28.11.2017

Digitalisierung in KMU: “Das Internet ist kein Modegag”

Nikolaus Franke ist Experte für Innovation in kleinen und mittleren Unternehmen und Professor an der WU Wien. Mit dem Brutkasten sprach er darüber, warum mehr Firmen die Risiken der Innovation eingehen sollten.
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Ohne Innovation werden viele Unternehmen nicht überleben. © Pixabay
Ohne Innovation werden viele Unternehmen nicht überleben. © Pixabay

Warum schneiden KMU in Digitalisierungs-Studien so schlecht ab?

Die Unterschiede innerhalb von kleinen bzw. mittleren Unternehmen sind viel größer als zwischen großen Unternehmen. Man kann also vereinfachend von “den“ Großunternehmen sprechen. Bei KMU ist das schwierig. Unter ihnen gibt es Vorreiter der Digitalisierung und solche, die das Internet noch für eine Art Modegag halten. Es ist aber sicher richtig, dass ein beträchtlicher Teil des Mittelstands nicht übermäßig innovativ ist.

+++ Innovate or die: Wie die Digitalisierung den Mittelstand durchrüttelt +++

Ist das ein Problem?

Ja. Die „schöpferische Zerstörung“ war natürlich schon immer die Wirkung von Innovation. Schumpeter hat diesen Begriff vor 100 Jahren geprägt. Im digitalen Zeitalter kann es aber sehr schnell passieren, dass Unternehmen oder ganze Branchen überflüssig werden.

Da gibt es den Witz von dem Mann, der aus dem 80. Stockwerk fällt. Er sagt bei jedem Stockwerk, an dem er vorbeifliegt, “bis jetzt ist es gut gegangen.”

Gilt das auch für sehr kleine Betriebe, Handwerker zum Beispiel?

Natürlich. Die Digitalisierung betrifft uns alle. Manche haben es nur noch nicht gemerkt. Da gibt es den Witz von dem Mann, der aus dem 80. Stockwerk fällt. Er sagt bei jedem Stockwerk, an dem er vorbeifliegt, “bis jetzt ist es gut gegangen.” Es gibt zwar Produkte, bei denen besonders Tradition und Unverfälschtheit geschätzt wird. Aber das ist eher die Ausnahme von der Regel. Außerdem wird hier in den Prozessen auch sehr häufig innovativ gearbeitet, oft setzen die Betriebe neue Geschäftsmodelle ein oder erschließen sich neue Märkte. Innovation ist nicht immer nur Produktinnovation.

Gibt es Innovationsverweigerer im Mittelstand?

Es gibt einen Typus im Mittelstand, der nicht innovativ ist und es auch nicht sein will. Manche befinden sich in einer Nische, die sind von Glück gesegnet. Die machen sozusagen beim Gehen die Augen zu und stoßen nirgends an. Leider muss man sagen, dass das selten lang gut geht. Was ist denn schon so perfekt, dass es nicht weiter verbessert werden kann? Fast alles kann man leistungsstärker, haltbarer, einfacher, gesünder, umweltschonender, intuitiver zu bedienen oder billiger machen. Diejenigen, die das leisten, werden dazu gewinnen. Die anderen werden vom Markt aussortiert. Es gibt viele Traditionsbetriebe, die in den letzten Jahren Pleite gemacht haben.

Ist das alarmierend?

Für den einzelnen Betrieb und den einzelnen Mitarbeiter ist es natürlich schlimm. Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist das die Funktion von Markt und Wettbewerb. Die Welt ändert sich. Und wer sich den Veränderungen nicht oder nicht auf die richtige Weise anpasst, der wird verlieren.

Prof Nikolaus Franke 3 © Stephan Huger
Nikolaus Franke ist Professor an der WU Wien. © Stephan Huger

Kann man auch trotz Innovation verlieren?

Das ist möglich, natürlich. Sicherheit und Innovation schließen einander aus. Wenn man Innovation will, muss man akzeptieren, dass manche Projekte nicht klappen werden. Eine Innovation ist der Schritt ins Unbekannte, da kann man sich immer irren. Dinge können schief gehen, andere Unternehmen sind vielleicht besser. Und je radikaler die Innovation ist, desto größer ist nicht nur die Chance, sondern auch das Risiko, das man eingeht. Hierzulande wird oft betont, dass wir zwar nicht so viele oder tolle Startups haben, aber die Überlebensquote dafür sehr hoch ist. Das klingt zunächst gut. Aber eine geringe Ausfallquote kann man also auch als zu geringe Innovativität der Neugründungen lesen. Und das bedeutet, dass wir auch auf die positiven Ausnahmefälle verzichten, die sogenannten „Einhörner“, die Facebooks, Googles und Teslas.

Also sollen wir die Opfer der Digitalisierung feiern?

Wir sollten den Mut von allen feiern, die Innovation wagen – auch wenn es nicht gut geht. In den “Top 100” gab es ein Unternehmen mit einer sensationell hohen Quote an Verbesserungsvorschlägen, fast 40 pro Mitarbeiter und Jahr. Normal sind 1-2, in manchen Branchen auch deutlich weniger. Unterm Strich hat dieses Unternehmen jedes Jahr viele Millionen durch Prozessinnovationen eingespart. Wir haben das analysiert, der Schlüssel war die Fehlerkultur. In den Mitarbeiter-Jahresgesprächen wird immer nach den drei größten Fehlern im letzten Jahr gefragt. Wer keine liefert, hat ein Problem. Aber natürlich nicht, weil man dort irgendwie verrückt ist, sondern weil man weiß, dass man auf diese Weise die übermäßige Vorsicht aus dem Unternehmen wegkriegt.

Bei der Initiative TOP 100, die sie mitgestalten, bewerben sich KMU, die besonders innovativ sind. Gibt es da ein verbindendes Element?

Auffällig ist, dass bei diesen Unternehmen Innovativität ein durchgängiges Element ist. Die Führung ist innovationsorientiert, Strategie und Organisation sind auf Innovation ausgerichtet. Das Klima ist innovationsfreundlich, es gibt Anreize zur Innovation. Diese Unternehmen sind typischerweise auch sehr nach außen orientiert. Sie versuchen global Trends aufzuspüren, binden ihre Kunden ein und schauen auch in andere Märkte. Der Schwerpunkt liegt darauf, schnell zu reagieren und damit die potenziellen Stärken des Mittelstandes auch auszuspielen. Aufgrund dieser Stärken sehen wir im Übrigen auch weltweit eine Renaissance des Mittelstandes.

Welche Stärken sind das?

Vor allem Geschwindigkeit und Flexibilität. Je größer eine Organisation ist, desto langsamer, bürokratischer, träger und politischer. Großunternehmen sind wie große Tanker. Die lassen sich auch nicht leicht von ihrem Kurs abbringen. In einem mittelständischen Unternehmen redet der Mitarbeiter beim Mittagessen mit seinem Chef. Der sagt: “super Idee, starten wir sofort”. Die Fähigkeit, Ideen schnell umzusetzen, ist die Chance des Mittelstandes.

Wie kann ein nicht innovatives KMU innovativ werden?

Es gibt kein einfaches Rezept. Sinnvollerweise startet man mit einer gründlichen und schonungslosen Bestandsaufnahme. Haben wir eine innovationsorientierte Führung? Wie sehr sind Prozesse und Organisation auf Innovation ausgerichtet? Haben wir eine innovationsfördernde Unternehmenskultur? Schauen wir systematisch nach Außen? Typischerweise wird man in all diesen Bereichen Mängel feststellen. Wer innovativ werden will, muss an ihnen konsequent arbeiten. Was sicher nicht funktioniert, ist nur einen Innovationsmanager einzustellen und ansonsten alles beim Alten zu lassen.

Das ist wie bei den Diätversprechen, wonach man 20 Kilo in zehn Tagen verliert. Das glaubt doch nur ein Depp.

Sind typische Innovationsstrategien aus der Fachliteratur eine Lösung?

Natürlich ist das sinnvoll. Man darf sich nur nicht erwarten, dass über Nacht Wunder geschehen und alles wird gut. Manche Konzepte sind in dieser Hinsicht sehr marktschreierisch. Aber das ist wie bei den Diätversprechen, wonach man 20 Kilo in zehn Tagen verliert. Das glaubt doch nur ein Depp. Aber daraus sollte man nicht den Rückschluss ziehen, dass man nichts tun kann und sollte. Wie im Beispiel mit dem Mann, der aus dem Hochhaus fällt: Der fliegt jetzt vielleicht am 30. Stock vorbei und sollte daher schleunigst seinen Fallschirm öffnen – auch wenn er trotzdem hart landen wird.

Gibt es viele, die dann komplett aufgeben?

Die gibt es, leider. Das ist unverantwortliches Management. Was auch passiert, ist, dass das Topmanagement nicht bereit ist, auch die typischen Nebenwirkungen einer Innovationsorientierung zu tragen. Es wird zwangsläufig auch Fehlschläge geben. Damit muss man leben.

Kann es sich jedes KMU leisten, mit Innovationsprojekten zu scheitern?

Lieber mit den Nebenwirkungen leben, als den Zug verpassen. Wer die Risiken der Innovation vermeiden will und deshalb nicht innovativ ist, geht das größere Risiko ein. Und natürlich gibt es Methoden, wie man die Risiken früh im Prozess erkennen kann, Stichwort Lean-Startup-Methode. Das hilft, um die Kosten im Griff zu behalten.

Wie kann man im eigenen Unternehmen Anreize zur Innovation bieten?

Anerkennung ist der stärkste Anreiz. Innovatoren sollte man als Vorbilder feiern. Man sollte ihnen auch mehr Verantwortung geben, auf diese Weise kann sich der Effekt multiplizieren. Im Übrigen sollte man auch die intrinsische Motivation nicht unterschätzen. Der Mensch ist ein kreatives Lebewesen. Es macht uns glücklich, wenn wir etwas erschaffen, wenn wir etwas Neues hinkriegen, eine Fußspur hinterlassen. Das ist auch ein wesentlicher Antrieb für Unternehmer. Geldprämien sind dagegen eine zweischneidige Sache.

Das ist im Management sicher keine leichte Aufgabe …

Ja, das ist der Punkt, wo man mit Anordnungen natürlich nicht weiterkommt. Aber es gibt Möglichkeiten, wie man ein Umfeld schaffen kann, in dem das gefördert wird. Google und andere Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern 20 Prozent der Arbeitszeit für Projekte zur Verfügung, die sie nicht rechtfertigen müssen. In vielen mittelständischen Unternehmen, die sehr innovativ sind, gibt es ein auch reserviertes Budget für neuartige Ideen, das kurzfristig abgerufen werden kann. Häufig ist es nicht so teuer, einen Prototypen zu entwickeln und im Markt auszuprobieren. Innovation heißt experimentieren.

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Digitale Exporte
(c) Viktor Stojkoski, Philipp Koch, Eva Coll, & César A. Hidalgo

“Die Entwicklung von Österreichs Exportwirtschaft ist eine Erfolgsstory, die ihresgleichen sucht” – so lautet der erste Satz im aktuellen Bericht “Österreichische Exportwirtschaft 2024/2025” der Wirtschaftskammer-Unterorganisation Außenwirtschaft Austria. Mit 201 Milliarden Euro Gesamtvolumen wurde 2023 ein neuer Rekord erzielt. Bei den Pro-Kopf-Exporten der Waren liegt Österreich auf Platz 8 in der Weltrangliste, innerhalb der EU sogar auf Platz 6.

EU weit hinter USA und China bei digitalen Exporten

Es besteht also kein Zweifel an der Stärke von Österreichs Exportwirtschaft. Doch die Sache hat einen Haken. Das legt eine diese Woche in “Nature Communications” publizierte Studie nahe, die von einem Forscher:innen-Team rund um EcoAustria Researcher Philipp Koch erstellt wurde. Die Kernaussage: Bei digitalen Exporten liegt die EU weit hinter den USA und China. Doch dieses Segment wächst schneller als der klassische Waren-Exportsektor.

Konkret übertrafen die digitalen Exporte der USA im Jahr 2021 laut Studie jene der EU-27 um mehr als das Zehnfache. 672 Milliarden US-Dollar stehen 48 Milliarden US-Dollar gegenüber. Auch China hat die EU-27 im selben Zeitraum um mehr als das Doppelte übertroffen (107 Mrd. US-Dollar). Forscher Philipp Koch nennt weitere Zahlen: “Österreich exportierte im Jahr 2021 weniger als 290 Millionen US-Dollar an digitalen Produkten. Das entspricht lediglich rund 1,1 Prozent der gesamten österreichischen Waren- und Dienstleistungsexporte”. Global betrachtet zeichnete im Jahr 2021 der digitale Handel mit knapp einer Billion US-Dollar für rund 3,5 Prozent des insgesamten Welthandels verantwortlich.

Digitale Exporte USA EU China
(c) Viktor Stojkoski, Philipp Koch, Eva Coll, & César A. Hidalgo 

Ökonomische und ökologische Vorteile

Die digitalen Exporte hätten jedoch sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile, führen die Studien-Autor:innen aus: “Länder, die Wirtschaftswachstum von Treibhausgasemissionen entkoppelt haben, tendieren zu höheren digitalen Exporten, was darauf hindeutet, dass der digitale Handel nachhaltigere Formen der wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen kann.” Zudem seien digitale Produkte tendenziell von höherer wirtschaftlicher Komplexität als physische Produkte, was darauf hindeute, dass digitale Produkt-Exporte wertvolle Beiträge zur Weiterentwicklung einer Wirtschaft leisten.

Koch kommentiert: “Insgesamt sind gesteigerte digitale Exporte ein Schlüsselelement für das langfristige wirtschaftliche Wohlergehen von Österreich und Europa im globalen Markt. Die Ergebnisse unserer Studie unterstreichen einmal mehr die Notwendigkeit für Europa, den digitalen Sektor zu stärken und in digitale Infrastruktur zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben”.

Tochterunternehmen erschweren Datenerfassung

Belastbare Daten zu den digitalen Exporten zu bekommen, gestaltete sich für die Studienautor:innen übrigens gar nicht so einfach. “Wenn jemand in Österreich beispielsweise ein Videostreaming-Abonnement des US-amerikanischen Anbieters Netflix kauft, ist dies eine internationale Handelstransaktion. Da Technologieunternehmen allerdings häufig lokale Tochtergesellschaften besitzen, die ihre Auslandstransaktionen verschleiern [Anm. siehe Vergleich in der Grafik], und der Handel von Dienstleistungen nicht sehr granular erfasst wird, gestaltete sich die Erfassung des internationalen Handels mit digitalen Produkten bislang schwierig”, heißt es von ihnen.

Durch den Einsatz von Machine Learning kombiniert mit Umsatzstatistiken von mehr als 15.000 Unternehmen sei es aber gelungen, bilaterale Handelsschätzungen für 31 Sektoren, 189 Länder und alle Jahre von 2016 bis 2021 zu erstellen.

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