28.01.2022

Lisa Fassl über die Arbeit als Startup-Beauftragte: “Es ist extrem ernüchternd”

Im brutkasten-Podcast Editor's Choice gab Lisa Fassl einen Einblick in ihre Arbeit als Startup-Beauftragte im Wirtschaftsministerium und sprach dabei offen über die Hürden, die ihr begegnen.
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Die Female Founders-Gründerin und Startup-Beauftragte im Wirtschaftsministerium Lisa Fassl spricht Klartext
Die Female Founders-Gründerin und Startup-Beauftragte im Wirtschaftsministerium Lisa Fassl | (c) Microsoft

Im Mai 2021 löste die Female Founders-Gründerin und ehemalige aaia-Geschäftsführerin Lisa Fassl Michael Altrichter als ehrenamtliche Startup-Beauftragte im Wirtschaftsministerium (BMDW) ab, nachdem sie dort zuvor bereits im “Startup-Komitee” tätig war. Seitdem äußerte sie sich im Rahmen der Position nur selten öffentlich. Nun meldete sich Fassl im brutkasten-Podcast Editor’s Choice ausführlich zu Wort und zog ein kritisches Zwischenresümee.

“Es sitzen Menschen in wichtigen Positionen, die einfach komplett aus der Zeit gefallen sind”

Sie habe in den vergangenen Monaten einen Lernprozess durchgemacht, sagt die Startup-Beauftragte: “Es funktioniert anders, als man es sich von außen vorstellen würde”. Dabei habe sie auch mehr Empathie für jene Leute entwickelt, die politisch aktiv sind oder in den Ministerien arbeiten: “Das ist in vielen Fällen nicht leiwand. Es gibt super viel Motivation, etwas zu tun. Aber es scheitert manchmal an Dingen, wo sich jede außenstehende Person nur an den Kopf greifen würde”. Generell gebe es in den Kabinetten extrem motivierte Leute, die Startups verstehen würden und verändern wollten. “Es krankt in vielen Punkten an den Strukturen und Systemen in Österreich, die so antiquiert, festgefahren und unflexibel sind. Es sitzen Menschen in wichtigen Positionen, die einfach komplett aus der Zeit gefallen sind. Das ist furchtbar hart aber es ist so”, meint Fassl.

Es sei so gesehen auch ein Generationenthema: “Altgewachsene, komplexe Strukturen lassen sich tatsächlich oft nicht mit jungen dynamischen Menschen, die Unternehmen bauen wollen, verbinden. Man trifft auf Menschen, die seit Jahrzehnten von Ideologie getrieben sind und auf Maximalpositionen beharren, die 2022 für mich keinen Platz mehr auf dieser Welt haben. Die Menschen, die jetzt Zukunft gestalten sollten auch die Rahmenbedingungen mitverändern”, so die Startup-Beauftragte, “Ich hatte es mir anders erhofft. Aber es ist wirklich krass und wenn man es einmal miterlebt, ist es extrem ernüchternd”.

“Manchmal gehe ich den Leuten einfach furchtbar auf den Geist”

Warum sie die unbezahlte Tätigkeit trotzdem neben jener als geschäftsführende Female Founders-Gründerin ausführt? “Wenn ich nicht zu 100 Prozent überzeugt wäre, dass ich etwas bewegen kann, würde ich es nicht machen. Das ist die einzige Motivation”, sagt Fassl. Und bei mehreren zentralen Anliegen der Startup-Szene, die sie vertritt, sei trotz der genannten Hürden einiges weitergegangen. Konkret spricht sie über die neue Rechtsform (FlexKap), den Beteiligungsfreibetrag, ein Dachfonds-Konzept und die Rot-Weiß-Rot-Karte. “Die Hauptarbeit in den vergangenen Monaten war, Kontakte zu anderen Ministerien aufzubauen und Awareness zu schaffen, dass Startups keine Nischenthema sind. Das war extrem viel Arbeit”, erzählt die Startup-Beauftragte, “ich und die Mitglieder des Startup-Komitees mussten vielfach mit den Basics anfangen. Inzwischen haben wir in einigen Ministerien aber richtig, richtig gute Kontakte, die das Thema extrem ernst nehmen”.

Fortschritte bei neuer Rechtsform und Beteiligungsfreibetrag, Hoffnung bei RWR-Karte

Jetzt gehe es daran, die Dinge endgültig umzusetzen. Dafür setze sie sich ein, sagt Fassl und meint: “Manchmal gehe ich den Leuten einfach furchtbar auf den Geist und das wird niemanden, der mich kennt, überraschen”. Und tatsächlich werde an all den genannten Themen gearbeitet – und zwar intensiver als je zuvor. Die Startup-Beauftragte konkretisiert: “Bei der neuen Rechtsform würde ich mir natürlich wünschen, dass es schneller geht. Aber wir kommen halt mit einer Geschwindigkeit aus der Startzup-Szene, die diese Strukturen überfordert. Nach meinem Stand werden wir jedenfalls tatsächlich noch im ersten Quartal ein Ergebnis sehen – ich glaube das aber erst, wenn es soweit ist”.

Beim Beteiligungsfreibetrag habe es zuletzt erstmals “sehr positive Signale” aus dem Finanzministerium gegeben. Zur Rot-Weiß-Rot-Karte sagt Fassl: “Man merkt, es ist kurz vor zwölf. Auch da gibt es die Bereitschaft, etwas zu tun. Es ist aber das komplexeste Thema, weil vier oder fünf Ministerin mitreden. Ich glaube trotzdem, dass es dieses Jahr noch eine massive Bewegung geben wird”. In Sachen Umsetzung sehe man sich in den Ministerien auch die Vorschläge aus der Startup-Szene an: “Die Forderungskataloge kommen an und werden auch gelesen”.

“Zu null Prozent zukunftsorientiert”

Ob die die Maßnahmen dann auch tatsächlich nach den Wünschen der Startup-Szene umgesetzt werden, ist eine andere Sache. Über Verhandlungen mit und unter Interessensvertretungen sagt Fassl: “Auf diese Art ist es ein antiquierter Zugang, der extrem auf den Status Quo, aber zu null Prozent zukunftsorientiert ist. Man bleibt aus ideologischen Gründen auf Maximalpositionen und reduzieren Entscheidungen auf den absoluten Minimal-Konsens”. Nicht nur bei der neuen Rechtsform habe sie das Gefühl, dass das passiert. Also die sprichwörtliche “österreichische Lösung”? “Ja und die interessiert halt niemanden auf diesem Planeten”, sagt die Startup-Beauftragte. “Die Zeit der Klientelpolitik – das ist übrigens mein absolutes Hasswort geworden – ist für mich vorbei”.

“Wir beschäftigen uns mit Fragen, die so aus dem letzten Jahrtausend sind, dass es nicht mehr schlimmer geht. Da denke ich mir: Liebe Leute, ihr setzt gerade die Zukunft der nachfolgenden Generation wegen einer Ideologie oder für eine kleine Interessensgruppe aufs Spiel. Wie kann man so kurzsichtig denken?”, so Fassl weiter. Aussichtslos sei die Situation trotzdem nicht: “Es gibt Leute, die etwas verändern wollen und wir alle können letztlich mit unserer Stimme einen Beitrag leisten”. Daher bleibe sie auch optimistisch. “Und weil es keine andere Möglichkeit gibt”.

Gastkommentar-Serie mit Lisa Fassl

In den kommenden Monaten wird sich Fassl im Rahmen einer Gastkommentar-Serie detailliert zu verschiedenen Startup-politischen Themen äußern. Dabei wolle sie kritisch, aber konstruktiv sein, sagt die Startup-Beauftragte: “Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit liegen zu lassen. Das haben wir bereits viele Jahre lang gemacht. Es ist jetzt wichtig für Leute wie mich, die an den Schnittstellen sitzen, auch öffentlich darüber zu sprechen”.

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Die Levy Health-Gründerinnen (v.l.): Caroline Mitterdorfer, Silvia Hecher und Theresia Vilsmaier | © Levy Health
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Wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt, kann es oft sehr lange dauern, bis eine Diagnose gestellt wird und eine Behandlung gestartet werden kann. Dabei kann es genau auf diese Zeit ankommen, meinen die drei Gründerinnen des Startup Levy Health. Mit ihrer SaaS-Lösung werden Patienten und Kliniken dabei unterstützt, diesen Zeitraum zur Diagnose erheblich zu reduzieren – brutkasten berichtete bereits. So soll die “Time to Treatment” dadurch laut Startup von durchschnittlich 145 Tagen auf 45 Tage sinken.

Österreichische Levy Health-CEO mit intensiver persönlicher Erfahrung

Dazu erstellt die Software unter anderem auf Basis von Fragebögen und Laborwerten eine Vorauswahl von einer Handvoll plausiblen Unfruchtbarkeits-Diagnosen aus insgesamt 110 möglichen. Diese Art von Software ist im Medizinbereich mitunter schon gängig, konkret im Bereich Fruchtbarkeit aber neu. “Wir sehen Levy Health als einen virtuellen Therapie-Koordinator für Kinderwunschkliniken”, erklärt die aus Österreich stammende Co-Founderin und CEO Caroline Mitterdorfer. “Unsere Plattform kümmert sich um alles, von der Diagnostik bis zur Patientenaufklärung, so dass sich die Kliniken bereits bei der ersten Konsultation auf die Behandlungsplanung konzentrieren können.“

Mitterdorfer hat durch eine Gebärmutterhalskrebs-Diagnose im Alter von 28 Jahren intensive persönliche Erfahrungen mit dem Thema gemacht, bevor sie später gemeinsam mit Silvia Hecher und Theresia Vilsmaier in Berlin Levy Health gründete. Mittlerweile hat das Startup seinen Hauptsitz nach San Francisco verlegt, denn die USA sind der wichtigste Markt für das Unternehmen.

Millioneninvestment in den USA

In den USA holte sich Levy Health kürzlich auch weiteres Kapital. Unter dem Lead von XYZ Venture Capital investieren auch Atlantic Labs und Possible Ventures insgesamt 4,5 Millionen US-Dollar in das Startup, an dem auch der heimische VC Calm/Storm aus einer früheren Runde beteiligt ist. Das Kapital verwende man für den weiteren Aufbau des Teams und der Technologie, aber auch für die Finanzierung klinischer Studien in Bereichen wie Fruchtbarkeit und Einfrieren von Eizellen, sagt Mitterdorfer gegenüber dem US-Magazin TechCrunch.

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