03.11.2022

“Das Klischee von den Faulenzern im Home Office geht an der Realität weit vorbei”

Jakob Kiblböck von SAP im Interview über den Stand der Dinge in der Employee Experience und aktuelle Herausforderungen im HR-Bereich.
/artikel/kiblboeck-sap-employee-experience-summit
Jakob Kiblböck: Warum bei SAP Human Capital Managment (HCM) zu „Human Experience Management“ (HXM) wurde
(c) SAP: Jakob Kiblböck
kooperation

Vor einiger Zeit begann ein Paradigmenwechsel im HR-Bereich: Employee Experience stellt – wie der Name schon sagt – die Erfahrungen der Mitarbeiter:innen im Unternehmen ins Zentrum. Bei SAP setzt man bereits einige Jahre lang auf das neue Prinzip. Im Rahmen des Employee Experience Summit, der dieses Jahr zum dritten Mal stattfand, sprachen wir mit Jakob Kiblböck, Head of SuccessFactors CEE bei SAP, über die bisherigen Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen im HR-Bereich.


brutkasten: Der Employee Experience Summit findet zum dritten Mal statt und du bist zum dritten Mal dabei. Wie weit ist das Thema EX in Österreich mittlerweile angekommen?

Jakob Kiblböck: Es ist offensichtlich, dass das Thema “Employee Experience” in Österreich im Alltag von HR angekommen ist. Mittlerweile gehören Sätze wie, “moments that matter” zum Standardrepertoire auf jeder HR Konferenz in Österreich. Doch wie bei allen Business Buzzwords und Hypes kommt genau jetzt der spannende Part und die wichtigste Phase auf uns zu: Wie verankere ich EX in der Alltagsarbeit von HR und lasse es nicht als Einmalprojekt verkommen?

Zur Eingrenzung: Was kann EX im Vergleich zur klassischen HR besser?

Die zwei Themen lassen sich nicht per se trennen, denn im Grunde genommen ist EX klassische HR-Arbeit. Man kann Employee Experience praktisch nicht “nicht machen”. Zentral ist für mich, dass uns Employee Experience ein Perspektivenwechsel bietet: Wir sehen alle Prozesse nicht erst aus HR Sicht, sondern wir fokussieren uns auf den Manager- und Mitarbeiter:innen-Blickwinkel.

Wir haben in einem Interview vor zwei Jahren vom Umstieg bei SAP von “Human Capital” auf “Human Experience” gesprochen – kannst du ein Zwischenresümee ziehen?

Der Fokus auf die Experience ist bei uns im Unternehmen und auch bei unseren Kunden bereits sehr groß. Dabei ist uns wichtig , dass EX hierbei nicht nur das Design der Lösung ist, sondern, dass zum Beispiel über adaptive Karten auf der Homepage viel individueller auf die einzelnen Anwender:innen eingegangen wird. Es geht viel weiter und umfasst unter anderem die Möglichkeit über dynamische Befragungen, welche Prozesse fortlaufend optimieren sollten.

Wie handhabt ihr die Themen Mitarbeiter:innenbefragung und Mitarbeiter:innengespräch?

Mitarbeiter:innenbefragung und Mitarbeiter:innengespräch gehören bei uns im Alltag mit dazu. Unser Erfolgsrezept dabei ist es eine Befragungsmüdigkeit zu verhindern. Das bedeutet: ganz punktgenau und damit kurz und relevant befragen zu können.

Wenn man eins zum Erfolg von Mitarbeiter:innengesprächen weiß, dann, dass nur ein Gespräch einmal im Jahr weniger Mehrwert hat. Deshalb ist unser Fokus Mitarbeiter:innengespräche, unsere sogenannten “SAP Talks”, im Alltag zu verankern, z.B. indem Manager und Mitarbeiter:in sich anhand eines Kanban Boards regelmäßig über die aktuell anstehenden Aktivitäten austauschen und natürlich auch einen Blick darauf werfen, wie dieses zu den am Jahresanfang vereinbarten Zielen passt.

Wie geht ihr mit Mental Health und Well-Being in dieser für viele fordernden Zeit um?

Das Klischee von den Faulenzern im Home Office geht an der Realität weit vorbei. Die Masse der Beschäftigten haben im Home Office viel mehr und vor allem nochmal viel verdichteter gearbeitet als vorher. Gerade deswegen müssen wir als Arbeitgeber uns umso mehr um Mental Health und Well-Being kümmern. Das ist bei uns absolute Priorität. So haben wir zum Beispiel heuer einen Mental Health Day durchgeführt, an dem alle Beschäftigte frei hatten, um sich dezidiert um ihre mental Gesundheit zu kümmern.

Heute führt kein Weg an Nachhaltigkeit vorbei – wie hängt das Thema mit EX zusammen?

Man sieht es an (fast) jedem Bewerbungsgespräch. Nachhaltigkeit ist zentral und wer Nachhaltigkeit nicht berücksichtigt, wird keine gute Employee Experience schaffen können. Unternehmen müssen sich bewusst werden, dass Mitarbeiter:innen sich wünschen, Nachhaltigkeitsinitiativen auch in der Personalstrategie miteinzubinden. Nachhaltigkeitsprojekte haben nicht nur das Potenzial, die Zufriedenheit und somit das Erlebnis zu verbessern, sondern auch die allgemeine Einstellung gegenüber dem Unternehmen. Angestellte sehen daraufhin im Laufe ihres Beschäftigungsverhältnisses ihr Unternehmen als Arbeitgeber der Wahl war. Oft lassen Unternehmen diese große Chance ungenutzt!

Abschließend: Ist Employee Experience jetzt das Maß aller Dinge in der HR oder wie kann man sich eine Weiterentwicklung vorstellen?

Bei EX kann sich nie jemand ausruhen, da es ein absolut dynamisches Thema ist. Nehmen wir als Beispiel den bereits genannten Fokus auf Nachhaltigkeit: Dieser ist heute absolut zentral und ein wichtiges Thema, das die Employee Experience und Mitarbeiter:inzufriendenheit beeinflusst. Allerdings war dies vor circa fünf Jahren eher weniger der Fall. Daran erkannt man, dass immer wieder neue Themen aufkommen, die einen Einfluss auf die Employee Experience haben werden. Es bleibt also spannend und agil im Thema EX!


Das nächste Employee Experience Summit wird am 05.10.2023 im SO/ VIENNA in Wien stattfinden. Sichern Sie sich schon jetzt Ihr Ticket!

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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Die Partner von No Hype KI
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