27.11.2020

Wie haben sich Coronakrise und Lockdown auf Inklusion ausgewirkt, Gregor Demblin?

Im Vorfeld des "Innovationsabend: Österreich Digital Gestalten – Inklusion" beantwortet Gregor Demblin Fragen zum Thema Inklusion.
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myAbility
Gregor Demblin hat 2009 mit der Arbeit an myAbility begonnen. (c) Lukas Ilgner
kooperation

Am 30. November wird Gregor Demblin, Gründer und CEO von myAbility, auf dem “Innovationsabend: Österreich Digital Gestalten – Inklusion” die virtuelle Keynote zum Thema Inklusion halten. Die kostenlose Anmeldung zum Online-Event ist unter diesem Link möglich. Der brutkasten hat ihm im Vorfeld des Events in einem Q&A essentielle Fragen zu diesem Thema gestellt.

Inklusion sollte kein Selbstzweck sein: Wie können Arbeitgeber profitieren, wenn sie Menschen mit Behinderung in ihr Unternehmen integrieren?

Es stimmt, dass viele ArbeitgeberInnen Inklusion als karitativen Kostenfaktor betrachten. Tatsächlich profitieren Unternehmen aber messbar von der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, solange das im Rahmen einer durchdachten Inklusionsstrategie erfolgt. Neben dem offensichtlichen finanziellen Vorteil durch den Wegfall der Ausgleichstaxe, Förderungen und dergleichen hat das mehrere Gründe.

Unternehmen erweitern etwa ihren Talentepool und erschließen neue Zielgruppen. Sie positionieren sich im Employer Branding attraktiv nach außen und nach innen. Das heißt, dass sie nicht nur auf Menschen mit und ohne Behinderungen als Arbeitgeber attraktiver wirken, sondern, dass auch die Loyalität der bestehenden MitarbeiterInnen merkbar steigt, wenn diese merken, dass auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen wird.

Durch die Enttabuisierung von Behinderungen wird es diesen MitarbeiterInnen möglich, bisher geheim gehaltene chronische Erkrankungen und Behinderungen offen anzusprechen und notwendige Arbeitsmittel zu bekommen. Ihre Effektivität steigt und die Krankenstände im Unternehmen sinken. Wer hier übrigens geeignete Strukturen einführt, ist auch besser für die Zukunft gerüstet. Die Workforce wird älter und der Anteil von Menschen mit offensichtlichen und versteckten chronischen Erkrankungen und Behinderungen nimmt zu.

Was sind derzeit noch die größten Herausforderungen bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung?

Die größten Herausforderungen sind immer noch die Barrieren in den Köpfen der Personaler und der Unternehmensführung. Viele scheuen vor dem Thema zurück. Sie haben einmal von einem negativen Erlebnis mit einem Mitarbeiter mit Behinderung gehört und das prägt jetzt ihr Bild. Sonst haben sie keine Berührungspunkte mit dem Thema. Ein typisches Vorurteil ist zum Beispiel: Diese MitarbeiterInnen bringen keine Leistung; sie sind oft krank. Studienergebnisse belegen das Gegenteil.

Viele glauben auch, dass MitarbeiterInnen mit Behinderung nicht mehr zu kündigen sind, wenn man sie einmal eingestellt hat. Der Kündigungsschutz von sechs Monaten ist auf mittlerweile vier Jahre ausgeweitet worden – wohl genügend Zeit, um festzustellen, ob die Arbeitsleistung passt.

Die größte tatsächliche Hürde ist der Recruitingprozess selbst, der oft nicht barrierefrei gestaltet ist. Das fängt bei PDF-Unterlagen ohne Untertitel für Menschen mit Sehbehinderung an. Dann folgen Tätigkeitsbeschreibungen, die wenig Aufschluss geben über die tatsächliche Arbeit und dafür „Leistungsfähigkeit“ und „Belastbarkeit“ der BewerberInnen betonen. Das hält Talents mit Behinderungen davon ab, sich zu bewerben – nicht, weil sie nicht belastbar und leistungsfähig wären, sondern, weil das Unternehmen damit signalisiert, wenig auf die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen Rücksicht zu nehmen und weil die BewerberInnen nicht wissen können, ob sie eine unklar beschriebene Tätigkeit ausführen können.

An welchen Punkten können Startups mit innovativen Technologien einen entscheidenden Beitrag leisten?

Ich bin überzeugt, dass innovative Entwicklungen wie zum Beispiel Exoskelette für Menschen mit motorischen Behinderungen oder Implantate einen riesigen Unterschied auch in Sachen Inklusion im Berufsleben machen werden. Denn dadurch stehen Menschen mit Behinderungen viel mehr Möglichkeiten offen, in einer typischen Büroumgebung zu arbeiten. Hier bieten sich beste Chancen für innovative Jungunternehmen und Startups und ich kann nur jeden dazu ermutigen, sich mit diesem Feld zu beschäftigen. Es entwickelt sich derzeit rasant weiter!

Und abschließend, ein vorläufiges Fazit: Wie haben sich Coronakrise, Lockdown und Home-Office-Boom auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung ausgewirkt?

Corona ist für vulnerable Gruppen am Arbeitsmarkt eine besondere Bedrohung. Das gilt besonders für Menschen mit Behinderungen. Ein Blick auf die Zahlen unserer Jobplattform myAbility.jobs zeigt ein sehr interessantes Bild: Im September 2020 ist die Anzahl der Jobsuchenden mit Behinderungen im Vergleich zu 2019 um mehr als 55% in die Höhe geschossen.

Aber: wir sehen auch, dass Unternehmen ein noch nie dagewesenes Interesse an inklusiver Arbeitsweise zeigen. Durch die Digitalisierung der Arbeitswelt im Zuge des Lockdowns investieren viele Unternehmen erst jetzt in effektive und barrierefreie digitale Prozesse und paradoxerweise profitieren davon MitarbeiterInnen mit Behinderungen.

Unternehmen die auf eine diverse Unternehmenskultur setzen, schneiden übrigens gerade in der Krise deutlich besser ab. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Wir erwarten, dass unsere KundInnen, die ein eigenes Disability Management haben, in den kommenden zwei Jahren besser performen werden.

Video-Interview über Gregor Demblins Buch: “Wie ich lernte, Plan B zu lieben”

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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