21.11.2019

Bedingungsloses Grundeinkommen: Vergesst die Finanzierungsfrage!

Kommentar. Man kann über das Für und Wieder diskutieren, aber fest steht: Österreich braucht derzeit kein bedingungsloses Grundeinkommen. Die großen Fragen sind: Werden wir es in Zukunft brauchen? Und was wäre die Voraussetzung dafür? Damit steht und fällt auch die Finanzierungsfrage.
/artikel/kommentar-bedingungsloses-grundeinkommen
Brauchen wir in Zukunft ein bedingungsloses Grundeinkommen?
(c) Adobe Stock - Pugun & Photo Studio: Wertschöpfung ohne Menschen

Ein Volksbegehren, das noch bis Montag unterschrieben werden kann, sorgt in Österreich derzeit für Diskussionen. Initiator Peter Hofer wünscht sich ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Höhe von 1200 Euro monatlich für jeden im Land. Finanzieren will er den geschätzten Kapitalbedarf von 92 Milliarden Euro im Jahr über eine „Finanztransaktionssteuer“ von 0,94 Prozent, die nicht nur auf den Finanzmärkten, sondern bei jeglichem Geldtransfer zum Einsatz kommen soll. 190 Milliarden Euro sollen laut Hofer jährlich dadurch hereinkommen – ein Kalkulation, die nicht nur für viele Ökonomen nicht nachvollziehbar ist.

+++ Europa und die digitale US-Hegemonie: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben! +++

Sozialistische Utopie?

Generell dreht sich die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen stark um die Finanzierungsfrage. Befürworter aus dem linken politischen Spektrum bringen etwa das alte Argument, dass sich das notwendige Geld leicht aus Konzern-Gewinnen abschöpfen ließe. Die politische Gegenseite ortet im Grundeinkommen nicht zuletzt aufgrund dieser Argumentation eine finanziell nicht realisierbare sozialistische Utopie. Eigentlich sollte es aber nicht um diese Finanzierungsfrage gehen.

Wunsch vs. Notwendigkeit

Denn tatsächlich wird mit der Einordnung in die politischen Kategorien „Links“ und „Rechts“ die grundlegende Fragestellung vollkommen verkannt. Die sollte nicht sein: Wollen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen? (Auch dafür gibt es sinnvolle Pro- und Kontra-Argumente zwischen freier persönlicher Entfaltung und sozialer Hängematte) Sondern: Brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Für Österreich im November 2019 lässt sich diese Frage mit einem Wort beantworten: Nein. Die Arbeitslosigkeit im Land ist seit Frühling 2017 rückläufig (saisonal bereinigt), die Rate lag im September bei rund 4,5 Prozent. Das kann mit dem vorhandenen Sozialversicherungssystem gut abgefangen werden. Das allgemeine Wohlstandsniveau ist im internationalen Vergleich hoch. Wie gesagt: Die Idee kann man auch in dieser Situation argumentieren, aber von einer Notwendigkeit kann keine Rede sein. Eine politische Mehrheit dafür ist gegenwärtig also mehr als unwahrscheinlich.

Offene Fragen

Stellen wir die Frage also neu: Brauchen wir in Zukunft ein bedingungsloses Grundeinkommen? Die Leserschaft soll an dieser Stelle nicht zu sehr enttäuscht werden, aber darauf gibt es momentan noch keine klare Antwort. Abhängig ist diese nämlich erstens davon, ob die neue Automatisierungswelle, wie von manchen befürchtet, zu einer längerfristigen Massenarbeitslosigkeit oder, wie vielfach argumentiert, zur Schaffung zahlreicher neuer Jobs führt. Zweitens – und das könnte viel wichtiger werden – ist die Antwort davon abhängig, wie die Gesellschaft mit einem durch die Automatisierung entstehenden neuen Verhältnis zwischen den Faktoren Kapital und Arbeit umgeht.

Das Ende von Kapitalsimus und Sozialismus?

Von einer Annahme kann nämlich mit großer Sicherheit ausgegangen werden: Die Produktion und Distribution sehr vieler Produkte, insbesondere Nahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs, wird durch die Automatisierung in Zukunft mit sehr wenig menschlicher Arbeitskraft auskommen. Die Umsätze der herstellenden Unternehmen werden zugleich aber nicht sinken. Einer bereits bestehenden Tendenz folgend, wird sich der Umsatz von Unternehmen immer stärker von der Mitarbeiterzahl abkoppeln. Oder anders: Unglaublich viel Wertschöpfung wird entstehen, ohne dass „einfache Leute“ ihren Lebensunterhalt davon bestreiten. Der Faktor Arbeit verliert massiv an Bedeutung, während der Faktor Kapital wichtiger denn je wird.

Diese Entwicklung erschüttert die derzeitigen politischen Wertesysteme in ihren Grundfesten. Denn sie nimmt dem kapitalistischen Gesellschaftsideal die Grundlage, das darauf aufbaut, dass Unternehmen über Beschäftigung und damit indirekt über Konsum Geld in den Kreislauf bringen. Und sie nimmt dem sozialistischen Gesellschaftsideal die Grundlage, das den Faktor Arbeit, der dann in vielen Bereichen irrelevant wird, höher bewertet, als den Faktor Kapital. Die politischen Kategorien „Links“ und „Rechts“ nach heutigem Zuschnitt funktionieren dann also auch nicht mehr.

Mögliche Lösung

Die hier beschriebene Dynamik könnte für die Gesellschaft schwer zu verkraften sein. Und hier kommt das bedingungslose Grundeinkommen als mögliche Lösung wieder ins Spiel. Es müsste in dem Gedankenspiel von jenen Unternehmen finanziert werden, die kein Geld mehr über Beschäftigung in den Kreislauf bringen. Damit wäre dann auch die Finanzierungsfrage geklärt. Dieses Modell hätte eine weitere innere Logik: Wenn für die Schaffung der Güter des täglichen Bedarfs keine menschliche Arbeitskraft mehr notwendig ist, warum sollten Menschen dann im gleichen Maße wie heute dafür bezahlen müssen?

Bedingungsloses Grundeinkommen ganz anders denken

Ein großer Kritikpunkt am bedingungslosen Grundeinkommen bleibt damit freilich noch gänzlich offen: Wie verhindert man eine dadurch entstehende Kaufkraftinflation, die mittel- bis langfristig dazu führt, dass das an alle ausgezahlte Geld seine Wertigkeit verliert? Setzt man es nämlich einfach auf das aktuelle Wirtschaftssystem auf, würde das unweigerlich passieren. Man müsste es also ganz anders denken: nicht als Geldbetrag, sondern als Leistungsportfolio zur Abdeckung der Grundbedürfnisse.

Fazit: Diskutieren wir weiter, aber (noch) nicht über die Finanzierungsfrage

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist also als Konvolut zu verstehen, das eine gravierende Änderung im gesamten System – gesellschaftlich und wirtschaftlich – voraussetz. Es wäre eine neue Ordnung jenseits von Kapitalismus und Sozialismus – aus heutiger Sicht durchaus utopisch. Ob das tatsächlich notwendig ist, ist eine Frage, deren Beantwortung noch etwas Zeit hat. Doch es lohnt gewiss, sie jetzt schon zu diskutieren – mehr, als über die leidige Finanzierungsfrage zu sprechen.

⇒ Zur Page des aktuellen Volksbegehrens

Redaktionstipps
Deine ungelesenen Artikel:
vor 6 Stunden

Zwei Vorarlberger Gründerinnen und die Neuordnung des Medikamententascherls

Wenn es drauf ankommt, sofort Pflaster, Medikamente und Co. zur Hand haben - das sollen die Taschen von Einfall für Zwei gewährleisten.
/artikel/einfall-fuer-zwei-medikamententascherl
vor 6 Stunden

Zwei Vorarlberger Gründerinnen und die Neuordnung des Medikamententascherls

Wenn es drauf ankommt, sofort Pflaster, Medikamente und Co. zur Hand haben - das sollen die Taschen von Einfall für Zwei gewährleisten.
/artikel/einfall-fuer-zwei-medikamententascherl
Einfall für Zwei - die Gründerinnen Monika Wohlmuth-Schweizer und Natascha Woschnagg-Kloser | (c) Einfall für Zwei
Einfall für Zwei - die Gründerinnen Monika Wohlmuth-Schweizer und Natascha Woschnagg-Kloser | (c) Einfall für Zwei

Vor allem wenn man Kinder hat, gibt es eine ganze Reihe an Dingen, die man vorsichtshalber immer dabei hat, etwa Pflaster oder Wundsalbe. Und ehe man sich versieht, verfügt man über ein eigenes „Medikamententascherl“, wie man es als Kind bei seinen Eltern kennengelernt hat. Doch ehe man sich ein weiteres Mal versieht, herrscht in diesem Chaos. Und gerade wenn man das Pflaster am dringendsten braucht, muss man das gesamte Tascherl ausleeren, um daranzukommen. Hier kommt Einfall für Zwei aus Vorarlberg ins Spiel.

„System Reiseapotheke ganz neu denken“

Schon 2019 von der Allgemeinmedizinerin Natascha Woschnagg-Kloser und der Unternehmensberaterin Monika Wohlmuth-Schweizer gegründet, will Einfall für Zwei mit seinen Taschen das genannte Chaos endgültig beenden. Man wollte „das System Reiseapotheke ganz neu denken“, meinen die Gründerinnen.

Dazu formulieren sie zwei Ansprüche. Erstens: Ihr Tascherl mit dem Namen „fürALLEfälle“ verfügt über eine Ordnung nach Themengebieten und ein Beschriftungssystem. Fächer für Dinge, die in jeder Apotheke enthalten sein sollen, sind bereits vorgegeben. Zusätzlich bietet die Tasche Raum für individuelle Medikamente. „So kennt sich jedes Familienmitglied intuitiv aus und weiß auch nachher, wohin ein Präparat zurückgehört“, sagt Gründerin Woschnagg-Kloser. Zweitens: Die Tasche sollte besonders leicht, weich und knautschbar sein, ohne dass innen etwas durcheinandergeraten kann. „Eine sperrige Box stört unterwegs nur. So aber kann man alles perfekt verstauen und finden“, meint Gründerin Wohlmuth-Schweizer.

Einfall für Zwei mit Spezialtaschen für Kinder und Hunde

Außerdem sind die Taschen von Einfall für Zwei gut sichtbar und robust: Außen bestehen sie aus dem Stoff, aus dem auch Rettungsjacken sind. Neben der oben genannten allgemeinen Version gibt es mittlerweile auch spezielle Taschen für Notfälle, für Kinder und für Hunde. Hergestellt werden die Taschen mittlerweile in Portugal.

Was die Pläne von Einfall für Zwei angeht, gibt sich Gründerin Wohlmuth-Schweizer übrigens eher bescheiden: „Uns ist klar, dass es Unternehmer und Unternehmerinnen gibt, die genau sagen, zu welchem Zeitpunkt sie welche Verkaufszahlen in welchen Ländern erreicht haben wollen. So sind wir nicht. Aber natürlich hätten wir gern, dass schon bald jeder, der verreist, unsere Apotheke im Gepäck hat, nicht nur, weil damit endlich Ordnung herrscht, sondern weil damit auch jeder und jede einen Betrag zum nachhaltigen Verbrauch von Medikamenten leistet, weniger Medikamente kauft und noch weniger wegwirft.“

Auftritt bei 2 Minuten 2 Millionen

Einen Schritt dorthin dürften die Gründerinnen jedenfalls diesen Dienstag machen. Denn dann wird eine Episode der Show „2 Minuten 2 Millionen“ ausgestrahlt, in der auch die Beiden mit Einfall für Zwei zu sehen sind.

vor 6 Stunden

Zwei Vorarlberger Gründerinnen und die Neuordnung des Medikamententascherls

Wenn es drauf ankommt, sofort Pflaster, Medikamente und Co. zur Hand haben - das sollen die Taschen von Einfall für Zwei gewährleisten.
vor 6 Stunden

Zwei Vorarlberger Gründerinnen und die Neuordnung des Medikamententascherls

Wenn es drauf ankommt, sofort Pflaster, Medikamente und Co. zur Hand haben - das sollen die Taschen von Einfall für Zwei gewährleisten.
Einfall für Zwei - die Gründerinnen Monika Wohlmuth-Schweizer und Natascha Woschnagg-Kloser | (c) Einfall für Zwei
Einfall für Zwei - die Gründerinnen Monika Wohlmuth-Schweizer und Natascha Woschnagg-Kloser | (c) Einfall für Zwei

Vor allem wenn man Kinder hat, gibt es eine ganze Reihe an Dingen, die man vorsichtshalber immer dabei hat, etwa Pflaster oder Wundsalbe. Und ehe man sich versieht, verfügt man über ein eigenes „Medikamententascherl“, wie man es als Kind bei seinen Eltern kennengelernt hat. Doch ehe man sich ein weiteres Mal versieht, herrscht in diesem Chaos. Und gerade wenn man das Pflaster am dringendsten braucht, muss man das gesamte Tascherl ausleeren, um daranzukommen. Hier kommt Einfall für Zwei aus Vorarlberg ins Spiel.

„System Reiseapotheke ganz neu denken“

Schon 2019 von der Allgemeinmedizinerin Natascha Woschnagg-Kloser und der Unternehmensberaterin Monika Wohlmuth-Schweizer gegründet, will Einfall für Zwei mit seinen Taschen das genannte Chaos endgültig beenden. Man wollte „das System Reiseapotheke ganz neu denken“, meinen die Gründerinnen.

Dazu formulieren sie zwei Ansprüche. Erstens: Ihr Tascherl mit dem Namen „fürALLEfälle“ verfügt über eine Ordnung nach Themengebieten und ein Beschriftungssystem. Fächer für Dinge, die in jeder Apotheke enthalten sein sollen, sind bereits vorgegeben. Zusätzlich bietet die Tasche Raum für individuelle Medikamente. „So kennt sich jedes Familienmitglied intuitiv aus und weiß auch nachher, wohin ein Präparat zurückgehört“, sagt Gründerin Woschnagg-Kloser. Zweitens: Die Tasche sollte besonders leicht, weich und knautschbar sein, ohne dass innen etwas durcheinandergeraten kann. „Eine sperrige Box stört unterwegs nur. So aber kann man alles perfekt verstauen und finden“, meint Gründerin Wohlmuth-Schweizer.

Einfall für Zwei mit Spezialtaschen für Kinder und Hunde

Außerdem sind die Taschen von Einfall für Zwei gut sichtbar und robust: Außen bestehen sie aus dem Stoff, aus dem auch Rettungsjacken sind. Neben der oben genannten allgemeinen Version gibt es mittlerweile auch spezielle Taschen für Notfälle, für Kinder und für Hunde. Hergestellt werden die Taschen mittlerweile in Portugal.

Was die Pläne von Einfall für Zwei angeht, gibt sich Gründerin Wohlmuth-Schweizer übrigens eher bescheiden: „Uns ist klar, dass es Unternehmer und Unternehmerinnen gibt, die genau sagen, zu welchem Zeitpunkt sie welche Verkaufszahlen in welchen Ländern erreicht haben wollen. So sind wir nicht. Aber natürlich hätten wir gern, dass schon bald jeder, der verreist, unsere Apotheke im Gepäck hat, nicht nur, weil damit endlich Ordnung herrscht, sondern weil damit auch jeder und jede einen Betrag zum nachhaltigen Verbrauch von Medikamenten leistet, weniger Medikamente kauft und noch weniger wegwirft.“

Auftritt bei 2 Minuten 2 Millionen

Einen Schritt dorthin dürften die Gründerinnen jedenfalls diesen Dienstag machen. Denn dann wird eine Episode der Show „2 Minuten 2 Millionen“ ausgestrahlt, in der auch die Beiden mit Einfall für Zwei zu sehen sind.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag