29.01.2025
WORLD ECONOMIC FORUM

Insights aus Davos: Diese Trends bestimmen 2025 den Energy-Tech-Markt in Europa

Interview. Am Weltwirtschaftsforum in Davos haben wir mit Daniel Uusitalo über die aktuelle Entwicklung im Energy-Tech-Bereich gesprochen. Er war Investor bei Helen Ventures und teilt Einblicke in Trends, Herausforderungen und die europäische Investorenszene.
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Daniel Uusitalo in Davos | (c) martin pacher / brutkasten

Vergangene Woche blickte die Welt gespannt nach Davos, wo sich Staats- und Regierungschefs, CEOs global agierender Unternehmen und hochkarätige Vertreter:innen der VC-Branche zum jährlichen Treffen versammelten. Vor dem streng gesicherten Konferenzzentrum trafen wir Daniel Uusitalo, der bis vor Kurzem als Investor bei Helen Ventures aktiv war – einem Corporate-Venture-Capital-Fonds (CVC) aus Finnland, der unter anderem in mehrere österreichische Startups wie eologix-ping, enspired und Nobile investiert ist.

Im Interview sprachen wir mit Uusitalo über die Trends und Herausforderungen im Bereich Energy-Tech – von kleinteiligen Märkten in Europa bis hin zu Chancen durch Förderstrukturen und aktuelle Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz.


brutkasten: Ein großes Thema in Davos ist die Wettbewerbsfähigkeit. Siehst du in Europa im Vergleich zu den USA große Unterschiede bei Energy-Tech-Startups?

Daniel Uusitalo: Ja und nein. Was mir auffällt: In Europa sind die Märkte – gerade im Energieumfeld – oft kleinteilig reguliert. Das heißt, man muss sich als Startup mit vielen unterschiedlichen Marktgegebenheiten auseinandersetzen, wenn man international expandieren will. In den USA dagegen hast du einen großen Heimatmarkt, wobei es dort natürlich auf Bundesstaatenebene auch Unterschiede gibt, nur nicht so fragmentiert wie in Europa.

Wie schätzt du den aktuellen Finanzierungsmarkt für Energy-Tech-Startups in Europa ein?

Die letzten Jahre waren nicht ganz so stark, wie sich das manche erhofft hatten. Gerade nachdem die Zinsen angezogen haben, ist das gesamte Venture-Capital-Umfeld global etwas runtergekühlt. Das trifft natürlich auch Energie-Tech-Startups – vielleicht sogar stärker, weil viele von ihnen Hardware-affin sind und größere Kapitalbedarfe mitbringen.

Allerdings gibt es in Europa auch Mechanismen, die die USA so nicht haben, zum Beispiel öffentliche Förderstrukturen wie den Europäischen Investitionsfonds (EIF). Dadurch können auch Hardware-Bereiche finanziert werden, in denen konventionelle VCs eher zurückhaltend sind. Ich denke da an Bereiche wie Batterietechnologien oder Biomaterialien. Aber auch mit diesen Förderinstrumenten bleibt es in Europa herausfordernd.

Was müsste sich deiner Meinung nach ändern, damit die Finanzierungslage für Energy-Tech-Startups in Europa attraktiver wird?

Ich würde mir vor allem eine konsequentere Regulierung und klare Roadmaps wünschen, sowohl auf EU-Ebene als auch in den Mitgliedsländern. Es gibt gute Initiativen wie die Renewable Energy Directive, aber vieles bleibt relativ vage und geht nicht konsequent genug in die nationale Umsetzung.

Beispielsweise ist in der Richtlinie klar verankert, dass „Energy Communities“ gefördert und bürokratische Hürden abgebaut werden sollen, aber in der Praxis ist die Umsetzung lückenhaft. Startups arbeiten hier oft mit fragmentierten, veralteten Strukturen und müssen sich durch ein Dickicht von Auflagen kämpfen.

Gibt es schon erfolgreiche Beispiele für grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen VCs?

Ja, auf jeden Fall. Besonders in den Nordics arbeiten die Venture-Capital-Firmen viel zusammen. Man kennt sich; man weiß, wer zu welchem Themengebiet gut passt. Wenn ein finnisches Startup den Markteintritt in Schweden plant, ist es meist sinnvoll, einen schwedischen Co-Investor an Bord zu holen, der Zugänge und Kontakte dort mitbringt. Umgekehrt funktioniert das genauso. Auf diese Weise können Startups relativ effizient in benachbarte Märkte expandieren.

Welche Trends im Bereich Energy-Tech werden wir 2025 sehen?

Aus meiner Sicht sind hier besonders drei Themenfelder entscheidend. Erstens Demand Response: Das sind digitale Plattformen, die Kapazitäten oder Lasten verschieben, um Netzbetreiber zu entlasten. Zahlreiche Startups befassen sich damit, Wohngebäude, E-Autos, Wärmepumpen oder gewerbliche Anlagen flexibel zu steuern, damit Lastspitzen im Stromnetz geglättet werden. Das Potenzial ist enorm, zumal regulatorische Initiativen inzwischen verstärkt auf die Einrichtung solcher Flexibilitätsmärkte abzielen.

Zweitens Energy Communities: Dieses Feld ist eng mit den EU-Richtlinien verknüpft. Bürgerinnen und Bürger sollen sich zusammenschließen können, um gemeinsam Strom zu produzieren, zu teilen und zu vermarkten. Dafür braucht es nicht nur intelligente Steuerung und digitale Abrechnungssysteme, sondern auch klare rechtliche Grundlagen. In einigen Ländern haben diese Community-Modelle bereits Fuß gefasst, in anderen stehen sie noch am Anfang. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass sich der Trend hin zu lokalen und regionalen Energiegemeinschaften in den kommenden Jahren in ganz Europa etablieren wird.

Drittens Renewable-Energy-Zertifikate: Unternehmen möchten ihren CO₂-Fußabdruck immer genauer belegen – nicht lediglich im Jahresmittel, sondern möglichst minutengenau. Sie wollen wissen, wann und wo der von ihnen genutzte Strom tatsächlich erzeugt wurde. Aktuell wird dies teilweise noch in Excel-Tabellen erfasst. Hier entsteht ein großer Markt für Startups, die auf Software- und Handelslösungen spezialisiert sind, um Unternehmen bei der lückenlosen Dokumentation ihres grünen Strombezugs zu unterstützen.

In letzter Zeit sieht man zudem wieder mehr Diskussionen über Kernenergie in Europa. Wie nimmst du dieses Thema aus Investorensicht wahr?

Das ist natürlich eher eine makroökonomische Frage, aber ja, es tut sich einiges. Man sieht eine gewisse Renaissance der Kernenergie – zumindest in manchen europäischen Ländern. Nach wie vor gibt es in Deutschland viele Vorbehalte, aber in Finnland, Frankreich und anderen Ländern ist die Bereitschaft, auf Kernenergie zu setzen, gewachsen.

Für VCs ist das Thema Kernenergie insgesamt komplex. Bei konventionellen Spaltreaktoren handelt es sich meistens um sehr teure, langfristige Infrastrukturprojekte, die nicht typisch für klassische VC-Tickets sind. Hochspannend ist allerdings Fusion. Da gibt es einzelne Deep-Tech-Startups, die große Summen eingesammelt haben. Wenn die Fusionstechnologie wirtschaftlich skalierbar würde, wäre das natürlich eine bahnbrechende Veränderung für den Energiemarkt. Aber derzeit ist das noch Zukunftsmusik und mit sehr viel Unsicherheit behaftet.

Du hattest erwähnt, dass du damals in deiner Zeit bei Helen Ventures mit einigen österreichischen Startups gearbeitet hast. Wie nimmst du den österreichischen Energy-Tech-Markt wahr?

Ich muss sagen, ich bin wirklich beeindruckt. Österreich ist zwar ein relativ kleines Land, aber es hat eine ganze Reihe von hochinnovativen Energie-Startups, die dann oft recht schnell in größere Märkte expandieren. Zum Beispiel Richtung Deutschland, Schweiz oder Italien. Das ist geografisch und sprachlich naheliegend.

Helen Ventures hat mehrere Investments in Österreich: Eologix Ping, Enspired oder auch Nobile – und jedes Mal ist uns aufgefallen, dass die Gründer:innen sehr gut vernetzt sind. Sie profitieren einerseits von einem soliden heimischen Markt und haben gleichzeitig kurze Wege in andere Länder. Vielleicht ist genau diese Lage das Geheimnis, warum es dort relativ viele Erfolgsgeschichten im Energy-Tech-Bereich gibt.


Tipp der Redaktion

Brutkasten war heuer live vor Ort beim Weltwirtschaftsforum in Davos und hat direkt vom Geschehen berichtet. Dabei haben wir unter anderem die Gründer des Vorarlberger Startups Tree.ly getroffen und mit ihnen über die jüngsten Entwicklungen ihres Waldschutz-Startups gesprochen. Außerdem ging es in einem Gespräch mit Glacier-Gründer Andreas Tschas um das neues KI-Tool Glacier AI, das künftig die CSRD-Berichterstattung für Unternehmen deutlich vereinfachen soll.


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Podero-Gründerduo Moritz Schrader (l.) und Chris Bernkopf (r.) © Podero

Der Wandel in der Energiebranche, getrieben durch den Ausbau erneuerbarer Energien und regulatorischen Gesetzesänderungen, stellt Energieversorger vor neue Herausforderungen. So müssen in Zukunft Stromverträge neu gedacht und den Kunden flexible Lösungen angeboten werden. Hier kommt ein Wiener Startup ins Spiel: Podero entwickelte eine B2B-Software, die Energieversorgern helfen soll, die Kosten für flexible Verbrauchsgeräte zu senken. Dadurch würde eine Win-Win-Situation sowohl für Anbieter als auch für Verbraucher:innen entstehen.

Für diese Lösung erhielt Podero nun ein Investment in Höhe von 5,5 Millionen Euro. Angeführt wurde die Seed-Runde vom Hamburger Fonds Planet A Ventures, unterstützt durch Systemiq Capital als Co-Investor. Im Interview mit brutkasten spricht CEO Christoph Bernkopf über die Hintergründe der Finanzierung und wie das frische Kapital das Wachstum von Podero vorantreiben soll.

Auch die bestehenden Investoren Pale Blue Dot und Push Ventures beteiligten sich ein weiteres Mal, nachdem sie bereits in der Pre-Seed-Runde im Dezember 2022 investiert hatten. Mit dem neuen Kapital will Podero den Übergang zu erneuerbarer Energie beschleunigen und die Netzstabilität nachhaltig verbessern, so Bernkopf.

Podero-Gründer Chris Bernkopf im Videotalk:

Podero verspricht Kosteneinsparungen von 25 Prozent

Podero bietet Energieversorgern eine ganzheitliche Lösung, die Geräte, Strommärkte und Softwaresysteme nahtlos synchronisiert. Das Jungunternehmen verspricht dabei nicht nur Kosteneinsparungen von über 25 Prozent, sondern auch eine Reduzierung der CO2-Emissionen.

„Wir verbinden uns mit Wärmpumpen, Elektro-Autos, Batterien, also allen großen Geräten im Haushalt und wir steuern diese dann nach dem Strommarkt“, erklärt Bernkopf im brutkasten-Studiotalk. Dadurch könne Podero Prognosen und Handlungsempfehlungen liefern, die es Energieversorgern ermöglichen, „ihre gebündelte Leistung auf den Energiemärkten zu handeln”. Die Software selbst kann entweder durch eine White-Label-App eingeführt oder per API (Programmierschnittstelle) direkt in die eigenen Systeme integriert werden.

CEO Bernkopf sagt dazu: „Unsere Plattform verschafft Energieversorgern einen Wettbewerbsvorteil bei der Strompreisgestaltung. Mit unserer Gerätesteuerungs- und Handelstechnologie können sie niedrigere Tarife anbieten, die andere ohne ähnliche Software nicht erreichen können“.

Podero stelle sich „einer der drängendsten Herausforderungen der Energiewende”

Nick de la Forge, Co-Founder & General Partner, von Planet kommentiert das Investment folgendermaßen: “Podero stellt sich einer der drängendsten Herausforderungen der Energiewende, indem es Energieversorgern hilft, das volle Potenzial dezentraler Energieressourcen auszuschöpfen und gleichzeitig die Netzstabilität aufrechtzuerhalten”. Die fortschrittliche Steuerungs- und Handelstechnologie von Podero positioniere das Unternehmen als Schlüsselfaktor für effizientere, kostengünstigere und nachhaltigere Energiemärkte.“

e.on und oekostrom zählen zu den Kunden

Podero wurde im Dezember 2022 von den Software-Ingenieuren Chris Bernkopf und Moritz Schrader gegründet. Im brutkasten-Talk verrät Bernkopf, dass er bereits in jungen Jahren mehrere Unternehmen aufbaute – zuletzt das Softwareunternehmen Alpas, das Firmen wie BASF, ABB und SBB bei der schnellen und kosteneffizienten Beschaffung mechanischer Teile unterstützt. Für einige Zeit war er auch im Kernforschungszentrum CERN in Genf als Data Scientist und Machine Learning Engineer tätig.

Mit Podero wollen die Gründer „eine große Welle reiten. ClimateTech wird die nächsten 20 bis 30 Jahre relevant sein“, sagt Bernkopf. „Wir haben dann begonnen mit der Installation von Wärmpumpen in Großgebäuden und hatten ca. 20 Projekte. Und dann haben wir jemanden von e.on kennengelernt. Der hat gesagt, wenn ihr jetzt die Geräte steuern könntet, dann würden wir gerne mit euch arbeiten“. Mittlerweile zählt nicht nur e.on zu den Kunden von Podero, sondern auch weitere europäische Energieversorger wie oekostrom und Kelag.

Weiterentwicklung der Software geplant

Mit dem frischen Kapital hat Podero schon einiges geplant: Das Team soll wachsen – aktuell zählt das Startup 16 Mitarbeitende, bald sollen es 25 bis 30 sein. Gleichzeitig will das Unternehmen seine Kundenbasis weiter ausbauen. „Jetzt geht es natürlich darum, auch die ganzen Sales-Prozesse und die ganzen Kunden-Rollout-Prozesse zu skalieren“, erklärt CEO Christoph Bernkopf. Auch die Software soll kontinuierlich weiterentwickelt werden, mit dem Ziel, sie für Energieversorger noch einfacher integrierbar zu machen.

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