12.12.2022

Grazer Startup Barometer 2022: Trotz Krise 100 neue Jobs geplant

Die Krise drückt laut Grazer Startup Barometer 2022 zwar etwas auf die Stimmung, aber die Szene bleibt optimistisch.
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Grazer Startup Barometer 2020 2021
(c) AdobeStock

Die Grazer Gründer:innen bewerten den Gründungsstandort grundsätzlich positiv, aber in nahezu allen belangen schwächer als vergangenes Jahr. Das geht aus dem Grazer Startup Barometer 2022 hervor. An der jährlichen Befragung von Ideentriebwerk, Karl-Franzens-Universität und Gründungsgarage nahmen im Sommer 81 Personen teil. Befragt wurden Gründer:innen, Startup-Interessierte, Mitarbeiter:innen von Startups, Investor:innen und Startup-Berater:innen aus dem Großraum Graz.

Leichter Rückgang in fast allen Teilbereichen

Insgesamt wird der Gründungsstandort von den Grazer Gründer:innen im Durchschnitt mit 5,10 von 7 bewertet. Das entspricht einem leichten Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (5,25). Auch in den Unterkategorien liegen die Bewertungen jeweils leicht unter den Vorjahrswerten (siehe Grafik) mit Ausnahme des Aspekts Vernetzung, der jedoch unter dem bisherigen Höchstwert aus 2019 bleibt. Den stärksten Rückgang im Vergleich zum Vorjahr gibt es im Bereich Büro-Infrastruktur.

(c) Ideentriebwerk

Weiterhin große Wachstumspläne

Nach wie vor tendenziell optimistisch, aber im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls verhaltener sind die Grazer Startups bei ihren Wachstumsplänen. 44 Prozent möchten ihren Umsatz in den nächsten drei Jahren mindestens verdoppeln (2021: 51 Prozent). 32 Prozent planen, zwischen 50 und 100 Prozent des Umsatzes zuzulegen (2021: 41 Prozent). Es bleiben also 18 Prozent der Jungunternehmen (2021: acht Prozent), die in den kommenden drei Jahren mit unter 50 Prozent Wachstum rechnen.

Derzeit beschäftigen die befragten Startups im Schnitt 6,65 Mitarbeiter:innen (3,94 Vollzeit und 2,71 Teilzeit). In den zwölf Monaten ab der Befragung zum Grazer Startup Barometer 2022 wollten die Startups mindestens 100 neue Jobs schaffen bzw. durchschnittlich 2,94 Mitarbeiter:innen pro Startup neu einstellen. Im Vergleich zu 2021 fällt dieser geplante Zuwachs deutlich niedriger aus (3,66 Mitarbeiter:innen), im Vergleich zu 2020 ist er jedoch höher (2,49 Mitarbeiter:innen). 18 Prozent der Startups erwarten für 2023 einen Mitarbeiter:innenzuwachs von mehr als fünf Personen (2021: 32 Prozent).

(c) Ideentriebwerk

Grazer Startup Barometer 2022: Internationale Vernetzung und Sichtbarkeit noch immer größte Herausforderung

Gar nicht wenige Grazer Startups wollen ihre Wachstumpläne ohne externes Kapital umsetzen. Eine Mehrheit von 65 Prozent plant allerdings eine Finanzierungsrunde in den zwölf Monaten ab Befragung. Etwa die Hälfte davon will bis zu 500.000 Euro, die andere mehr als das einsammeln. Als größten Herausforderungen sehen die Grazer Startups derzeit die Kund:innenakquise (47 Prozent), die Liquidität (38 Prozent) und die Produktentwicklung (38 Prozent). Als größte Herausforderungen am Standort Graz sehen die Startups zum wiederholten Mal die internationale Vernetzung und Sichtbarkeit.

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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