20.12.2022

Flinn: Ex-N26-Mitarbeiter holen 1,8 Mio. Pre-Seed-Finanzierung – Speedinvest dabei

Das Startup mit Hauptsitz in Wien will Compliance-Prozesse für Hersteller von Medizintechnik und die Pharmabranche automatisieren. Speedinvest und SquareOne aus Berlin führen die nun abgeschlossene Pre-Seed-Runde an.
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die Gründer von Flinn
die Gründer von Flinn: Hasib Samad, Bastian Krapinger-Rüther und Markus Müller | Foto: Flinn

Wer Medizinprodukte herstellt, muss strengen Anforderungen erfüllen – und seit Mai 2021 sind diese aufgrund der EU-Verordnung über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR) noch einmal etwas anspruchsvoller geworden. “Derzeit gilt sie für Neuprodukte, aber ab Mitte 2024 sind dann auch alle Bestandsprodukte betroffen”, sagt Bastian Krapinger-Rüther vom Wiener Startup Flinn im Gespräch mit dem brutkasten. Die Verordnung sei zwar sinnvoll, um die höchsten Sicherheitsstandards zu gewährleisten, aber sie erhöhe Komplexität und Kosten für die Hersteller von Medizinprodukten erheblich.

Genau hier kommt Flinn ins Spiel: Das von drei ehemaligen N26-Mitarbeitern gegründete Unternehmen will mit seiner Software-as-a-Service-Lösung Abhilfe schaffen.

Dafür holten die drei Gründer Bastian Krapinger-Rüther, Markus Müller und Hasib Samad nun auch bereits ein Pre-Seed-Investment: 1,8 Mio. Euro hat Flinn aufgenommen. Als Leadinvestoren sind Speedinvest sowie der Berliner Frühphaseninvestor SquareOne (früher bekannt als Paua Venture) beteiligt. Dazu haben noch mehr als zehn Business Angels aus der Medizintechnik-Branche sowie der Startup-Szene investiert.

KI-gestützte Automatisierung von Datenerfassung und -auswertung

Die Software von Flinn soll das Qualitätsmanagement für regulatorische Angelegenheiten vereinfachen. Sämtliche Prozesse können dabei von einem einzigen Tool aus orchestriert werden, stellt das Startup in Aussicht. Das erste Produktangebot werde sich dabei auf KI-gestützte Automatisierung der wichtigsten Teile der Datenerfassung, -auswertung und -berichterstattung konzentrieren, teilte das Startup anlässlich des Investments mit. Verglichen mit Konkurrenzprodukten sei das Produkt von Flinn “sehr modular und integrationsfreundlich”, heißt es vom Unternehmen.

Mit der Software-Lösung soll es somit möglich sein, die notwendigen Compliance-Prozesse deutlich effizienter zu gestalten. Das Unternehmen spricht dabei sogar von einer möglichen Effizienzsteigerung um das Zehnfache. Flinn zielt dabei nicht nur auf Probleme ab, die sich aus der EU-Verordnung über Medizinprodukte ergeben. Letztlich will das Startup zur vollständigen Digitalisierung von Arbeitsläufen in der MedTech- und auch der Pharmabranche beitragen.

Los geht’s aber vorerst mit dem ersten Produkt. Dieses ist mit Betakunden bereits im ersten Halbjahr 2023 im Einsatz. Im zweiten Halbjahr soll dann der breite kommerzielle Start erfolgen. Schritt für Schritt soll mittelfristig das Produktangebot erweitert werden. “Wir wollen ein gesamtes elektronisches Qualitätsmanagement-System anbieten”, sagt Cofounder Krapinger-Rüther im Gespräch mit dem brutkasten.

Drei Gründer mit N26-Background

Alle drei Gründer waren in der Vergangenheit für die Neobank N26 mit Sitz in Berlin tätig: Markus Müller war zwischen 2015 und 2017 “Head of Product” bei N26. Hasib Samad war ebenfalls in diesen drei Jahren bei dem Berliner Fintech, zuletzt als “Head of Mobile”. Bastian Krapinger-Rüther wiederum war 2015 drei Monate als “Entrepreneur in Residence” im Produktmanagement bei N26 tätig.

Bekannter in der Startup-Szene ist Krapinger-Rüther aber für seine Rolle als CEO von Carbomed, die er bis Anfang 2022 inne hatte. Das Grazer Startup hinter dem Atemluft-Fruchtbarkeitsmesser breathe ilo hatte im Herbst 2020 ein Investment in der Höhe von 3 Mio. Euro aufgenommen. Zuvor hatte das FemTech-Unternehmen 2019 bei “2 Minuten 2 Millionen” die Investoren Martin Rohla, Hans-Peter Haselsteiner und Leo Hillinger überzeugt.

Müller und Krapinger-Rüther kannten sich auch schon vor ihrer Zeit bei N26. Sie hatten Anfang der 2010er-Jahre gemeinsam beim Restaurant Viereck zusammengearbeitet, das damals in Medienberichten als “Österreichs erstes Tablet-Restaurant” bezeichnet wurde. “Das haben wir mehrere Jahre neben dem Bachelor-Studium betrieben. Wir haben immer gewusst, dass wir später noch einmal gemeinsam gründen wollen”, sagte Krapinger-Rüther im Gespräch mit dem brutkasten. Als Nebenprojekt arbeiteten die beiden zudem an der digitalen Restaurant-Lösung “Smartmenu”.

Leadinvestoren Speedinvest und SquareOne

Erfreut ist man naturgemäß auch auf Investor:innen-Seite. Speedinvest-Partnerin Andrea Zitna kommentiert das Investment folgendermaßen: “Regulierungs-, Qualitäts- und Compliance-Prozesse in der Medizintechnik und Pharmazie gehören zu den wichtigsten, aber auch zu den am wenigsten transparenten und automatisierten Prozessen. Mit der Einführung der MDR in der EU sind die ohnehin schon hohen Kosten und die Komplexität für Unternehmen bei der Einführung und Verwaltung medizinischer Produkte in die Höhe geschnellt. Wir freuen uns, Flinn bei seiner Mission, dies zu ändern, zu unterstützen”.

Speedinvest hatte erst in der Vorwoche den neuen Fonds “Speedinvest 4” vorgestellt. Bei der Präsentation hatte CEO Oliver Holle bereits verraten, dass die Venture-Capital-Gesellschaft zuletzt in Österreich drei Investments in Startups von ehemaligen Mitarbeiter:innen von Unicorns getätigt hat. Mit consola.finance, einem von früheren Bitpanda-Mitarbeitern gegründetem Unternehmen, war bisher allerdings nur eines davon bekannt.

Beim zweiten Leadinvestor SquareOne freut man sich ebenfalls auf die gemeinsame Arbeit mit dem Startup – und verweist auf die lange persönliche Verbindung zu einem der Cofounder: “Wir kennen Markus seit acht Jahren und es ist für uns besonders erfreulich, mit ehemaligen SquareOne-Analysten zusammenzuarbeiten, wenn sie neue Unternehmen gründen”, sagt Federico Wengi von dem Berliner Frühphaseninvestor, der früher als Paua Ventures bekannt war.

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OVE, LCM
(c) OVE/Fürthner - (v.l.) Johann Hoffelner, Josef Passenbrunner und Hubert Mitterhofer von LCM.

Seit August des heurigen Jahres hat das LCM mit Johann Hoffelner einen neuen CEO – brutkasten berichtete. Rund drei Monate später darf man sich über den OVE Innovation Award freuen.

Pankl Turbosystems beschäftigt sich mit Brennstoffzellen-Luftversorgungssystemen (FCAS – Fuel Cell Air Supply) sowie mit elektrisch unterstützten Abgasturboladern (EAT – Electrically Assisted Turbocharger) für Kleinserien. Weil aber Turbosysteme technologisch extrem anspruchsvoll sind, setzt die Mannheimer (Deutschland) Firma bei der Optimierung spezieller Komponenten auf externe Entwicklungspartner.

LCM mit Neuauslegung des E-Motors

“Die Elektromotoren für den Antrieb der Verdichterräder sind das Herzstück in FCAS-Systemen. Mit der kompletten Neuauslegung dieses Elektromotors hat LCM einen unentbehrlichen Beitrag zum gelungenen Innovationssprung und Wettbewerbsvorsprung geleistet”, erklärt Pankl Turbosystems-Geschäftsführer Gerhard Krachler.

Konkret hat es neun Monate gedauert, bis das LCM-Team rund um Hubert Mitterhofer und Josef Passenbrunner die ersten Funktionsmuster für den Elektromotor lieferte. Diese erfüllten die Erwartungen von Pankl und liefern Drehzahlen von bis zu 140.000 U/min und eine Nennleistung von 22kW. In diesem Sinne könnte ein FCAS von Pankl Turbosystems, in dem ein von LCM ausgelegter Motor arbeitet, schon bald bei einem Stratosphärenflug an Bord sein, heißt es.

Im Auftrag der britischen Stratospheric Platforms Ltd, eines Herstellers von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt, hat Pankl gemeinsam mit weiteren internationalen Unternehmen an der Entwicklung eines unbemannten Zero-Emission-Flugobjekts gearbeitet: “Selbst wenn dieses Projekt noch in einem sehr frühen Stadium ist, unterstreicht es die enorme Dynamik in der Brennstoffzellen-Technologie”, so Krachler weiter.

“Begrenzter Bauraum”

So unterschiedlich die Einsatzgebiete der FCAS sind, haben sie doch eine Gemeinsamkeit: Der Bauraum ist immer extrem begrenzt. Mithilfe der LCM-Software-Plattform “SyMSpace” konnte aus dieser Not eine Tugend gemacht werden. Damit wurden alle Komponenten – von der Baugröße des Motors über die Materialauswahl bis zur Dimensionierung jedes Bauteils – so aufeinander abgestimmt, dass die errechnete Motorauslegung nicht mehr verbessert werden kann, wie es in einer Aussendung heißt.

“Aus mehreren tausenden Varianten entsteht auf diese Art ein Elektromotor in der geforderten Baugröße, der in der Simulation 97 Prozent Wirkungsgrad erreicht. Es lässt sich kein Parameter weiter verbessern, ohne einen anderen zu verschlechtern”, erklären Passenbrunner und Mitterhofer.

Welches enorme Potential Brennstoffzellen haben, unterstreicht auch das Projekt SkalTABs (skalierbares Thermomanagement und Antriebsstrang für Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge). In dem vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekt arbeiteten mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) neben Infineon, GreenIng, AVL LIST und MACCON auch Pankl Turbosystems zusammen.

Das Ziel war es, für mittelständische Unternehmen und Fahrzeughersteller mit kleineren Stückzahlen einen Baukasten für verschiedene Leistungsstufen eigener Brennstoffzellensysteme zu erforschen: “Selbstverständlich war auch unser gemeinsam mit LCM entwickeltes FCAS mit an Bord”, sagt Krachler. Weitere Förderprojekte für Antriebssysteme im Megawatt-Bereich werden gerade vorbereitet.

Award für LCM mit Signalwirkung

Dass LCM und Pankl Turbosystems für ihr Projekt mit dem OVE Innovation Award ausgezeichnet werden, hat für Hoffelner Signalwirkung. Gerade bei nicht-fossilen Antriebtechnologien sei Reichweite das entscheidende Kriterium: “Reichweite ist immer eine Frage der Effizienz. Je effizienter Antriebsysteme arbeiten, desto mehr Reichweite ist möglich. Mit der Zusammenarbeit am FCAS haben wir die Grenzen des Möglichen gemeinsam ein wenig verschoben”, sagen Hoffelner und Krachler.

Bernhard Jakoby, OVE-Juryvorsitzender und Vorstand des Instituts für Mikroelektronik und Mikrosensorik an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU), begründet die Entscheidung LCM zu prämieren wie folgt: “Das ausgezeichnete Projekt zeigt wieder einmal, dass es in Österreich gelingt, innovative Technologien aus der Forschung in die Praxis zu bringen und am Weltmarkt zu etablieren.”

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