01.04.2022

FFG Hub Circle: Wie 2023 zum Jahr der digitalen KMU werden könnte

Erfolgsgeschichten aus den Programmen Digital Innovation Hub (DIH) und KMU.Digital wurden am 28. März beim mittlerweile zweiten Hub Circle der FFG präsentiert. Wir liefern für euch die wichtigsten Learnings des digitalen Events, das von der Wirtschaftskammer Österreich und dem brutkasten gehostet wurde.
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Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG hat mit dem Hub Circle eine neue Eventreihe geschaffen, um die Vernetzung zwischen den Digital Innovation Hubs in Österreich künftig noch stärker zu forcieren. Im Zentrum steht der Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Netzwerkpartner:innen. Zudem werden auch Erfolgsbeispiele der digitalen Transformation vor den Vorhang geholt, damit die Teilnehmer:innen voneinander lernen können.

Am 28. März 2022 ging der mittlerweile zweite Hub Circle der FFG im Brutkasten-Studio über die Bühne, wobei das digitale Event diesmal von der Wirtschaftskammer Österreich gehostet wurde. Im Zentrum des zweiten Hub Circle stand das Aufzeigen von konkreten Nutzenpotentialen der digitalen Transformation.

2023 das Jahr des digitalen KMU

Eingeleitet wurde das Event mit einer Keynote von Martin Giesswein mit dem Titel “Warum 2023 das Jahr des digitalen KMU wird”. Giesswein unterrichtet Digitalökonomie, Innovation und Leadership und ist Fakultätsmitglied der WU Executive Academy. In Österreich zählt er zu den führenden Experten für die digitale Transformation.

Die Ausgangsthese seines Vortrags: Österreich verfügt mit den geschaffenen DIHs und Programmen über ausreichend Infrastruktur, um die KMU bei der digitalen Transformation zu unterstützen. Nun muss es allerdings in die konkrete Umsetzung gehen. Dafür präsentierte er den Fortschritt der Digitalisierung. Demnach sind KMU bei der “Basis-IT Infrastruktur” sehr gut aufgestellt. Bei “digitalen Geschäftsmodellen” gibt es allerdings noch Aufholbedarf. 

Um die digitale Asymmetrie zu beenden, bedarf es allerdings eines neuen Daten Mindests und einem klaren Geschäftsmodellfokus. Weiters forderte Giesswein Awareness-Kampagnen ein, um die Vorzüge der digitalen Transformation für die KMU noch stärker vor den Vorhang zu holen.

Die Sprache der KMU sprechen

Diese Awareness wird maßgeblich von DIHs und den Netzwerkpartner:innen geschaffen, wie die Panel-Teilnehmer:innen Stefan Schafranek, Geschäftsführer des Digital Innovation Hub Süd, Jutta Steinkellner, Leiterin des Servicezentrum der Wirtschaftskammer Kärnten, und Michael Schützenhofer, zertifizierter KMU.Digital-Berater und Leiter der Unternehmensberatung STRATEGIEdesign veranschaulichten.

(c) der brutkasten

Grundtenor bestand unter den Teilnehmer:innen, dass im Zuge der Kommunikation mit den Betrieben auch die Sprache der KMU gesprochen werden muss. “Wir müssen die KMU dort abholen, wo sie stehen”, so Schafranek. Dies wird in erster Linie durch niederschwellige Beratungsangebote möglich gemacht. Neben einer Erstinformation sind zudem in weiterer Folge konkrete Umsetzungsmaßnahmen nötig, die als Basis für die digitale Transformation dienen. Steinkellner veranschaulichte zudem welche Services bei der Wirtschaftskammer Kärnten sehr nachgefragt werden. Dazu zählen Fragen rund um die Datenschutzverordnung, Home Office aber auch zu digitalen Vertriebsmöglichkeiten. Schützenhofer erläuterte zudem, dass im Zuge der Pandemie zahlreiche provisorische Lösungen im digitalen Vertrieb geschaffen wurden, die gut funktioniert hätten. Nun bedarf es aber einer inkrementellen Weiterentwicklung und Professionalisierung. Im Zentrum steht dabei das Aufzeigen von konkreten Use-Cases. Zudem müsste vermittelt werden, das künstliche Intelligenz kein Zukunftsthema ist, sondern bereits jetzt für die Betriebe unabhängig ihrer Größe und Branche einen wirtschaftlichen Nutzen bietet.

Cybersecurity ist noch immer ein Tabu-Thema

Ebenfalls diskutiert wurde der Stellenwert von Cybersecurity unter den heimischen KMU. Hier gebe es noch viel Aufholbedarf. Laut Schützenhofer sei es allerdings noch immer ein Tabu-Thema, da die Betriebe in der Regel im Falle eines Angriffes damit nicht an die Öffentlichkeit gehen. Abhilfe könnten hier verstärkt sogenannte Penetration-Tests schaffen, wie Schafranek vom DIH Süd betonte. Zudem hat auch die Wirtschaftskammer eine eigene Hotline für derartige Fälle eingerichtet. Wichtig sei jedoch, dass nicht erst im Falle eines Angriffes reagiert wird, sondern diese Sicherheitsaspekte schon bei der Konzeptionierung von Digitalisierungsprojekten mitgedacht werden.

Neue Geschäftsmodelle entwickeln

Zum Abschluss des zweiten Hub Circle gab es Stakeholder-Statements aus Forschung, Wirtschaft und Politik. Dafür waren Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der FFG, Florian Frauscher, Sektionschef (Wirtschaftsstandort, Innovation und Internationalisierung) im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und Mariana Kühnel, Generalsekretär-Stellvertreterin der Wirtschaftskammer Österreich, geladen.

Vernetzung mit anderen Initiativen und Sichtbarkeit erhöhen

Im Rahmen der Podiumsdiskussion gab FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth einen Einblick, welche Strukturen bereits geschaffen wurden. An den sechs geförderten DIHs sind 46 Digitalzentren (Universitäten, FHs, außeruniv. Forschungseinrichtungen, Comet-Zentren) sowie 94 Netzwerkpartner (z.B. Clusterorganisationen, Unternehmen, Startups, WKO, IV) beteiligt. Zudem soll es künftig auch eine enge Zusammenarbeit mit europäischen Hub-Partnern geben. Künftig soll die Sichtbarkeit der Angebote noch weiter erhöht werden. “Jetzt ist es notwendig und wichtig, dass die KMU auch von diesen tollen Angeboten erfahren, dass Interesse an der Teilnahme an diesen Weiterbildungsangeboten geweckt wird, dass gemeinsam an digitalen Innovationen gearbeitet wird”, so Egerth.

Einblick zu aktuellen Förderungen

Frauscher vom BMDW gab hingegen einen Einblick in aktuelle Förderschienen für KMU. “Uns ist bewusst, dass es auch die entsprechenden Fördermittel hierfür benötigt”, so der Sektionschef. So startet beispielsweise Anfang April die neue Ausschreibungsrunde von KMU.Digital mit einem Förderbudget von zehn Millionen Euro für die Jahre 2022 und 2023. Ebenso startet Anfang April das neue Förderprogramm KMU.Cybersecurity mit einem Förderbudget von rund zwei Millionen Euro. 

Anreize für Unternehmen und digitale Bildung

Abschließend verwies Kühnel von der Wirtschaftskammer Österreich darauf, dass bei der nächsten Ausschreibung für die DIHs stärker auf die “Vermarkungsfähigkeit“ der DIHs geachtet werden müsste und es entsprechend Leistungsvereinbarungen braucht. Zudem könnte auch die “Vernetzungsberatung” ein Anreiz für Berater:innen und Unternehmer:innen sein, sich mit DIHs zu beschäftigen und gemeinsam mit den neuen Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Um Österreich digital langfristig voranzubringen, braucht es zudem verstärkt digitale Bildung und Entrepreneurship in den Schulen.


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Schon Jahre vor dem aktuellen KI-Hype konnte das Wiener Scaleup Anyline mit seiner Bilderfassungs-Lösung via Smartphone große Erfolge erzielen. In den Jahren 2016 bis 2021 kam das Unternehmen auf ein Wachstum von durchschnittlich 200 Prozent pro Jahr. Platzierte man die Lösung zunächst in unterschiedlichsten Branchen, wurden die Autoindustrie und im Speziellen das Erfassen von Daten zu Autoreifen immer mehr zum Fokus.

“Als wir uns entschieden haben, uns auf weniger Branchen zu konzentrieren, wurde klar, dass wir die neue Ausrichtung so schnell wie möglich im Team verfestigen mussten”, erzählt Co-Founder und CEO Lukas Kinigadner. Wie viele Wachstumsunternehmen setzte auch Anyline daraufhin auf OKRs (Objectives and Key Results), um Strategie, Ziele und Organisation zu strukturieren.

OKRs “zu strukturiert für ein Scaleup”

Doch erfolgreich war die Einführung der Methode im Rückblick nicht, wie Natasha Sotomayor, Head of Growth Strategy, erklärt: “OKRs waren dazu gedacht, uns zu verbinden, aber sie haben einfach nicht funktioniert. Sie waren zu strukturiert für ein Scaleup. Für mich waren OKRs zu starr und zu sehr top-down ausgerichtet. Und sie haben sich nicht gut mit den übergeordneten Zielen verbunden.”

Fehlendes “why”

Auch mit anderen Methoden wie “North Star” sei das “why” nicht ausreichend bei den Mitarbeiter:innen angekommen und es nicht gelungen, die Motivation zu steigern. “In einem Startup oder Scaleup sind die Dinge immer in Bewegung. Man lernt ständig dazu. Deshalb ist es wichtig, dass man als Mitarbeiter:in versteht: Worauf arbeite ich hin?”, so Sotomayor.

Umstieg auf AOA bei Anyline

Seit einiger Zeit nutzt Anyline mit Art of Acceleration (AOA) von GrowthSquare (brutkasten berichtete bereits) eine neue Methode. Davon versprach man sich eine schnelle und klare Kommunikation von Zielen und Erwartungen, einen flexiblen Bottom-up-Ansatz und einen Fokus auf den Weg selbst, nicht nur auf die Endergebnisse. “Wir brauchten einen schnellen Weg, um Zielsetzungen, Erwartungen und Grenzen zu kommunizieren, um den Mitarbeiter:innen von Anyline Kontext und Ziele zu geben”, sagt CEO Kinigadner. Einer der zentralen Vorteile der AOA-Methode sei, dass sie schnell Orientierung gebe, wo das Unternehmen gerade steht und welche Überzeugungen darin herrschen.

“Wenn man glaubt, dass eine neue Methode von Anfang an auf Gegenliebe stößt, ist man zum Scheitern verurteilt”

Doch natürlich wurde – nach mehreren gescheiterten Versuchen mit anderen Methoden – auch AOA von den Anyline-Mitarbeiter:innen nicht einfach mit offenen Armen empfangen. “Wenn man glaubt, dass eine neue Methode von Anfang an auf Gegenliebe stößt, ist man zum Scheitern verurteilt. Als Führungskraft war für mich klar: ‘Wenn sie mich nicht hassen, dann bin ich schon auf dem richtigen Weg'”, sagt Kinigadner. Vor allem auch seitens des Management-Teams habe es ein klares Commitment zur neuen Methode und die Bereitschaft, selbst Hand anzulegen, gebraucht.

Canvas, Retros und vierteljährliche Workshops

Generell setzt die AOA-Methode auf einen Bottom-up-Ansatz, legt einen Fokus auf das “why” und den Prozess auf dem Weg zum Ziel und soll eine größere Flexibilität im Vergleich zu anderen Methoden wie OKRs bieten. Konkret umgesetzt wird das unter anderem mit dem sogenannten “AOA Canvas” in den zwei Formaten “Company” und “Team”, wo Insights zum Status Quo, zu Überzeugungen, Herausforderungen, Vision, Zielen und einigem mehr geboten werden. Damit sollen Mitarbeiter:innen die Ziele im Auge behalten, während sie gleichzeitig viel Selbstbestimmung am Weg dorthin haben.

Monatlich gibt es “Retros” und quartalsmäßig Workshops, in denen die Teams über das Zurückliegende reflektieren und gemeinsam das weitere Vorgehen definieren. “Die Teams schätzen es sehr, wenn sie die Möglichkeit haben, zu reflektieren, einen Schritt zurückzutreten, ein wenig kreativ zu sein und darüber nachzudenken, was sie als Team in diesem Quartal erreichen möchte. Wenn man immer nur umsetzt, geht im Bereich Ideen nichts weiter”, meint Natasha Sotomayor. In diesen Diskussionen spielen Hierarchien keine Rolle, wodurch die Kommunikation zwischen Führungsebene und Mitarbeiter:innen an vorderster Front verbessert werden soll.

Hohe Zufriedenheit im Anyline-Team

Und was kam dabei bislang heraus? Nach drei Quartalen mit monatlichen Retros und vierteljährlichen Workshops gaben jeweils mehr als 80 Prozent der Anyline-Mitarbeiter:innen in einer internen Befragung an, dass sie die Zeit zur Reflexion schätzten, sich in ihren Teams wohlfühlten, ihre Stimme gehört wurde und sie wussten, worauf das Unternehmen hinarbeitete. “Sagen wir mal, von den 22 Teams sind 20 begeistert und die anderen beiden mögen es. Wohingegen ich glaube, dass im Großen und Ganzen niemand die OKRs mochte”, so Sotomayor.

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