ahammer mit seinem Team vom VWL-Institut der Johannes Kepler Universität Linz in einer Studie beschäftigt. Eine der Erkenntnisse: Innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Jahren nach dem Personalabbau der untersuchten Firmen erfolgten 6,8 Prozent mehr Medikamentenverschreibungen sowie 12,4 Prozent mehr Krankenhaustage, erwähnte der Ökonom 2022 in einem APA-Gespräch. Dass diese Ängste Arbeitgeber:innen viel Geld kosten können, wurde auch in einer Studie der FH Köln aus dem Jahr 2000 belegt, wie Mörth erwähnt. “Diese Angst kann man aber mit den richtigen Instrumenten wegnehmen.”

Lolyo als mobiles Intranet

Lolyo ist im Detail ein mobiles Intranet, das Mitarbeitende miteinander vernetzt. Die drei primären Kanäle – News, Pinnwand und Chat – sollen dabei einen optimalen Informationsfluss garantieren. Zudem enthält die App eine Vielzahl an Features, die das Engagement erhöhen und interne formelle Abläufe wesentlich vereinfachen soll. Im Idealfall soll sie für alle Mitarbeitenden den Zugang zu allen digitalen Services des Unternehmens anbieten.

Insgesamt gibt es 30 verschiedene Features, die von Terminen, Formularen, Umfragen über automatische Übersetzung bis hin zum Start eines eigenen Podcast-Kanals verschiedene Angebote parat halten. Der Mitmach-Booster von Lolyo ist zudem als Anreiz gedacht, aktiv zu bleiben. Wenn man sich Nachrichten durchliest, liked oder kommentiert, erhält man Punkte, die dann in einem vom Unternehmen aufgesetzten “Goodies Store” eingelöst werden können. “Das ist unser USP”, sagt Mörth. “Wir haben diese Art von ‘Gamification’ von Anfang an integriert.”

300 Kunden

Seit dem Beginn im Jahre 2018 konnte Lolyo 300 Kunden (Anm.: darunter Liebherr, Efco, Recheis, Wutscher Optik) aus 15 Ländern für sich gewinnen. “Corona war für uns ein glücklicher Fall, denn die Unternehmen mussten umdenken”, erinnert sich Mörth. “Der Bedarf nach guter Kommunikation hat sich ja damals plötzlich erhöht.”

Auch die Mundpropaganda war für das 16-Personen starke Team wesentlich. “Wir sind ein kleines Unternehmen und nicht investorengetrieben”, erklärt der Founder. “Und haben keine Millionen an Marketing-Budget. Der Erfolg kam über unsere ‘Word of Mouth-Taktik’. Damit konnten wir bisher unseren Umsatz jährlich verdoppeln.”

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