12.09.2018

“Europa schläft” – Vergebene Chance mit Afrikas boomender Startup-Szene

Afrika: Ein acht Millionen Dollar Investment ins nigerianische FinTech Paystack von unter anderem Visa, Stripe und Tencent steht stellvertretend für den Aufstieg der afrikanischen Startup-Szene. Im Gespräch mit dem brutkasten durchleuchtet 1MillionStartups-Founderin Selma Prodanovic die Chance für Entrepreneurship am Kontinent.
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(c) 1millionstartups East Africa - In Afrika entstehen an verschiedenen Orten vielversprechende Startup-Hotspots, die die Aufmerksamkeit von China und Global Playern geweckt haben.

Wie Ende August bekannt wurde, konnte das nigerianische Payments-Unternehmen Paystack eine Series-A-Finanzierung von acht Millionen Euro lukrieren. Unter den Investoren befinden sich weltweit führende Zahlungsanbieter, wie Kreditkarten-Riese Visa, das Payment-Scaleup Stripe, Y-Combinator und der chinesische Mega-Konzern Tencent. Abseits der leistungsstarken APIs und einer Bearbeitungsrate von 15 Prozent aller Online-Transaktionen im Heimatmarkt Nigeria, die Paystack für sich beanspruchen kann, ist es ein anderer Punkt der diese Meldung bemerkenswert macht. In Afrika tut sich etwas.

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Afrika: ein “Waking Up”

“Weltweit gibt es laut Schätzungen jährlich 100 Millionen neue Entrepreneure. Bis 2020 soll die Milliardengrenze geknackt werden”, sagt Selma Prodanovic und erklärt die Vorgänge im tiefen Süden. “In Afrika entstehen durch die technologische Entwicklung viele Möglichkeiten. Es ist eine Art ‘Waking Up’ des Kontinents”.

Finanzierung: Vorjahreswert bereits im Juni übertroffen

Die Szene am gesamten Kontinent konnte in den vergangenen Jahren gut zulegen. Laut der Plattform Disrupt-Africa steigerte sich etwa das gesamte Investment-Volumen von 2016 auf 2017 um rund 50 Prozent auf knapp unter 200 Millionen US-Dollar. Die Plattform Quartz-Africa schätzt, dass das Jahr 2018 einen weiteren Rkord bringen wird. Demnach habe es von Jänner bis Juni 2018 am Kontinent bereits Funding-Deals im Wert von 168,6 Millionen Dollar gegeben. Besonders FinTechs wie das oben genannte Paystack stehen hoch im Kurs. Prodanovic sieht in der generellen Tendenz ein wachsendes Interesse des Auslands, wobei China federführend sei.

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(c) Atlas/Weetracker – Fin- und Healthtech gehören zu den meist finanzierten Startup-Bereichen in Afrika in 2018.

60 Milliarden Dollar Investitionen

Zur Erinnerung: Beim China-Afrika-Gipfel am 3. September waren über 50 afrikanische Staatschefs der Einladung Pekings gefolgt, um den bereits existierenden ökonomischen Verbindungen auch einen politischen Rahmen zu verpassen – das Handelsvolumen der Volksrepublik mit Afrika beträgt derzeit jährlich rund 170 Milliarden US-Dollar. Nun folgt mehr: Staatschef Xi Jinping hat in seiner Auftaktrede Investitionen von rund 60 Milliarden Dollar versprochen, davon 15 Milliarden Dollar als Hilfen und zinslose Kredite. Mit diesen Zahlen hat das Reich der Mitte, nicht bloß in der Startup-Szene, die USA und, weitaus markanter, Europa weit abgehängt.

Für EU Afrika nur ein Problem?

“Europa schläft”, sagt Prodanovic. Man sehe die Szene in Afrika nicht als “Opportunity” sondern als Problem, obwohl dortzulande unglaublich Viel entstehe. “Es entwickeln sich zahlreiche lokale Investoren, die Kommunikation wird einfacher (Anm: Bis 2020 sollen laut Africatech rund 660 Millionen Afrikaner Smartphones nutzen – 2016 waren es noch 336 Millionen) und es gibt viele Leute in vielen Bereichen, die neugierig sind”, so Prodanovic weiter.

Unlogische Zögerung

Den Grund für die Zögerlichkeit Europas sieht die “Grande Dame der österreichischen Startup-Szene” in der westlichen Sicht auf Afrika. Und der “Angst” vor Immigration, die sie nicht versteht. “Man muss kein Super-Unicorn werden. Wenn es jedoch durch die neuen Bedingungen gelingt, drei Jugendliche zu Entrepreneuren zu machen, statt sie in die Fänge diverser Terrormilizen zu treiben, dann sinkt auch der Bedarf nach Europa zu kommen”, sagt Prodanovic. Damit erkläre sich zugleich aus ökonomischer und sozialgesellschaftlicher Sicht die Unlogik der europäischen Vorsicht und Zögerung.

Veränderte Arbeitswelt

Während Europa hadert, verändert sich das Gesicht der Arbeit in Afrika immer stärker. Stichwort: Gig-Economy. Der “Future of Work: Exploring the African Digital Work Landscape Report 2018” untersuchte 180 Startups, die quer über den Kontinent agieren und dabei die “Labour-Transition” vorantreiben. Die Qunitessenz des Berichts: Afrika heiße den digitalen Arbeitsplatz mit offenen Armen willkommen.

Lösungen finden mittels Tech

“Der Kontinent steht einer signifikanten Arbeitslosigkeit gegenüber. 16 von 30 der höchsten Arbeitslosenzahlen weltweit gehören zu afrikanischen Ländern”, sagt Disrupt Africa Co-Founderin Gabriella Mulligan, “Im Tech-Bereich könnten jedoch die Antworten darauf liegen. Startups entwickeln innovative Wege, um alle möglichen Experten in Arbeit einzubinden. Und Investoren sehen das Potential”.

Auch Tom Jackson, Co-Founder Disrupt Africa sieht eine ähnliche Entwicklung. “Jeder, angefangen von Reinigungskräften, Lehrern oder Handwerker, hat die Möglichkeit über diverse Online-Marktplätze und On-Demand-Plattformen Arbeit zu finden”, sagt er. “Diese Lösungen legen die Macht in die Hände von Individuen – Arbeitern oder Kunden – und ermöglichen immer mehr Afrikanern Zugang zu Möglichkeiten”.

Aus dem Kaff oder dem Eltern-Schlafzimmer

In diesem Sinne sieht Selma Prodanovic vor allem hinsichtlich der SDGs ( Sustainable Development Goals), dass afrikanische Einwohner die Probleme um sich herum lösen und nennt die ganze Bewegung “von einem unglaublichen Reichtum geprägt” und faszinierend. “Heutzutage kann man von überall ein Startup starten. Aus einem Kaff, dem Schlafzimmer der Eltern. Durch Technologie ist das möglich”, sagt sie.

Mit ihrer Startup-Galerie 1millionstartups möchte Prodanovic Startups unterstützen, die “echte Probleme lösen”, wie sie sagt. Zu den Unterstützern der Plattform zählt unter anderem das African Business Angel Network (ABAN). Zudem hat die Initiative Kooperationen mit der UNIDO, sich den UN SDGs verschrieben und mit 1millionstartups East Africa in Nairobi einen Ableger, unter der Leitung von Margaret Mutheu, um die lokale Startup-Community zu unterstützen und zu vernetzen. Und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Insgesamt geht es jedenfalls aufwärts, wie folgende Statistik zeigt:

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(c) Atlas – In Kenia wurden 82.8 Millionen Dollar an Funding lukriert.

Kenia mit größter Fundingsumme

Auch wenn Nigeria für heuer mit 29 “closed deals” die meisten Investments erhalten hat, so haben kenianische Startups mit 82.8 Millionen “funds raised” ungefähr dreimal soviel an Funding erhalten. Weetracker erwähnt explizit, bei der Analyse der afrikanischen Startup-Szene keinen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. So werden eigenen Angaben nach keine Deals im Industriebereich gezählt. Das Venture-Capital-Unternehmen Partech Ventures spricht im Jahresbericht 2017 von einer Investitionssumme von 560 Millionen Dollar.

Das Erwachen von “Silicon Savannah”

Während Europa zögert entstehende Startup-Hotspots in Afrika als Chance wahrzunehmen, drängt China auf ökonmischer, wie politischer Ebene rasant hinein; aus den USA sind es Facebook  und Google (beide Johannesburg, Südafrika), die die Zeichen der Zeit erkannt haben. Das Weltwirtschaftsforum nannte bereits im Bericht von 2016 Gründe, die für eine rosige Zukunft Afrikas sprechen: eine wachsende Mittelschicht, eine sehr junge Bevölkerung und Fortschritte bei Bildung und Beschäftigung. Gründe, die dafür sprächen dass Europa den gar nicht so weit entfernten Blick ins “Silicon Savannah” und anderen Hotspots werfen sollte, um Teil der Innovationskraft eines bislang “schlafenden” Kontinents zu sein, der aufgewacht ist.

Eventinfo:

Die 1MillionStartups Global Conference, findet am 13. und 14. September im Wiener WeXelerate statt (Startup Day am 14.9.). Ziel der Veranstaltung: Die Umsetzung der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen mithilfe von Startups.


⇒ 1Millionstartups East Africa

⇒ UN SDGs

⇒ Disrupt Africa

Archiv: Video-Interview mit Selma Prodanovic

Live from Webit with Business Angelina Selma Prodanovic, about her third mandate on the board of European Business Angels Network, the new award from the EBAN conference in Sofia, the success of the Austrian Startups (UNIspotter, Wohnwagon) and Austrian Angel Investors Association at the conference and much more!

Gepostet von DerBrutkasten am Dienstag, 26. Juni 2018

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neoom
(c) neoom - Das oberösterreichische Energy-Scaleup neoom startet Projekt in Deutschland.

In der Gemeinde Bakum im niedersächsischen Oldenburger Münsterland entsteht derzeit in einem Pilotprojekt eine Energy-Sharing-Community. Darin teilen die Mitglieder der Bürgerenergiegemeinschaft Bakum den Strom ihres gemeinsamen Windparks und ihrer PV-Anlagen auf dem Dach. Damit dies trotz noch fehlender gesetzlicher Rahmenbedingungen möglich ist, haben sich die Gemeinde Bakum, die Energiegenossenschaft Bakum, die EWE Netz GmbH und das Freistädter Scaleup neoom in einem Demonstrationsprojekt zusammengetan.

neoom-App zur Visualisierung

“Es ist eine perfekte Symbiose”, sagt Jan Hoyer, Vorstand der Energiegenossenschaft Bakum. “Wir bringen die Mitglieder und das Windrad, die Gemeinde ihren PV-Strom, die EWE Netz stellt die Energiedaten und die intelligenten Messsysteme zur Verfügung und neoom bietet eine App zur Visualisierung und die Abrechnungsprozesse an.”

Wenn also in Zukunft in Bakumer Landen die Sonne scheint oder der Wind weht, wird die erzeugte Energie der Teilnehmenden der verbrauchten Energie gegenübergestellt, um zu ermitteln, welcher Anteil für jeden 15-Minuten-Block direkt in der Region verbraucht wurde. Diese Energiemenge ist jene, die innerhalb der Community in Zukunft direkt geteilt werden kann.

Damit sich die Community schon jetzt trotz fehlender regulatorischer Möglichkeiten möglichst real anfühlt, erhalten die Teilnehmenden eine virtuelle Abrechnung der geteilten Energiemengen und für jede mit der Community geteilte kWh gibt es auch einen Bonus. “Das sollte im Schnitt jedem Haushalt 50 bis 100 Euro bringen”, schätzt Thomas Nenning, der für die digitalen Produkte bei neoom zuständig ist.

Die Projektpartner setzen sich das gemeinsame Ziel, die Energiegemeinschaft entlang der regulatorischen Möglichkeiten sukzessive auszubauen, um im nächsten Schritt die innergemeinschaftlichen Energiemengen und die Reststrommengen getrennt abzurechnen. Sobald die energiewirtschaftlichen Prozesse auch regulatorisch angepasst werden, soll die Community in den Vollbetrieb wechseln.

Energiewende

“In unserer Region spielt Strom aus Wind und Sonne eine große Rolle. Wir zeigen mit diesem Projekt in Bakum nicht nur, was technisch damit möglich ist und allen Akteuren den größtmöglichen Nutzen liefert, sondern vor allem auch, wie Energiewende funktionieren muss”, sagt Ralf Kuper, Regionsleiter Cloppenburg/Emsland von EWE Netz.

EWE sieht mit diesem Piloten die Chance als Pionier Praxiserfahrung zu sammeln und Impulse für die Gesetzgebung weiterzugeben: “Es geht darum, besser zu verstehen, welche rechtlichen und technischen Herausforderungen im Detail entstehen, um für die gesetzliche Ausgestaltung von Energy-Sharing sinnvolle und effiziente Lösungen aufzuzeigen”, sagt Jannis Reichel, der bei EWE Innovationen und neue Geschäftsmodelle vorantreibt.

Neoom und das Zwiebelschalenkonzept

Die Praxiserfahrung aus dem Betrieb von knapp hundert aktiven Energiegemeinschaften in Österreich möchte neoom nutzen, um auch in Deutschland zu zeigen, wie das regionale Teilen von Energie für das Thema Energiewende begeistert.

“Für uns ist die dezentrale Energieversorgung ein Zwiebelschalenkonzept”, so Nenning abschließend. “Zuerst die Eigenversorgung über PV und Stromspeicher maximieren, danach Strom möglichst regional teilen und für all die Zeiten, wo dies nicht ausreicht, die Energie mit dem Energieversorger handeln.”

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