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Die Sendung “2 Minuten 2 Millionen” vom 26. Mai 2020 war für ehemalige Kokojoo-Mitarbeiter (Anmerkung: alle vollständigen Namen der Redaktion bekannt) ausschlaggebend, aktiv zu werden und sich an die brutkasten-Redaktion zu wenden, um vor ihrem ehemaligen Chef zu warnen.
Anm.: Dieser Artikel basiert auf einer ausführlichen Recherche rund um Vorwürfe gegenüber dem Kakaobohnen-Startup Kokojoo. Einen ausführlichen Bericht gibt es hier:
“Causa öffentlich machen”
Es ist eine ganze Reihe von Ereignissen, die dazu führte, dass sich mehrere ehemalige Mitarbeiter und Vertragspartner zusammengeschlossen haben, um die Causa öffentlich zu machen. Federführend dabei ist Peter (Name geändert), der vier Monate bei Kokojoo gearbeitet hat.
Kokojoo: Das Kakaoschalen-Startup
Zur Erklärung: Kokojoo ist ein Kakao-Startup, das seinen Geschmack aus der Schale der vitaminreichen und kalorienarmen Kakaobohne gewinnt. Es ist ein Firmen-Konzept mit einem charmanten Gründer, das viele junge Leute angezogen hat, als Mitarbeiter im Unternehmen tätig zu werden. So auch Peter.
Anzeige erstattet
Doch nach zwei Monaten im Job hätten die Probleme begonnen: “Ich hab von der Krankenkasse erfahren, dass K. keine Beiträge und Sozialabgaben bezahlt hat. Wir haben uns dann als eine Gruppe von neun Leuten zusammengeschlossen und Anzeige erstattet. Und gewonnen”, erzählt der ehemalige Mitarbeiter.
Verurteilung durchs Arbeitsgericht
Auch andere Mitarbeiter und externe Auftragnehmer des Startups berichten von fehlenden Löhnen, Honoraren und anderen Ungereimtheiten. Etwa: Laut einem Dokument vom fünften November 2019 des Arbeitsgerichtes Berlin, das dem brutkasten vorliegt, wurde K. dazu verurteilt, Peter 5.800 Euro brutto, inklusive fünf Prozent Zinsen, Lohn nachzuzahlen und die Rechtskosten (insgesamt 10.150 Euro) zu tragen.
Gründer nicht auffindbar
K. war jedoch für die Behörden im deutschen Bundesgebiet nicht auffindbar, was aus einem Schreiben vom 20. Juni 2020 der Berliner Staatsanwaltschaft hervorgeht. Darin heißt es, dass das Verfahren bezüglich einer Strafanzeige vom 17. Oktober 2019 “nicht fortgesetzt werden kann, da für den Beschuldigten kein Aufenthaltsort im Bundesgebiet bekannt ist”. Die Berliner Staatsanwaltschaft selbst möchte sich aus rechtlichen Gründen nicht näher zu diesem Fall äußern. Dafür andere Beteiligte, mit denen der brutkasten sprach (siehe Beitrag: “Kokojoo: Alle Hintergründe zu den Betrugsvorwürfen”. Peter redet gar von einem “gezielten und musterhaften Verhalten” seines ehemaligen Chefs.
Stellungnahme des Gründers
Der Gründer selbst war nach einigen Kontaktversuchen schlussendlich doch für den brutkasten erreichbar und gab eine Stellungnahme ab. Darin macht er unter anderem Angaben, die konträr zum dem brutkasten vorliegenden Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Berlin stehen. Im Gegenteil erklärt er, Peter habe eine Mitschuld daran, dass er seine Aktivitäten in Deutschland beenden musste. Auch die Vorwürfe der anderen Beteiligten, mit denen der brutkasten in Kontakt war, versucht der Gründer zu entkräften. Über eine Mitarbeiterin sagt er etwa, sie habe sich “dazu bereit erklärt, bei dem Aufbau der Marke Kokojoo mitzuwirken, wohlwissend, dass finanzielle Engpässe bestehen und Zahlungsverzüge auftreten werden”. Und weiter: “Ich habe ihr stets die Garantie gegeben, dass ausstehende Rechnungen beglichen werden (…)“.
Der Gründer, der sich mittlerweile in Basel befindet, widerspricht in seiner Stellungnahme auch allen Vorwürfen zur Unauffindbarkeit und sagt mitunter: “Aufgrund eines Adressenwechsels, und da ich mich teilweise nicht in Deutschland aufhielt, sowie aufgrund der Corona-Einschränkungen hat sich die Notifizierung der neuen Geschäftsanschrift verzögert. Diese Tatsachen widerlegen die Anschuldigung, dass Kokojoo Food Europe (Anm.: in Deutschland) nicht erreichbar war“.
Andere Zwischentöne
Während Peter und Co. darüber rätseln, welche Gründe das Verhalten des Kokojoo-Gründers hat, und sie wiederholt zwischen den Antworten „Hochstapler“, „Betrüger“, „Scheme“ oder weiteren derben Begriffen hin und her pendeln, gibt es auch andere Zwischentöne.
Der Kokojoo-Gründer würde sich überschätzen, kalkuliere viel zu optimistisch. “Er will gar nicht betrügen“, so eine ehemalige Vermieterin, der K. zwei Monatsmieten schulden soll und die namenlos bleiben möchte: „Jedoch kommt er in Schwierigkeiten und aus seiner Art zu Wirtschaften nicht mehr raus”. Andere denken ähnlich und attestieren ihm zumindest den Willen, alles dafür zu tun, dass Kokojoo weiterläuft. Er könne ein Scheitern nicht akzeptieren. Und ein „Exit“ sei sein oberstes Ziel.
Persönliche Gründe?
K. selbst sieht die Vorwürfe mitunter persönlicher Natur entspringend, und dass Ausländern in der Startup-Szene eine “andere Messlatte auferlegt werde”, so der aus Burkina Faso stammende Gründer. Und betont das grundsätzliche Misstrauen, sowie die weit verbreitete Grundannahme, dass Ausländer bei jedem Zahlungsverzug nicht zahlungswillig sind, wie er sagt.
Während Peter und der Kokojoo-Gründer sich vor Gericht wieder treffen werden, meint K., dass er sich trotz allem und ohne Einschränkungen zu offenen Zahlungsverpflichtungen bekenne, inklusive Gehaltsrückständen, wenn diese rechtens fundiert wären. Und er sich weiterhin engagiere, diese zu begleichen.
Update: In der Zwischenzeit wurde Peters Forderung vom Schweizer Betreibungsamt, das K. gefunden hat, an die Basler Adresse des Kokojoo-Gründers zugestellt. Dieser hat gegen den Zahlungsbefehl Einspruch eingelegt. Auch das Verfahren in Berlin wird nach neusten Erkenntnissen fortgesetzt.
Verfahren eingestellt
Update: Mittlerweile wurde das Verfahren gegen den Kokojoo-Gründer beendet. Wie die deutsche Staatsanwaltschaft in einem dem brutkasten vorliegenden Schreiben mitteilt, hat die zuständige Staatsanwältin das Verfahren, das zwischenzeitlich wieder aufgenommen worden war, wieder eingestellt: “… da nach den durchgeführten Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht.”
Weiters wird beschrieben: “Der Beschuldigte hat den ihm zur Last gelegten Sachverhalt bestritten. Er hat sich durch seinen Verteidiger unter anderem dahingehend eingelassen, dass der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens nicht erwartungsgemäß eingetreten und hieraus eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation gefolgt sei.”
Ein Betrug, im Sinne des § 263 Strafgesetzbuchs setze laut Staatsanwaltschaft eine Täuschung über Tatsachen, etwa die Zahlungswilligkeit oder Zahlungsfähigkeit, voraus. Die bloße Nichterfüllung einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit allein ist nicht strafbar. Dies gelte auch für eine ggf. fehlerhafte Kündigung des oben erwähnten Arbeitsverhältnisses seitens des Beschuldigten.
Konkret: “Vor dem Hintergrund, dass für ihre (Anm. Peters) Arbeitsleistungen jedenfalls teilweise gezahlt wurden, wird dem Beschuldigten nicht nachzuweisen sein, dass er von Beginn an nicht willig oder fähig war seinen Verpflichtungen nachzukommen.”
Allerdings wird in Hamburg weiterhin das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mietbetrugs geführt: “In Bezug auf den von Ihnen (Anm. Peters) zur Anzeige gebrachten Sachverhalts über die Nichtrückzahlung einer Mietkaution für eine Wohnung in Hamburg wurde ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies gilt auch für den von Ihnen geäußerten Verdacht der Insolvenzverschleppung. Aufgrund der angezeigten Zahlungsrückstände durch den Beschuldigten ist hier ein Anfangsverdacht anzunehmen”, so die Berliner Staatsanwaltschaft weiter.
Explizit betont wird zudem, dass etwaige zivilrechtliche Ansprüche durch diesen Entscheid nicht berührt werden. Peter, der federführend in dieser Causa gegen den Gründer ist, lässt mitteilen, dass gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt wurde und sie eine Wideraufnahme des Verfahrens verlangen.