23.08.2024
BEVERAGE

Hawara-Gründer über den Getränkemarkt: “Junge Menschen trinken viel weniger Alkohol”

Mit seinem "Hawara" mischt Fabian Kobald aktuell den heimischen Getränkemarkt auf. Im Gespräch mit brutkasten erläutert der Gründer, wie er künftig sein Business weiter ausbauen möchte und wo aktuell die Herausforderungen für sein Unternehmen am teils heiß umkämpften Markt liegen.
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Hawara-Gründer Fabian Kobald | (c) brutkasten / Fabian Krausböck

Die Wiener Likörmarke Hawara wurde vor etwa fünf Jahren von Fabian Kobald und Ralph Gänsdorfer gegründet. Mit einem Apfel-Zimt-Likör, der kurz vor der Pandemie im Jahr 2019 auf den Markt kam, begann ihre Reise in die Welt des teils stark umkämpften Getränkemarkts. ”Die Pandemie war anfangs ein Dämpfer, aber rückblickend war die Zeit sehr wichtig, weil wir die Gelegenheit hatten, unser Produkt zu überarbeiten und professionell aufzustellen“, erklärt Kobald. Heute ist Hawara österreichweit bekannt für hochwertige, rein natürliche Partyshots, die ohne künstliche Aromen und Farbstoffe auskommen.

Die Gründer Fabian Kobald und Ralph Gänsdorfer lernten sich beim Fußball kennen, und aus ihrer gemeinsamen Leidenschaft entstand die Idee, ein gemeinsames Projekt in der Alkoholbranche zu starten. So wurde die Marke Hawara geboren. Der Name, der im Wiener Dialekt “Freund” bedeutet, ist kein Zufall. „Gerade beim verantwortungsvollen Alkoholgenuss spielt Freundschaft oft eine zentrale Rolle“, erklärt Kobald. “Mit dem Hawara wollen wir das unterstreichen und Freundschaften noch mehr in den Vordergrund rücken.“

Produktpalette und Marktdurchdringung

Hawara bietet derzeit drei Sorten an: Apfel-Zimt, Kirsche und Haselnuss, jeweils in verschiedenen Flaschengrößen. „Unsere Produkte leben von der Gastronomie- und Feier-Szene, das ist für uns sehr wichtig“, betont Kobald. Die Produkte sind in Österreich gut etabliert und haben erste Supermarkt-Outlets wie beim Billa Corso gewonnen. Der Online-Shop macht derzeit etwa zehn Prozent des Umsatzes aus, wobei der Gesamtumsatz insgesamt im niedrigen bis mittleren sechsstelligen Bereich liegt. Der Likör ist bei namhaften Getränkegroßhändlern wie Ammersin und Del Fabro sowie bei Transgourmet und in ausgewählten Billa-Filialen erhältlich. In der Gastronomie wird Hawara in über 50 Wiener Lokalen angeboten.

(c) brutkasten / Fabian Krausböck

Geschäftsstrategie und Wachstum

Das Unternehmen verfolgt eine Strategie des organischen Wachstums und der Eigenfinanzierung. „Wir haben keine Schulden und keine Investoren. Wir wachsen aus dem Cashflow und das ermöglicht uns eine gesunde und nachhaltige Entwicklung“, sagt Kobald. Das Unternehmen legt großen Wert auf ein langsames, aber stetiges Wachstum, sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich. „Wir sehen uns nicht als Startup im klassischen Sinne, sondern als ein normales Business, das nachhaltig wächst.“

Aufbau des Webshops und Vertrieb

Ein wesentlicher Bestandteil der Wachstumsstrategie von Hawara ist der Aufbau eines umfassenden Webshops. “Mit unserem Online-Shop wollen wir nicht nur unsere eigenen Produkte, sondern auch eine breite Palette von Weinen und Spirituosen anbieten“, erläutert Kobald. Der Online-Shop soll bis Ende des Jahres auf rund 500 Artikel erweitert werden. “Das Ziel ist es, eine Plattform zu schaffen, die eine Nische für Gastronomen und Endkonsumenten bietet, die sonst die Produkte anders nicht bekommen.”

Über den Webshop werden mittlerweile eine Vielzahl an Getränkemarken vertrieben | (c) brutkasten / Fabian Krausböck

Der Online-Shop spielt eine zentrale Rolle, um unabhängig vom traditionellen Getränkegroßhandel zu agieren. „Wir wollen unseren Kunden den Zugang zu unseren Produkten erleichtern, auch wenn der Getränkegroßhandel sie nicht listen will“, erklärt Kobald. Durch Partnerschaften mit bekannten Herstellern wie Reisetbauer soll die Reichweite des Shops weiter erhöht werden. „Wir denken weiter und nehmen laufend neue Weingüter und Spirituosen in den Shop auf, um mehr Traffic zu generieren.“

Die Herausforderung besteht aktuell darin, den Online-Shop bekannt zu machen und Traffic darauf zu lenken. „Wir setzen auf Content-Marketing, indem wir Interviews mit Produzenten für Blog-Beiträge verfassen. Dadurch hoffen wir, dass unser Shop bei Suchanfragen weit oben erscheint“, erläutert Kobald. Eine gezielte SEO-Strategie und Kooperationen mit anderen Marken sollen ebenfalls dazu beitragen, die Reichweite zu erhöhen.

Innovation und Portfolioerweiterung

Neben den Party-Shots wurde auch das biologische Weingut Köstenberg in das Portfolio aufgenommen, das seit sieben Jahren besteht und seit Kurzem von Kobalds Eltern kommerziell betrieben wird. Darüber hinaus hat das Unternehmen eine eigene Champagner-Marke namens „Fontaine d’Henri“ in Kooperation mit einem Partnerweingut in der Champagne eingeführt. 

Der „Fontaine d’Henri“ Champagner zeichnet sich durch seine exklusive Cuvée aus 80% Chardonnay und 20% Pinot Noir aus, die drei Jahre auf der Hefe reift. „Das Design vom Etikett erinnert an einen Brunnen und spielt mit den Farben des ‚Champagne Pool‘ in Neuseeland“, erklärt Kobald. Der Champagner hat laut Kobald die Aromen von reifer Ananas, weißen Blumen und Litschi sowie zitrischen Noten.

Einführung des neuen Rums

Der neueste Zugang zum Portfolio ist der „El Compás“ Rum. „Rum ist in den letzten Jahren ein Riesenthema geworden, und nach dem Gin meiner Meinung nach das nächste große Ding“, sagt Kobald. „Es ist nicht so leicht, eigenen Rum zu machen, daher war es für uns eine größere Herausforderung und gleichzeitig reizvoller.“

(c) brutkasten

Der „El Compás“ Rum ist eine Hommage an die Seefahrt des 17. Jahrhunderts, als britische Kolonien Rum als Teil ihrer Rationen erhielten. Die Seefahrer begannen, Nüsse, Früchte und Gewürze in den Rum einzulegen, um die Haltbarkeit der Zutaten zu verlängern und gleichzeitig den Geschmack des Rums zu verfeinern. „El Compás“ wird in einer ozeanisch gestalteten Flasche mit einem pergamentartigen Etikett und einem gestickten Stoff-Badge präsentiert, der im Dunkeln leuchtet. Der Rum stammt aus der Dominikanischen Republik, reifte fünf Jahre und bietet Aromen von Bananen, grünen Walnüssen und Vanille.

Die Herausforderungen am Getränkemarkt

Die Getränkebranche ist in den letzten Jahren durch verschiedene Trends und Herausforderungen geprägt worden. „Eine der größten Herausforderungen im Getränkemarkt ist, dass junge Menschen viel weniger Alkohol trinken“, erklärt Kobald. Dieser Trend zu einem bewussteren Konsumverhalten stellt sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance dar. „Wir sehen hier Potenzial für neue Produkte, die diesen Bedürfnissen gerecht werden, wie alkoholfreie Alternativen oder Getränke mit niedrigem Alkoholgehalt.“

Ein weiterer bedeutender Trend ist die zunehmende Nachfrage nach hochwertigen, handwerklich hergestellten Produkten.”Es gibt eine wachsende Zielgruppe, die bereit ist, für Qualität und Einzigartigkeit zu zahlen. Das ist eine Chance für kleinere Produzenten, sich mit spezialisierten Produkten am Markt zu etablieren“, so Kobald. Sein Unternehmen nutzt diese Entwicklung, indem es auf natürliche Zutaten und innovative Geschmacksrichtungen setzt.

Der Gin-Hype der letzten Jahre hat sich mittlerweile etwas abgeflacht, aber Kobald sieht Rum als das nächste große Ding. “Rum ist vielseitig und bietet viele Möglichkeiten für spannende Cocktailkreationen. Das macht ihn besonders attraktiv für junge Konsumenten, die etwas Neues ausprobieren wollen“, erläutert er.

Die steigenden Produktionskosten und die Inflation sind ebenfalls Herausforderungen, die Kobald im Blick hat. „Die Teuerung ist extrem hart, weil die Leute viel sparsamer sind und nicht mehr so viele Impulskäufe tätigen. Das merken wir auch im Getränkemarkt“, erklärt Kobald. Trotzdem sieht er in der Krise auch Chancen. „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten setzen wir auf qualitativ hochwertige Produkte und eine starke Marke, um uns von der Konkurrenz abzuheben.“

Die Zukunftspläne

Für 2024 plant Hawara die Markteinführung neuer Produkte und die Expansion in die Schweiz, bevor größere Märkte wie Deutschland in Angriff genommen werden. „Wir wollen in der Schweiz anfangen, weil es ein kleiner, geografisch leicht zu steuernder Markt ist und man dort leichter einen Hype erzeugen kann“, erläutert Kobald. Langfristig strebt Hawara auch den Eintritt in Märkte wie Amerika und Großbritannien an.

Ein weiteres Ziel ist es, die Eigenproduktion auszubauen und unabhängiger zu werden. “Wir arbeiten daran, eine eigene Abfüllanlage zu haben, um flexibler zu sein und schneller auf Markttrends reagieren zu können“, erklärt Kobald. Zudem ist Hawara offen für strategische Partnerschaften. “Ein strategischer Partner könnte uns helfen, unsere Vertriebsnetzwerke zu erweitern und unsere Marken auf das nächste Level zu heben“, so Kobald.


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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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