12.08.2019

Fressnapf-Gründer Torsten Toeller: “Habe jeden Fehler gemacht, den man machen kann.”

Keine Theorie und keine Strategie, sondern harte Arbeit und das Lernen aus Fehlern sind die Erfolgsrezepte von Fressnapf-Gründer Torsten Toeller. Inzwischen investiert der Selfmade-Unternehmer selbst in Startups. Der brutkasten traf ihn zum Interview.
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Fressnapf CEO Torsten Toeller
(c) Fressnapf Holding SE / Yvonne Ploenes

Im Alter von 24 Jahren eröffnete Torsten Toeller den ersten Fressnapf-Markt. Heute betreibt sein Unternehmen über 1.600 Filialen in Europa und beschäftigt mehr als 12.000 Mitarbeiter. Toeller selbst hat nur kurz studiert und viele Dinge im Berufsalltag gelernt, während er Fressnapf zum Marktführer für Heimtierbedarf hochzog. Trotz allem ist er sehr bodenständig geblieben. Im Rahmen des 4gamechangers Festival 2019 traf der brutkasten ihn zu einem ungezwungenen Interview.

Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, zuerst die allerwichtigste Frage: Bist du ein Hunde- oder ein Katzenmensch?

Ich hatte immer Hunde zuhause, und gemeinsam mit meiner Frau haben wir immer Hunde vor der Tötung gerettet. Aber Katzen mag ich auch.

Du hast nicht studiert, sondern gleich nach dem Abi eine Handelslehre gemacht und dann früh dein Startup gegründet. Würdest du diesen Werdegang jungen Menschen heute auch empfehlen, damit sie sich die Hörner abstoßen?

Es ist natürlich toll, wenn man in jungen Jahren – ich war damals 24 Jahre alt – sein eigenes Startup gründen kann. Später zeigt sich dann aber, dass man nie gelernt hat, Unternehmen zu skalieren und somit dem eigenen Unternehmen beim Lernen immer ein Stück hinterher läuft. Das ist es natürlich klasse, dass heute für Menschen mit einer guten Idee so viel Wagniskapital zur Verfügung steht – das hatte ich damals nicht. Außerdem haben die Menschen heute eine andere Ausbildung als früher, und die Welt ist global geworden. Ich würde daher jedem mit einer guten Idee raten: Just do it.

“Vor dem Hintergrund war bei mir auch Vieles zufallsgetrieben.”

Fressnapf hat inzwischen über 1600 Märkte. Wie geht man vor, dass man sein Revier geschickt ausbaut?

Vom Grundsatz her würde man strategisch vorgehen und sich die großen Länder ansehen, in denen es viele Tiere gibt und die Kaufkraft hoch ist. So bin ich nicht vorgegangen, ist ja klar – denn ich habe ja jeden Fehler gemacht, den man machen kann (lacht). Vor dem Hintergrund war bei mir auch Vieles zufallsgetrieben. Wir sind zum Beispiel in Deutschland über Franchisepartner gewachsen, und so kamen potentielle Partner aus anderen Ländern, die zum Beispiel sagten, dass ein Fressnapf-Markt auch in Ungarn funktionieren würde. Und das tut er auch – aber wäre man mit einer strategischen Herangehensweise nach Ungarn gegangen? Nein. Man hätte sich eher auf die großen Märkte Deutschland, England, Frankreich, Italien konzentriert. Das habe ich nicht gemacht.

Da du sagst, dass du viele Fehler gemacht hast: Wie siehst du die Fehlerkultur in Europa, verglichen mit den USA?

In den USA gibt es natürlich viel mehr Wagniskaptal und viele Ideen, die auch in kleinen Unternehmen umgesetzt werden. Dafür lebt man damit, dass viele dieser Unternehmen auch scheitern und Geld verbrannt wird. Zugleich klopft man aber in den USA einem einst gescheiterten Gründer auf die Schulter und motiviert ihn, das nächste Startup zu gründen. In Europa, besonders in Deutschland und Österreich, haben wir hingegen diese Fehlerkultur nicht. Die VC-Kultur fehlt uns, bei der man versteht, dass manche Ideen scheitern, andere dafür aber sehr erfolgreich sind. Das macht es hier schwieriger, Unternehmen an den Start zu bringen und mit genügend Kapital auszustatten, um auch global zu bestehen. Wir haben ja hierzulande nicht weniger Ideen und nicht weniger Talente, sondern einen viel kleineren Binnenmarkt, eine Überregulierung, wenig Wagniskultur. Und das bringt uns Nachteile in der Digitalisierung dieser Welt, die immer globaler wird.

“Ich kann ja nicht über diese Probleme reden, und dann nichts tun – das wäre ja komisch.”

Zum Thema Wagniskapital: Du selbst betreibst den GENUI Private Equity Fund. Worauf zielt der genau Fonds genau ab?

Ich kann ja nicht über diese Probleme reden, und dann nichts tun – das wäre ja komisch. Gemeinsam mit anderen Fonds investieren wir also in Deutschland, Europa, den USA, aber auch in Österreich. Dadurch unterstützen wir Startups dabei, an Geld zu kommen, damit sie skalieren können. GENUI ist darüber hinaus ein von mir mit gegründeter Private Equity Fonds, mit dem wir in Unternehmen wie zum Beispiel Mymuesli, Fashionette etc. investieren. Wir suchen uns Unternehmen, die wachsen und geben ihnen Kapital. Damit versuche ich, ein die fehlende Finanzierungskultur in Europa wenigstens teilweise auszugleichen.

Finanziert ihr auch Unternehmen aus deinem eigenen Geschäftsfeld, also Heimtierbedarf?

Das machen wir mit Fressnapf selbst. Wir investieren in Ideen rund ums Tier, zum Beispiel in Hunde-Frisörsalons (Fellini), in Tierarztpraxen (Activet), z.B. das Tracking von Tieren und in digitale Services. Wir bauen also dieselben Plattform, die wir in anderen Branchen indirekt mit Venture- und Private Equity-Kapital unterstützen – nur eben in der Kategorie Heimtier.

Um welche Beträge geht es dabei?

Das  kommt immer individuell auf die Phase und Größe an. Von ein paar hunderttausend Euro bis hin zu mehreren Millionen Euro reicht die Bandbreite.

“Es macht wenig Sinn, mit einem Amazon, einem Alibaba, einem Airbnb oder einem Uber zu konkurrieren.”

Das Top-Thema für den Handel lautet: Alle gegen Amazon. Wie verteidigt ihr euer Revier?

Amerika und Asien sind in bestimmten Themen vorne. Es macht wenig Sinn, mit einem Amazon, einem Alibaba, einem Airbnb oder einem Uber zu konkurrieren. Wir müssen daher mit anderen Themen nach vorne gehen, bei denen wir Chancen haben. Es gibt Tierliebhaber, die für ihre Tiere das Beste wollen – dann gehen sie nicht in den Supermarkt oder zu Amazon, sondern kommen zu uns und sind dann in unserem Ökosystem. Wir sehen zwar, dass wir – vor allem im Internet – im Preiswettbewerb günstiger und effizienter sein müssen. Zugleich haben wir aber so viel Beratungs- und Servicequalität – und in einer Welt, in der alles digitalisiert wird, suchen die Menschen nach echten, menschlichen Beziehungen.

Gilt das Gleiche auch für Zooplus? Die sind zwar online wie Amazon, kommen aber aus Deutschland und haben sich auf Tiere spezialisiert.

Sicher hat Zooplus wegen seiner Spezialisierung ein besseres Sortiment als Amazon. Aber erstens fehlt auch hier die direkte menschliche Beratung und Beziehung. Zweitens ist Zooplus in den vergangenen Jahren immer über den Preis gewachsen. Wir werden sehen. Ob Pure Play Retailer so richtig profitabel werden können.

Ihr seid also auch kein Pure Player für Offline, sondern setzt auch auf Online?

In Deutschland sind wir mit rund 100 Millionen Euro Online-Umsatz nur für Tiernahrung und Zubehör bereits ein veritabler Player – und wir wachsen. In Österreich haben wir Online letztes Jahr ausgerollt, weitere Länder folgen. Wir werden aber die beiden Kanäle verbinden, ein größeres Sortiment online und ein kleineres Sortiment offline haben. Keiner weiß genau, was die Kundenbedürfnisse in zehn Jahren sind. Ich glaube aber, dass wir am Ende ein Geschäftsmodell haben und Geld verdienen, wenn wir alle Bedürfnisse eines Tierhalters bedienen und alle Probleme rund um die Tierhaltung lösen.

Vom “Spiegel” bist du vor ein paar Jahren mal als “harter Hund” bezeichnet worden. Wie hält man ein Rudel aus 12.000 Mitarbeitern beisammen, wie motiviert man sie?

Wer Leistung von Mitarbeitern fordert, muss Sinn bieten. Wir haben hier einen Vorteil: Tierhaltung ist sehr emotional. Ich glaube, dass die Menschen mit Tieren glücklicher sind als ohne Tiere und ich glaube an die besondere Beziehung zwischen Mensch und Tier. Und unsere Mitarbeiter wissen, dass sie mit ihrer Arbeit rund um das Thema Tiere etwas Positives tun. Wenn man zusätzlich eine Unternehmenskultur hat, die wertschätzend, offen, ehrlich und direkt ist, dann ist das ein weiterer Baustein. Gelingt uns das als Fressnapf in so einer großen Organisation immer? Nein. Aber wir versuchen, unsere Werte immer mit aller Kraft vorzuleben, das ist mir besonders wichtig. Die Mitarbeiter dürfen zum Beispiel ihre Haustiere mit zur Arbeit nehmen und mittags mit ihnen Gassi gehen. Gemessen an der Handelsbranche sind wir sicher ein richtig guter Arbeitgeber.

+++Startup-Jobs finden mit der Jobplattform des brutkasten+++

Welche Werte habt ihr dabei definiert?

Die Werte und die Kultur eines Unternehmens sind der wichtigste Erfolgsfaktor. Bei uns ist das zum Beispiel, dass wir offen, ehrlich und direkt miteinander umgehen und keine Politik machen. Wir sind verlässlich und menschlich. Wir versuchen, international zu denken und zu handeln. Es gibt also viele Werte, die bei uns verankert sind und niedergeschrieben wurden. Niederschreiben alleine hilft aber nichts, wenn die Werte nicht gelebt werden: Viele Unternehmen haben Leitbilder in der Schublade liegen, die nicht gelebt werden, und das merken die Menschen sofort. Wir sind in dieser Hinsicht nicht perfekt, aber wir sind gut und werden jeden Tag ein bisschen besser.

Abschließende Frage: Wenn jetzt ein Gründer in den Handel gehen möchte, welche Tipps gibst du ihm für sein Startup?

Das Wichtigste ist, dass er sich eine Nische sucht, die heute noch nicht besetzt ist. Es macht wenig Sinn, als Startup heute etwas wie Amazon oder Fressnapf zu kopieren. Dann muss man disruptiv sein, also Regeln brechen. Wenn man das befolgt, muss man noch fleißig sein und viel arbeiten. Es schadet auch nicht, smart zu sein. Wenn das alles klappt, hat er eine Chance, schnell zu skalieren und erfolgreich zu sein – wahrscheinlich schneller, als ich das mit Fressnapf in nun fast 30 Jahren geschafft habe.

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17.03.2025

Alexander Glätzle: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars”

Schon in der Schulzeit entfachten Bücher von Stephen Hawking Alexander Glätzles Leidenschaft für die Physik. 2022 gründete er gemeinsam mit Johannes Zeiher und Sebastian Blatt das Quantencomputer-Startup planqc. Kurz nach Gründung erhielt das Unternehmen bereits einen 30-Millionen-Auftrag.
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Alexander Glätzle | (c) planqc

Dieser Text ist zuerst im brutkasten-Printmagazin von März 2025 “Hoch hinaus” erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.

Ein neues Kapitel der Computertechnologie wird aufgeschlagen – mit einer Entwicklung, die das Potenzia hat, klassische Rechenmethoden grundlegend zu verändern. Die Rede ist von Quantencomputern: Sie basieren auf winzigen Teilchen wie Atomen oder Elektronen, die zeitgleich den Zustand „0“ und „1“ annehmen können – ein Phänomen, das uns an die Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens führt. Nach rund hundert Jahren intensiver Grundlagenforschung rückt nun die Kommerzialisierung dieser atemberaubenden Technologie in Reichweite. Dies eröffnet Potenziale für hochkomplexe Berechnungen, etwa in der Entwicklung neuer Materialien, bei der Wirkstoffsuche für Medikamente oder in der Klimaforschung. Neben Tech-Giganten wie Microsoft, IBM und Google treten auch junge Unternehmen aus Europa ins Rampenlicht – dazu gehört das in Garching bei München angesiedelte Startup planqc. Das Unternehmen wurde 2022 vom Tiroler Physiker Alexander Glätzle mitgegründet. Im Sommer 2024 gab planqc den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 50 Millionen Euro bekannt und sorgte damit international für Aufsehen.

Von Idolen der Kindheit zur Startup-Gründung

Die Leidenschaft für Physik entwickelte Glätzle schon während seiner Schulzeit. “Ich hatte einen sehr guten Physiklehrer in der Schule und habe mir damals die ersten Bücher von Stephen Hawking gekauft. Da war mir klar: Ich möchte Physik studieren.“ Diesen Wunsch setzte er in die Tat um und begann ein Studium der theoretischen Physik an der Universität Innsbruck. “Die Universität Innsbruck war damals wie heute eines der Mekkas für Quantencomputing”, so Glätzle im Gespräch mit brutkasten.

An der Universität Innsbruck forschen unter anderem die beiden weltweit führenden Quantenphysiker Rainer Blatt und Peter Zoller. Während seiner Studienzeit spezialisierte sich Glätzle auf die Themengebiete Quantenoptik und Quantensimulation und promovierte 2014. Zudem absolvierte er – ebenfalls an der Universität Innsbruck – einen Master im Fach Angewandte Ökonomie sowie die I.E.C.T Summer School von Hermann Hauser. Das Programm unterstützt angehende Unternehmer:innen darin, ihre technologiebasierten Geschäftsideen weiterzuentwickeln.

Alexander Glätzle (planqc Co-Founder und CEO), Johannes Zeiher (planqc Co-Founder und Principal Scientist), Sebastian Blatt (planqc Co-Founder und CTO | Foto: Dirk Bruniecki / planqc GmbH

Besonders prägend für die Gründung eines eigenen Unternehmens war für den heute 40-Jährigen jedoch ein Forschungsaufenthalt in Stanford – mitten im Startup-Ökosystem Kaliforniens – ließ Glätzle schnell erkennen, dass er nicht nur akademische Neugier, sondern auch Unternehmergeist in sich trägt: „Praktisch bei jedem Bier am Abend ging es um Geschäftsideen und darum, wie man sie kommerzialisieren kann.“ Zurück in Europa war der unternehmerische Funke gezündet. Er wollte die Ergebnisse der Quantenforschung in kommerziell nutzbare Lösungen überführen. „Mir war es nie genug, rein Publikationen zu schreiben oder wissenschaftlich zu arbeiten; ich wollte immer auch den Kundennutzen in den Vordergrund stellen“, so Glätzle.

Die Ausgründung und der 30-Mil­lionen-Auftrag

2022 sollte es schließlich so weit sein: Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seinen beiden Mitgründern Johannes Zeiher und Sebastian Blatt gründete er in Garching bei München das Unternehmen planqc. In Garching liegt einer der zentralen ­ Knotenpunkte im sogenannten Munich Quantum Valley, einer Initiative des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland zur großflächigen Förderung von Quantentechnologien. „Das Max-Planck-Institut erhielt Anteile bei planqc; wir können dafür die gesamte IP, das gesamte Know-how exklusiv kommerzialisieren“, erläutert Glätzle.

Gleich im Gründungsjahr 2022 schaffte planqc das, wovon andere Deep-Tech-Startups nur träumen können: einen 30-Millionen-Euro-Auftrag. Er kam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – für Glätzle ein Meilenstein, denn der Staat tritt hier als erster Kunde und wichtiger Partner auf: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars. Das braucht einen langen Atem von zehn Jahren oder mehr. Der Staat als erster Auftraggeber ist hier extrem wichtig.” Im Auftrag des DLR baut planqc einen Quantencomputer mit 100 Qubits der am Innovationzentrum in Ulm aufgestellt und die DLR-Infrastruktur angebunden werden soll. Das Ziel: Anwendungen in der Material- und Aerodynamikforschung, die das DLR mithilfe quantenmechanischer Rechenpower effizienter lösen will. Diese Referenz hilft planqc auch beim Fundraising: Wer solch einen Staatsauftrag erhält, überzeugt erfahrungsgemäß auch Geldgeber, wie Glätzle anmerkt.

Warum es neben privaten Investoren den Staat braucht

Die Geldgeber für eine Finanzierungsrunde im zweistelligen Millionenbereich sollten nicht lange auf sich warten lassen. „Es war wie Weihnachten und Ostern zusammen“, kommentiert Glätzle die große Series-A-Finanzierungsrunde über 50 Millionen Euro, die planqc im Sommer 2024 kommunizierte. Die Runde wurde vom Wiener Family Office Catron Holding angeführt. Zudem zogen auch Bestandsinvestoren wie APEX Ventures, Speedinvest, der österreichische Business Angel Markus Wagner sowie Hermann Hauser mit. „Das Family Office hat mich telefonisch kontaktiert. Es hat sich mehrere Wettbewerber von uns angeschaut und gesagt: ‘Wir wollen in planqc investieren!‘“, so Glätzle. Mit dem DeepTech & Climate Fonds (einer Initiative der deutschen Bundes­regierung) und Bayern Kapital sicherte sich planqc zudem die Unterstützung staatlicher Co-Investoren, die das private Kapital hebelten.

Derartige Fonds seien laut Glätzle essenziell, um Europas Technologiesouveränität zu sichern. “In den USA investieren Konzerne wie Google und IBM seit Jahren massiv in supraleitende Qubits und Quantenchips. Dass Europa mit Unternehmen wie planqc, AQT oder IQM ernst zu nehmende Player hervorbringt, liegt maßgeblich an diesen kombinierten Finanzierungsinstrumenten.”

USP: Quantencomputer bei Raumtemperatur

Doch worin genau liegt der besondere USP der planqc-Technologie, die renommierte Investoren anzieht? Während andere Unternehmen auf supraleitende Qubits (wie Google oder IBM) oder auf Ionenfallen (wie das österreichische Spin-off AQT) setzen, nutzt planqc „gasförmige“ oder „neutrale“ Atome als Quantenbits. Im Gegensatz zu supraleitenden Qubits benötigen neutrale Atome keine extreme Kühlung nahe dem absoluten Nullpunkt. Ein planqc-Quantencomputer könnte perspektivisch in einem kompakten Gehäuse bei Raumtemperatur arbeiten. Das ist nicht nur energieeffizienter, sondern laut Glätzle auch deutlich alltagstauglicher.

Im Labor sieht das noch recht komplex aus: Besucher:innen fällt oft als Erstes eine kleine Glaszelle auf, die von einem „Labyrinth“ aus Lasern, Spiegeln, Vakuumpumpen und Kühltechnik umgeben ist. Doch der Plan ist klar: Er lautet, die gesamte Apparatur in standardisierte Racks zu verpacken, wie man es von Server-Schaltschränken kennt. Ein solches Gerät könnte dann künftig in Hochleistungsrechenzentren integriert werden, zum Beispiel, um strömungsmechanische Simulationen für Flugzeug- und Windturbinen-Design zu beschleunigen.

Wie planqc Geld verdient

Planqc verfolgt mehrere Geschäftsmodelle. Zum einen sollen ganze Quantencomputer staatliche und akademische Einrichtungen verkauft werden. Das ist aktuell der Markt, in dem sich erste Projekte realisieren lassen und nennenswerte Budgets bereitgestellt werden. Zum anderen lockt perspektivisch der Verkauf von Rechenzeit (Quantum-as-a-Service): Anstatt Dutzende Millionen Euro in eine eigene Quanteninfrastruktur zu investieren, könnten Industriekunden stunden oder tageweise Kapazitäten mieten. Drittes Standbein: Consulting – viele Firmen wollen wissen, welche Anwendungsfälle sich für Quantencomputing lohnen und welche nicht.

“Nicht alle Probleme werden auf dem Quantencomputer besser gelöst werden“, räumt Glätzle ein. Doch überall dort, wo Quanteneffekte eine Rolle spielen – etwa in der Materialforschung oder beim Design von Medikamenten –, könnte ein riesiges Potenzial schlummern. „Man muss sich nur Richard Feynmans berühmten Satz in Erinnerung rufen: ,Wenn du Quantenprozesse berechnen willst, dann mach das auf einem Quantencomputer.”

Von Medikamenten bis zum Militär

Derzeit beschäftigt planqc rund 50 Mitarbeiter:innen – Tendenz steigend. Das Kapital aus der Series A soll bis 2026 reichen. „Wir sind offen für weitere Finanzierungsrunden, wenn das Momentum stimmt“, so Glätzle. Aktuell arbeitet das Team an Quantenalgorithmen, die speziell die Vorteile neutraler Atome nutzen sollen. So forscht man an Verfahren in der Fluiddynamik, um komplexe Strömungen zu berechnen (etwa für Flugzeugbau oder Windräder). Auch Simulationen molekularer Prozesse für die Medikamentenentwicklung sind ein vielversprechender Pfad.

Während planqc in zivilen Anwendungsfeldern vielversprechende Potenziale sieht, rückt gleichzeitig auch das Thema Dual Use in den Fokus – ein Aspekt, der zahlreiche regulatorische Herausforderungen für ein junges Startup mit sich bringt. Dual Use bezeichnet Güter, Technologien oder Wissen, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. “Natürlich kann so ein Quantencomputer auch militärisch eingesetzt werden.

Das ist klar. Seit Kurzem brauchen wir für den Export Exportkontrollgenehmigungen“, sagt Glätzle. Tatsächlich gelten Quantencomputer seit einiger Zeit offiziell als Dual-Use-Technologie, was bürokratische Hürden mit sich bringt. Für ein junges Unternehmen wie planqc bedeutet dies zusätzlichen Aufwand, um sicherzustellen, dass die Technologie künftig nicht unerlaubt in Konfliktregionen exportiert wird.

Die Achse Innsbruck-München

Mit seinen rund 50 Mitarbeitenden befindet sich planqc schon in beachtlicher Größe – Tendenz steigend. Mittlerweile verfügt planqc auch über eine Niederlassung in Innsbruck, um nicht zuletzt den Recruiting-Pool der dort an der Universität ausgebildeten Quantenphysiker:innen zu nutzen. Zudem bietet der Standort auch einen entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil im Recruiting: niedrigere Mietpreise im Vergleich zu München, wie Glätzle anmerkt.

Das Kapital aus der Series A soll bis 2026 reichen, trotzdem befindet sich Glätzle gemeinsam mit seinem Team permanent im Austausch mit interessierten Investoren. Denn Quantencomputer zu bauen erfordert viel Geld, Geduld und einen langen Atem. „Ich sehe schon ein Problem in ein paar Jahren bei größeren Runden, wenn mal 200 oder 300 Millionen Euro geraist werden müssen“, so Glätzle. Er ist aber zuversichtlich, dass Europa diese Chance nutzen kann und nicht wie bei der künstlichen Intelligenz von US-Big-Tech-Unternehmen abgehängt wird. “Ich glaube, wenn wir uns auf das berufen, was Europa wirklich kann – exzellente Forschung und exzellente Ingenieurarbeit –, und wenn wir alle zusammenhalten, dann kriegen wir das hin“, so Glätzle.


17.03.2025

Alexander Glätzle: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars”

Schon in der Schulzeit entfachten Bücher von Stephen Hawking Alexander Glätzles Leidenschaft für die Physik. 2022 gründete er gemeinsam mit Johannes Zeiher und Sebastian Blatt das Quantencomputer-Startup planqc. Kurz nach Gründung erhielt das Unternehmen bereits einen 30-Millionen-Auftrag.
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Schon in der Schulzeit entfachten Bücher von Stephen Hawking Alexander Glätzles Leidenschaft für die Physik. 2022 gründete er gemeinsam mit Johannes Zeiher und Sebastian Blatt das Quantencomputer-Startup planqc. Kurz nach Gründung erhielt das Unternehmen bereits einen 30-Millionen-Auftrag.
Alexander Glätzle | (c) planqc

Dieser Text ist zuerst im brutkasten-Printmagazin von März 2025 “Hoch hinaus” erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.

Ein neues Kapitel der Computertechnologie wird aufgeschlagen – mit einer Entwicklung, die das Potenzia hat, klassische Rechenmethoden grundlegend zu verändern. Die Rede ist von Quantencomputern: Sie basieren auf winzigen Teilchen wie Atomen oder Elektronen, die zeitgleich den Zustand „0“ und „1“ annehmen können – ein Phänomen, das uns an die Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens führt. Nach rund hundert Jahren intensiver Grundlagenforschung rückt nun die Kommerzialisierung dieser atemberaubenden Technologie in Reichweite. Dies eröffnet Potenziale für hochkomplexe Berechnungen, etwa in der Entwicklung neuer Materialien, bei der Wirkstoffsuche für Medikamente oder in der Klimaforschung. Neben Tech-Giganten wie Microsoft, IBM und Google treten auch junge Unternehmen aus Europa ins Rampenlicht – dazu gehört das in Garching bei München angesiedelte Startup planqc. Das Unternehmen wurde 2022 vom Tiroler Physiker Alexander Glätzle mitgegründet. Im Sommer 2024 gab planqc den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 50 Millionen Euro bekannt und sorgte damit international für Aufsehen.

Von Idolen der Kindheit zur Startup-Gründung

Die Leidenschaft für Physik entwickelte Glätzle schon während seiner Schulzeit. “Ich hatte einen sehr guten Physiklehrer in der Schule und habe mir damals die ersten Bücher von Stephen Hawking gekauft. Da war mir klar: Ich möchte Physik studieren.“ Diesen Wunsch setzte er in die Tat um und begann ein Studium der theoretischen Physik an der Universität Innsbruck. “Die Universität Innsbruck war damals wie heute eines der Mekkas für Quantencomputing”, so Glätzle im Gespräch mit brutkasten.

An der Universität Innsbruck forschen unter anderem die beiden weltweit führenden Quantenphysiker Rainer Blatt und Peter Zoller. Während seiner Studienzeit spezialisierte sich Glätzle auf die Themengebiete Quantenoptik und Quantensimulation und promovierte 2014. Zudem absolvierte er – ebenfalls an der Universität Innsbruck – einen Master im Fach Angewandte Ökonomie sowie die I.E.C.T Summer School von Hermann Hauser. Das Programm unterstützt angehende Unternehmer:innen darin, ihre technologiebasierten Geschäftsideen weiterzuentwickeln.

Alexander Glätzle (planqc Co-Founder und CEO), Johannes Zeiher (planqc Co-Founder und Principal Scientist), Sebastian Blatt (planqc Co-Founder und CTO | Foto: Dirk Bruniecki / planqc GmbH

Besonders prägend für die Gründung eines eigenen Unternehmens war für den heute 40-Jährigen jedoch ein Forschungsaufenthalt in Stanford – mitten im Startup-Ökosystem Kaliforniens – ließ Glätzle schnell erkennen, dass er nicht nur akademische Neugier, sondern auch Unternehmergeist in sich trägt: „Praktisch bei jedem Bier am Abend ging es um Geschäftsideen und darum, wie man sie kommerzialisieren kann.“ Zurück in Europa war der unternehmerische Funke gezündet. Er wollte die Ergebnisse der Quantenforschung in kommerziell nutzbare Lösungen überführen. „Mir war es nie genug, rein Publikationen zu schreiben oder wissenschaftlich zu arbeiten; ich wollte immer auch den Kundennutzen in den Vordergrund stellen“, so Glätzle.

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2022 sollte es schließlich so weit sein: Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seinen beiden Mitgründern Johannes Zeiher und Sebastian Blatt gründete er in Garching bei München das Unternehmen planqc. In Garching liegt einer der zentralen ­ Knotenpunkte im sogenannten Munich Quantum Valley, einer Initiative des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland zur großflächigen Förderung von Quantentechnologien. „Das Max-Planck-Institut erhielt Anteile bei planqc; wir können dafür die gesamte IP, das gesamte Know-how exklusiv kommerzialisieren“, erläutert Glätzle.

Gleich im Gründungsjahr 2022 schaffte planqc das, wovon andere Deep-Tech-Startups nur träumen können: einen 30-Millionen-Euro-Auftrag. Er kam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – für Glätzle ein Meilenstein, denn der Staat tritt hier als erster Kunde und wichtiger Partner auf: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars. Das braucht einen langen Atem von zehn Jahren oder mehr. Der Staat als erster Auftraggeber ist hier extrem wichtig.” Im Auftrag des DLR baut planqc einen Quantencomputer mit 100 Qubits der am Innovationzentrum in Ulm aufgestellt und die DLR-Infrastruktur angebunden werden soll. Das Ziel: Anwendungen in der Material- und Aerodynamikforschung, die das DLR mithilfe quantenmechanischer Rechenpower effizienter lösen will. Diese Referenz hilft planqc auch beim Fundraising: Wer solch einen Staatsauftrag erhält, überzeugt erfahrungsgemäß auch Geldgeber, wie Glätzle anmerkt.

Warum es neben privaten Investoren den Staat braucht

Die Geldgeber für eine Finanzierungsrunde im zweistelligen Millionenbereich sollten nicht lange auf sich warten lassen. „Es war wie Weihnachten und Ostern zusammen“, kommentiert Glätzle die große Series-A-Finanzierungsrunde über 50 Millionen Euro, die planqc im Sommer 2024 kommunizierte. Die Runde wurde vom Wiener Family Office Catron Holding angeführt. Zudem zogen auch Bestandsinvestoren wie APEX Ventures, Speedinvest, der österreichische Business Angel Markus Wagner sowie Hermann Hauser mit. „Das Family Office hat mich telefonisch kontaktiert. Es hat sich mehrere Wettbewerber von uns angeschaut und gesagt: ‘Wir wollen in planqc investieren!‘“, so Glätzle. Mit dem DeepTech & Climate Fonds (einer Initiative der deutschen Bundes­regierung) und Bayern Kapital sicherte sich planqc zudem die Unterstützung staatlicher Co-Investoren, die das private Kapital hebelten.

Derartige Fonds seien laut Glätzle essenziell, um Europas Technologiesouveränität zu sichern. “In den USA investieren Konzerne wie Google und IBM seit Jahren massiv in supraleitende Qubits und Quantenchips. Dass Europa mit Unternehmen wie planqc, AQT oder IQM ernst zu nehmende Player hervorbringt, liegt maßgeblich an diesen kombinierten Finanzierungsinstrumenten.”

USP: Quantencomputer bei Raumtemperatur

Doch worin genau liegt der besondere USP der planqc-Technologie, die renommierte Investoren anzieht? Während andere Unternehmen auf supraleitende Qubits (wie Google oder IBM) oder auf Ionenfallen (wie das österreichische Spin-off AQT) setzen, nutzt planqc „gasförmige“ oder „neutrale“ Atome als Quantenbits. Im Gegensatz zu supraleitenden Qubits benötigen neutrale Atome keine extreme Kühlung nahe dem absoluten Nullpunkt. Ein planqc-Quantencomputer könnte perspektivisch in einem kompakten Gehäuse bei Raumtemperatur arbeiten. Das ist nicht nur energieeffizienter, sondern laut Glätzle auch deutlich alltagstauglicher.

Im Labor sieht das noch recht komplex aus: Besucher:innen fällt oft als Erstes eine kleine Glaszelle auf, die von einem „Labyrinth“ aus Lasern, Spiegeln, Vakuumpumpen und Kühltechnik umgeben ist. Doch der Plan ist klar: Er lautet, die gesamte Apparatur in standardisierte Racks zu verpacken, wie man es von Server-Schaltschränken kennt. Ein solches Gerät könnte dann künftig in Hochleistungsrechenzentren integriert werden, zum Beispiel, um strömungsmechanische Simulationen für Flugzeug- und Windturbinen-Design zu beschleunigen.

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“Nicht alle Probleme werden auf dem Quantencomputer besser gelöst werden“, räumt Glätzle ein. Doch überall dort, wo Quanteneffekte eine Rolle spielen – etwa in der Materialforschung oder beim Design von Medikamenten –, könnte ein riesiges Potenzial schlummern. „Man muss sich nur Richard Feynmans berühmten Satz in Erinnerung rufen: ,Wenn du Quantenprozesse berechnen willst, dann mach das auf einem Quantencomputer.”

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