31.01.2024

Kontext: Klaiton- und Fridays for Future Österreich-Founderin gründen Klima-NGO

Auch Florian Maringer, langjähriger "Policy Advisor" im Klimaschutzministerium (BMK) gesellt sich als Mitgründer von Kontext hinzu. Mit dem Institut möchte man frei von parteipolitischen Interessen agieren. Und kann auf einen prominent besetzten Beirat zurückgreifen.
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(c) Kontext - Tina Deutsch, Florian Maringer und Katharina Rogenhofer von Kontext.

In den vergangenen Jahren wurde die Klimakrise zu einem Fixpunkt vieler Debatten und wird emotional diskutiert. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts marketagent machen sich zwei Drittel der Menschen große Sorgen über die Auswirkungen des Klimawandels. Jedoch sind 73 Prozent der über 38.000 Befragten der Überzeugung, dass jeder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin wesentlich zum Umweltschutz beitragen kann: „Das persönliche Engagement scheint für die Menschen in Europa auch bitter nötig zu sein, schließlich hat der Großteil der Befragten wenig Vertrauen in die nationalen Maßnahmen zum Klimaschutz. Nur drei von zehn sind der Ansicht, dass das eigene Land genug gegen die globale Erwärmung unternimmt“, sagte Thomas Schwabl, Geschäftsführer von marketagent, bereits im letzten November. Hier setzt Kontext an.

Kontext: Klaiton-Mitgründerin dabei

Hierbei handelt es sich um ein neu gegründetes Institut für Klimafragen, das von Katharina Rogenhofer, ehemalige Sprecherin des Klimavolksbegehrens und Mitbegründerin von Fridays for Future in Österreich, Tina Deutsch, Co-Founderin von Klaiton und ehemals Strategic Advisor bei CoachHub und Florian Maringer, seit 15 Jahren in der Klima-, Energie- und Industriepolitik und zuletzt im Kabinett des Klimaministeriums tätig, erschaffen wurde.

„Die Vermischung von Meinungen und Fakten, die Zuspitzung, die Macht von Falschinformationen: All das führt zu einer unübersichtlichen Klimadebatte, die viele verunsichert und nicht zum Fortschritt beiträgt“, erklärt Rogenhofer, heute Sprecherin von Kontext.

Für die Klima-NGO ist die Frage, ob gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich Weichen im Klimaschutz gestellt werden, keine physikalische, sondern eine politische, soziale und kulturelle.

Gegen Fehlinformation und „Bremser“

„In Österreich braucht es ein Institut, das beleuchtet, welche Glaubenssätze und berechtigten Ängste vom Handeln abhalten, wer Verantwortung trägt und Maßnahmen setzen könnte und welche Interessen die Umsetzung erschweren“, so Rogenhofer weiter. „Denn Einordnung zu schaffen und Hintergründe zu beleuchten, ist ein essenzieller Schritt gegen Fehlinformation und für mehr Transparenz und Klarheit in Klimafragen.“

Maringer, der im Institut für Strategie und Analyse verantwortlich ist, ergänzt: „Wo fachliche und wissenschaftliche Bewertungen enden und politische Abwägungen beginnen, wollen wir Einordnung bieten.“

Das Gründungstrio weiß, dass mehr als Dreiviertel der Menschen angeben, nicht zu verstehen, wie klimapolitische Entscheidungen zustande kommen und mehr als 87 Prozent das Gefühl haben, die Politik würde dabei vor allem Einzelinteressen bedienen.

Kontext möchte Hebel aufzeigen

„Jemand muss aufzeigen, wie etablierte und informelle Prozesse in Politik und Wirtschaft in unserer Demokratie funktionieren. Und wie Lösungen aussehen könnten, bei denen sich nicht Einzelinteressen durchsetzen. Es geht jetzt darum, Chancen und internationale Vorbilder aufzuzeigen und klarzumachen, wo die Hebel für Klimaschutz liegen und wer sie betätigen kann“, betont Maringer.

Schlussendlich sind es fachliche Grundlagen für die Umsetzung, die sich 85 Prozent der Befragten wünschen. Konkret, dass Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammenarbeiten, um gemeinsam die Klimakrise zu bewältigen. Hier will Kontext gute Entscheidungsgrundlagen schaffen.

Kontext
(c) Kontext – Tina Deutsch, Florian Maringer und Katharina Rogenhofer wollen in der Klimadebatte Hintergründe liefern.

„Wir ermöglichen Menschen in entscheidenden Positionen, einen klaren Blick auf Lösungen zu haben, um notwendige Veränderungen selbst umzusetzen oder an der richtigen Stelle einzufordern“, erklärt Deutsch, die nun bei der NGO Operations und Finance verantwortet.

„Wir wollen Hintergründe liefern, Themen anstoßen, Fakten mitgeben und über Verantwortlichkeiten sprechen. Durch unser Netzwerk können wir unsere Inhalte und Lösungsansätze auch verbreiten“, sagt sie.

Frei von Politik und Wirtschaft – mit prominentem Beirat

Für Kontext und das Team ist es dabei besonders wichtig, frei von parteipolitischen Interessen zu agieren und wirtschaftlich unabhängig zu sein. „Das wird durch einen umfangreichen Unterstützer:innenkreis und einen hochkarätigen fünfzehnköpfigen Beirat sichergestellt. Dieser garantiert nicht nur die Qualität der Analysen und Inhalte, sondern auch die politische Unabhängigkeit und gesellschaftliche Breite. Gemeinsam mit etablierten Forschungseinrichtungen geht Kontext über naturwissenschaftliche Zustandsbeschreibungen hinaus und analysiert die gesellschaftspolitischen Hintergründe für das Handeln bzw. Nicht-Handeln“, heißt es per Aussendung.

Im Beirat sitzen u.a.: Wolfgang Anzengruber, CEOs for Future, Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates, Irmgard Griss, Juristin und ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Christoph Hofinger, Geschäftsführer Foresight, Johannes Kopf, Vorstandsvorsitzender AMS, Marie Ringler, Vize-Präsidentin Europäisches Forum Alpbach, Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien und Martin Selmayr, ehemaliger Generalsekretär der Europäischen Kommission.

„In der Klimadebatte trägt die Vermischung von Meinungen und Fakten, die Zuspitzung und die Macht von Falschinformationen zur Unübersichtlichkeit bei“ sagt Hofinger, den man aus dem TV und als Gründer des Forschungsinstituts SORA kennt. „Viele sind verunsichert, Fortschritt wird verhindert. Das zu benennen ist wichtig, denn nur ein konstruktiver Dialog bringt uns Lösungen und Chancen.“

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vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger
vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger

0,045 Nanometer – das ist aktuell die Auflösungsgrenze der leistungsstärksten Transmissionselektronenmikroskope. Ein großes Virus mit bis zu 150 Nanometern Durchmesser kann man damit schon recht gut erkennen, aber wenn es um die Untersuchung von einem DNA-Strang mit rund 2,5 Nanometer Durchmesser geht, sieht man nicht mehr viel – und das obwohl man im Prinzip einzelne Atome mit etwa 0,1 Nanometer Durchmesser sehen kann. Das Problem ist, dass der Elektronenstrahl die biologischen Bindungen, die die Atome zusammenhalten, zerstört.

Zukunftstechnologie Quantenoptik

Hier kommen der TU-Wien-Professor Philipp Haslinger und sein Team ins Spiel. „Mit klassischer Elektronenmikroskopie stößt man irgendwann an die Grenzen. Zudem werden organische Samples wie etwa Viren durch die Elektronenstrahlen zerstört“, erklärt Haslinger im Gespräch mit brutkasten. Seine Antwort: Quantenoptik – übrigens eine von 105 Zukunftstechnologien, die sich auf der neuen Innovation Map der WKÖ finden.

Genauer und „zerstörungsfrei“

Konkret ist es Quantenelektronenoptik, an der Haslinger und sein Team arbeiten. Dabei kombinieren sie zwei Technologien: Das Elektronenmikroskop (konkret: Transmissionselektronenmikroskopie) und die Spinresonanzspektroskopie, die aus der Magnetresonanztomografie (MRT) bekannt ist. “MRT ist eine nicht-invasive, also zerstörungsfreie Methode“, erläutert Haslinger. „Unsere Vision ist es, diese Idee auf die Nanowelt zu übertragen und damit kleinste Objekte sichtbar zu machen. Damit könnte man beispielsweise Protein-Strukturen auslesen, ohne sie zu beschädigen.“

Ungeahnte Möglichkeiten

Das ist aber nur eine von vielen potenziellen Anwendungsmöglichkeiten. Auch für die Materialforschung oder Energiespeichertechnologien könnte die Methode neue Perspektiven eröffnen. „Wir wissen heute noch gar nicht, welche Türen sich damit öffnen werden“, sagt Haslinger. „Im Grunde verleihen wir der Elektronenmikroskopie eine neue Charakterisierungmöglichkeit, eine neue Farbe. Sie liefert dann Informationen, die bisher unsichtbar waren. Das kann zu vielen neuen Erkenntnissen führen.“

Es sei vergleichbar mit dem Erkenntnisgewinn, den MRT gegenüber klassischer Computertomografie auf Röntgenbasis bringe: „Man sieht Dinge, die man vorher nicht gesehen hat“, so Haslinger, „als der erste Computer gebaut wurde, war auch noch nicht klar, dass einmal das Internet und später Künstliche Intelligenz folgen würden.“

„Können schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren“

Noch ist die Forschungsgruppe aber nicht am Ziel. „Mit unserem Prototypen können wir schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren, etwa die quantenmechanischen Eigenschaften von mikroskopischen Objekten mit dem Elektronenstrahl vermessen“, sagt der Forscher. Die angestrebte atomare Auflösung habe man aber noch nicht erreicht. Dafür brauche es weitere Prototypen, für die erst kürzlich unter anderem eine Förderung im Rahmen des Programms „Transfer.Science to Spin-off“ der „Christian Doppler Forschungsgesellschaft“ eingeworben wurde – brutkasten berichtete.

Antonín Jaroš am Prototyp im Labor der Forschungsgruppe | Foto: Philipp Haslinger

Diese Förderung schaffe Raum dafür, weiterzuforschen und gleichzeitig bereits an einer Spin-off-Ausgründung zu arbeiten, sagt Haslinger. Denn er forscht nicht alleine, sondern mit einem starken Team: Antonín Jaroš (PhD-Student) und Michael Seifner (PostDoc) sollen weiter die Möglichkeit haben, auch wissenschaftlich auf hohem Niveau zu arbeiten. Dennoch soll bereits in zwei bis drei Jahren gegründet werden – hierbei wird Haslingers Team auch mit den neu geschaffenen Spin-off-Strukturen innerhalb der TU Wien, zu denen unter anderem Noctua Science Ventures (brutkasten berichtete) zählt, unterstützt.

Mikroskopie als Milliardenmarkt

Und für die Zukunft gibt es durchaus große Pläne. „Elektronenmikroskopie ist ein Milliarden-Dollar-Markt mit weltweit zehntausenden Geräten – jedes große Krankenhaus, wie zum Beispiel das Wiener AKH, hat so ein Gerät“, sagt Haslinger. Und er gehe davon aus, dass die von seinem Team entwickelte Technologie in Zukunft neue Anwendungen in dem Bereich ermöglichen wird. „Es gibt jetzt schon mehrere Gruppen, die unser Produkt für die Forschung haben wollen“, so der Wissenschaftler.

Mit dem nächsten Prototypen werde man dann bereits erste Kooperationen umsetzen können. Und in weiterer Folge soll in einigen Jahren der Rollout der Technologie folgen. Ob man dann selber die Technologie herstellen werde, oder Lizenzen an Partner vergeben werde, sei aktuell aber noch nicht klar, so Haslinger. „Erst einmal müssen wir sehen, wie gut die nächsten Prototypen wirklich funktionieren und wie groß das Interesse dann tatsächlich ist.“


Entdecke die Innovation Map

Die Forschung von Philipp Haslinger und seinem Team steht exemplarisch für die Innovationskraft, die an Österreichs Universitäten steckt – und dafür, wie wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt ihren Weg in die Anwendung finden. Technologien wie die Quantenelektronenoptik zeigen, dass der nächste große Durchbruch oft dort entsteht, wo Grundlagenforschung auf Unternehmergeist trifft.

Wer mehr solcher Zukunftsprojekte kennenlernen möchte – von neuen Energiespeicherlösungen über MedTech-Innovationen bis zu Quantentechnologien – findet auf der „Innovation Map“ der Wirtschaftskammer Österreich einen Überblick über mehr als 100 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Die interaktive Plattform macht sichtbar, wo bereits heute an der Zukunft gearbeitet wird – und lädt dazu ein, selbst einzutauchen in die Welt der Innovation.

👉 Jetzt entdecken, welche Technologien Österreichs Innovationslandschaft prägen: innovationmap.at

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