12.08.2019

Fressnapf-Gründer Torsten Toeller: “Habe jeden Fehler gemacht, den man machen kann.”

Keine Theorie und keine Strategie, sondern harte Arbeit und das Lernen aus Fehlern sind die Erfolgsrezepte von Fressnapf-Gründer Torsten Toeller. Inzwischen investiert der Selfmade-Unternehmer selbst in Startups. Der brutkasten traf ihn zum Interview.
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Fressnapf CEO Torsten Toeller
(c) Fressnapf Holding SE / Yvonne Ploenes

Im Alter von 24 Jahren eröffnete Torsten Toeller den ersten Fressnapf-Markt. Heute betreibt sein Unternehmen über 1.600 Filialen in Europa und beschäftigt mehr als 12.000 Mitarbeiter. Toeller selbst hat nur kurz studiert und viele Dinge im Berufsalltag gelernt, während er Fressnapf zum Marktführer für Heimtierbedarf hochzog. Trotz allem ist er sehr bodenständig geblieben. Im Rahmen des 4gamechangers Festival 2019 traf der brutkasten ihn zu einem ungezwungenen Interview.

Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, zuerst die allerwichtigste Frage: Bist du ein Hunde- oder ein Katzenmensch?

Ich hatte immer Hunde zuhause, und gemeinsam mit meiner Frau haben wir immer Hunde vor der Tötung gerettet. Aber Katzen mag ich auch.

Du hast nicht studiert, sondern gleich nach dem Abi eine Handelslehre gemacht und dann früh dein Startup gegründet. Würdest du diesen Werdegang jungen Menschen heute auch empfehlen, damit sie sich die Hörner abstoßen?

Es ist natürlich toll, wenn man in jungen Jahren – ich war damals 24 Jahre alt – sein eigenes Startup gründen kann. Später zeigt sich dann aber, dass man nie gelernt hat, Unternehmen zu skalieren und somit dem eigenen Unternehmen beim Lernen immer ein Stück hinterher läuft. Das ist es natürlich klasse, dass heute für Menschen mit einer guten Idee so viel Wagniskapital zur Verfügung steht – das hatte ich damals nicht. Außerdem haben die Menschen heute eine andere Ausbildung als früher, und die Welt ist global geworden. Ich würde daher jedem mit einer guten Idee raten: Just do it.

“Vor dem Hintergrund war bei mir auch Vieles zufallsgetrieben.”

Fressnapf hat inzwischen über 1600 Märkte. Wie geht man vor, dass man sein Revier geschickt ausbaut?

Vom Grundsatz her würde man strategisch vorgehen und sich die großen Länder ansehen, in denen es viele Tiere gibt und die Kaufkraft hoch ist. So bin ich nicht vorgegangen, ist ja klar – denn ich habe ja jeden Fehler gemacht, den man machen kann (lacht). Vor dem Hintergrund war bei mir auch Vieles zufallsgetrieben. Wir sind zum Beispiel in Deutschland über Franchisepartner gewachsen, und so kamen potentielle Partner aus anderen Ländern, die zum Beispiel sagten, dass ein Fressnapf-Markt auch in Ungarn funktionieren würde. Und das tut er auch – aber wäre man mit einer strategischen Herangehensweise nach Ungarn gegangen? Nein. Man hätte sich eher auf die großen Märkte Deutschland, England, Frankreich, Italien konzentriert. Das habe ich nicht gemacht.

Da du sagst, dass du viele Fehler gemacht hast: Wie siehst du die Fehlerkultur in Europa, verglichen mit den USA?

In den USA gibt es natürlich viel mehr Wagniskaptal und viele Ideen, die auch in kleinen Unternehmen umgesetzt werden. Dafür lebt man damit, dass viele dieser Unternehmen auch scheitern und Geld verbrannt wird. Zugleich klopft man aber in den USA einem einst gescheiterten Gründer auf die Schulter und motiviert ihn, das nächste Startup zu gründen. In Europa, besonders in Deutschland und Österreich, haben wir hingegen diese Fehlerkultur nicht. Die VC-Kultur fehlt uns, bei der man versteht, dass manche Ideen scheitern, andere dafür aber sehr erfolgreich sind. Das macht es hier schwieriger, Unternehmen an den Start zu bringen und mit genügend Kapital auszustatten, um auch global zu bestehen. Wir haben ja hierzulande nicht weniger Ideen und nicht weniger Talente, sondern einen viel kleineren Binnenmarkt, eine Überregulierung, wenig Wagniskultur. Und das bringt uns Nachteile in der Digitalisierung dieser Welt, die immer globaler wird.

“Ich kann ja nicht über diese Probleme reden, und dann nichts tun – das wäre ja komisch.”

Zum Thema Wagniskapital: Du selbst betreibst den GENUI Private Equity Fund. Worauf zielt der genau Fonds genau ab?

Ich kann ja nicht über diese Probleme reden, und dann nichts tun – das wäre ja komisch. Gemeinsam mit anderen Fonds investieren wir also in Deutschland, Europa, den USA, aber auch in Österreich. Dadurch unterstützen wir Startups dabei, an Geld zu kommen, damit sie skalieren können. GENUI ist darüber hinaus ein von mir mit gegründeter Private Equity Fonds, mit dem wir in Unternehmen wie zum Beispiel Mymuesli, Fashionette etc. investieren. Wir suchen uns Unternehmen, die wachsen und geben ihnen Kapital. Damit versuche ich, ein die fehlende Finanzierungskultur in Europa wenigstens teilweise auszugleichen.

Finanziert ihr auch Unternehmen aus deinem eigenen Geschäftsfeld, also Heimtierbedarf?

Das machen wir mit Fressnapf selbst. Wir investieren in Ideen rund ums Tier, zum Beispiel in Hunde-Frisörsalons (Fellini), in Tierarztpraxen (Activet), z.B. das Tracking von Tieren und in digitale Services. Wir bauen also dieselben Plattform, die wir in anderen Branchen indirekt mit Venture- und Private Equity-Kapital unterstützen – nur eben in der Kategorie Heimtier.

Um welche Beträge geht es dabei?

Das  kommt immer individuell auf die Phase und Größe an. Von ein paar hunderttausend Euro bis hin zu mehreren Millionen Euro reicht die Bandbreite.

“Es macht wenig Sinn, mit einem Amazon, einem Alibaba, einem Airbnb oder einem Uber zu konkurrieren.”

Das Top-Thema für den Handel lautet: Alle gegen Amazon. Wie verteidigt ihr euer Revier?

Amerika und Asien sind in bestimmten Themen vorne. Es macht wenig Sinn, mit einem Amazon, einem Alibaba, einem Airbnb oder einem Uber zu konkurrieren. Wir müssen daher mit anderen Themen nach vorne gehen, bei denen wir Chancen haben. Es gibt Tierliebhaber, die für ihre Tiere das Beste wollen – dann gehen sie nicht in den Supermarkt oder zu Amazon, sondern kommen zu uns und sind dann in unserem Ökosystem. Wir sehen zwar, dass wir – vor allem im Internet – im Preiswettbewerb günstiger und effizienter sein müssen. Zugleich haben wir aber so viel Beratungs- und Servicequalität – und in einer Welt, in der alles digitalisiert wird, suchen die Menschen nach echten, menschlichen Beziehungen.

Gilt das Gleiche auch für Zooplus? Die sind zwar online wie Amazon, kommen aber aus Deutschland und haben sich auf Tiere spezialisiert.

Sicher hat Zooplus wegen seiner Spezialisierung ein besseres Sortiment als Amazon. Aber erstens fehlt auch hier die direkte menschliche Beratung und Beziehung. Zweitens ist Zooplus in den vergangenen Jahren immer über den Preis gewachsen. Wir werden sehen. Ob Pure Play Retailer so richtig profitabel werden können.

Ihr seid also auch kein Pure Player für Offline, sondern setzt auch auf Online?

In Deutschland sind wir mit rund 100 Millionen Euro Online-Umsatz nur für Tiernahrung und Zubehör bereits ein veritabler Player – und wir wachsen. In Österreich haben wir Online letztes Jahr ausgerollt, weitere Länder folgen. Wir werden aber die beiden Kanäle verbinden, ein größeres Sortiment online und ein kleineres Sortiment offline haben. Keiner weiß genau, was die Kundenbedürfnisse in zehn Jahren sind. Ich glaube aber, dass wir am Ende ein Geschäftsmodell haben und Geld verdienen, wenn wir alle Bedürfnisse eines Tierhalters bedienen und alle Probleme rund um die Tierhaltung lösen.

Vom “Spiegel” bist du vor ein paar Jahren mal als “harter Hund” bezeichnet worden. Wie hält man ein Rudel aus 12.000 Mitarbeitern beisammen, wie motiviert man sie?

Wer Leistung von Mitarbeitern fordert, muss Sinn bieten. Wir haben hier einen Vorteil: Tierhaltung ist sehr emotional. Ich glaube, dass die Menschen mit Tieren glücklicher sind als ohne Tiere und ich glaube an die besondere Beziehung zwischen Mensch und Tier. Und unsere Mitarbeiter wissen, dass sie mit ihrer Arbeit rund um das Thema Tiere etwas Positives tun. Wenn man zusätzlich eine Unternehmenskultur hat, die wertschätzend, offen, ehrlich und direkt ist, dann ist das ein weiterer Baustein. Gelingt uns das als Fressnapf in so einer großen Organisation immer? Nein. Aber wir versuchen, unsere Werte immer mit aller Kraft vorzuleben, das ist mir besonders wichtig. Die Mitarbeiter dürfen zum Beispiel ihre Haustiere mit zur Arbeit nehmen und mittags mit ihnen Gassi gehen. Gemessen an der Handelsbranche sind wir sicher ein richtig guter Arbeitgeber.

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Welche Werte habt ihr dabei definiert?

Die Werte und die Kultur eines Unternehmens sind der wichtigste Erfolgsfaktor. Bei uns ist das zum Beispiel, dass wir offen, ehrlich und direkt miteinander umgehen und keine Politik machen. Wir sind verlässlich und menschlich. Wir versuchen, international zu denken und zu handeln. Es gibt also viele Werte, die bei uns verankert sind und niedergeschrieben wurden. Niederschreiben alleine hilft aber nichts, wenn die Werte nicht gelebt werden: Viele Unternehmen haben Leitbilder in der Schublade liegen, die nicht gelebt werden, und das merken die Menschen sofort. Wir sind in dieser Hinsicht nicht perfekt, aber wir sind gut und werden jeden Tag ein bisschen besser.

Abschließende Frage: Wenn jetzt ein Gründer in den Handel gehen möchte, welche Tipps gibst du ihm für sein Startup?

Das Wichtigste ist, dass er sich eine Nische sucht, die heute noch nicht besetzt ist. Es macht wenig Sinn, als Startup heute etwas wie Amazon oder Fressnapf zu kopieren. Dann muss man disruptiv sein, also Regeln brechen. Wenn man das befolgt, muss man noch fleißig sein und viel arbeiten. Es schadet auch nicht, smart zu sein. Wenn das alles klappt, hat er eine Chance, schnell zu skalieren und erfolgreich zu sein – wahrscheinlich schneller, als ich das mit Fressnapf in nun fast 30 Jahren geschafft habe.

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(c) Adobe Stock - Axel Bueckert

Ein Startup-Studio nach Vorbild von Rocket Internet sollte es werden. Acht Startups in vier Jahren aufzubauen lautete der Plan in Zahlen des Wiener Startup-Studios Trive Studio. Und die Zeichen standen gut. Es war Jänner 2022, die Boomphase seit Ende 2020 war in vollem Gange und niemand sollte ahnen, dass diese mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein jähes Ende finden würde.

“Es gab noch nie eine bessere Zeit, um etwas zu gründen. Denn aktuell passen alle Rahmenbedingungen, man muss es nur tun”, sagte Trive Studio-Gründer Martin Sirlinger damals zum offiziellen Start im brutkasten-Interview. Das erste Startup des Studios – Emma Wanderer – war bereits einige Monate zuvor gelauncht worden.

Liquidation von Holding-Gesellschaft trive studio GmbH & Co KG

Doch keine drei Jahre später ist es mit dem “ersten Vollblut-Startup-Studio Österreichs”, wie Sirlinger es damals nannte, vorbei. Die trive studio GmbH & Co KG, die als Holding-Gesellschaft fungiert hat und namhafte Investoren, darunter Hansi Hansmann, an Bord hatte, wird liquidiert.

Unter der Hand gegenseitige Kritik nach Konkursen und Übernahme

Die Bilanz: Zwei Startups wurden gegründet, in ein weiteres investiert. Von diesen drei Startups wurde eines verkauft, die beiden anderen mussten Konkurs anmelden. Begleitet wurden diese Vorgänge von Kritik an Sirlinger und der Arbeit von Trive Studio – immer unter der Hand. Von Trive Studio gab es auf brutkasten-Anfrage kein öffentliches Statement dazu. Ein geplantes Interview kam nicht zustande. Fest steht: Zumindest einige der involvierten Akteur:innen gingen nicht im Guten auseinander.

Pluz Care lebt weiter, Emma Wanderer kürzlich neu gestartet

Dabei leben im Trive Studio geschaffenen Ideen auf die eine oder andere Weise weiter. Emma Wanderer startete kürzlich mit dem alten Gründer:innen-Team und einem neuen Konzept erneut. Pluz Care, das zweite im Studio gegründete Startup, besteht als Teil des Wiener Startups Teledoc, von dem es 2023 übernommen wurde, weiter. Doch Sirlingers Anfang 2022 formuliertes Ziel, zu “beweisen, dass das Studio-Modell als Assetklasse für Investor:innen sehr spannend sein kann und in der Lage ist, mit dem klassischen VC-Modell mitzuhalten”, kann wohl als gescheitert angesehen werden.

Statement von Trive-Studio-Gründer Martin Sirlinger

Edit: Nach Veröffentlichung dieses Artikels erhielt brutkasten ein Statement von Trive-Studio-Gründer Martin Sirlinger, das folgend im Wortlaut wiedergegeben wird:

“Die Liquidation der trive studio GmbH & Co KG ist der letzte Schritt eines geordneten Rückzugs. Er erfolgt aufgrund der Nichterreichung unserer gesetzten Ziele. Diese Maßnahme ist leider ebenso notwendig wie unausweichlich.

Das Studio-Modell per se zu kritisieren, trifft zu kurz. Externe Faktoren, wie etwa die Verschlechterung der makroökonomischen Lage, als auch interne Entwicklungen waren im Nachhinein betrachtet wesentlich ausschlaggebender.

Alle Beteiligten haben aus meiner Sicht ihr Bestes gegeben und es sind auch gute Dinge passiert, auf die man in Zukunft aufbauen kann.”

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