16.05.2017

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

Farmdoc Gründer Andreas Prankl spricht mit dem Brutkasten über die Herausforderung Agrar-Startup und warum sich Wieselburg zu einem Zentrum für landwirtschaftliche Innovationen entwickelt.
/artikel/in-europa-sind-landwirte-technikaffiner-als-in-den-usa
Die Prankl-Brüder kommen selbst aus der Landwirtschaft und ihre Geschäftsidee ist aus dem eigenen Bedarf entstanden. (c) screenshot farmdok

Viele heimische Bauern haben Angst um ihre Daten. Startups müssen mit diesem Thema also besonders sensibel umgehen. Das weiß auch Andreas Prankl, der mit seinen Brüdern Johann und Peter und Franz Heinzlmaier das Startup Farmdok gegründet hat.

Eure App hilft Landwirten, die Arbeit am Feld zu dokumentieren – warum ist eine App in diesem Fall praktischer?

Andreas Prankl: In Österreich und Europa sind die Betriebe sehr klein strukturiert, ohne eigenes Personal für die Dokumentation. Deshalb machen die Landwirte die Dokumentation immer am Abend nach der Arbeit. Die erste Erleichterung ist, dass wir diese Nacharbeit direkt auf das Feld verlagern. Das machen andere auch – da gibt es in Deutschland und auch international einige Apps. Einzigartig ist aber, dass wir das durch die GPS-Datenanalyse auch automatisieren können. Wir können durch den Algorithmus zum Beispiel Felder wiedererkennen, Betriebsmittel schätzen, Arbeitszeit ermitteln. Diese automatische Dokumentation kommt im Sommer mit der zweiten Generation der App.

Wie genau ist die App? Müssen Nutzer sich am Abend hinsetzen und die Daten korrigieren?

Die Genauigkeit ist eine Herausforderung. Ein normales Smartphone-GPS hat eine gewisse Ungenauigkeit. Wir wollen aber ohne zusätzliches Präzisions-GPS auskommen. Das wäre für den Landwirt teuer. Ein einzelner GPS-Punkt hat im besten Fall zwei bis drei Meter Abweichung. Das können im schlimmsten Fall aber auch 30 bis 40 Meter sein. Unsere Technologie kann diese Abweichung aber zu einem gewissen Grad korrigieren. Das funktioniert, indem wir nicht nur den einzelnen GPS-Punkt, sondern das ganze Fahrmuster betrachten. Ein Traktor springt ja nicht auf einmal 30 Meter nach links. Da sind wir bereits im Bereich der artificial intelligence.

Redaktionstipps

Wie seid ihr auf die Idee von Farmdok gekommen?

Wir sind vier Gründer, davon drei Brüder – der Hannes, der Peter und ich. Wir sind auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen. Peter hat den Betrieb vor fünf, sechs Jahren übernommen. Er hat früh gemerkt, dass er etwas Einfaches für die Aufzeichnung braucht. Etwas, was er immer dabeihat. Vor drei Jahren haben wir dann begonnen.

Wie seid ihr das Thema angegangen?

Hannes ist auf der Uni im Bereich vision and robotics. Er kennt sich also mit Datenauswertung sehr gut aus. Wir haben uns dann überlegt, wie wir das GPS-Fahrmuster hernehmen können, um die Aufzeichnung zu automatisieren. Hannes hat dann den Algorithmus entwickelt. Ich bin eher zufällig immer weiter in den Bereich der Softwareentwicklung gekommen. Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau auf der TU Wien studiert. Vorher war ich bei einem Unternehmensberater tätig. Den ersten Prototypen haben wir mit zehn Testbetrieben in Nieder- und Oberösterreich umgesetzt.

“Die Genauigkeit ist eine Herausforderung. Ein normales Smartphone-GPS hat eine gewisse Ungenauigkeit.”

Vor welchen Herausforderungen steht man als Agrar-Startup in Österreich?

Die Algorithmus- und Software-Entwicklung war relativ langwierig, weil wir dazu immer wieder Praxisdaten brauchen. Die Daten müssen wir dann analysieren und dann fließen sie wieder in die Entwicklung ein. In der Landwirtschaft ist man von der Vegetationsperiode abhängig – das macht die Sache nicht leichter. Man muss vorausschauender planen. Im schlimmsten Fall verliert man eine Saison, bei uns ist es aber nicht so schlimm, weil wir auf Daten der vergangenen Jahre aufbauen können.

Wie erlebt ihr als Startup den Agrarsektor?

Ich glaube, da kommt gerade viel Bewegung herein. 2015 sind auf der größten Agrar-Technik-Messe in Hannover Startups präsentiert worden und das hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Auf einmal haben große Firmen Interesse an dem Thema und man hat relativ schnell Termine bekommen bei Bayer oder Borealis. Große Firmen sind aber relativ schwerfällig und es kommt nicht so schnell zum Abschluss einer Partnerschaft. Richtiges Silicon-Valley-Denken muss sich in der Landwirtschaft erst entwickeln.

Wie erreicht man die Zielgruppe Landwirt?

Mich hat überrascht, dass klassisches Online-Marketing sehr gut funktioniert. Gerade die jüngere Generation erreicht man sehr gut über Facebook und Google. Das zeigt auch, dass der Markt reif ist – Landwirte sind bereit, Online-Technologien zu verwenden. Was auch gut funktioniert sind Fachmedien wie Landwirt.com oder die Bauernzeitung. In Zukunft werden für uns sicher auch die bestehenden Netzwerke der Saatguthändler oder Düngemittel-Händler interessant.

Spricht man mit Landwirten oder Kammer-Vertretern, hört man immer wieder von einer großen Sorge um ihre Daten.

Das ist eine große Diskussion in der Landwirtschaft. Da muss vonseiten der Politik den Sorgen der Landwirte natürlich Genüge getan werden. Ich würde auch nicht wollen, dass sich meine persönlichen Daten selbstständig machen. Uns war von Anfang an klar, dass die Daten, die unser System sammelt einen riesigen Wert haben. Wir wollen die Daten in erster Linie den Landwirten wieder zur Verfügung stellen. Landwirte wollen sich ja gerne vergleichen. Das tun sie ja auch am Wirtshaustisch. Wichtig ist sicher, dass man in der Kommunikation deutlich macht, dass mit den Daten sorgsam umgegangen wird. Die Landwirte müssen auch einen Nutzen davon haben. Aber natürlich ist das eine Gratwanderung.

Warum habt ihr euch für Wieselburg als Standort entschieden?

Der elterliche Betrieb ist in Wieselburg. Wieselburg ist aber auch darüber hinaus ein guter Standort, weil sich da die Agrar-Technologie ganz gut gesammelt hat. Wir haben da auch schon mit Josefinum Research zusammengearbeitet. Wieselburg ist auch Technopol-Standort. Außerdem ist die FH ein guter Nährboden für Nachwuchs, den wir brauchen, wenn die Firma wächst. Vielleicht entwickelt sich Wieselburg ja noch zum Silicon Valley der österreichischen Agrar-Startups. Wir sind mit dem Standort sehr zufrieden.

Geht euch manchmal die Nähe zu Wien ab?

Es ist schon grundsätzlich schwierig, gute Entwickler zu finden – im ländlichen Raum ist es noch schwieriger. Auch die Startup-Szene findet einfach in Wien statt. Deshalb haben wir letztes Jahr auch ein kleines Entwickler-Büro in Wien aufgemacht.

Wie habt ihr die Entwicklung von Farmdoc finanziert?

Wir haben das zuerst aus eigener Tasche finanziert. Damit sind wir dann zum AWS gegangen und haben es ins Pre-Seed-Programm geschafft. Am Ende des Pre-Seed-Projekts haben wir innerhalb von drei Monaten zweieinhalbtausend Downloads gehabt. Das Interesse ist also da. Die Technologie funktioniert. Seit Mitte 2016 arbeiten wir an der zweiten Generation. Jetzt haben wir wieder einen Praxistest. Anfang März haben wir uns Gedanken über die weitere Finanzierung gemacht und haben jetzt eine Beteiligung von TecNet Equity gemeinsam mit dem Business Angel Walter Riess und einem befreundeten Unternehmen, der Cega GmbH.

Was sind eure nächsten Ziele?

Im Sommer wird unser neues Produkt eingeführt. Damit wollen wir in Österreich eine gute Marktdurchdringung erreichen und international die ersten Schritte machen. Der kostenlose Teil unseres Produktes ist relativ schnell internationalisierbar, weil er von regionalen Anforderungen unabhängig ist. Wir beginnen mit Deutschland, gehen dann Richtung Osten und Westen. Übernächstes Jahr geht es auch in die USA und Kanada.

USA und Kanada sind bestimmt eine große Herausforderung.

Da gibt es auf jeden Fall ganz andere Anforderungen. In Kanada hat der durchschnittliche Betrieb 300 Hektar. Zum Vergleich: in Österreich sind es 19 Hektar. In Europa sind Landwirte außerdem vergleichsweise technikaffin und geben gerne für ihren Traktor ein bisschen mehr Geld aus. Amerikaner sind da anders – dort ist ein gutes Radio und eine gute Sitzfederung wichtig. Trotzdem, auch die brauchen die Daten und die Aufzeichnung. Was für den kleinen Landwirt eine Erleichterung ist, ist für den großen sicher auch eine. In Amerika wird es aber ohne regionale Partner nicht gehen.

HIER gehts zu Farmdok

Deine ungelesenen Artikel:
19.12.2024

Bidirektionales Laden: Wiener Startup kW-Solutions beteiligt sich an neuem Forschungsprojekt

In Österreich steckt die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) noch in den Kinderschuhen. Ein neues Forschungsprojekt mit Beteiligung des Wiener Startups kW-Solutions will das ändern. Wir haben mit Gründer Korbinian Kasinger über die Herausforderungen und Potenziale gesprochen.
/artikel/bidirektionales-laden-kw-solutions
19.12.2024

Bidirektionales Laden: Wiener Startup kW-Solutions beteiligt sich an neuem Forschungsprojekt

In Österreich steckt die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) noch in den Kinderschuhen. Ein neues Forschungsprojekt mit Beteiligung des Wiener Startups kW-Solutions will das ändern. Wir haben mit Gründer Korbinian Kasinger über die Herausforderungen und Potenziale gesprochen.
/artikel/bidirektionales-laden-kw-solutions
Die Projektpartner:innen: von TU Wien, Forschung Burgenland. KEBA und kW-Soltions | (c) kW-Solutions

Bidirektionales Laden eröffnet für E-Autos weitreichende Möglichkeiten, die weit über die klassische Nutzung als Fortbewegungsmittel hinausgehen. Mit dieser Technologie können Elektrofahrzeuge nicht nur Energie aus dem Netz beziehen, sondern auch gespeicherten Strom wieder zurückspeisen. Dadurch werden sie zu mobilen Energiespeichern, die flexibel in verschiedene Szenarien eingebunden werden können – so zumindest in der Theorie. In der Praxis ist bidirektionales Laden in Österreich jedoch noch Zukunftsmusik. Ein neues Forschungsprojekt, an dem das Wiener Startup kW-Solutions beteiligt ist, möchte das nun ändern.

Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

“In Europa sind Landwirte technikaffiner als in den USA”