27.08.2018

Wiener Grapevine World: 30 Mio. Dollar Kapital trotz gescheitertem ICO?

Man habe das Finanzierungsziel von 30 Millionen US-Dollar erreicht, verlautbart das Wiener Startup Grapevine World nach dem ICO. Einzig: Der Token Sale ist nach objektiven Kriterien gescheitert. Wir sprachen dazu mit Chief Business Development Officer Wernhard Berger.
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Grapevine World: Gründer und CEO Martin Tiani
(c) Grapevine World: Gründer und CEO Martin Tiani

Die eigenen Gesundheitsdaten für Studienzwecke verkaufen – und das über die Blockchain. Das will das Wiener Startup Grapevine World realisieren – der Brutkasten berichtete. Zur Finanzierung wollte man sich des im Blockchain-Bereich gängigen Mittels bedienen und führte zwischen 6. Juli und 15. August einen (Public) ICO durch. Nun kam in Form einer Pressemitteilung eine Verlautbarung mit dem Titel: “Erfolgreicher ICO-Abschluss in Rot-Weiß-Rot”. Man habe das “anvisierte Finanzierungziel von 30 Millionen Dollar” – die festgelegte Hard Cap (Maximalbetrag) – erreicht.

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Soft Cap von 4,5 Mio. Dollar nicht erreicht

Also ein erfolgreicher 30 Millionen-Dollar ICO aus Österreich? Nicht ganz. Oder besser: Eigentlich gar nicht. Denn beim Public ICO, der bis 15. August lief, wurde nicht einmal die Soft Cap (Mindestbetrag) von rund 4,5 Mio. US-Dollar in Form von Ether geschafft. Nach technischen Kriterien bedeutet das: Der Token Sale ist gescheitert. Und das, obwohl der Token Sale FMA-geprüft war, von einschlägigen Seiten gute Ratings bekommen hatte und im Vorfeld sogar einen Award in Singapur geholt hatte (siehe Titelbild). “Es war für uns überraschend wenig”, räumt Chief Business Development Officer Wernhard Berger im Gespräch mit dem Brutkasten ein. Und weil man unter der Soft Cap blieb, hätten nun alle InvestorInnen die Möglichkeit, sich ihre Ether zurückzuholen. “Das haben aber nur zwei, drei gemacht”, sagt Berger.

Grapevine World Screenshot - ICO
Screenshot: Auch auf der Page wird von einem erfolgreichen ICO geschrieben.

30 Mio. Dollar: “Investitionszusagen” und Umsätze

Wie kommt es also zu der kommunizierten Summe von 30 Millionen US-Dollar? Es handle sich um “Investitionszusagen”, sagt Berger. Im Hintergrund stünden unterschiedliche Konstrukte. “Es sind teilweise Investoren und institutionelle Investoren, die sich commited haben, und vielfach Projekte, bei denen ein Letter of Intent (LoI) bereits unterschrieben ist”. Es sei zwar zu befürchten, dass nicht 100 Prozent davon realisiert würden, “aber der Großteil”. Vor allem bei den Projekten mit unterschriebenem LoI könne nicht mehr viel passieren. (Anm. der Redaktion: Bei Erlösen aus Projekten handelt es sich nach gängiger Definition nicht um Investitionen, sondern um Unternehmensumsätze). Berger verspricht, man werde am Ende kommunizieren, wie viel es tatsächlich wurde.

Grapevine World: Pilotprojekt gestartet

Im nächsten Schritt werde nun einerseits der Token (GVINE) auf “verschiedene” Exchanges gebracht, heißt es in der Aussendung. Als Beispiel bringt das Unternehmen COBINHOOD und CGCX. Außerdem laufe in den kommenden Monaten ein Pilotprojekt, bei dem man “die Kombination aus markterprobten Interoperabilitäts-Standards im Austausch von Gesundheitsdaten (IHE) und innovativer Blockchain-Technologie für die Verfolgung und Bewertung der Herkunft von Gesundheitsdaten” erproben wolle. Der Pilot sei ein Testlauf, um das Potenzial der Lösung im Rahmen einer klinischen Studie bei einem Forbes-100-Pharmaunternehmen zu belegen. Momentan seien bereits Microsoft und Telekom Deutschland unter einer “Vielzahl an Partnerunternehmen”.

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AI Landscape 2024, Wasner, Hochreiter
(c) Stock.Adobe/GamePixel - Die AI Landscape 2024 ist da.

Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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