17.03.2022

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

Eine heimische Unternehmensgruppe hat kurzfristig die Plattform GoTechPeople gegründet, um IT-Fachkräfte aus den Ländern Ukraine, Russland und Weißrussland zu unterstützen. Das Ziel: Der Aufbau eines Netzwerkes, damit EU-Unternehmen auf die IT-Dienstleistungen der geflohenen IT-Fachkräfte zurückgreifen - und diese so ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
/artikel/gotechpeople-initiator-unternehmen-haben-leute-eiskalt-fallen-lassen
GoTechPeople, IT, Ukraine, Russland, Weißrussland, Fachkräfte,
(c) GoTechPeople - Russische ITler:innen sind in Belgrad angekommen.

Es war ein beispielloser Kraftakt, den Europa mit Kriegsbeginn gestartet hat. Als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine wurden schwere politische und wirtschaftliche Maßnahmen gesetzt, Unternehmen haben sich zurückgezogen und Aufträge storniert. Während dies ein wichtiger Schritt war, um Druck auf die russische Führung auszuüben, um den Krieg zu beenden, wurde teilweise auf den einzelnen Menschen vergessen. GoTechPeople hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, Leute aus der Ukraine sowie auch aus Belarus und Russland in Sicherheit zu bringen und sie bei der “Relocation” zu unterstützen.

Bei dieser Initiative handelt es sich um eine Unternehmensgruppe rund um thebase, idwell, bonrepublic, blackfridaysale, sportnahrung und playerhunter, die aktiv geworden ist.

Plötzlich ohne Arbeit

“Wir haben Tech-Teams in der Ukraine, Weißrussland und in Russland physisch vor Ort und mussten sie in Sicherheit bringen, weil sie nicht mehr arbeiten konnten”, erzählt Mit-Initiator Martin Zapart. “Wir hatten Infrastrukturen zur Hand und Basen, womit wir die Leute bei der ‘Relocation’ unterstützen konnten. Auch ganze Familien sind mitgekommen.”

Kollektive Wut auf Russland

Exkurs: Man muss zur Einordnung hierbei bedenken, dass ein Aspekt dieses Krieges und der Entwicklung der letzten Wochen aufgetreten ist, der sich als kollektive Wut auf russische (auch weißrussische) Bürger bezeichnen lässt. Jene werden nicht nur boykottiert, sondern müssen sich im Ausland auch mit Anfeindungen und Angriffen auseinandersetzen. In ihren Heimatorten wurde ihnen zudem von einem Tag auf den anderen ihr Lebensunterhalt entzogen, weil Firmen abgewandert sind oder ihre Arbeit eingestellt haben.

So wie Statistiken selbst bei schwerwiegenden Themen immer wieder kühle Zahlen liefern, so ändert sich die Sichtweise, wagt man einen tieferen Blick in die Materie. Die Last, kein Geld mehr verdienen zu können, zielt bei der zivilen Bevölkerung des Kriegsaggressors darauf ab, den Druck auf das politische System zu erhöhen. Dies könnte bei der Betrachtung dieses Themas eine rationale Argumentationslinie sein, die aber doch und schlussendlich den einzelnen Menschen aus dem Blick verliert.

(c) GoTechPeople – Mittlerweile wurden 50 IT-Mitarbeiter:innen aus den Krisengebieten gerettet.

Auch jenen, der gegen diesen Krieg ist, schlecht oder gar nicht informiert oder keinen zweiten Gedanken beim Konsum der russischen Kriegspropaganda verschwendet. Bei Zapart schwingt durch, dass auch für solche Menschen und solche Gedanken Platz sein muss. Und man ihnen helfen soll.

GoTechPeople bringt Leute nach Wien, Bratislava und Belgrad

Mittlerweile hat GoTechPeople 50 Menschen aus den betroffenen Gebieten gerettet; sie nach Wien, Bratislava oder Belgrad gebracht. “Für russische Staatsbürger gibt es ohne Visum kaum eine Möglichkeit, irgendwohin zu gehen”, weiß der Co-Initiator der Plattform. “Wir haben in der serbischen Hauptstadt ein Hauptquartier mit Workspace und konnten bereits am Freitag nach Kriegsausbruch erste Menschen herausfliegen.”

Durch die eigenen geretteten Programmierer wurde Zapart und der ganzen Unternehmergruppe bewusst, dass das Problem der Existenzsicherung 10.000e Leute betrifft. “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen. Denen hat man salopp mitgeteilt, ‘du brauchst morgen nicht zur Arbeit kommen'”, sagt er.

IT-Fachkräfte für Unternehmen

Genau diesen Leuten möchte GoTechPeople jetzt helfen und braucht dafür Unternehmen, die betroffen sind oder sich beteiligen wollen. Um ihnen einerseits Alternativen zur Kündigung aufzuzeigen oder auch “top qualifizierte” arbeitslose IT-Fachkräfte zu vermitteln.

“Europa sucht schon lange Entwickler. Jetzt gibt es die Möglichkeit, sie zu bekommen und gleichzeitig sie zu unterstützen”, sagt Zapart. “Wir sehen die armen ukrainischen Menschen, die zerbombt werden. Männer zwischen 18 und 60 dürfen nicht ausreisen. Es gibt keine Infrastruktur, kein Internet, kein Büro und sie können nicht ‘remote’ arbeiten. Die Leute in Russland und Weißrussland haben Arbeitgeber verloren. Die Einzelschicksale in allen beteiligten Ländern sind schrecklich. Deswegen gibt es unsere Initiative.”

Bürokratie keine Lösung

Die Inanspruchnahme gängiger Bürokratie, wie die Rot-Weiss-Rot-Karte oder der Erhalt des Abreisevisums sei in diesem Fall keine Lösung, da diese Mittel zu lange dauern, bis sie bewilligt werden und Menschen kein halbes Jahr warten können, um wieder zu arbeiten, meint Zapart: “Deshalb ist es uns wichtig, dass Unternehmen jetzt wissen, dass es die Chance gibt Leute herauszuholen und für sich zu beschäftigen.”

Deine ungelesenen Artikel:
16.12.2024

“Die Zeit des Zuwartens ist vorbei”

Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
/artikel/no-hype-ki-folge-1-nachlese
16.12.2024

“Die Zeit des Zuwartens ist vorbei”

Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
/artikel/no-hype-ki-folge-1-nachlese
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

Du willst bei "No Hype KI" am Laufenden bleiben?

Trag dich hier ein und du bekommst jede Folge direkt in die Inbox!

„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

Die Partner von No Hype KI
Die Partner von No Hype KI
Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

GoTechPeople-Initiator: “Unternehmen haben Leute eiskalt fallen lassen”