06.05.2021

greenstart: Die TOP-10 Klima-Startups stehen fest

Der Klima- und Energiefonds hat am Donnerstag die zehn Finalisten von greenstart bekanntgeben. Die Startups erhalten in den nächsten Monaten eine professionelle Begleitung bei der Weiterentwicklung ihrer nachhaltigen Business-Ideen und ein Startkapital von 10.000 Euro.
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Die greenstarter lernten sich bereits in einem virtuellen Kick-Off kennen | (c) greenstart
kooperation

Ein Fahrrad-Abo, eine vegane Metzgerei oder eine ökologische Lärmschutzwand aus Schilf und Thermoholz: Das sind nur drei der zehn nachhaltigen Geschäftsideen des mittlerweile sechsten Durchgangs von greenstart, der Startup-Initiative des Klima- und Energiefonds, die in Kooperation mit dem Bundesministerium für Klimaschutz umgesetzt wird.

10.000 Euro Startkapital, Workshops & Coaching

Neben 10.000 Euro Startkapital profitieren die TOP-10 Startups laut Klima- und Energiefonds nun auch von Workshops, Coachings und einem Experten-Netzwerk zur Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle.

“Unser Ziel ist es, grüne Innovationen erfolgreich und nachhaltig in den Markt zu bringen – dazu zählen klimaschonende Business-Ideen genauso wie Projekte zur Klimawandelanpassung. Die österreichischen Klimaziele sind ambitioniert und da braucht es jede Idee, jede Innovation und jedes Projekt”, so Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, über die Zielsetzung des Programms.

Digitaler Kick-Off Workshop

Die diesjährigen TOP-10 von greenstart – Arteria Technologies, Die Pflanzerei – die vegane Metzgerei, conow, easyVEGAN, EDDI Bike, Innovation-Farm, Lignovations, Plantika, REED.uce, VeloConcerts – haben sich bei einem digitalen Kick-Off Workshop bereits kennengelernt.

greenstart bietet den zehn ausgewählten Startups nun ein halbes Jahr lang Workshops, Coachings, Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit und Betreuung durch das Netzwerk des „Impact Hub Vienna“. Anschließend stellen sich die zehn Startups erneut der Fachjury – und der Öffentlichkeit, die mittels Online-Voting ihre Favoriten wählt. Im Herbst 2021 werden aus den TOP-10 jene drei Startups präsentiert, die jeweils weitere 20.000 Euro Unterstützung für die Umsetzung ihres Business-Plans erhalten.

Das sind die TOP10 greenstarter

Arteria Technologies

Arteria Technologies baut digitale Infrastruktur für die Wärmenetze der Zukunft. Dazu entwickelt das Startup ein Netzsimulationstool („Digital Twin“), das in Echtzeit Einblicke in das dynamische Netzverhalten von Fern- und Nahwärmesystemen liefert und Effizienzpotenziale aufzeigt sowie eine Vielzahl neuer Geschäftsmöglichkeiten für Betreiber solcher Systeme erschließt. Beispiele dafür sind die Integration Erneuerbarer Energien, strategische Planung von Energieeffizienzmaßnahmen, optimale Netzerweiterung und -verdichtung, Sektorkopplung oder die Anwendung dynamischer Tarife. Die Vision von Arteria Technologies ist es, zur führenden Plattform für die Digitalisierung von Wärmenetzen im Smart City Kontext zu werden und dadurch eine 100% CO2-freie Wärmeversorgung zu ermöglichen.

conow (in Gründung)

conow – Coworking wo du es dir wünschst. conow vernetzt Menschen, Unternehmen und Gemeinden um modernes Arbeiten in nachhaltigen Coworking Spaces nahe dem Wohnort zu ermöglichen. Dadurch werden unnötiger Verkehr und somit Stau und Emissionen minimiert und die Regionen außerhalb des urbanes Raums gestärkt. Nutzer*innen können den lokalen Wunsch nach Coworking Spaces mit individuellen Präferenzen für Zusatzdienstleistungen (wie Einkaufsservice, geteiltes Lastenrad oder E-Auto, etc.) über die Plattform angeben. Durch diesen Empowerment-Ansatz wird entsprechender Bedarf aufzeigt und mit passenden RealisierungspartnerInnen gematcht. So entsteht in einem leerstehenden Gebäude ein Ort, der mehr ist als ein Coworking Space: Ein nachhaltiges Zentrum, um das Potential der Digitalisierung zu Gunsten der Umwelt zu nutzen und eine Verbesserung der Lebensqualität in alle Regionen zu bringen: ein conow Space.

Die Pflanzerei – die vegane Metzgerei

Die Pflanzerei ist die erste vegane Metzgereikette in Österreich. Anstelle von anonymen und hochverarbeiteten Produkten im Supermarkt, setzt die vegane Metzgerei auf die Nähe zu den KundInnen, regionale und saisonale Rohstoffe und transparente Lieferketten. Durch die nachhaltigen sowie natürlichen Inhaltsstoffe und die umweltschonende Herstellung kann der CO2-Fussabdruck entgegen der tierischen Varianten zwischen 78 % und 89 % reduziert werden. Im Alltag können KonsumentInnen so ihre Frühstücks- und Jausengewohnheiten beibehalten und durch nachhaltige pflanzliche Fleisch- und Wurstalternativen ersetzen.

easyVEGAN

easyVEGAN produziert Tiefkühlprodukte auf Linsenbasis, welche sich schnell und einfach mit gängigen Küchengeräten zubereiten lassen. Ob als Laibchen, Stäbchen oder Burgerpatty – die Produkte werden in Kombination mit Beilagen zu einer großen Fülle an Gerichten. Die Produkte von easyVEGAN sind zudem auch laktose-, gluten- und palmölfrei, halál und koscher. Und das Wichtigste: sie schmecken! Um den Linsen die notwendige Bindung zu verleihen, wurde ein einzigartiger Prozess entwickelt, der ohne Chemie und starker Verarbeitung die natürlichen und gesundheitlich wertvollen Produkte ermöglicht. easyVEGAN produziert die Linsenprodukte selbst und ist mit dieser spezifischen Produkteigenschaft weltweit einzigartig.

EDDI Bike

„Das Netflix des Radfahrens“: Einfach nur Fahrradfahren und keine Gedanken mehr an Wartung, Reparatur oder Diebstahl verschwenden – das bietet das innovative All-Inclusive-Abo von EDDI. Es besteht aus einem Fahrrad (dem EDDI Bike), bei dem Service und Reparaturen im monatlichen Betrag inkludiert sind. Im Schadensfall kommt EDDI und löst in weniger als 48 Stunden alle Probleme am Fahrrad. Die KundInnen müssen sich somit nie wieder Gedanken über Werkstatttermine oder Reparaturkosten machen. EDDI verfolgt das Ziel, die Mobilität nachhaltig zu prägen und damit die Städte der Zukunft aktiv mitzugestalten.

Innovation-Farm

Innovation-Farm entwickelt und produziert in einem lokalen Netzwerk in der Region die „Roundgrip“ Metallbereifung für Agrar-, Kommunal- und Baumaschinen. Mit ihrem Fertigungsnetzwerk produzieren sie Just-in-time mit kurzen Produktionswegen ein 100 % österreichisches Produkt. Die „Roundgrip“ Metallräder können gleich mit mehreren Vorteilen punkten: Sie schonen die Umwelt, weil sie den Boden belüften und somit die Wasseraufnahme fördern, laufen vibrationsfrei und dennoch mit bestem Grip um Grünland, sind voll recyclebar und haben keinen schädlichen Gummiabrieb. Außerdem haben sie eine lange Lebensdauer und durch die Selbstreinigung wird Futterverschmutzung vermieden und so die Gesundheit der Tiere gefördert.

Lignovations (in Gründung)

Lignovations bietet mit seinen kolloidalen Ligninpartikeln einen nachhaltigen, biologisch abbaubaren und unbedenklichen Ersatz für problematische synthetische Inhaltsstoffe wie UV‐Filter, Emulgatoren, Antioxidantien oder antimikrobielle Inhaltsstoffe. Das Lignin wird aus verholzter Biomasse gewonnen und mit einem patentierten Prozess in multifunktionelle, industrietaugliche kolloidale Partikel umgewandelt, die in einer Vielzahl an Endprodukten wie z.B. Sonnencremen, Lacken, Anstrichen, Holzschutz, Verpackungen und funktionellen Textilien eingesetzt werden können. Der Einsatz von nachhaltigen kolloidalen Ligninpartikeln verringert den Verbrauch fossiler Ressourcen und ersetzt Stoffe mit schädlichen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt.

Plantika (in Gründung)

Ganz nach dem Motto „Kopf hoch! Es wird grün“ produziert und entwickelt Plantika Dachbegrünungs-Module zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt. Für die Produktion der Module werden ausschließlich recycelbare oder natürliche und kompostierbare Materialien verwendet. Das patentierte Konzept ermöglicht auch die Begrünung von Blech- und Ziegeldächern. Diese bilden zwar den größten Teil der Dächer, sind aber mit den heutigen Methoden nicht begrünbar. Zudem bietet Plantika auch vertikale Fassadenbegrünung und modulare Einheiten zur Begrünung von Fensterblechen.

REED.uce – noise protection technologies

Mit dem steigenden Ausbau des Straßennetzes und der wachsenden Besiedelung von verkehrsnahen Gebieten wächst auch das Bedürfnis nach Ruhe und die Notwendigkeit für Lärmschutzmaßnahmen. Um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Lärmschutz und im Straßenbau zu leisten hat REED.uce eine 100 % ökologische Lärmschutzwand aus Schilf (engl.: reed), Thermoholz und Lehm entwickelt. Die REED.uce ökologische Lärmschutzwand bietet gegenüber konventionellen Produkten (aus Beton, Aluminium oder chemisch imprägniertem Holz) zahlreiche nachhaltige Vorteile: sie besteht aus erneuerbaren, regionalen Ressourcen, ist rückbaubar im Sinne der Kreislaufwirtschaft, senkt CO2-Emissionen und bietet ein wertvolles Zuhause für Insekten.

VeloConcerts

Die „VeloStage“ von VeloConcerts kombiniert ein E-Cargobike mit leichten, ausfaltbaren Bühnenplatten und verfügt außerdem über eine integrierte hochwertige Licht- und Tonanlage. Die Fahrradbühne ermöglicht derzeit eine Spieldauer von 6-12 Stunden, ist autark und wird von einem Akku mit 100 % Ökostrom betrieben. So können kleine bis mittelgroße Events klimaneutral durchgeführt werden. Die „VeloStage“ behebt die aktuellen Ineffizienzen beim Transport und Aufbau von Bühnen und gewährleistet gleichzeitig einen hohen professionellen Leistungsstandard, so kann Eventlogistik professionell und nachhaltig durchgeführt werden. Außerdem wird die „VeloStage“ mithilfe von lokalen Lieferanten produziert, die sich für nachhaltige Produktionsprozesse einsetzen.


* Brutkasten Earth wird als Kooperationspartner greenstart medial begleiten.

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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