10.09.2019

Startup-Ökosystem richtet Empfehlungen an kommende Regierung

Die Austrian Angel Investors Association (aaia), AustrianStartups und die Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) präsentierten am Montagabend in Wien ein Positionspapier mit Empfehlungen an die kommende Bundesregierung, die zur Stärkung des österreichischen Wirtschaftsstandorts und Startup-Ökosystems beitragen sollen. Dazu zählen beispielsweise die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, die Schaffung einer neuen Rechtsform für Startups sowie steuerliche Anreize für VC-Investments.
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Startup-Ökosystem
(c) Martin Pacher / der brutkasten: Philipp Kinsky, Oliver Holle (Speedinvest), Hansi Hansmann, Markus Raunig (AustrianStartups), Lisa Fassl (aaia), Eric Demuth (Bitpanda) und Rudolf Kinsky (AVCO)

Bis zur Nationalratswahl sind es noch rund drei Wochen. Die Parteien stehen mittlerweile im Intensivwahlkampf und versuchen Wahlkampfthemen zu besetzen sowie ihre Positionen in der Öffentlichkeit zu lancieren. Jedoch nicht nur die Parteien versuchen ihre Forderungen prominent zu platzieren, sondern auch Interessenvertreter, Verbände und Think Tanks. Unter ihnen sind auch Vertreter und Organisationen des österreichischen Startup-Ökosystems.

+++ Das sind die wichtigsten Eckpunkte der “Startup-Initiative” der Regierung +++

Am Montagabend präsentierten die Austrian Angel Investors Association (aaia), AustrianStartups und die Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) das sogenannte “Visionspapier 2025″ mit Empfehlungen an die kommende Bundesregierung, die zur Stärkung des österreichischen Wirtschaftsstandorts und Startup-Ökosystems beitragen sollen. Darunter fallen beispielsweise eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, steuerliche Anreize für VC-Investments oder die Schaffung einer neuen Rechtsform für Startups.

+++ Offener Brief an Regierung: aaia fordert Dachfonds und “AG Light” +++ 

Wie Lisa Fassl von der aaia erläutert, bestehen gewisse Empfehlungen einzelner Think Tanks aus dem Startup-Ökosystem schon seit geraumer Zeit, die von Seiten der Politik allerdings nur teilweise bis gar nicht umgesetzt wurden. Nun wurden diese Empfehlungen erstmals in einem einheitlichen Positionspapier in Zusammenarbeit von aaia, AustrianStartups und der AVCO zusammengefasst. Dabei hätte man sich bewusst dazu entschieden, mit den Empfehlungen bereits vor der Regierungsbildung an die Politiker heranzutreten. “Wir wollten erstmals ein gemeinsames Papier vorlegen, um bereits vor der Regierungsbildung ein gestärktes Profil zu haben”, so Fassl.

Im Rahmen der Präsentation waren auch Vertreter aus dem österreichischen Startup-Ökosystem anwesend, wie Business Angel Hansi Hansmann, Bitpanda Co-Founder & CEO Eric Demuth, Oliver Holle von Speedinvest sowie der österreichische Startup-Pionier und Rechtsanwalt Philipp Kinsky. Sie erläuterten, welche gesetzlichen Problemstellungen aktuell vorherrschen und welchen Effekt diese auf das operative Geschäft haben.

Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte

Wie Demuth betonte, bedarf es einer umgehenden Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Im Moment ist er mit Bitpanda international auf Suche nach qualifizierten UI- und UX-Designern, wobei er nach Antragsstellung teilweise bis zu fünf Monate auf einen Bescheid warten muss.

Dieser Umstand führe dazu, dass talentierte Fachkräfte von anderen Firmen im Ausland abgeworben werden. Konsequenz des Fachkräftemangels für sein Unternehmen: Dringend anstehende Projekte müssten aufgeschoben werden. Auch Hansmann sieht hier großen Aufholbedarf, da die bürokratischen Hürden den nötigen Speed killen würden, den man bei der Besetzung neuer Stellen in der Startup-Branche benötige.

Das “Visionspapier 2025” sieht vor, dass der Entscheidungsprozess drastisch beschleunigt wird und binnen zwei Wochen nach Antragstellung eine Entscheidung vorliegt. Markus Raunig von AustrianStartups verwies darauf, dass es in der Europäischen Union bereits erfolgreiche Best-Practice-Beispiele gebe, wie in Berlin mit dem Business Immigration Service (BIS) oder in Frankreich mit der Initiative La Fench Tech.

Um Fachkräfte künftig nach Österreich zu holen, sollen zudem Behördengänge auf Englisch möglich sein. Das Antragsformular der Rot-Weiß-Rot-Karte ist beispielsweise bis dato nur auf Deutsch verfügbar, was für Neuankömmlinge enorme Hürden mit sich bringt. Auch die Kriterien für die Entscheidung, ob eine Rot-Weiß-Rot-Karte gewährt wird, bedarf einer Reform – darunter fallen unter anderem Studienabschlüsse oder der Nachweis von Sprachkenntnissen.

Digitalisierung des Gründungsprozesses

Neben Maßnahmen, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken sollen, verwies Fassl auch auf die Notwendigkeit Unternehmensgründungen zu digitalisieren. Gründungen seien noch immer zu zeit- und kostenintensiv, da gewisse Behördengänge nur durch physische Anwesenheit erledigt werden können, so Fassl.

“Um den Gründungsprozess zu beschleunigen, die Transparenz zu erhöhen sowie die Komplexität und damit verbundene Kosten zu reduzieren, empfehlen wir die Digitalisierung des Gründungsprozesses. Dieser soll alle notwendigen Schritte zur Gründung eines Unternehmens in Österreich – von beispielsweise der Prüfung der Gewerbeberechtigung, über den Notariatsakt bis zur Eintragung ins Firmenbuch – abbilden und zentral organisieren”, so die Empfehlung im “Visionspapier 2025”.

Schaffung einer neuen Rechtsform für Startups

Eine Empfehlung, die im Rahmen der Präsentation des “Visionpapiers 2025” besonders hervorgehoben wurde, ist die Schaffung einer neuen Rechtsform für Startups. Wie die Anwesenden kritisierten, bestehe derzeit keine Rechtsform, die den Anforderungen von “wachstumsorientierten Jungunternehmen” nachhaltig gerecht wird.

Die meisten Startups würden nämlich als GmbH gegründet, was jedoch Nachteile im internationalen Wettbewerb mit sich bringen würde. Dazu zählen beispielsweise die Umstände, dass Mitarbeiter bis dato nur steuerlich unattraktiv am Unternehmen beteiligt werden können sowie die kostenintensive Bürokratie durch den gesetzlich verpflichteten Notariatsakt. Zudem würde die Komplexität einer GmbH internationale Investoren oft abschrecken.

Die Vorteile, die diesbezüglich eine AG mit sich bringen würde, können Gründer von Startups in der Regel nicht nutzen. Dies ist in erster Line auf die hohe Stammeinlage, laufende Reportingpflichten oder die Errichtung eines kostspieligen Aufsichtsrates zurückzuführen, der insbesondere für frühphasige Unternehmen kaum finanzierbar sei.

Um dies zu umgehen, soll die sogenannte AG Light als eine neue Rechtsform geschaffen werden, die sowohl die Vorteile einer GmbH, als auch einer AG verbindet. Dazu heißt es: “Wir empfehlen daher die Einführung einer neuen Form von Kapitalgesellschaft mit einem reduzierten Stammkapital von 20.000 Euro, ein leicht zu implementierendes Mitarbeiterbeteiligungsmodell, geringere Formalismen bei der Berichterstattung und Erleichterungen bei Kapitalmaßnahmen.”

Startup-Ökosystem: Stärkung des Kapitalmarktes

Eine weitere Empfehlung, die schon seit geraumer Zeit existiert, bezieht sich auf die Stärkung des Kapitalmarkts – insbesondere für Risikokapital-Investments. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie beispielsweise Großbritannien, gebe es laut Fassl hierzulande noch großen Aufholbedarf.

Teil der Empfehlung ist die Errichtung eines 300 Millionen Euro schweren Dachfonds, der auf die Stärkung des Innovations- und Wirtschafstandorts abzielt. Dieser soll privatwirtschaftlich organisiert sein und in Zielfonds investieren, die wiederum ihrerseits Startups sowie KMU in der Wachstumsphase durch Eigenkapital finanzieren.

Zudem heißt es im Papier: “Um die Erstinvestition österreichischer, institutioneller Investoren in die Assetklasse Private Equity zu erleichtern und um längst fällig auch international aufzuschließen, sollte der Bund für einen Teil eine Ausfallbürgschaft übernehmen.”

Entrepreneurship und Startup-Beirat

Eine Forderung, die auf eine Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins gegenüber Unternehmertum abzielt, beinhaltet “Entrepreneurial Education”. Im Rahmen von österreichweiten Entrepreneurship-Wochen sollen Schüler aller Bildungsstufen lernen, wie sie wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme erkennen, Ideen entwickeln und daraus erste Prototypen bauen.

Jedoch bedarf es laut aaia, AustrianStartups und der AVCO auch in der Politik einer stärken Bewusstseinsbildung, um das Thema langfristig zu verankern. Dies sollte über die Schaffung eines eigenen Startup-Beirats erreicht werden, der laut Raunig beispielsweise im Bundeskanzleramt angesiedelt werden könnte. Der Rat soll aus erfahrenen Gründern, Ökosystem-Experten und Finanzmarkt-Beauftragten bestehen und monatlich zusammenkommen. Zu den Aufgaben könnte neben einer Bewusstseinsbildung auch die Positionierung des Standorts in der internationalen Tech-Szene zählen.


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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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