13.07.2022

Kofi Annan Award: Österreich fördert drei afrikanische Startups mit 750.000 Euro

Das Bundeskanzleramt prämierte die ersten drei Preisträger:innen aus Kenia, Nigeria und Zimbabwe. Sie erhalten je 250.000 Euro Fördergeld, internationale Vernetzung und langfristiges Mentoring.
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Kofi Annan Award
(c) BKA/Regina Aigner - Die Gewinner des Kofi Annan Awards stehen fest.

Unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Karl Nehammer, der Mitwirkung von Mitgliedern einer Jury sowie nationalen und internationalen Gästen wurde der Kofi Annan Award am 11. Juli im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler und Außenminister Alexander Schallenberg erstmals an drei afrikanische Social Entrepreneurs verliehen.

Persönlich anwesend waren die Jurymitglieder Elhadj As Sy, Antonella Mei-Pochtler, Valerie Amos, Bogolo J. Kenewendo, Yacine Diop Djibo und Kojo Annan sowie Muhammad Yunus per Videobotschaft.

Kofi Annan Award legt Fokus auf Digitalisierung in Afrika

Der Preis soll mit seinem Fokus auf die rasante Digitalisierung am afrikanischen Kontinent einen Beitrag zur Erreichung des UN-Nachhaltigkeitszieles “Gesundheit und Wohlbefinden” (SDG3) leisten. Damit sollen entwicklungspolitische Denkmuster durchbrochen werden und der Fokus auf innovative, disruptive und unternehmerische Lösungsansätze zur Bewältigung globaler Herausforderungen gelegt werden.

Dazu erklärte Kofi Annan (1938-2018), Friedensnobelpreisträger und Namensgeber des Awards, bereits im Jahr 2002: “Ich wünsche mir, dass die Gesundheit endlich nicht mehr als ein Segen angesehen wird, den man sich wünscht, sondern als ein Menschenrecht, für das man kämpfen muss.”

Award for Innovation

“Das Bundeskanzleramt prämiert mit dem Kofi Annan Award nicht nur innovative Startups aus Afrika mit jeweils 250.000 Euro, sondern holt diese auch vor den Vorhang. Wir geben ihnen damit die Chance, sich mit erfahrenen Unternehmen zu vernetzen und ihre Projekte und Ideen noch besser vorantreiben zu können”, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer per Videobotschaft.

330 Bewerbungen aus 38 Ländern

Insgesamt gab es für den Kofi Annan Award 330 Bewerbungen aus 38 afrikanischen Ländern, mit dem Ziel, die UN-Agenda 2030 umzusetzen und das Bewusstsein für die Nachhaltigkeitsziele weiter stärken.

“Es herrscht wieder Krieg in Europa. Die damit einhergehenden Schockwellen hinterlassen auch auf dem afrikanischen Kontinent tiefe Spuren. Viele der Fortschritte, die wir in den letzten Jahren im Bereich Entwicklung und Gesundheitsvorsorge gemeinsam erzielt haben, drohen zunichtegemacht zu werden. Hinzu kommt die russische Blockade von Lebensmittelexporten, die sich zu einer humanitären Krise insbesondere in nordafrikanischen Staaten entwickeln könnte. Die heute prämierten Projekte setzen dem Zynismus Putins kreative und innovative Lösungen entgegen”, erklärte Außenminister Alexander Schallenberg.

Es seien genau solche digitale Lösungen, die sich mangels gewachsener Strukturen komplett an den Bedürfnissen der Menschen, Ärztinnen und Ärzte orientieren und Engpässe sowie Versorgungslücken auf dem afrikanischen Kontinent schließen.

“Innovation und Technologie können so viel Gutes in der Welt bewirken, und gemeinsam können wir die größten Herausforderungen der Welt lösen”, präzisierte Bernhard Kowatsch, Leiter der Partnerorganisation World Food Programme Innovation Accelerator.

Besonders Artificial Intelligence verbessere Gesundheitsservices und Diagnostik, die Digitalisierung, Telemedizin und elektronische Gesundheitsdokumentation. 2020 flossen bereits neun Prozent von 2,4 Milliarden US-Dollar an Investitionen am afrikanischen Kontinent in den Gesundheitsbereich, nur überholt von Fintech- und Cleantech-Investitionen.

Gerade die digitale Gesundheit zeige sich als das perfekte Terrain für “reverse innovations”: kostengünstige, einfach zu handhabende Ideen für die Gesundheitsversorgung werden von den Akteurinnen und Akteuren – der Patienten- und Ärzteschaft – am Ort des Geschehens entwickelt.

Die Gewinner des Awards

Flare: 95 Prozent oder 1,2 Milliarden Menschen in Afrika haben keinen Zugang zu Rettungsdiensten. Die digitale Plattform koordiniert eine rasche Hilfe und bekämpft die strukturelle Unterversorgung. Das Startup vernetzt auf seiner digitalen Plattform hunderte Ambulanzen und Spitäler und schließt damit eine Lücke in der primären Gesundheitsversorgung.

Eine Million Menschen nutzen die 24/7-App. Seit der Gründung im Jahr 2016 rettete Flare mehr als 10.000 Akut-Patientinnen und -Patienten und half mit seinem Netzwerk, dass 4.000 Babys optimal versorgt im Krankenhaus auf die Welt kamen.

myPaddi by MOBicure: Etwa zwei Drittel aller HIV-/Aids-Infizierten leben in Subsahara-Afrika. Das diskrete Beratungsnetzwerk möchte Abhilfe schaffen und die Sexualgesundheit junger Menschen steigern. Die App für Web und Handy unterstützt bei sexueller Gewalt, dem Vermeiden von Teenager-Schwangerschaften oder HIV-Infektionen. Angeboten werden anonyme Einzelsitzungen mit Ärztinnen und Ärzten und geschultem Beratungspersonal, ein Austausch in der Community und Produkte zur sexuellen Gesundheit auf dem Online-Marktplatz. Derzeit nutzen die App 130.000 junge Menschen in 16 afrikanischen Ländern.

Das Team mit einem Frauenanteil von mehr als 50 Prozent plant in den nächsten Jahren, gemeinsam mit Regierungen und dem privaten Sektor, eine Expansion des digital aufgebauten Notfalldienstes in fünf weitere afrikanische Länder, um Millionen von Menschen das Leben zu retten. Mit einem Chatbot und neuen E-Centers in ländlichen Gebieten will myPaddi künftig noch mehr junge Menschen erreichen.

Vaxiglobal: Millionen Menschen in Afrika werden nicht geimpft, weil sie keinen Impfausweis (mehr) haben. Die Online-Lösung bietet mit biometrischen Daten Sicherheit und soll breitenwirksame Impfkampagnen ermöglichen. Der Awardgewinner aus Zimbabwe setzt kontaktlose Biometrie ein, um die Verschwendung von Impfressourcen zu minimieren, die Datenqualität mit offenen Standards zu verbessern und die Ausweitung von Impfkampagnen in afrikanischen Ländern zu ermöglichen.

Antonellas Mei-Pochtler stellt Award vor

Mit ihrer Lösung werden konkret mittels eines Mobiltelefons die Gesichter von Patientinnen und Patienten gescannt und digitale Zertifikate in einer Cloud erstellt. Derzeit sind 320.000 Menschen registriert und während der Covid-19-Pandemie verifizierte das Unternehmen in einem Pilotprojekt 1,1 Millionen Impfstoffdosen.

Seit der Gründung im Jahr 2019 baute Vaxiglobal Beziehungen zu den Gesundheitsministerien von Zimbabwe, Botswana, Sambia, Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo auf.

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Andreas Hladky | (c) PwC Österreich

Als vor über 20 Jahren das Internet das Licht der Welt erblickte, erkannten amerikanische Manager und Unternehmer rasch das volle Potential der Technologie. Mit einem Heimmarkt von 300 Millionen Kunden, einem milliardenschweren Innovationscluster an Unternehmen und Universitäten und dem notwendigen unternehmerischen Mindset machten sich einzelne Visionäre an die Arbeit.

Das Ergebnis kennen wir: jeden Abend verschieben wir mit unseren Daumen und Zeigefingern Wertschöpfung von Europa nach Amerika – wenn wir auf Amazon Waren bestellen, Netflix oder Disney+ Serien auf unseren Apple-Geräten genießen, durch Facebook, Instagram oder LinkedIn scrollen und parallel dazu WhatsApp Nachrichten senden. Europa? Kaum dabei.

TED AI Vienna Konferenz

Vierundzwanzig Jahre später fand nun am vergangenen Wochenende unter Teilnahme führender internationaler Köpfe die TED AI Vienna Konferenz in Wien statt. Sie begann mit einem kritischen Statement von KI-Legende Sepp Hochreiter, der von einem besorgniserregenden Innovationsumfeld in Europa sprach und davon berichtete, wie Unternehmen dem Umgang mit KI ebenso skeptisch gegenüberstünden wie ehemals dem Web und europäische Erfindungen anderswo aufgegriffen und ökonomisch erfolgreich gemacht werden.

Diese Beobachtung teilten und teilen viele Mitglieder und Teilnehmer der österreichischen Innovationscommunity in den nachfolgenden Sessions und informellen Gesprächen rund um die TED AI, egal ob in Unternehmen oder Startups, jung oder alt, in der Forschung oder der Praxis: wir sind gerade dabei, den nächsten technologischen Innovationssprung aussitzen zu wollen.

Europas Wohlstand in Gefahr

Europa genießt immer noch die Ernte einer beispiellosen und mittlerweile jahrhundertealten Erfolgsgeschichte: Innovationen vorwiegend des 19 Jahrhunderts ermöglichten einen Siegeszug in so gut wie allen Branchen und Bereichen. Seit vielen Jahrzehnten schon wird dieser Erfolg nur mehr verwaltet, optimiert und adaptiert: ein wenig Wachstum hier, ein paar Prozent Umsatzplus dort, ein wenig Margenoptimierung oder anorganisches Wachstum – fertig. Das eigene Geschäftsmodell radikal zu hinterfragen, geschweige denn neu zu erfinden ist nicht Teil der Aufgabe. Und genau dieser Umstand – der Fokus europäischer Entscheidungsträger in Politik und Unternehmer auf risikooptimiertes Vorankommen bedroht unseren Wohlstand nun in zunehmendem Maße.

Neue Technologien als Bedrohungspotential?

Bei genauer Betrachtung klingt hohl, womit wir uns in Europa schmücken, wenn wir etwa bei neuen Technologien sofort über deren Bedrohungspotential diskutieren und uns daran machen, ebendieses zu zähmen noch ohne selbst überhaupt überzeugende, skalierbare und wertschöpfungsorientierte Lösungen gebaut zu haben (oder bauen zu können), die unseren europäischen Werten entsprechen. Regulatorik ist wichtig und wir können stolz darauf sein, in Europa die Gefahren neuer Technologien zu erkennen und rechtzeitig mitigieren zu wollen. Aber Regulatorik ersetzt und ermöglicht nicht per se die milliardenschweren Industrien, die in den USA, Asien und teilweise auch schon Afrika entstehen und dort Wohlstand und Wertschöpfung sichern.

Wir brauchen Investitionen

Die TED AI in Wien hat uns vor Augen geführt, dass hohe Investitionen in Forschung, Entwicklung, für Unternehmen und Standorte dringend notwendig sind, um ein Umfeld zu schaffen, dass auch nur annähernd im Wettbewerb bestehen kann. Auch wenn wir es kaum wahrnehmen wollen: Daten werden immer öfter ganze Branchen und Geschäftszweige ersetzen und je länger wir uns dieser Erkenntnis gegenüber abwartend verhalten, umso mehr Wertschöpfung, umso mehr Arbeitsplätze, umso mehr Wettbewerbsfähigkeit wird verloren gehen. Auf eine neue Steinzeit zu hoffen oder zu glauben, dass wir als Freilichtmuseum des Planeten Innovationsleistung ersetzen können, ist keine Strategie. TED AI hat uns die Zukunft gezeigt; sie anzunehmen – das ist unsere Aufgabe.


Andreas Hladky ist Partner bei PwC Österreich und Leiter des Bereichs Digital Consulting. Mit seinem Team unterstützt er Unternehmen in allen Branchen bei der digitalen Transformation. Als Gründer eines führenden Beratungsunternehmens für den digitalen Wandel und erfahrener Keynote Speaker ist er Experte für Geschäftsmodell-Innovationen.

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