11.04.2022

“Höhle der Löwen”: Kofler in Rage wegen Unterhosen-Strahlungs-Startup

Diese Folge der "Höhle der Löwen" hatte ein Startup zu bieten, das Werkzeuge verleiht und ein weiteres, dessen Ursprung mit einem Brand zu tun hatte. Zudem gab es erneut Aufregung um Gründer, die mit ihrem Kleidungsstück gegen Strahlung vorgehen möchten, während ein weiterer Founder mehr Kapital erhielt, als er eigentlich wollte.
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(c) RTL / Bernd-Michael Maurer - Dieses Stück Kleidung, das Nico Rosberg zur Schau trug, sorgte für Aufregung im Studio.

Die ersten in der Höhle der Löwen waren Richard Getz und Constantin Ricken. Sie haben mit Silverton eine Unterhose entwickelt, die den Intimbereich vor Strahlung schützen soll.

“Heute sind wir durch Smartphones, Laptops, WiFi-Router und viele andere elektronische Geräte praktisch rund um die Uhr von elektromagnetischen Strahlungen umgeben”, erklärte Ricken in der Show. “In den letzten Jahren zeigen immer mehr Studien, dass sich das negativ auf unsere Gesundheit auswirken kann. Angefangen bei der Libido, Erektionsstörungen, Energielosigkeit bis hin zum Kraftverlust beim Training durch zu wenig Testosteron. Immer mehr Paare haben auch Schwierigkeiten, Kinder zu bekommen, da sich die durchschnittliche Spermienanzahl des Mannes in den letzten vier Jahrzehnten nahezu halbiert hat.”

Silberfäden in der Short

Er und sein “Partner in Pants” Getz waren daher auf der Suche nach einer Lösung, die simpel wie funktional sei. Da sie nicht fündig wurden, haben sie mit Silverton etwas Eigenes entwickelt.

Ricken dazu: “Auf der Innenseite befindet sich ein Material aus positiv geladenen Silberfäden. Diese erzeugen ein leitfähiges Feld, welches nachgewiesenermaßen 99,9 Prozent der elektromagnetischen Strahlung abhält.” Das Angebot der Gründer lautete: 120.000 Euro und 15 Prozent der Firmenanteile.

Kofler legt los: “Ausgemachter Blödsinn”

Nach dem Pitch wurde Nico Rosberg zum Unterhosenmodel, meinte Silverton wäre etwas eng rund um die Oberschenkel, ansonsten aber weich. Anschließend erwischte Georg Kofler die Gründer kalt und machte sie sprachlos. Er wollte zu einer ihrer Behauptungen, genaue Zahlen wissen. Getz und Ricken hatten nämlich wiederholt erklärt, dass eine Bestrahlung, wie vom Handy ausgehend, den Testosteron-Level im Körper um mehr als die Hälfte halbiere.

(c) RTL / Bernd-Michael Maurer – Richard Getz (l.) und Constantin Ricken präsentierten die strahlungsresistente Boxershort Silverton.

Nachdem von den Gründern keine Antwort und nur Ratlosigkeit auf seine Frage gekommen war, erklärte Kofler, dass er die meisten Studien dieser Art für “Hokus Pokus” halte. Und nannte sie “ausgemachten Blödsinn”.

Formel 1 Weltmeister kennt keine Fakten, aber Beweise…

Wie auch im Vorjahr bei Kopha, einem Papier für Hauswände, das 5G abwehren soll, zeigte sich Formel 1 Weltmeister Rosberg erneut als ” true believer” solcher “Radiation-Theorien” und nannte sie relevant. Er behauptete, dass es keine 100-prozentigen Fakten, aber immer mehr Beweise gebe, dass gewisse Strahlung nicht gut für den Menschen sei.

Dem wiederum entgegnete Kofler, dass hunderte von Gesundheitsbehörden sich weltweit mit dem Thema genau beschäftigen und eine Dosierung dieser Strahlung niemals zulassen würden, wäre sie gesundheitsgefährdend. Da säßen Tausende von Wissenschaftler am Thema, bevor eine 5G-Frequenz genehmigt werde. Zudem sei Testosteron von vielen Faktoren abhängig. Etwa Ernährung, Zustand oder Alter. Und die Behauptung der Gründer, dass mit ihrer Unterhose das Testosteronniveau nicht beschädigt werden kann, wäre eine steile These, so der Südtiroler.

Rosberg anfällig für “Strahlungsgefahr”

Glagau und Ralf Dümmel meinten zudem, dass eine derartige Werbung – Schutz vor Strahlung – gar nicht erlaubt sei. Auch für Dagmar Wöhrl war die Nachweisbarkeit der Behauptungen von den Gründern nicht gegeben.

Daraufhin wollte Rosberg, der sich anfällig auf Strahlungsthematiken zeigte, von den Gründern genau wissen, welche Studie die relevanteste wäre. Getz und Ricken konnten jedoch nur das Gesagte wiederholen, nicht aber den Namen der Studie noch des forschenden Institutes nennen, das die Erkenntnisse herausgebracht habe. Zum Schluss gab es keinen Deal für Silverton.

Vom Varieté und Zirkus zur Löwenhöhle

Die nächste, die sich in die “Höhle der Löwen” wagte, war Sandra Fischer. Nach ihrer dreijährigen kaufmännischen Ausbildung hat die 35-Jährige in verschiedenen Jobs in Hotels, auf dem Bauernhof, bis hin zur Webdesign-Agentur und NGOs gearbeitet. Als Varietékünstlerin und Kinder-Trainerin hat sie außerdem in einem Zirkus gelebt, eine Ausbildung zur Bäuerin in einem Kloster absolviert und schließlich Wirtschaft studiert.

Shea Yeah, Höhle der Löwen
RTL / Bernd-Michael Maurer – Sandra Fischer hatte ihre Idee zu Shea Yeah in Ghana.

Zu ihrer eigenen Marke Shea Yeah ist die Schweizerin durch einen heftigen Sonnenbrand im Urlaub in Ghana gekommen: “Zur Linderung haben mir die Frauen vor Ort unraffinierte Sheabutter gegeben. Für mich und meinen Sonnenbrand bescherte diese Pflanzenbutter Wunder. Ich war so begeistert, dass ich einen riesigen Klumpen Sheabutter im Koffer mit nach Hause nahm, damit zu experimentieren begann und meine bestehenden Naturkosmetik-Rezepturen ergänzte”, erklärte sie den Löwen.

Shea Yeah mit schweizer Kräutern

Fischer mischte schweizer Kräuter und kaltgepresste Öle mit der Sheabutter und aus dieser Kombination entstand Shea Yeah. Aktuell umfasst das Sortiment zehn Produkte – von Balsamen, Bodybutter bis hin zu Body Scrubs.

“Sie sind multifunktional und für alle Hauttypen geeignet. Das Besondere an den Produkten ist, dass sie komplett ohne Wasser hergestellt sind. Dadurch hochkonzentriert und sehr ergiebig, frei von Emulgatoren und Konservierungsstoffen”, so die Gründerin weiter. Um ihr Produkt auch außerhalb der Schweiz zu vertreiben und weiter wachsen zu können, benötigte Fischer 110.000 Euro und bot dafür 15 Prozent ihrer Firmenanteile.

Zwei Angebote für Fischer

Nachdem drei Löwen abgesprungen waren, offerierte Dümmel 110.000 Euro, aber für 25 Prozent. Judith Williams trat in Konkurrenz zu ihrem Kollegen und bot die gleiche Summe für 40 Prozent. Sie meinte, das Produktkonzept sei noch nicht ausgereift. Die Gründerin führte dann einen Gegenvorschlag ins Feld und wollte von der Löwin wissen, ob sie mit 30 Prozent zufrieden wäre.

Williams kam ihr entgegen und sagte, sie wäre mit 35 Prozent einverstanden. Am Ende nahm Fischer aber Dümmel ins Boot. Deal für Shea Yeah.

Audory in der “Höhle der Löwen”

Der nächste, der sich in die “Höhle der Löwen wagte, war audory-Gründer Max Rose. “Ich möchte Autoren in das 21. Jahrhundert bringen”, lautete sein Ziel. Konkret hat er eine Plattform für interaktive Hörbücher erschaffen.

“Bei unseren Hörbüchern entscheidet der Nutzer, wie die Geschichte weitergeht. Er kann aktiv in das Spielgeschehen eingreifen und so den Verlauf der Handlung ändern”, konkretisierte Rose.

Nach wenigen Minuten der Geschichte bekommen die Nutzer:innen eine erste Frage gestellt und je nachdem, für welche Antwort sie sich entscheiden, geht es entsprechend weiter. Dafür braucht es die audory-App, in der Hörer:innen eine Auswahl von interaktiven Hörbüchern aus den Genres wie Krimi, Thriller, Fantasy oder Liebe bereitsteht.

audory, Höhle der Löwen
RTL / Bernd-Michael Maurer – Max Rose hat mit audory eine Plattform für interaktive Hörbücher erschaffen.

Neben den Standardinformationen für Hörbücher (Titel, Länge und eine kurze Inhaltsangabe) sind eine Altersempfehlung sowie die Anzahl der Entscheidungen, die im Verlauf der Geschichte getroffen werden können, zu finden.

70 Prozent für Autoren und Autorinnen

“Das Besondere an audory: Nachdem ich ein Hörbuch zu Ende gehört habe, kann ich es mit verschiedensten Handlungssträngen immer wieder neu anhören”, so Rose weiter. Den Autor:innen stellt der Gründer seine eigens geschriebene Software kostenlos zur Verfügung, mit der sie ihren Entscheidungsbaum entwickeln und die einzelnen Handlungsstränge eintragen können. Jene erhalten 70 Prozent der Einnahmen.

Zudem können professionelle Sprecher:innen aus der audory-Datenbank gebucht werden oder die Autor:innen vertonen ihre Hörbücher selbst. Besonders im Bereich Marketing und Vertrieb suchte Rose Unterstützung. Für ein Investment von 120.000 Euro bot der 23-Jährige 15 Prozent seiner Firmenanteile an.

Der Gründer war nicht bloß souverän bei seinem Pitch, sondern triumphierte vor den Löwen. Dümmel und Williams ärgerten sich, dass audory nicht ihr Bereich sei. Carsten Maschmeyer sagte darauf, dass Invetsoren die Nadel im Heuhaufen suchen, und dass Rose diese Nadel wäre. Er und Kofler, der ebenfalls vor Begeisterung strotzte, boten 150.000 Euro für 30 Prozent.

Dann pitchten die Juroren der “Höhle der Löwen”

Glagau folgte mit 120.000 für 15 Prozent, um es seinen Vorgängern schwerer zu machen. Danach kam es zur Diskussion zwischen den beiden bietenden Parteien, wer der bessere Partner für die Marketing-Pläne des Gründers wäre. Jener hatte vor, sich in Zukunft auf Influncer zu stürzen, die Geschichten selber schreiben und ihre Gefolgschaft mitnehmen könnten.

Daraufhin warb Maschmeyer für die Social Media-Power von Kofler und erhöhte das Doppel-Angebot auf 200.000 für 20 Prozent. Was eine höhere Bewertung darstellte, als der Gründer im Sinn hatte. Dies führte zum Deal für audory.

Ein Quartett, das verleiht

Die nächsten in der “Höhle der Löwen” waren Jan Gerlach, Christian Lehmann, Mario Drelas und Krispin Schulz. Gemeinsam haben sie toolbot entwickelt – eine automatisierte Verleihstation für Elektrowerkzeuge für alle und rund um die Uhr.

toolbot
RTL / Bernd-Michael Maurer -Krispin Schulz, Mario Drelas, Christian Lehmann und Jan Gerlach präsentierten den Löwen mit toolbot eine Verleihstation für Elektrowerkzeuge.

Die Idee dazu hatte der Industriedesigner Gerlach. Für den Ausbau seines Berliner Studios benötigte er kurzfristig eine Stichsäge. Doch das Ausleihen des Werkzeugs zeigte sich aufwändiger sowie zeit- und kostenintensiver als gedacht und schließlich entschied sich der 39-Jährige zum Kauf eines Billigprodukts.

Nachhaltigkeit im Sinn

“Dabei ist es viel besser, Werkzeug zu leihen als es zu besitzen. Dann hätte man eine größere Auswahl und eine bessere Qualität, als man sich allein leisten könnte zu kaufen oder zu verstauen. Viel nachhaltiger ist es außerdem auch, denn teilen sich 100 Menschen ein Werkzeug, lassen sich 99 Prozent der Emissionen und der Ressourcen sparen”, sagt er.

Und fuhr mit der Beschreibung der Problematik fort: “Leihen ist heute noch teuer. Für eine Tagesleihgebühr bei konventionellen Verleihern kann man ein Billigwerkzeug kaufen, das aber oft nichts taugt und schnell kaputt ist. Die Verleihstationen sind meist weit entfernt am Stadtrand, Öffnungszeiten sind beschränkt und es ist alles sehr umständlich.”

Mit der Verleihstation toolbot präsentierte das Gründerteam den Löwen ihre Lösung: Über die toolboot-Website können sich registrierte User das gewünschte Werkzeug reservieren und an der gewünschten toolbot-Station abholen. Neben dem Werkzeug sind in dem Koffer auch Akkus und Ladegeräte enthalten.

Damit bei der Rückgabe des Koffers auch die Vollständigkeit schnell und einfach gecheckt werden kann, haben die Gründer einen elektronischen Kofferdeckel entwickelt, der durch einen Scan erkennt, ob alle Teile im Koffer komplett sind. Der Leihbetrag wird als Stunden- oder Tagestarif berechnet.

Um den Werkzeugverleihroboter toolbot in ganz Deutschland aufzustellen, benötigten die vier Cottbuser 500.000 Euro und boten dafür zehn Prozent ihrer Firmenanteile ihres Unternehmens thingk.systems an.

Nach der Demonstration, wie man Werkzeuge ausleiht, stiegen alle Löwen aus, da die Bewertung zu hoch war, die Gründer keinen ausgereiften “Business Plan” vorweisen konnten und die Produktionskosten pro Box um die 24.000 Euro betrugen. Kein Deal für toolbot.

Die Abführpflaume zu Gast in der “Höhle der Löwen”

Den Abschluss der “Höhle der Löwen” bildet das Mutter-Sohn-Gespann Kerstin Hansen und Louis Lowe. Beide haben den Investor:innen ihr Produkt laxplum mitgebracht, eine fermentierte grüne Pflaume, die beim Abführen helfen soll.

Als passionierte Fastenwanderer wissen beide um die Wichtigkeit der Darmentleerung vor einer anstehenden Tour. Die bekannten, eher unangenehmen, Methoden seien die Einnahme von Glaubersalz oder Einläufe.

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RTL / Bernd-Michael Maurer – Kerstin Hansen und Louis Lowe mit ihrer laxplum-Abführ-Pflaume.

“Wir haben uns auf die Suche nach einer Alternative gemacht und haben in Südostasien eine Pflaumensorte gefunden, die, wenn sie fermentiert ist, auf natürliche Weise abführend wirken soll”, erkläre Hansen. “Nebenbei ist die Pflaumensorte bekannt dafür, dort seit Jahrhunderten bei Darmproblemen zu helfen.”

Alte chinesische Tradition

Nach der Ernte wird diese bestimmte Pflaume nach jahrhundertealter chinesischer Tradition fünf Monate lang mit Milchsäurebakterien fermentiert und anschließend getrocknet. Dabei entstehen Enzyme und Mikroorganismen, die eine positive Wirkung auf die Darmflora haben können. Zusätzlich erhält die Pflaume des Gespanns eine Ummantelung aus bestimmten Kräutern und Tees, die ihr eine anti-oxidative und Darm-stimulierende Wirkung verleihen sollen.

Doch nicht nur für Fasten-Fans soll laut Gründer-Duo laxplum geeignet sein. “Allein in Deutschland leiden ca. 20 Prozent der Menschen unter Verstopfung, und wir entdeckten, dass gerade für diese Menschen unsere Pflaumen fantastisch sind.”

In Hamburg führen beide ein Einzelhandels-Fachgeschäft, in dem sie verschiedene fermentierte Produkte sowie Kurse und Seminare zu dem Thema anbieten. Die Forderung: 75.000 Euro für zehn Prozent der Firmenanteile.

Mut musste erst gefunden werden

Als es zur Verkostung kommen sollte, zögerten die Löwen, bis auf Nils Glagau, der sich angetan vom Geschmack zeigte. Auch Williams wagte einen Bissen, was auch Dümmel dazu veranlasste, die Pflaume zu testen. Nachdem sich auch Rosberg, der kurz vor einer Zugreise stand, abzubeißen traute, stiegen drei Löwen mit lobenden Worten aus.

Glagau indes bot die 75.000 Euro für 20 Prozent. Williams vereinnahmte das Thema als ihre Expertise und wollte ebenfalls mit dem gleichen Angebot einsteigen. Am Ende gab es dann ein Kombi-Angebot der beiden Löw:innen mit 100.000 Euro für 30 Prozent. Deal für laxplum.

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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