28.02.2017

Kern bei AustrianStartups: mitreißend, erheiternd und sehr allgemein

Kommentar. Vergangene Woche war Bundeskanzler Christian Kern beim AustrianStartups-Stammtisch zu Gast. Hinter hervorragender Rhetorik steckte leider wenig Konkretes.
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(c) Timar Ivo Batis

Man merkte ihm schon an, dass er es mit dem Startup-Enthusiasmus ernst meint. Als sich Bundeskanzler Christian Kern vergangenen Mittwoch beim AustrianStartups-Stammtisch etwa 200 Gästen und dem Who is Who der österreichischen Community stellte, zeigte er sich nicht nur betont amikal, sondern wirkte auch sichtlich entschlossen. Ja, dass ihm das Thema am Herzen liegt und dass er etwas für die österreichische Startup-Szene bewegen will, daran besteht kein Zweifel. Einiges wurde in den vergangenen Monaten ja auch bereits begonnen. Das ist die eine Seite.

+++ Des Kanzlers Plan und die Rolle der Startups +++

Österreichische Startups und gesunkene Kindersterblichkeit?

Und dann ist da die andere Seite: Es mag daran liegen, dass er sich als Bundeskanzler berufen fühlt, immer auf das Große und Ganze zu blicken, aber Kern blieb über weite Strecken ausgesprochen allgemein. Er stieg mit Ausführungen über Globalisierung und Digitalisierung in seine Rede ein und bezeichnete sie als “zwei entscheidende Kräfte unserer Zeit”. Dann kam er auf gesunkene Kindersterblichkeit, erhöhte Lebenserwartung, Demokratie und den Klimawandel als große Herausforderung zu sprechen. Mitreißend war diese Einführung durchaus, der Bezug zu österreichischen Startups fehlte allerdings ein wenig. Nun, eine generelle Einführung muss man einem Bundeskanzler wohl zugestehen.

“Witzig war das zwar allemal, aber kein bisschen spezifisch.”

Die gute alte Metapher von der Kodak-Pleite

Die Überleitung auf das Thema Innovation erfolgte über selbstfahrende Autos. Sie seien wie für ihn erfunden, um ihn nach dem Heurigen nachhause zu bringen erklärte der Kanzler, um gleich einzuschränken: “Bundeskanzler taumeln nicht”. Witzig war das zwar allemal, aber noch immer kein bisschen spezifisch. Erst nach Erzählungen über die Kodak-Pleite als warnendes Beispiel und die Apple-Strategie als großes Vorbild, war es dann so weit: Der Kanzler kam auf seine politische Arbeit für Startups zu sprechen – und startete mit einer Entschuldigung: Die öffentliche Hand sei “schwach im Bereich Exekution”, das habe er in den vergangenen Monaten feststellen müssen.

+++ Das Lehrstück der Disruption – 10 Jahre iPhone +++

Stiftungen sorgen für Anschlussfinanzierung – hoffentlich…

Jetzt arbeite man an Verbesserungen bei der Anschlussfinanzierung, erzählte der Kanzler. Ein neuer Fonds mit 300 Millionen Euro sei in Entstehung. Zusätzlich wolle man Stiftungen, die “wahnsinnig konservativ” veranlagen würden, dazu bewegen, ein Prozent ihres Kapitals für Risiko-Investments aufzubringen – es gehe dabei um eine Milliarde Euro. Denn Immobilien fände er “unsexy”, sagte Kern, fand noch ein paar motivierende Worte für das Publikum (“wir gemeinsam, Sie an ihrer Stelle und ich in der Politik”), und die Rede war vorbei. Wie man die Stiftungen zu dem Gesinnungswechsel bewegen wolle, blieb der Kanzler schuldig. Er machte auch nicht den Eindruck, einen wirklich konkreten Plan zu haben.

Die Ziele selbst sind nicht konkret

Genau dieses Konkrete, das sich wohl viele Zuseher erhofft hatten, blieb Kern auch bei der Beantwortung der Fragen von Moderator Daniel Cronin und später jenen des Publikums, schuldig. Daran trug zwar wohl auch Cronin mit Fragen wie “Woher kommt ihre Leidenschaft für Startups?” Mitschuld, aber letztendlich blieb der Kanzler auch bei spezifischeren Fragen allgemein. Wenn man nun fragt warum das so ist, mag die Antwort Kerns auf die Frage des Autors dieser Zeilen, warum man sich im Plan A und im Regierungsprogramm genau auf fünf Startup-Cluster verständigt hätte, erhellend wirken: “Es müssen nicht genau fünf sein. Es können auch drei, sieben oder neun sein”, erklärte der Kanzler, gemeinsam mit einigen eher allgemeinen Erläuterungen. Offenbar sind einige der großen Ziele für das österreichische Startup-Ecosystem also ganz einfach selbst nicht konkret – wie sollen es dann Kerns Antworten sein?

+++ 4 Tipps, die helfen beim Gründen vom Denken ins Tun zu kommen +++

Symptomatische Schwammigkeit

Klar, man muss zu Kerns Verteidigung sagen, dass er an anderer Stelle mit der Silicon Austria-Initiative ein durchaus konkretes Beispiel nannte, wie ein Cluster entstehen könne. Er brachte auch auf eine Frage von Cronin die Tabakfabrik in Linz ins Spiel. Doch dass sich die fünf Cluster bei Rückfrage als eine Hausnummer herausstellen ist symptomatisch. So wie das eine Prozent des Stiftungskapitals, das zu Risikokapital werden soll, ist es eine schwammige Willensbekundung. Ein Punkt im großen Plan, der nicht so recht ins Bild des “ins Tun Kommens” passt. Große Worte, von denen sich erst zeigen muss, ob sie mit nachvollziehbaren Handlungen umgesetzt werden können.

“Etwas abgeklopft stellt sich bei vielen Punkten in seinem Programm heraus, dass sie so sind, wie seine Rede: mitreißend, erheiternd und sehr allgemein.”

Ein wirklich guter Rhetoriker…

Bei all der Kritik: Wir können Kern durchaus glauben, dass er wirklich das Beste für die Startup-Community will. Wir können ihm nach den Erfahrungen der vergangenen Monate auch vertrauen, dass er tatsächlich etwas tut. Wir müssen aber zugleich im Hinterkopf behalten, dass er seinem Job entsprechend ein wirklich guter Rhetoriker ist. Denn er kann eben auch sehr gut reden, ist sehr gut darin, das, was er tut, noch größer und bedeutender wirken zu lassen, als es ist. Denn etwas abgeklopft stellt sich bei vielen Punkten in seinem Programm heraus, dass sie so sind, wie seine Rede: mitreißend, erheiternd und sehr allgemein.

+++ Hub Wien: Ein bisschen Euphorie ist angebracht – und dann wieder zurück zur Arbeit! +++

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AI Landscape 2024, Wasner, Hochreiter
(c) Stock.Adobe/GamePixel - Die AI Landscape 2024 ist da.

Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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